Namen, Personen und Handlung sind frei erfunden. Greetsiel, das malerische Fischer- und Künstlerdorf, gibt es wirklich.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.

© 2013 Marlis E. Hornig

Fotos: Marlis E. und Kalle Hornig

Foto mit 2 Schafen: Holger Forst

Bilder: Marlis E. Hornig

Weitere Fotos und Infos:

www.skipperasterix.beepworld.de

Autorenwebseite:

www.marlishornig.beepworld.de

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 978-3-7322-7566-3

Für meine Familie

Es gibt Augenblicke,

da spürt man,

dass man einen Wohlfühlort

gefunden hat,

ohne ihn gesucht zu

haben.

Mitwirkende:

DIE FRAUEN:

Sophie Sommer:Single, 30 Jahre alt, Trendforscherin, auf der Suche nach einem Mann
Marietta Herbst:Geschieden, Autorin, 40 Jahre alt, allein erziehende Mutter,
Odile:Tochter von Marietta, Schülerin, 15 Jahre alt
Sabrina
Sommerwein:Internetfreundin von Ole
Maybrit Schäfer:Facebook-Bekannte von Marietta
DIE MÄNNER:
Ole Winter:Junggeselle, 28 Jahre alt, Diplom-Biologe
Erik Hansen:Kapitän eines Krabbenkutters, Ende 40, hat Angst vor einer Bindung
Fiete:Steuermann, uriger Typ
Lukas:Sophies Ex-Freund, 32 Jahre alt. Kann sich nicht entscheiden
Jan:Smutje, Schülerpraktikant, 16 Jahre
Ein Schäfer:Philosoph, ohne Alter
DIE TIERE:
Ariana:genannt Jani, Sophies Parson Russell
Benny:Schäfchen

Inhaltsverzeichnis

Pläne

Eigentlich wollten Marietta und Sophie nach Mallorca fliegen. Beide sind allein. Singles — wie es heute so schön heißt. Marietta hat eine gescheiterte Ehe hinter sich. Sophie und ihr Freund haben sich vor einigen Monaten getrennt. Beide Freundinnen wollen unbedingt zusammen verreisen. Irgendwohin. Weit weg von Bonn.

Da entdeckt Sophie ganz zufällig im Internet beim Surfen eine Lifestyle-Ferienwohnung mit dem spannenden Namen „Skipper Asterix“!

„Das klingt vielversprechend — nach Abenteuer, Wasser, weiter Welt! Nach einem Steuermann mit dem lustigen Namen Asterix.

Nach einem Steuermann, der mit mir zusammen durchs Leben steuert…“ — das denkt Sophie so bei sich, als sie weiterliest.

Whirlpool — Kaminofen — Holzterrasse —

Hund willkommen! Das sind die Schlüsselwörter für diese Erdgeschosswohnung in einer Doppelhaushälfte im skandinavischen Baustil. Und dann steht da noch irgendwo auf einer privaten Webseite von Asterix, dem Parson Russell Terrier der Eigentümer der Ferienwohnung:

Wir haben unseren Wohlfühlort gefunden, ohne ihn gesucht zu haben!

Doch Sophie freut sich besonders, als sie verinnerlicht: Hund willkommen. Dann kann sie ja ihre Hündin mitnehmen. Ariana, genannt Jani, ist eine weiß-braune Parson Russell Terrier Hündin, 2 Jahre alt, total lieb und verspielt. Kinder sind natürlich gerngesehen, denn da steht „familienfreundlich“. Ihre Freundin Marietta hat nämlich eine fünfzehnjährige Tochter namens Odile. Da muss Sophie schnell eine Mail an ihre beste Freundin schicken.

Gesagt – getan!

E-Mail an Marietta:

„Hallo Marietta,

Mallorca ist out – Greetsiel ist in! Bald erzähle ich Dir mehr…

Ciao Sophie“

Sophie ist gespannt, ob Marietta das versteht.

Sophie will einfach nur vergessen. Vergessen, was an jenem Sonntag geschehen war, als ihr Freund Lukas und sie sich getrennt haben. Eine letzte Umarmung — ein wilder Kuss —, als wäre es das letzte Mal. Ja, in der Tat, es war das letzte Mal…

„Wir haben einen großen Fehler gemacht!“, meinte Lukas. Ohne sie noch einmal anzuschauen, verließ er ihre Wohnung, ihr kleines gemütliches Appartement.

