ZU DIESEM BUCH

Kinder betreffen uns alle: gestern, heute und morgen. Die Eltern, Mutter und Vater, die Familie oder andere gewählte Formen des Zusammenlebens, unsere Gesellschaft und der Staat, sie alle haben Bedeutung für unsere Kinder. Ihre Rollen jedoch sind unterschiedlich. Eine Gesellschaft ohne Kinder ist um ihre natürliche Zukunft ärmer gemacht.

Die Autoren dieses Buches zielen auf die aktuelle Diskussion um Betreuungskonzepte, Ganztagsunterbringung, Kitas und ganztägliche Beschulung unserer Kinder ab. Sie gehen mit klarer Sprache, gleichfalls konsequent und unverhohlen mitten hinein in die Themenstellung unserer Zeit und stellen die herausgehobene Bedeutung von Mutter und Vater fürs Kind “vom Kopf wieder auf die Beine“. Es geht ums Primat elterlicher Erziehung.

Das Buch ist genauso ein praktischer Ratgeber für den Orientierung Suchenden wie andererseits ein Impulsgeber fürs Besinnen auf die natürlichen Werte und Kräfte im täglichen Umgang mit unseren Kindern bzw. deinem Kind.

Es zeigt an wie darüber am Ende hohe Kosten in der öffentlichen Erziehung gespart werden können – und zwar genau in der Reihenfolge. Unser Erziehungs- und Bildungssystem ist in seiner jetzigen Form im Kern nicht nur unpädagogisch, es ist zudem mittel- wie langfristig unbezahlbar.

Die Autoren sprechen mit Menschlichkeit und Wärme und einem gleichfalls vortrefflichen Scharfsinn in der Beschreibung, um von mancher Fragwürdigkeit unserer Zeit auf die Normalität zurückzuführen.

Dabei wird nicht außer Acht gelassen, dass Kinder letztendlich in die Erwachsenen-Welt hinein müssen – und zwar freiwillig. Die Autoren stellen dabei heraus, dass moderne Kommunikationsmedien der Erziehung keinesfalls entgegenstehen und fürs “erwachsene Leben“ am Ende notwendig sind. Sie sind unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft und Zeit.

Auch wenn darüber der Wunsch nach einem Delegieren ans Medium oder auch an den Staat aufkommen kann, bleibt Erziehung ein individueller und damit einmaliger, natürlicher Vorgang, der sich nicht übertragen lässt. “Mut zur Erziehung“ bedeutet, dass natürliche Erziehung bleibend in der Liebe gründet. Und ist dies erkannt, hat das Konsequenzen …

ÜBER DIE AUTOREN

Gustav Hoffmann, geboren 1922 in Hamburg, in Hamburg ausgebildet, ist Doktor der Philosophie und studierter Pädagoge. Er war über 19 Jahre lang Schulleiter an einem Hamburger Gymnasium.

Peter-Alexander Möller, geboren 1954 in Hamburg, in Hamburg ausgebildet, ist Doktor der Philosophie und studierter Pädagoge. Er ist Autor, Stifter und Unternehmer in der Gesundheitsbranche.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Veröffentlichung im BoD Verlag GmbH, Norderstedt, Februar 2014

Copyright © 2013 by

Dr. Peter-Alexander Möller | Dr. Gustav Hoffmann

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder anderer Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder durch Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlagsillustration: Jette Bækgaard, Danmark

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Printed in Germany

ISBN: 978-3-735-77367-8

Für unsere Kinder

Das, was der Erzieher sich vornimmt, ist unmöglich.

Niklas Luhmann

INHALT

Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.

Erich Kästner

Die Welt ist nicht nur sonderbarer, als wir uns vorstellen; sie ist auch sonderbarer, als wir uns vorstellen können.

J. B. S. Haldane

Man muss zeitlebens die Welt mit Kinderaugen betrachten.

Henri Matisse

VORWORT1

Elterliche Erziehung ist natürlicher als jede andere, auch professionelle Erziehung.

So wie Kinder ihre Eltern von Anbeginn an erziehen, und zwar die Mutter zum Mutter-Sein, den Vater zum Vater-Sein, gibt es darüber die dir gegebene Chance als “natürlicher Erzieher“, als Mutter, als Vater. Nutze sie und erziehe dein Kind respektive deine Kinder! Sei deinem Kind eine natürliche Hilfe auf seinem Weg in die Welt der Erwachsenen.

