Über die Autorin

Ulrike Anders, geboren 1992 in Rostock, lebt mit ihrem Partner und ihren zwei Hunden in einem beschaulichen, kleinen Dorf in der Nähe ihrer Heimatstadt. »Schenk' mir Flügel« ist ihr erster Roman.

Wer ohne Angst die Stürme des Lebens meistern
will, braucht einen sicheren Anlegeplatz
.

(Autor unbekannt)

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Mila

„Bist du sicher, dass es das ist, was du willst?“, fragt Hannah mich mit ihrer Berliner Schnauze, die ich wahnsinnig vermissen werde, während ich meine schweren Koffer auf einen Gepäckwagen hieve. Seit zwei Wochen versucht sie nun schon, mich zum Bleiben zu bewegen.

„Mila, du bist achtzehn. Du musst das nicht tun“, setzt sie schließlich hinterher, weil ich ihr noch immer nicht geantwortet habe. Vielmehr versuche ich mich ganz und gar darauf zu konzentrieren, nicht jeden Moment in Tränen auszubrechen und meinen Puls zu regulieren. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen… einfach immer weiter atmen!

Hannah starrt mich eine Weile an und ich weiß ganz genau, was sie denkt. Das wusste ich schon immer. Als ihre bettelnden Blicke mich durchbohren, fühle ich mich gezwungen, etwas zu sagen. Das bin ich ihr schuldig. Schließlich ist sie diejenige, die immer für mich da war. Sie ist meine beste Freundin. Meine bessere Hälfte. Sie war es, die mir in den letzten Jahren zur Seite stand und mir die Kraft gab, die ich so sehr benötigte.

„Ich muss es tun. Sie hat es so gewollt“, kommt flüsternd über meine Lippen. Sie blickt auf den Boden und ich kann sehen, dass auch sie mit den Tränen kämpft. Einatmen, ausatmen… jetzt nur nicht die Nerven verlieren.

„Du wirst mir fehlen, weißt du…“ Ich sehe, wie eine kleine Träne über Hannahs rosige Wange kullert und dann ist es auch um mich geschehen. Mal wieder zerbricht mein Herz in tausend Einzelteile. Ich nehme Hannah in meine Arme und eine ganze Weile stehen wir einfach nur da, genießen die letzten kostbaren Momente, die uns bleiben. In diesem Augenblick nehme ich nichts mehr wahr, außer meiner besten Freundin, von der ich mich für eine ziemlich lange Zeit verabschieden muss. Das Leben kann so verdammt grausam sein. Meine Mutter hat immer gesagt, ich soll mich nicht unterkriegen lassen und kämpfen, bis zum bitteren Ende. So wie sie es tat…nur hat sie ihren Kampf verloren.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, als ich endlich anfange mich zu entspannen, werde ich wieder von einer Welle meiner Gedanken überrollt und mein Puls beginnt zu rasen. Hannah merkt sofort, dass sich meine Atmung beschleunigt und ich verzweifelt versuche, ruhig zu bleiben. Ich setze alles daran, nicht die Nerven zu verlieren. Vergebens.

„Schau mich an, Mila!“ Sie nimmt meine zitternden Finger in ihre warmen Hände und hält meinen Blick mit ihrem fest. So kann Hannah mich immer beruhigen, wenn meine Panikattacken wie aus dem Nichts auftauchen. Seit ungefähr zwei Jahren geht das nun schon so. Irgendwie hatte sie immer einen Weg gefunden, mich auf den Boden zurückzuholen. Schon der Gedanke daran, dass ich in Zukunft allein damit fertig werden muss, treibt mich in den Wahnsinn. Ich schließe meine Augen und versuche ihren Puls zu spüren, mich darauf zu konzentrieren, meinen mit ihrem zu synchronisieren. Als ich meine Augen wieder öffne, bemerke ich ein paar neugierige Blicke anderer Passanten. Sollen sie doch gaffen. Sie sehen doch ohnehin nur die Fassade. Niemand kann verstehen, was in solchen Momenten wirklich mit mir passiert. Niemand… Sie denken ohnehin nichts anderes als: Oh je, die Arme! Sie sieht furchtbar traurig aus! Abschiede sind immer schwer… Nun ja, ich muss es mittlerweile wissen.