Das war vor vier Monaten — irgendwann im kalten Winter. Wieder war sie allein. Und dabei wollte sie doch so gerne eine Familie haben, gleichsam das ganze Programm: ein Mann, zwei oder drei Kinder, ein kleiner Hund — vielleicht später ein süßes Haus mit einem Garten irgendwo im Grünen. Aus der Traum! Umso schlimmer, da für sie mit ihren 30 Jahren die sogenannte „biologische Uhr“ zu ticken beginnt.

Zeit ist vergangen. Langsam. Die junge Frau hat über vieles nachgedacht. Die erste Phase der ganz starken Traurigkeit ist vorbei. Oft hat Sophie geweint und sich die Fotos des gemeinsamen Lebens angeschaut. Was hat sie falsch gemacht? Was haben sie beide falsch gemacht? Wird sie irgendwann eine Antwort finden? Jetzt will sie erst einmal leben — ihr Leben genießen — ohne jegliche Verpflichtung. Keine ernste Beziehung! Vielleicht hier und da mal ein kleiner Flirt, ein Abenteuer… Natürlich hat sie ihren Beruf. Ein spannender und immer wieder interessanter Beruf mit lustigen Begegnungen.

Vielleicht kann sie in Greetsiel auch Menschen beobachten und, wenn diese einverstanden sind, ein Foto von ihnen schießen. Diese Fotos stellt sie dann, natürlich mit Erlaubnis der fotografierten Person, auf ihre eigene Webseite. Dies alles, um die aktuellen Modetrends zu erforschen. Trendforscherin: das ist ihr Beruf. Sie arbeitet mit bekannten Frauenmagazinen, wie Vogue, Marie-Claire, Elle, Brigitte, Freundin, Maxi, zusammen.

So zieht Sophie denn auch heute wieder einmal mit ihrer großen Kamera zum Café Galesto in der Nähe der Bonner Uni, das sie ihrer Freundin Marietta als Treffpunkt vorgeschlagen hat. Modern, gemütlich, in Kaffeebraun gehalten, mit Blick auf das bunte Treiben gegenüber am Bistro Roses und in der bekannten noblen Kaiserpassage — das ist ein geeigneter Ort, um Urlaubspläne zu schmieden. In ihrem Outfit: schwarzes T-Shirt mit rundem Ausschnitt, einem flotten roten Schal, modern um den Hals geschlungen, und den blauen Röhrenjeans, roten Ballerinas und der neuen roten Beuteltasche sieht sie lustig aus. Das passt alles sehr gut zu ihren langen dunkelbraunen Haaren und ihren blauen Augen. Sie wartet auf ihre Freundin.

Sophie schaut in die Kaiserpassage schräg gegenüber, und da entdeckt sie Marietta. Heute ganz in Schwarz, das heißt in Schwarz-Weiß. Das steht ihr immer toll! Zu ihrem halblangen Haar in Honigblond. Diese Farbe heißt seit kurzem „Brond“: braune Haare, die oberen Haare blond getönt oder von der Sonne heller geworden. Schwarzer Leinenblazer, schwarze Stoffhose, weiße Bluse mit zartem Blumendesign, eine niedliche Silberkette mit einem Rentier-Anhänger am Hals. Große schwarze Sonnenbrille im Audrey-Hepburn-Stil. Und als Tüpfelchen auf dem i, gleichsam als Blickfang oder „Eye-Catcher“, wie es in der modernen Sprache heißt, trägt sie eine große rosa Handtasche.

„Da muss ich gleich ein Foto schießen! Von meiner Freundin. Wie damals, als wir uns kennen gelernt haben…“, denkt Sophie und macht spontan ein Foto.