Wir wollen Mut machen, wo vielleicht noch Zweifel besteht, ob und wo die elterliche, mütterliche, väterliche Aufgabe in der Erziehung deines Kindes oder deiner Kinder notwendig ist. Es ist – und das sei gleich vorweggenommen – eine starke Aufgabe, die womöglich hier und da einmal elterliche Gegenwehr verlangt und letztendlich eine beherzte Erziehung.

Was Kinder keinesfalls brauchen, sind gezielt als natürliche Erziehungsinstanz zermürbte Eltern. Sie brauchen in unserer nach Werten suchenden Zeit insbesondere dich, deine elterliche Liebe, Geduld und deinen Mut.

Unabhängig von deiner ganz persönlichen Lebensplanung gilt: Dies ist zu schaffen! Wie? Davon schreiben wir.

Dr. Gustav Hoffmann und Dr. Peter-Alexander Möller

Hamburg, im Oktober 2013


1 Die Ausführungen sind entstanden auf Grundlage von Gesprächen, die wir in der Zeit vom Frühjahr 2012 bis Sommer 2013 zum Thema Erziehung gezielt geführt haben und deren Mitschnitte mittels Smartphone. Die Übertragung aus dem Mündlichen in die Schriftform ist kontinuierlich im fortlaufenden Gespräch erfolgt, wobei der Text in den weiterführenden Zusammenkommen mehrfach überarbeitet und zu einem Buch in Form eines Essays weiter entwickelt worden ist. Wir möchten um Verständnis für die Textbesonderheiten bitten, die auf der mündlichen Gesprächsform beruhen.

TEIL EINS

Keine ELTERLICHE Erziehung auszuüben, weil sie dem Staat überlassen ist, ist UNNATÜRLICH, daher falsch. Wenn dem so ist, gibt es zwei Thesen, die an den Anfang gestellt werden müssen.

Erste These: Mutter und Vater, also die Eltern, sind die NATÜRLICHEN ERZIEHER des Kindes und bleiben lebenslang die natürlichen Erzieher ihres Kindes. Sie sind nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch für das Kind verantwortlich. Daher darf ihnen das Erziehungsrecht seitens des Staates nicht beschnitten werden.

Zweite These: Da Mutter und Vater jedoch aus fachlichen und zeitlichen Gründen staatliche Erziehungsinstitutionen benötigen, müssen sie in Zusammenarbeit mit diesen ihre Erziehung wahrnehmen. Auch für den delegierten Bereich haben sie die letzte Entscheidungsbefugnis und müssen dort auch insistieren können.

Um NATÜRLICHE ERZIEHUNG wahrzunehmen bedarf es auf Seiten der Mutter, des Vaters zunächst nur des Selbstvertrauens, nicht jedoch einer pädagogischen Ausbildung.

Begründung: Unsere Ahnen haben ohne Fachausbildung ihre Kinder zu selbstständig handelnden Erwachsenen erzogen. Sie haben sicherlich oft aus dem Bauch heraus gehandelt, also spontan. Sie waren ihren Kindern gegenüber weder durch Kinder-Jugend-Psychologie noch durch die Medien unterschiedlicher Art verunsichert oder gar verängstigt.

Was wir denen, die Hilfe benötigen, und denen, die sich gar nicht bewusst sind, dass sie die natürlichen Erzieher sind und bleiben – und zwar ein Leben lang – sagen müssen, um Hilfe für ihre Erziehungsaufgabe zu leisten, lautet wie folgt:

GLAUBEN AN SICH SELBST

Sobald wir lernen, uns selbst zu vertrauen, fangen wir an zu leben.

Johann Wolfgang von Goethe

Zunächst einmal ist SELBSTVERTRAUEN des Erziehenden als Basis zu allem Weiteren notwendig. Was bedeutet Selbstvertrauen?

Selbstvertrauen ist GLAUBE AN SICH SELBST, an eigenes, individuelles Vermögen, sich im Leben gegenüber Schicksalsschlägen und Widerständen zu behaupten, “jederzeit den Kopf über dem Wasser zu halten“.

Mehr nicht, aber auch nicht weniger! Lebenserfahrung – ob positiv oder negativ – verstärkt das Vertrauen zu sich selbst.

MIT GEDULD UND EINER LANGEN LEINE

Die Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewusstseins.

Marie von Ebner-Eschenbach

Im Erziehungsbereich ist vor allem eines notwendig: Das ist GEDULD. Ungeduld zahlt sich stets negativ im Erziehungsprozess aus.

“Moderne“ Eltern haben viele Aufgaben zu bewältigen, ihre Umwelt ist komplex, und man braucht kein Prophet zu sein, um vorausahnen zu können, dass die Komplexität des Alltags in Zukunft höchstwahrscheinlich noch weiter zunimmt.

