Inhalt

Vorwort

Quer gestreift und längs gepunktet.

Was ist das für ein seltsamer Titel für ein Buch? Im Besonderen für ein Buch, in dem es nicht um Mode geht. Was haben sich Angela Sohler, Simone Rentel und Anna Marita Engel bei diesem Buchtitel gedacht?

In meiner Fantasie haben die drei Autorinnen ihr gemeinsames Werk so genannt, weil sie sich nicht in einen Rahmen zwängen wollten. Sie wollten ein gemeinsames Buch, das jeder Autorin Freiraum genug gibt, die jeweiligen Stärken austoben zu können.

Sie haben Nachdenkliches geschrieben und Heiteres, haben es in Gedichten und Prosa zusammengetragen. Es gibt Stücke, die kommen wie Gedankensplitter daher, andere erzählen kurze Geschichten aus dem Alltag.

Was diese Frauen und ihre Stücke eint, sind aber nicht nur die zusammengebundenen Seiten dieses Buches. Diese Frauen sind Menschen, die genau hinschauen und dem, was wir alltäglich nennen, das Besondere ansehen. Sie schauen hin, mikroskopisch genau, bis sie an den Stellen ankommen, die uns treiben. Die Liebe, eine schmerzende Sandale, das Lächeln der Menschen. Und das macht das Besondere an ihren Stücken aus, sie sind alltäglich und nie profan.

Die Autorinnen nehmen sich Zeit, einen Moment zu fangen und zu genießen.

Und sie haben eine positive Einstellung zum Leben.

Dieser Leichtigkeit, dieser Verspieltheit und Lebensfreude haben wir den Titel zu verdanken: Quer gestreift und längs gepunktet.

Bernadette Schier

Herausgeberin Kreuznacher Rundschau

Glück ist…

…Sonnenschein nach langem Regen.

…Regen nach langem Sonnenschein.

Glück ist demnach weder Regen noch Sonnenschein an sich, beides kann Glück sein und keines kann im Dauerzustand das Glück halten.

Wir brauchen die Veränderung, um das Glück immer wieder erleben zu können. Und vielleicht ist es das: Glück will nicht festgehalten und nicht eingefangen werden, es will er- und gelebt werden, es will leben und lebendig sein.

Und was braucht es dazu? Menschen, die es sehen und erkennen, die genau hinschauen und vielleicht so lange ihre Blickwinkel ändern, bis sie es entdecken. Menschen, die zu- und genau hinhören, die wahrnehmen, was unter, über oder neben dem Lärm der Zeit für Melodien gespielt werden. Menschen, die Freude schmecken können und nicht nur konsumieren. Menschen, die den süßen Duft des Lebens unter den tausenden Gerüchen der Welt herausriechen und ihn tief einatmen können. Menschen, die mit den Händen fühlen und mit dem Herzen begreifen. Glück braucht Menschen, die es einladen und willkommen heißen, zulassen und annehmen. Und Glück braucht die Freiheit, sich verflüchtigen zu können, um an anderer Stelle wieder aufzutauchen, so, wie die Regenwolken nach der Trockenheit oder die Sonnenstrahlen, die die regenschweren Wolken vertreiben, denn sowohl Sonne nach Regen, als auch Regen nach Sonne, all das und tausendfach mehr ist Glück.

Simone Rentel

Ein Haus an der Straße

Ich kenn’ ein klein’ verfall’nes Haus,

steht an der Straße, viel befahr’n,

wie längst verlassen sieht es aus,

wie totgesagt seit Tag und Jahr’n.

Wer darin gern noch wohnen mag,

er müsste Lebenskünstler sein,

den Kopf zu beugen Tag um Tag,

denn Haus und Tür sind alt und klein.

Zudem nimmt man die Tür kaum wahr,

voll Grün sind Schwelle, Holz und Stein,

doch atmet, lebt es offenbar,

doch wer nicht darf, kommt nicht hinein.

Ich weiß nicht, was es in sich hat,

mag sein, vier Zimmer oder drei,

bestimmt kein Top-Designer-Bad

und keine Wohninseln für zwei.

Ich stell’ mir vor, im ersten Raum

wohnt unruhvoll das scheue Glück,

es kennt der Menschen Wunsch und Traum

und zieht sich dorthin still zurück,

weil’s austangier’n, entscheiden muss,

wem lässt es in den Schoß sich fallen,

denn ging’s nach eigenem Beschluss,

wär’ gern das Glück zu Haus bei allen.