Mit dem vorbeifahrenden Fahrrad, auf dem eine junge Frau sitzt — sicher eine Studentin mit ihren Büchern hinten auf dem Gepäckträger — wirkt das Bild sehr typisch für Bonn. Das ist Bonn: eine pulsierende und doch irgendwie gemütliche Universitätsstadt mit über 40.000 Studenten! Die beiden Freundinnen leben hier sehr gerne! In dieser anheimelnden Stadt, der irgendein Architekt mit dem Post Tower ein modernes Gesicht aufdrücken wollte. Doch Bonn bleibt so idyllisch, wie es wohl immer war.

„Hallo Sophie“, ruft Marietta, vor Freude strahlend, „also, wir fahren in den Urlaub! Super!“ Genau, wie Sophie nun einmal ist, hat sie eine kleine Checkliste vorbereitet, um die Wahl des Urlaubszieles zu erleichtern:

Plus- und Minuspunkte:

Für Greetsiel:Für Mallorca:
Kurze Anreise Zugfahrt mag ich sehr!Mittellange Anreise Fliegen mag ich überhaupt nicht
Malerisches Dorf — Keine HochhäuserHochhäuser hassen wir beide
Viele kleine Restaurants, Cafés, BistrosViele Cafés an lauten Straßen
Akzeptable PreiseTeuer geworden
Autofrei! RuhigEinfach nur laut!
Tolle Ausflugsziele = 1-Euro-TicketAls Insel begrenzt!
MS Wappen von Norderney = Das Schiff fährt nach „irgendwo“
Beschaulich!!!Hektisch!
Sicher nette Kerle…Chicos sprechen Spanisch
Kernige Naturburschen Romantiker… ♥Männer trinken viel Bier! Ballermann Sex!

„Schau dir meine kleine Liste mal an! Da sind einige Gemeinplätze oder Klischees dabei — das ist mir bewusst. Aber du weißt ja, so eine Liste hilft mir oft, die richtige Entscheidung zu treffen.“

Mit diesen Worten stürmt Sophie auf ihre Freundin ein. Marietta bestellt erst einmal eine Tasse Cappuccino und ein Stück frisch gebackenen Marmorkuchen. Es ist nachmittags um 15.00 Uhr: Kaffeezeit! Die Zeit, in der deutsche Frauen jeden Alters ihre Linie verlieren! Ja, eigentlich müsste sie ja auf ihre Linie achten, aber heute ist das egal. Es gilt, eine wichtige Entscheidung zu treffen. Auch Sophie macht es sich gemütlich mit einem Latte Macchiato so als Vertreterin der „Latte-Macchiato-Generation“, die gerne moderne Cafés wie das Galesto besucht. Dazu wählt sie ein großes Panino mit Serrano-Schinken und einem frischen Salatblatt. Dann geht es los: ein munteres Gespräch zwischen zwei Freundinnen, die ein wenig ungleich sind.

Nach einer guten Stunde — genau gesagt nach 66 Minuten, 6 Sekunden — sind die beiden sich einig. Mallorca ist vergessen — Greetsiel ist geplant! Und der Skipper Asterix ist im Rennen. Denn die Freundinnen haben nicht nur geplaudert, sie haben sich auch die Bilder von dem ausgesuchten Feriendomizil auf Mariettas Notebook angesehen. Beide sind begeistert. Denn der Name ist Programm. Beide sind fest entschlossen, Abenteuer, wie der wilde Gallier Asterix sie bestanden hat, in dem kleinen Dorf am malerischen Hafen mit dem Namen Greetsiel zu erleben. Beinahe solche Abenteuer, wie Asterix diese im alten Gallien, der heutigen Bretagne, zu Zeiten Cäsars erlebt hat.

Zu Hause angekommen, macht Marietta sich im Internet über Greetsiel kundig. Was ist Greetsiel? Hier die Antwort:

Greetsiel ist ein Ferien-, Fischer- und Künstlerdorf.

Fischerdorf Greetsiel

„Ein über 700 Jahre junges Dorf. Ein junges Dorf, weil Greetsiel das einzige Dorf der Krummhörn ist, das erst nach der Eindeichung vor mehr als 700 Jahren gegründet wurde. Somit ist Greetsiel auch kein Warfendorf. Alle anderen 18 Dörfer der Krummhörn stehen auf künstlichen Hügeln. Früher standen sie mitten im Meer. Damit waren die Dörfer mit ihren Menschen, allem Vieh und den Erntevorräten häufigen Überschwemmungen ausgesetzt. Große Kirchen mit starkem Mauerwerken boten Schutz.