Ein letzter Blick über die Schulter verrät mir, dass Hannah noch immer dort steht, wo ich sie zurückgelassen habe. Um sie herum die hektische Flughafenatmosphäre des Berliner Flughafens. Hannah wird immer kleiner – wie alles im Leben, was mir wichtig ist. Und zurück bleibe ich mit einem Haufen zusammenhangloser, irrer Gedanken, Zweifel und Leere. Endlose Leere bis in die Tiefen meiner Seele.

Im Flieger habe ich großes Glück, dass niemand neben mir sitzt. So kann ich mich wenigstens konzentrieren, nicht völlig auszuflippen. Normalerweise halte ich mir für solche Fälle immer eine Hintertür auf, so dass ich aus unangenehmen Situationen fliehen kann, wann immer ich will. Einfach weg, wenn es mir zu viel wird. Dumm nur, dass es in zehntausend Metern Flughöhe absolut keine verdammte Fluchtmöglichkeit für mich gibt. Die aufgesetzt freundliche Stimme der Flugbegleiterin dringt durch die Lautsprecher, doch höre ich kein einziges Wort, denn meine Tränen und das Zittern der Hände zu unterdrücken erfordert meine ganze Aufmerksamkeit. Als sich der Flieger in Bewegung setzt, fühlt es sich an, als säße ich in einem kleinen Raum, vor dessen einzigen Ausgang eine riesige Wand aus Metall herunter knallt. Das war es dann also, nun gibt es kein Zurück für mich, keinen Ausweg, der sich mir bietet, um zu fliehen.

Mila

Meine Güte, bin ich erleichtert – im wahrsten Sinne des Wortes – als ich die Flughafentoilette im Dallas / Fort Worth International Airport verlasse. Im Flieger konnte ich mich einfach nicht dazu durchringen, die Bordtoilette aufzusuchen. Allein der Gedanke daran verursachte mir Herzrasen. Das ist das Problem meiner ständigen Panikattacken. Sie überwältigen mich ohne ersichtlichen Grund. Ich hätte doch einfach nur aufstehen müssen, wäre zwei Minuten für kleine Mädchen gewesen und säße dann wieder auf meinem Platz. Verdammt, das kann doch nicht so schwer sein… aber nein, ich verkniff es mir, um einer weiteren Attacke zu entgehen.

Ich stehe in der riesigen Ankunftshalle mit meinem Koffer und dem Handgepäck, auf der Suche nach dem Ausgang. Ob Beatrice schon auf mich wartet? Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass ich sie zum letzten Mal gesehen habe. Vor einigen Jahren, als es meiner Mutter noch besser ging, kam Bea ab und an zu Besuch, um wieder ein wenig Heimatluft zu atmen. Damals entschied sie sich, Deutschland zu verlassen und zu ihrem Mann Berry nach Arlington in Texas zu ziehen, wo sie jetzt mit ihm und ihren zwei Kindern lebt. Sam und Lana, soweit ich weiß. Das ist aber auch schon alles, was mir über ihre Kinder bekannt ist. Ich würde zu gern wissen, ob sie in meinem Alter sind. Beatrice war die beste Freundin meiner Mutter. Ich durfte mir damals viele Geschichten der beiden anhören, selbst Dinge, die eine Tochter von ihrer Mutter nicht wissen möchte. Ihre wilden Partys und Männergeschichten waren wahrhaftig nichts für Kinderohren. Und als hätte meine Mutter all das, was passierte, vorausgeahnt, entschied sie sich damals, Bea zu meiner Patentante zu machen.

Ich fühle mich sehr unwohl bei dem Gedanken daran, schon bald meiner neuen Familie gegenüber zu stehen. Familie… bisher hatte ich nur meine Mutter und keine Ahnung, wie es sein wird, einen auf Mutter-Vater-Kind zu machen. Da ich keine andere Wahl habe, werde ich das wohl oder übel herausfinden müssen.

Ich kämpfe mich mit meinem Gepäck zum Ausgang und trete nach draußen. Heiße, texanische Sommerluft umhüllt mich. Willkommen in Amerika – dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Allerdings komme ich mir, trotz der Euphorie, die ich mir einzureden versuche, ziemlich verloren vor. Alles ist so fremd. Ich bleibe eine Weile direkt vor dem Ausgang stehen und lasse die Gerüche und Eindrücke auf mich wirken. Gekonnt ignoriere ich die vielen Menschen, die kopfschüttelnd und mit missbilligenden Blicken um mich herumgehen, während ich langsam versuche, mir einen Überblick zu verschaffen. Ein Haufen Leute stehen mit Schildern in der Hand auf dem Gehweg und mein Blick bleibt auf einem Schild mit meinem Namen hängen. Ich schaue mich um, als könnte es für eine andere Mila bestimmt sein. Doch mir wird klar, wie blöd das eigentlich ist. Natürlich ist es für mich bestimmt. Der Mann, der offensichtlich auf mich wartet, muss Berry sein. Eigentlich habe ich mit Bea abgesprochen, dass sie mich vom Flughafen abholt, umso überraschter bin ich nun, dass sie doch ihren Mann geschickt hat.