Im Rest der Räume sind vielleicht

die Hoffnung und der Trost zu Haus,

denn wen das Glück nicht ganz erreicht,

der schaut nach diesen beiden aus.

Ob jene Drei dort Miete zahlen?

Ich weiß es nicht, ihr könnt drum losen….,

das Haus…., es ist Motiv zum Malen,

es wird umarmt von wilden Rosen.

Anna Marita Engel

Inventur

Erfassung aller vorhandenen Gegenstände.

Gehörten nicht Gefühle im weitesten Sinne auch zu den Gegenständen?

Gefühle waren im Moment für sie Gegenstand der Inventur, ihrer persönlichen Inventur, die sie gezwungenermaßen auf sich nahm.

Was fand sie da? Zuerst einmal nichts. Leere. Grenzenlose Leere, über die sie nicht nachdenken wollte. Nach 60 gemeinsamen Jahren blieb sie alleine zurück.

Und wie am Hochzeitstag damals stand sie heute wieder an einem Fenster, lauschte dem Gesang der Vögel, sog den Duft der blühenden Blumen ein.

Was war anders gewesen damals vor 60 Jahren?

Sie lächelte bei dem Gedanken an diesen Tag.

Kriegsende. Hochzeitstag.

Sie die Sängerin, er der hoffnungsvolle Pianist.

Nach dem Krieg hatten auch die Klöster ihre Pforten geöffnet, um den Leuten für eine Weile Unterstellmöglichkeiten für ihre Möbel zu bieten. Wahllos wurden Möbel und Einrichtungsgegenstände miteinander kombiniert

In einem dieser sonderbar möblierten Klosterzimmer saß sie damals als Braut, nach den bescheidenen Hochzeitsfeierlichkeiten, erschöpft, glücklich, ein wenig müde .Sie sah sich erwartungsvoll um.

Zimmer für eine Nacht.

Sie stand auf, ging zum Fenster und strengte sich an, es zu öffnen. Ein betäubender Duft nach Kräutern und Blumen strömte von draußen herein, das Zwitschern einiger Vögel war zu hören. Sie hatte nicht bemerkt, dass ihr Mann hereingekommen war.

Er stellte zwei Stühle vor das im Zimmer deponierte Klavier, bedeutete ihr mit einer liebevollen Geste, sich zu ihm zu setzen. Dann begann er zu spielen, schaute sie an und sang „Heute Nacht oder nie sollst du mir sagen das Eine, ob du mich liebst…“

Was ihr geblieben war, waren nicht die Gefühle, aber die Erinnerungen daran.

Angela Sohler

Tage gibt’s ....

Julius war am Morgen früh

irgendwie falsch aufgestanden,

es war einer von den Tagen,

wo sich keine Socken fanden,

auch das T-Shirt, das er wollt',

lag nicht dort, wo's liegen sollt'.

Julius mochte es nicht leiden,

irgend etwas lang zu suchen,

und je länger sich das hinzog,

um so lauter wurd' sein Fluchen:

„Wer so aufräumt, hat kein Hirn!“,

rief er, „Himmel, ….. und Zwirn!“

Man sah Julius aus dem Haus gehn,

noch am Käsebrötchen kauend,

Haustür zu, Garage öffnen,

auf viel Grün an Ampeln bauend,

stieg er ein, recht kummervoll,

denn er fühlte sich nicht wohl.

Nein, sein Outfit war „daneben“:

Gelbe Punkte in den Socken,

die er sonst im Garten trug nur,

würden Lästerer anlocken,

und das Shirt, dank raschem Greifen,

war das blöde mit den Streifen.

„Julius“ lenkte seinen Oldie

durch das Stadtverkehrsgedränge,

und am Zebrastreifen bremste

er zu spät. Die Menschenmenge

schrie, doch war fast nichts geschehn:

Blech noch ganz – kein Blut zu sehn.

Und das angefahr'ne Opfer

strahlte Julius in die Augen

und der Julius merkte: dieser

Tag könnt' zum Verlieben taugen!

Bis die Polizei ankam,

er sie in den Arm warm nahm.

Zebrastreifen, Sockenpünktchen,

blödes Shirt, nichts anzuziehn,

Flensburg-Punkte, Polizeiblau,

Ampelrot und -gelb und -grün.

Manchmal auf den Punkt es reift,

unser Glück - und sei's gestreift.