Die Mutter Greetsiels war allerdings ‚Appingen‘, auch ‚Kloster Appingen‘ genannt. Der Ort Greetsiel wurde von der Domäne Appingen unterden Häuptlingen der Cirksena gegründet. Wir kennen den Ausdruck ‚Häuptling‘ eigentlich von den Indianern. Doch Häuptlinge gab es zuerst in Ostfriesland. Der Ausdruck wurde dann nach der Entdeckung Amerikas 1492 auf die ‚Chefs‘ der Indianerstämme übertragen. Im Laufe der Zeit verlor Appingen immer mehr an Bedeutung und somit wurde Greetsiel zum Sitz der Häuptlinge. Die Häuptlinge waren berechtigt, für alle Waren, die über den Hafen umgeschlagen wurden, Zölle zu erheben.“

Das war eine kleine Exkursion in alte Zeiten.

Unterwegs

Sophie als die jüngere der beiden Freundinnen übernimmt die Buchung und Organisation der Anreise. Die Buchung geht flott über eine bekannte Organisation für die Vermietung von Ferienwohnungen. Vor der endgültigen Reservierung führt die Trendforscherin noch ein nettes Gespräch mit den Eigentümern der Wohnung, um die Hundefrage zu klären. Die Eigentümerin fragt nach der Rasse der Hündin, nach dem Namen und erkundigt sich, ob Ariana, das heißt Jani, auch lieb ist. Denn, wie es in der Hausordnung in der Ferienwohnung steht, soll der Hund nicht auf die Sesselecke springen und natürlich auch nicht in den Betten schlafen. Das Bad ist ebenfalls tabu. Die Eigentümerin Svenja meint:

„Unser Asterix, nach dem unser Feriendomizil, genannt ist, schläft ganz brav mit seinem Stoffhäschen in seinem eigenen Korb mit der karierten Korbeinlage neben dem Lowboard. Damit er nachts nicht heimlich, still und leise auf das Sofa und die Sessel klettert, lege ich die Sofakissen und einzelne dogs-Magazine auf die roten Sessel. Das funktioniert sehr gut, wie ich nachts feststellen kann, wenn ich in der Küche Mineralwasser trinke! Also das klappt super: Probieren Sie es aus!“

Da die Freundinnen Umwelt- und Klimaschützer sind, beschließen die Urlauber, zu viert mit dem Zug zu fahren. Zu viert, das bedeutet: die beiden jungen Frauen, Mariettas Tochter Odile und das Parson Russell Mädel Jani. Beginn der Reise soll der erste Ferientag der Sommerferien in Nordrhein-Westfalen sein, denn alle vier können die auf der Webseite von Feriendomizil Skipper Asterix in Aussicht gestellten Abenteuer kaum abwarten.

Die Reise sieht so aus: Intercity-Zug bis Emden und dann nach einer Cappuccino-Pause im Café per Überlandbus nach Greetsiel. Sophie erwirbt die Fahrkarte für die vier supergünstig im Internet zum Sparpreis, zumal sie eine Bahncard 25 hat. Ihre Freundin kann zu günstigen Bedingungen mitfahren, deren Tochter Odile fährt mit ihren 15 Jahren zu einem günstigen Preis und die kleine Hündin Jani fährt kostenlos.

Für kleine Hunde unter 40 cm gilt nämlich folgende Bestimmung: Der Hund fährt gratis, sofern sein Besitzer einen Hundekorb und einen Maulkorb mitführt. Auf den Gängen muss der kleine Hund natürlich angeleint sein. Außerdem sollten die Mitreisenden im Abteil einverstanden sein, dass sich der Hund außerhalb des Korbs aufhält. Der Korb und der Maulkorb sind lediglich für kritische Situationen gedacht. In der Regel freuen sich die mitfahrenden Fahrgäste über die nette Ablenkung, die sich durch die Anwesenheit eines süßen Vierbeiners ergibt. Alle haben direkt ein Gesprächsthema: Hunde, Katzen, Kaninchen und andere Tiere. So erleben es auch unsere drei Zweibeiner mit den anderen zwei Fahrgästen im Abteil. Das mitreisende Ehepaar erzählt ganz begeistert von dem lieben Dackel, der sie siebzehn Jahre begleitet hat und nun im Hundehimmel ist. Das ehemalige Frauchen strickt an einer Strickjacke, während sie von Dackel Einstein erzählt; ihr Mann mit dem grauen Haar wollte eigentlich lesen in seinem dicken Buch über den Seeräuber Klaus Störtebeker. Doch er findet unsere Gespräche so spannend und die Anwesenheit von Jani so faszinierend, dass er Störtebeker auf den Aufenthalt in Greetsiel verschiebt. Das ist nämlich auch Reiseziel der beiden.