„Du musst Mila sein.“ Es ist mehr eine Frage, als eine Feststellung. Dass ich mich von jetzt an auf Englisch verständigen muss, wird eine krasse Umstellung. Ich fühle mich ertappt, da ich augenscheinlich dabei erwischt wurde, wie ich diesen Mann anstarre. Ein breites und freundliches Lächeln erscheint auf seinem Gesicht, während er auf mich zukommt.

„Ja, ich bin es.“ Schüchtern lächle ich zurück.

„Ich bin Berry. Tut mir leid, du hast sicher meine Frau erwartet, aber sie kommt mit den ganzen Vorbereitungen für dich nicht hinterher. Sie möchte, dass alles perfekt ist, wenn du ankommst.“

„Oh…Äh… Schon okay. Ähm… ich meine, ich freue mich, dich kennenzulernen, Berry.“ Klasse Mila! Die Familie reißt sich den Arsch auf, um es dir so angenehm wie möglich zu machen und du stammelst nur rum!

„Komm, wir bringen erst einmal dein Gepäck zum Wagen. Ich hoffe, du hattest einen angenehmen Flug?“

„Ja, es war okay, danke.“ Mal davon abgesehen, dass ich ab der Hälfte des Fluges wie verrückt pinkeln musste. Berry schnappt sich meine Koffer und geht in Richtung eines großen Parkplatzes. Ich atme tief durch und eile ihm hinterher. Dabei fällt mir noch einmal auf, wie attraktiv Berry ist. Er ist ziemlich groß, hat breite Schultern und zwischen seinen kurzgehaltenen, dunklen Haaren, sind schon vereinzelt Graue zu entdecken. Ich weiß, dass er Geschäftsmann ist, aber seiner Kleidung nach zu urteilen hat er heute wohl einen freien Tag, denn er trägt Jeans und ein schwarzes Poloshirt. Nicht gerade das, was ich mir unter einem Geschäftsmann vorstelle.

Der Gedanke an seine Kleidung lässt mich wünschen, auch endlich aus meinen Klamotten raus zukommen, denn es ist verdammt heiß. Da ich gehört habe, dass es in Flugzeugen nicht gerade warm sein sollte, zog ich mir neben einer bequemen Jeans und einem Kapuzenpullover auch noch eine Strickjacke über.

Wir gehen an einigen Autos vorbei und Berry bleibt an einem schicken, schwarzen Ford Explorer stehen, dessen Kofferraum sich mit dem Drücken seines Autoschlüssels öffnet. Mit einem Blick über den Parkplatz wird mir bewusst, wie viel größer hier alles im Gegensatz zu Deutschland ist. Ich platziere meine Tasche im Kofferraum und schäle mich aus meiner Strickjacke. Den Pullover werde ich wohl anbehalten müssen, bis wir zu Hause sind.

In dem Moment, als Berry den Motor startet, bin ich überglücklich, dass irgendwann einmal die Klimaanlage erfunden wurde. Zwar sehne ich mich nach wie vor nach einer ausgiebigen Dusche, doch das Schwitzen lässt nach und ich fange langsam an, mich zu entspannen. Darüber hinaus bin ich Berry sehr dankbar, dass er mich nicht mit Fragen löchert und mir die Zeit gibt, die ich brauche. Es ist kein unangenehmes Schweigen. Ich habe nicht das Gefühl, dass es ihn nicht interessiert, wie es mir geht und in den letzten Monaten ergangen ist. Ich denke, er will mir so ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, was ihm durchaus gelingt. Das macht ihn umso sympathischer.

Die Landschaft zieht an mir vorbei, während ich mit einem Tunnelblick aus dem Fenster starre. Ich bin viel zu K.O., um mir irgendetwas davon genauer anzuschauen. Ein lautes Knurren bringt mich aus meiner Trance und Berry schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an, als könne er nicht glauben, was er gerade gehört hat.

„War das etwa deiner?“, fragt er mich, immer noch ungläubig starrend. Entschuldigend versuche ich mich in einem Lächeln.