Dementsprechend heißt es, und man hört es oft: “Keine Zeit (mehr)“. Dies ist ein “schrecklicher“ Satz, insbesondere im Umgang mit Kindern. Man sollte ihn nach Möglichkeit vermeiden oder nur im äußersten Fall und zudem mit Umsicht verwenden, dann aber mit Begründung und Trost. So viel Zeit ist in der Regel immer!

Wodurch lassen sich Zeiten gewinnen? Zum Beispiel durch Beseitigung von Leer-Zeiten und unnötigen Pausen, Begrenzung der Zeiten im Internet, am Computer oder vor dem Fernseher, der ständigen Ruf-Bereitschaft gegenüber Smartphone oder Handy, auch dem Tablet-PC bzw. dem Erreichen des anderen oder selbst Erreicht-Werden durch den anderen oder die Automatismen etwaiger Medien und Maschinen, d. h. durch das Bewusstmachen von Wesentlichem und Beiläufigem und dessen beherzte Trennung. Weiterhin lassen sich durch Arbeitsteilung in der Familie, Umorganisation notweniger Arbeiten (beispielsweise Einkäufe zum täglichen Bedarf, Aufteilung alltäglicher teils auch kleiner Aufgaben zu Hause und so fort) Zeiten für Erziehungsaufgaben gewinnen.

Ein weiterer Erziehungsgrundsatz sollte die “LANGE LEINE“ sein.

LANGE LEINE bedeutet für Eltern zunächst einmal, dass sie immer, zu jeder Zeit im Jahr “in der Erziehung verbleiben“. Das bedeutet zugleich und auch, dass sie ein der Entwicklung des Kindes gemäßes, behutsames ALLEINE-LAUFEN-LASSEN zulassen müssen. Eine zu starke Gängelung, zu intensive Bevormundung und damit verbundene Kontrolle ist kontraproduktiv.

Sofern ich ein Kind zur SELBSTSTÄNDIGKEIT erziehen will, muss ich es im Laufe seines Kindseins, also der Stufe, in welcher es noch keine bewusste Verantwortung tragen kann und muss, behutsam und herausfordernd genug dahin bringen, dass es am Ende verantwortungsbewusst handeln kann – für sich sowie innerhalb der Gesellschaft und Umwelt.

Eine LANGE LEINE bedeutet einerseits das Kind in LIEBE zu begleiten. Es ist ganz bewusst das Wort LIEBE gewählt. Auf der anderen Seite heißt dies für den Erziehenden immer sprungbereit zu sein, um es, wo und wann immer machbar, frei laufen zu lassen. Dieses ist letztendlich “ein Eiertanz“. Aber dieser “Tanz“ gelingt umso besser, je näher man AM KINDE DRAN ist.

Dieses DRAN-SEIN bedeutet, dass ich als Erzieher immer wieder reflektieren muss darüber, was war mir persönlich in dem Alter, als ich so jung war wie jetzt mein Kind, eigentlich das Leichteste und was das Schwerste. Wo fand ich persönlich Freiheit des Handelns und wurde nicht von meinen Eltern – als den zur Erziehung Berechtigten – gemaßregelt und wo stieß ich auf Widerstände? Und warum waren diese Widerstände vorhanden – damals, als ich in dem Alter meines Kindes war? Diese Rückschau auf die eigene Kindheit gibt dem Erzieher die Nähe wieder, in der das eigene Kind heute steht, auch wenn sich die Umweltverhältnisse geändert haben. Und es ist völlig klar, dass diese Verhältnisse unserer Umwelt von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wechseln. Manche Dinge werden leichter, manche schwerer. Das ist Erziehungswirklichkeit.

Beides, die GEDULD einerseits und eine LANGE LEINE andererseits hängen unmittelbar miteinander zusammen. Sie sollen dementsprechend eingehender betrachtet werden.

Da die Entwicklung des Menschen vom Baby bis zum Erwachsenen nicht gleichmäßig harmonisch, sondern in Schüben, Stößen, mit kleinen oder auch großen Intervallen verläuft, ist der natürliche Erzieher bzw. die Mutter, der Vater, sofern sie oder er dies erkennt und entsprechend handelt, der systemverhafteten Schule in der erzieherischen Einwirkungsmöglichkeit stets überlegen.