Der Zugbegleiter ist sehr sympathisch und begrüßt alle freundlich. Er bietet den Feriengästen an, ihnen beim Aussteigen mit ihrem Gepäck behilflich zu sein. In knapp 4 Stunden sind die vier in Emden. Super! Und das alles ohne Stress. Keine Raser, keine Pause, weil eine der Reisenden ein Keramikstudio aufsuchen muss, wie Marietta immer so lustig meint. Das Parson Mädel Jani hat auch keine Gassi-geh-Probleme, da sie Reisen mit dem Zug gewohnt ist. Ganz erheblich ist der Schutz der Umwelt und damit des Klimas. Würden alle 500 Fahrgäste — wir wissen nicht genau, wie viele es sind — mit dem eigenen Pkw teils alleine oder zu mehreren unterwegs sein, so wäre der CO2-Ausstoß deutlich höher. Außerdem kauft die Deutsche Bahn mit dem Geld, das sie für jede Bahncard einnimmt, umweltfreundlichen Strom aus Solar- und Windenergie ein.

So kommen die vier schließlich ganz entspannt und ausgeruht in Emden an. Zunächst einmal geht Sophie mit Hündin Ariana spazieren. Das Parson Russell Mädel muss doch die neue Umgebung beschnüffeln, das heißt, ausführlich Zeitung lesen. Marietta und Odile setzen sich in das kleine Café im Bahnhof Emden und freuen sich auf einen frisch gebrühten Cappuccino und ein leckeres Brötchen Tomaten-Mozzarella sowie auf ein Baguette mit Putenbraten. Hier im Bahnhof herrscht ein Kommen und Gehen, ein buntes Treiben. Da kommt Sophie auch schon von ihrem Spaziergang mit Jani zurück, bestellt einen doppelten Espresso und ein Stück frisch gebackenen Käsekirschkuchen. Jani erhält vor allem frisches Wasser, etwas von ihrem mitgebrachten Trockenfutter und bettelt, wie kann’s denn anders sein, um ein kleines Stück Putenbraten. Nun sind alle vier Freunde zufrieden und gelabt. Da entdecken sie auch schon den Überlandbus Nr. 621 nach Greetsiel.

Wie ein Naturfilm zieht die wunderschöne Landschaft an ihnen vorbei: Endlose Wiesen, auf denen Kühe und Schafe weiden, kleine Wasserläufe, an denen sich Enten und Gänse tummeln, und immer die typischen roten Backsteinhäuser, umgeben von reich blühenden Blumengärten. Odile ist total begeistert und hat ihre neue fliederfarbene Digitalkamera in der Hand. Fotografieren, das ist seit 7 Tagen ihr neuestes Hobby. Extra für diese Reise hat sie sich zu ihrem 15. Geburtstag die hübsche Kamera gewünscht. Wie viele Mädchen in ihrem Alter liebt sie die Farben Rosa, Pink, Flieder und Lila. Zu ihrer hellblauen Jeans passt nicht nur die fliederfarbene Digitalkamera gut, sondern auch ihr freches rosa T-Shirt mit der Aufschrift Zicke! Das passt auch zur Landschaft. Mit den zahlreichen Ziegen, Ziegenböcken und Zieglein.

Ankommen — Wohlfühlen

Da das Schild GREETSIEL ☼ alle drei klatschen vor Freude in die Hände, und Jani macht „Wuffwuff“! Endstation: Greetsiel Schule.