Anna Marita Engel

Ich denke an…

das juchzende Lachen eines Babys,

das freie herzliche Lachen eines Kleinkindes,

das schüchterne Lächeln eines Teenagers,

das zarte Lächeln von Verliebten,

das wissende Lachen aufgrund eigener Erfahrung,

das in sich ruhende Lächeln eines Alten,

das freudige Lachen von Bekannten,

das spontane Lächeln zwischen Unbekannten,

das aufmunternde Lächeln,

das befreiende Lachen,

das innere Lächeln,

das miteinander Lachen,

das Lachen unter Tränen,

das Lachen über einen Witz,

das Verlachen,

das Zulächeln,

das verständnisvolle Lächeln,

das Lachen, das durchschüttelt,

…..

Die Liste ist beliebig fortsetzbar. Es gibt jede Menge Möglichkeiten für ein Lächeln und Lachen.

Ein echtes ist nicht zu kaufen und ein herzliches unbezahlbar. Beide gehören in die Kategorie `Geschenke´.

Mir geht dabei die Frage durch den Kopf, wie großzügig ich im Verschenken bin und wie gut im Annehmen solcher Präsente.

Und zufrieden stelle ich fest, dass ich nicht zu sagen brauche: „Oh, da war noch etwas …. Leider vergessen.“

Simone Rentel

Das Café-Haus

Gewitterstimmung.

Dunkle Wolken ballten sich am Himmel zusammen. Drückende Schwüle.

Sie war durstig und hielt nach einem Café oder Bistro Ausschau, um ihren Durst stillen zu können. Die linke Sandale schabte an ihrer Ferse. Lange würde sie den Schmerz nicht mehr aushalten können, über kurz oder lang würde sich eine Blase bilden. Sie verlangsamte ihre Schritte. In ihrer Geldbörse verwahrte sie ein Pflaster, mit dem sie das Brennen an der Ferse bestimmt lindern könnte.

Dieser leichte Schmerz, dazu dieses Durstgefühl, das die Zunge am Gaumen kleben ließ. Sie kam sich vor wie in der Wüste. „Brennend heißer Wüstensand“, ging ihr durch den Kopf, sie versuchte sogar, die Melodie zu summen.

Wenn sie nicht bald das Café, das sie in nicht allzu weiter Ferne auf ihrer Straßenseite ausmachte, erreichen würde, könnte sie einfach so in sich zusammensacken. Sie stellte sich den Menschenauflauf vor, alle wären um sie besorgt. Sie lächelte bei dem Gedanken, aber ihren Durst löschte er nicht. Nur dem Café war sie ein wenig näher gekommen. Das Brennen an der Ferse hatte sich verstärkt. „Nur noch die paar Meter“, tröstete sie sich,

Die Kleidung klebte an ihrem Körper. Sie begann mit dem linken Fuß ein wenig zu schlurfen. Wie eine alte Frau kam sie sich vor.

Die Stühle vor dem Café waren alle besetzt, sie betrat den Innenraum. Hier war es vor Schwüle kaum auszuhalten. „Im Garten ist noch etwas frei, gehen Sie ganz hinten durch“, rief die Bedienung ihr zu. Sie blieb stehen und bestellte gleich ein Wasser. „Bitte, ganz dringend“, setzte sie bittend hinzu. Die Bedienung nickte, schaute ihr kurz nach, als sie mit hochrotem Kopf an ihr vorbeischlurfte.

Im vollbesetzten Garten schwankte sie ein wenig, sank dann auf einen freien Stuhl an der Hecke. „Bittschön, ihr Wasser“, hörte sie, schaute dankbar hoch, trank voller Begierde von dem erfrischenden Getränk.

Die linke Sandale hatte sie vom Fuß geschüttelt, das Pflaster auf die schmerzende Stelle geklebt.

Im gleichen Moment brach das Unwetter los, kreischend brachten sich die Leute im Innern des Cafés in Sicherheit; sie blieb mit ausgebreiteten Armen im peitschenden Regen sitzen. Für sie war es das Paradies.

Angela Sohler

Ich hann dich gäär, mei Abbelbäämsche

odder: Vum Äbbelsche am Blatt in Platt

(da= dir, ma= mir = saarländisch)

Ich wääß nit, ob du das vastehn duuscht,

wenn ich da saahn: „Ich hann dich gäär!“

Iss aach egal!