Die Eltern haben in der Regel ein, zwei oder höchstens drei Kinder zu erziehen2, der Lehrer einer Klasse dagegen eine zweistellige Anzahl an Kindern.3 Der Lehrer muss zwangsweise dem “Als-Ob“ folgen: D. h. alle Schüler der Klasse können oder müssen zur selben Zeit im Prinzip denselben Unterrichtsinhalt bearbeiten und erfassen oder sollten, sofern der Unterricht offener gestaltet ist, dies innerhalb bestimmter Zeiträume erfüllen.

Diese Überlegenheit der Eltern dem eigenen Kind gegenüber und damit auch der Institution Schule, die in ihrer pädagogischen Aufgabe systembedingt etwas gleichsetzen muss, was von Natur aus nicht gleich ist, sollte seitens der Eltern erkannt werden, denn das stärkt ihr SELBSTBEWUSSTSEIN und macht ihnen Mut, ihren natürlichen Erziehungsauftrag voll wahrzunehmen.

Das Wesen der Menschen gleicht nicht der Maschine, die gleichmäßig über Stunden, Tage Leistungen erbringt, sondern einem Kunstwerk, das “von genialer Hand geschaffen“, durch seine Einmaligkeit besticht. Pestalozzi hat zu Recht darauf hingewiesen, dass man ein Kind nicht mit einem anderen vergleichen dürfe. Deshalb brauchen die Eltern – und das ist wichtig – nicht sich zu sorgen und denken, wie oft zu hören: “Oh, mein Kind ist nicht so weit wie das meines Nachbarn“.

Noch etwas anderes können Eltern als Nichtpädagogen schneller und sicherer erkennen: das besondere Interesse des Kindes an bestimmten Spiel- und Arbeitsgebieten, beispielsweise an Sport, Musik oder Naturwissenschaften. Diese Neigung, dieser “Spaß“ des Kindes kann daher seitens der Eltern effektiv unterstützt und gefördert werden. Und wenn ein Kind Spaß hat, etwas Außergewöhnliches zu erbringen, dann haben die Eltern sogar die Pflicht dies zu fördern. Würden sie dies nicht machen, hätten wir keinerlei außergewöhnliche Begabungen mehr in unserem Volk.

Auch hier sind die Eltern wieder der Schule überlegen. Zugleich verhilft dies zu einer weiteren Bindung zwischen Eltern und Kind, die etwa über Schwierigkeiten, besonders in der Pubertätsphase, hinweghelfen kann. Auf die Phase der Pubertät werden wir in den weiteren Ausführungen mehrfach noch zu sprechen kommen.

Wenn beispielsweise Vater und Sohn gemeinsam am Fußballspiel Spaß haben bzw. beim Sport, in der Musik oder auch im bewussten Umgang am Computer zusammenkommen, dann ist das eine zusätzliche Bindung und gleichzeitig eine Kräftigung der Erziehungspotenz des Vaters, der Mutter bzw. der Eltern. So etwas kann die Schule nicht leisten.

BINDUNG erzwingt und setzt gleichzeitig voraus KINDESLIEBE, GEDULD und SELBSTVERTRAUEN und untermauert dadurch das NATÜRLICHE ERZIEHUNGSRECHT DER ELTERN. Sofern diese “Tugenden“ in der verantwortungsvollen Aufgabe der Erziehung des Kindes oder der Kinder konsequent an den Staat oder auch an andere, die elterliche Erziehung “grundlegend“ übernehmende Organisationen abgegeben werden, kann sich keine ausreichende Bindungsfähigkeit des Kindes entwickeln. Diese benötigen wir jedoch, um dem Kind auf seinem individuellen Weg in natürlicher Weise, sprich elterlich als “Mutter und Vater“ helfen zu können.

In und mit der Schule dies zu bewirken würde immer zu kurz gedacht werden, sofern gesagt würde: “Das können wir besser machen, weil wir pädagogisch ausgebildet sind“. Das hat damit gar nichts zu tun. Schule kann den natürlichen Erzieher niemals ersetzen. Sie geht beim Unterrichten zwangsläufig immer vom Intellekt aus und bewegt sich auf einem ganz anderen Erziehungsfeld als die Eltern.

Zur BINDUNG und Bindungsfähigkeit muss hervorgehoben werden, dass über die ersten Jahre, das erste Jahrzehnt eines Kindes, durch natürliche Erziehung der Eltern etwas gewachsen ist, was intensiver ist als das, was später die Schule leisten kann.