„Großer Gott, ich habe noch nie einen Magen so laut knurren hören. Wann hast du zuletzt etwas gegessen, Mila?“ Ich zucke mit den Schultern und versuche mich angestrengt daran zu erinnern. Ich weiß nur, dass ich den letzten Abend vor dem Flug vor lauter Aufregung alles wieder ausgekotzt habe, was ich so mühevoll in mich rein geschaufelt habe. Unter den streng kontrollierenden Blicken meiner besten Freundin, versteht sich. Sie hat sich immer schon Sorgen gemacht, dass ich wegen der Pflege meiner Mutter das Essen vergesse. Darum haben wir mindestens zwei Mal pro Woche einen Pizzaabend mit ihrem Bruder Chris veranstaltet. Der Gedanke daran lässt mich beinahe wieder in Trauer versinken. Ich werde jedoch schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, als Berry seinen Wagen auf eine Tankstelle mit einem Bistro lenkt.

„Wir sind zwar gleich zu Hause, aber ich will nicht riskieren, dass du mir umkippst, während Bea dich in Beschlag nimmt. Es gibt auch noch Abendessen, aber eine Kleinigkeit kannst du sicher vorher vertragen.“ Was hätte ich nur für einen Vater wie Berry gegeben. Trotz Müdigkeit lässt es sich nicht verhindern, dass ich vor Rührung Tränen in den Augen habe. Schnell steige ich aus, um mein Gesicht vor ihm zu verbergen. Aber wahrscheinlich hat er es längst gesehen, ohne es sich anmerken zu lassen. Sehr taktvoll von ihm. Das Bistro in der Tankstelle ist recht klein gehalten. Ich bin so hungrig, dass mir selbst die Fliegen egal sind, die es sich in ihrem persönlichen Schlaraffenland bequem gemacht haben.

„Was darf es sein, Kindchen?“, fragt mich die rundliche Dame hinter der Theke, mit einem mütterlichen Lächeln auf ihren schmalen Lippen. Das Käse-Puten-Sandwich hat schon meine Aufmerksamkeit erregt, als wir die Tankstelle betreten haben. Ich drücke meinen Zeigefinger gegen das Glas.

„Das da, bitte.“ Vor lauter Vorfreude zieht sich mein Magen zusammen. An der Kasse krame ich ein paar Dollarnoten aus meiner Jeans, um das Sandwich zu bezahlen. Berry kommt mir jedoch zuvor und legt einen Fünfdollarschein auf den Tresen.

„Passt so, danke“. Er dreht sich zu mir und schüttelt mit dem Kopf.

„Mila, du gehörst ab jetzt zu meiner Familie. Du brauchst dir dein Essen nicht von deinem Geld kaufen. Bea und ich sind ab sofort für dich verantwortlich, was heißt, dass wir auch für deine Verpflegung aufkommen werden, okay?“ Ich bin nicht fähig zu antworten und nicke nur. Draußen schmeiße ich das Sandwichpapier in den Mülleimer und gehe zum Wagen.

„Darf ich im Auto essen?“

„Na klar!“ Oh man. Das wird ja immer besser. Zufrieden verputze ich das letzte Stück meines Sandwichs. Berry scheint zu merken, wie glücklich er mich gerade gemacht hat, denn ein Lächeln erscheint auf seinen Lippen.

„Na, jetzt fühlst du dich doch fast wieder wie ein Mensch, wusste ich´s doch.“ Ich meine, ein wenig stolz in seiner Stimme zu hören.

„Wir sind übrigens gleich da.“

„Okay.“ Ich kann nicht verhindern, dass ein wenig Angst in meiner Stimme mitklingt. Also räuspere ich mich, in der Hoffnung, er könne es überhört haben.

Wir fahren durch ein Wohngebiet, dessen Häuser mich an die aus meiner Heimat erinnern. Normale Einfamilienhäuser eben. Umso überraschter bin ich, dass Berry keine Anstalten macht, irgendwo in eine Einfahrt abzubiegen. Stattdessen fährt er weiter und die Häuser werden größer, je weiter wir fahren.