„Wo sind wir denn hier gelandet?“, ruft Marietta. „A la campagne! = Auf dem Land“, antwortet Sophie, deren Lieblingssprache Französisch ist. Da entdecken sie auch schon die beiden Windmühlen! Mit den Ziehkoffern in Rot und Schwarz geht’s über die kleine Kanalbrücke die Mühlenstraße entlang. Odile zieht ihren lila Koffer hinter sich her. Sophie trägt außerdem Janis Hundetasche im Burlington-Muster. Jani, das süße Russell Mädel, läuft munter an ihrer roten Schweizer Leine mit den weißen Kreuzen am Halsband die Gasse entlang, rechts und links nach Hunden — sicher nach Hundejungs — Ausschau haltend.

Alle vier sind gut gelaunt und werfen erste Blicke auf die hübschen kleinen Friesenhäuser, in die Schaufenster der Lädchen. Dann geht’s über eine weitere Brücke in Richtung Kirche mit dem Kirchturm daneben auf das bekannte Hohe Haus zu. Hinter dem Hohen Haus den Kalvarienweg nach links hoch. Vorher riskieren sie noch einen schnellen Blick auf den berühmten Krabbenkutter-Hafen am Siel. An der Alten Greetsieler Backstube vorbei laufen die drei Zweibeiner und der Vierbeiner und biegen dann rechts in eine winzige Gasse, genannt Hobbingsweg, ein. Am Ende der putzigen Gasse entdecken die Urlauber schon die Häuser im skandinavischen Baustil: unten weiß, oben mit roten Holzpaneelen verkleidet. Nach einem Schlenker nach links sehen sie die Terrasse des Feriendomizils Skipper Asterix. Um die Ecke befindet sich die Eingangstür zur Erdgeschosswohnung im zweiten Haus.

Glücklich gelandet! Dann ist die Freude groß beim ersten Blick in die behagliche Wohnung.

„Das ist ja noch schöner als auf der Webseite!“, rufen Odile und Marietta gleichsam im Chor. Da können Sophie und Russell Jani nur zustimmen.

Der ereignisreiche Reisetag findet seinen Ausklang im Restaurant „Pfeffersack“ in der Nähe des Wellnessbads Oase. Alle freuen sich auf den nächsten Tag.

Am Frühstückstisch mit leckeren Croissants, knusprigen Brötchen, Toastbrot, gekochten Eiern und gesundem Obst — alles aus dem Dorf — flachsen die beiden Freundinnen über Männer ganz allgemein. Dann beschreiben sie Männer, wie sie sich diese vorstellen oder wünschen. Gibt es den Traummann überhaupt? Und wenn ja, wo findet man oder besser Frau diesen? Marietta schwärmt für große blonde Kerle mit blauen oder grünen Augen. Sophie dagegen bevorzugt Männer von ca. 1,78 m mit dunklen Haaren und dunklen Augen. Wie finden sie Jungens, die eine Brille tragen? Sophie ist das egal, während Marietta Herren bevorzugt, die gut sehen können ohne Brille. Eine Sonnenbrille kann dagegen sehr attraktiv sein! Beide Damen lachen sehr viel angesichts der Vorstellung ihres Traummannes! Das ist ein lustiges Frühstück. Odile, Mariettas Tochter, gerade einmal 15 Jahre jung, schmunzelt nur. Sie hat ein kleines Geheimnis… Auf ihrem rosa Handy hat sie ihren Traumtyp, der real ist, auf einem Foto abgespeichert! Da plötzlich meldet sich das Parson Mädel Jani: „Wuffwuff“ — das heißt, ich will Gassi gehen. Ich möchte riechen, welche charmanten Rüden es hier im Dorf und am Hafen gibt. Das ist das Zeichen des Aufbruchs. Obwohl Sophie es schade findet, dass sie dieses leckere Frühstück in der gemütlichen Wohnung verlassen muss. Die Sonne strahlt ins Wohnzimmer. Lichtdurchflutet! Jetzt könnte man es sich auch auf der wunderschönen Holzterrasse mit den einladenden braunen Holzmöbeln mit den roten Auflagen bequem machen. Aber Jani drängt…