“Das erste Gesetz […]: Der erste Unterricht des Kindes sei nie Sache des Kopfes, er sei nie eine Sache der Vernunft – er sei ewig Sache der Sinne, er sei ewig die Sache des Herzens, die Sache der Mutter.“4

Diese Worte des schweizerischen Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) möchten wir für unsere Ziele und Zwecke geringfügig, aber in der Sache entscheidend abändern, indem wir sagen:

“… Sache der Eltern, der Mutter und des Vaters“.

Das Kind bekommt in der frühen Phase, in der es völlig abhängig ist vom Wohl und Umgang der Eltern mit ihm, von den Eltern den intensivsten Erziehungseinfluss. Diesen Einfluss kann keine staatliche Organisation wie Kita oder Schule wettmachen. Wie das Beispiel des fast nur impulsiven Erlernens der Muttersprache des Kindes, angefangen von “Papa, Mama“ bis hin zur allgemeinen Sprach- und Sprechfähigkeit bewirkt. All das macht es in einem Eiltempo, was keine Schule dieser Welt später leisten kann.

Mut machen zur Erziehung bedeutet gleichzeitig den Eltern deutlich machen, dass sie es von ihrer Seite aus viel leichter haben zu erziehen als die professionalisierten Erzieher von Krippe und Kita bzw. im Nachgang daran die Lehrer der Schule, welche zunächst einmal “Fremde“ für das Kind sind. Sofern die Lehrer mit jedem Schulfach noch wechseln, sodass das Kind plötzlich sieben, acht verschiedene Lehrer am Tage “zu verdauen hat“, muss man erkennen, dass es nicht in der Schuld der Pädagogen und Lehrer liegt. Es ist maßgeblich das System, das hier nicht leisten kann, was der natürliche Erzieher zu leisten in der Lage ist.

Eingebettet in die Diskussionen um eine geradezu durchgehende Verschulung der Kindheit, ist das nach gegebener Möglichkeit frühzeitige ganztagsoffene, zum Teil sogar darüber hinausgehend über 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche, sprich 24/7-offene Weggeben des Kindes in professionelle Betreuung, zwangsläufig immer auch verbunden mit einem letztendlich auch ökonomisch begründeten Betreuungsschlüssel. Ökonomie und Pädagogik5 sind aber zwei unterschiedliche paar Schuh. Kaufkunde und Führungslehre, sprich die Lehre und Wissenschaft zu Erziehung und Bildung gehen von sich aus nicht “Hand in Hand“. Darüber muss man sich im Klaren sein. Dieser wie auch immer bestimmte Betreuungsschlüssel ist regelhaft um ein Vielfaches größer als der Durchschnitt einer Familie in Deutschland und Europa mit “Kinderreichtum“ oder wenn man so will, von Vater und Mutter mit ihren Kindern.

Beim Kleinkindesalter wird in der Krippe zumeist das Verhältnis von einer pädagogischen Fachkraft für vier bis fünf Kleinkinder als realisierbar angestrebt, im Kindergartenalter sind das bezogen auf die Kita eher zehn bis zwölf Kinder.6 Zumeist sieht die Wirklichkeit nochmals anders aus. Hierbei ist der Krankheits- und Urlaubsfall einer Erzieherin/eines Erziehers, deren Voll- oder Teilzeittätigkeit noch nicht berücksichtigt, genauso wenig deren denkbarer Wunsch nach eigenen Kindern.

Unter diesem Gesichtspunkt haben die nichtpädagogisch ausgebildeten Eltern, selbst ob allein erziehend als Mutter oder auch als Vater, es letztendlich leichter Erziehung auszuüben als jegliche Institution des Staates. Diese lässt es nicht zu, sich mit dem Kind so intensiv zu beschäftigen wie die Mutter, der Vater, die Eltern es trotz der angeblich immer “fehlenden Zeit“ machen kann oder können.

Wenn die Mutter das Kind, welches in Nöte geraten ist und Schwierigkeiten hat, in die Arme schließt und sagt: “Ich hab‘ dich lieb“, leistet sie in genau diesem Augenblick viel mehr als innerhalb der Struktur irgendeiner Vorschul- oder Schulinstanz geleistet werden kann; angefangen von der Krippe, über die Kita bis weit in die Primarstufe der Grundschulzeit hinein und darüber hinaus.

Das hängt wiederum mit dem Faktor zusammen, den wir bereits angesprochen haben: Es ist die Dominanz der LIEBE. Natürlich kann der Lehrer seinen Beruf ohne Nächstenliebe nicht ausüben, aber Nächstenliebe ist nicht identisch mit Liebe der Eltern dem Kind gegenüber und vom Kind aus gesehen den Eltern gegenüber. Darüber wird noch ausführlicher zu sprechen sein.