Er ist nicht mein Typ, aber er ist süß

Auf dem Deich herrscht ein reges Treiben: junge Eltern oder Mütter schieben ihre Kinderwagen, Gruppen von mehreren Leuten mit einem Eis in der Hand, junge Pärchen zu zweit oder mit einem Hund, mal winzig klein, mal riesengroß, eine alte Dame mit einem Wagenrad von Strohhut. Auf der Blumenwiese direkt am Hafen lassen Kinder Drachen steigen. Drachen oder diese lustigen bunten Gebilde, die man in dem kleinen Geschäft im alten weißen Häuschen links vom Deich kaufen kann. Kleine bunte Figuren, zum Beispiel einen Hund oder eine Katze auf einem Fahrrad, kann man auch für den Garten zu Hause erstehen. Sophie spaziert mit Jani, die ihre Sansibar-Leine von der Insel Sylt mit den roten Säbeln und ihr Indianer-Halsband Apache mit bunten Perlen trägt, auf dem Deich entlang. Sie weiß noch nicht, wer oder was sie erwartet. Man kann ja nie wissen. Auf jeden Fall hat sie ihre große Kamera mitgenommen. Vielleicht bietet sich ja Gelegenheit, einen besonderen Schnappschuss zu schießen… Sie weiß ja nie, wer ihr vor die Linse kommt.

Da plötzlich entdeckt sie auf der ersten Bank gegenüber der Dampfer-Abfahrtstelle ein Fotomotiv. Ratet einmal, wer das ist! Dort sitzt ein junger Mann mit einem kleinen weißen Tier. Sophie schießt ihr erstes Foto in Greetsiel. Sie fotografiert den blonden jungen Mann mit dem kleinen weißen Tier von hinten. Dann steuert Sophie geradewegs auf den Mann im dunkelblauen Kapuzen-Sweatshirt der Marke mit dem Lorbeerblatt zu und fragt ihn mutig:

„Darf ich Sie fotografieren? Sie und Ihren kleinen Hund, der aussieht wie ein Schäfchen?“

„Ja, das dürfen Sie! Das kleine Tier sieht nicht nur aus wie ein Schäfchen, sondern es ist ein Schäfchen und heißt Benny! Sie dürfen aber nur ein Foto machen, wenn Sie sich danach zu uns setzen und mit uns ein Krabbenbrötchen essen!“ ♥

Das sagt er und holt aus seiner mitgebrachten Tüte zwei Krabbenbrötchen. Sophies Augen werden immer größer. Genau auf so ein leckeres Krabbenbrötchen hat sie in diesem Moment Riesenappetit.

„Kaufen Sie immer zwei Krabbenbrötchen, wenn Sie spazieren gehen?“ –

„Eigentlich nicht! Das war heute wie eine Eingebung. Die zwei frischen Krabbenbrötchen auf einem weißen Porzellanteller mit blauem Rand haben mich angelacht — einfach so! Da musste ich sie mitnehmen. Und das ist gut so.“

Die zwei jungen Leute essen genüsslich ihre Brötchen, erzählen sich dies und das = dit und dat auf Friesisch und finden fast kein Ende. Dann plötzlich wufft Jani, die auch vier oder fünf Krabben genascht hat. Die kleine Hündin will weiterlaufen den Deich entlang in Richtung Wattenmeer.

„Danke, danke!“, ruft Sophie dem jungen Mann zu, während sie von der wilden Russell Dame zur Blumenwiese am Deich gezogen wird, wo es sicher gut duftet. In der Ferienwohnung erzählt Sophie den beiden anderen:

„Ich habe einen jungen Mann kennen gelernt. Er ist nicht mein Typ, aber er ist süß, super süß!

„Das ist ja schon mal ein guter Anfang!“, meint Marietta lächelnd.

Am Nachmittag steht ein Spaziergang durch das malerische Dorf auf dem Programm. Direkt von der Eingangstür aus geht es nach rechts an den anderen drei Häusern in skandinavischer Architektur auf dem Weg An’t Hellinghus vorbei, dann biegen die Vier rechts in die Diekstriek und schließlich geht‘s die Treppe am italienischen Restaurant La Dolce Vita hinauf zum Deich. Das ist der kürzeste Weg zum Hafen. Wirklich nur ein Katzensprung!

Dat Huuske“.