Ich blicke aus dem Fenster und starre auf die gigantischen Villen, an denen wir vorbeikommen. Die Rasen der jeweiligen Grundstücke sehen aus, als hätte der Gärtner Grashalm für Grashalm mit der Nagelschere geschnitten. Berry wird langsamer und lenkt den SUV in eine große, circa 50 Meter lange Auffahrt aus hellen Pflastersteinen. Schon am Tor erkenne ich Teile des riesigen Hauses, wobei Haus einfach kein Ausdruck dafür ist, was ich zu Gesicht bekomme. Diese Villa ist gigantisch und ich frage mich, wie viele Menschen darin wohl wohnen. Jedenfalls bin ich nun eine davon. Zwei weiße Säulen ragen auf der Veranda empor und weisen auf den Eingang in der Mitte des Hauses hin. Es sieht einfach wunderschön aus. Ich wollte schon immer in einem solchen Haus wohnen. Die Fassade besteht aus Naturstein. Im Vorgarten steht tatsächlich ein kleiner Springbrunnen. Fast wollte ich Berry fragen, welche Königsfamilie wir besuchen, bevor wir nach Hause fahren, als sich links neben dem Hauptgebäude eine von drei Garagentoren öffnet, durch das Berry gekonnt den Wagen lenkt. Wir stehen mit dem SUV ganz außen und ich werfe ein Blick durch das Fenster. Neben Berrys Wagen steht ein kleines, rotes Cabrio, ein Audi TT soweit ich erkennen kann, und daneben parkt ein weiterer SUV, der allerdings silbern und nicht schwarz, wie Berrys, ist.

Ich wage es nicht auszusteigen, bleibe deshalb einfach sitzen und starre geradeaus an die weiße Wand. Auch Berry bleibt sitzen. Er holt Luft, als möchte er mir etwas sagen, bleibt aber stumm. Guter Berry. Schließlich breche ich das Schweigen, da ich doch etwas neugierig bin, was und vor allem wer mich in dieser Villa erwartet.

„Danke nochmal für das Sandwich Berry.“, bringe ich leise hervor.

„Keine Ursache. Mila, du sollst wissen, dass wir wirklich froh darüber sind, dass du zu uns ziehst. Bea könnte den Gedanken nicht ertragen, wenn du ganz alleine wärst. Und ich könnte Bea dann nicht mehr ertragen.“, fügte er scherzhaft hinzu. Fast hätte ich gegenargumentiert. Doch das verklemme ich mir, denn ich sollte dankbar sein. Und das bin ich, auch wenn ich es mir weder eingestehen, noch meiner neuen Familie zeigen kann. Ich öffne die Beifahrertür, atme noch einmal tief ein und wappne mich für das, was auf mich zukommt.

Sam

„Wann kommt denn deine neue Schwester endlich?“, fragt mich Jonas belustigt. Seit er erfahren hat, dass die Tochter von Moms verstorbener Freundin zu uns zieht, lässt er keine Gelegenheit aus, mich damit aufzuziehen. Genervt werfe ich einen Dreizehner Maulschlüssel nach ihm. Er lacht noch immer und zuckt unschuldig mit den Schultern.

„Was ist?“

„Alter, du weißt genau, dass sie nicht meine Schwester ist. Außerdem hab ich dir schon tausend Mal gesagt, dass du mich mit diesem Thema in Ruhe lassen sollst. Lana ist schon schlimm genug und dann auch noch zwei davon in meiner Nähe… das wird der blanke Horror!“ In Gedanken male ich mir schon die schlimmsten Szenarien aus. Wie sie kreischend ihre Klamotten tauschen, sich freuen, wenn sie wieder passen, weil sie sich in den letzten Monaten runtergehungert haben; sich die Fingernägel lackieren und sich Zöpfe flechten und mit ihren Freundinnen Pyjamapartys veranstalten. Zum Glück reißt Jonas mich aus meinen Gedanken, als er mir einen Putzlappen ins Gesicht feuert.

„Komm runter, Sam. Kannst froh sein, dass bei euch so viel los ist. Ich hätte gern eine Schwester. Oder einen Bruder. Oder wenigstens eine Mom…“ Ich weiß wie sehr ihn das Thema Familie belastet. Sein Vater besitzt eine kleine Werkstatt, in der Jonas mittlerweile angestellt ist. Seine Mom ist bei seiner Geburt gestorben. Zwar behandelt meine Mom ihn wie einen Sohn, aber das ist nicht das Gleiche. Es ist sicher nicht leicht für ihn, Tag für Tag mit seinem Alten zusammenzuarbeiten, der ihm auch noch die Schuld für den Tod seiner geliebten Frau gibt. Zwar ist sein Dad echt kein übler Kerl, aber ich kann mir gut vorstellen, wie belastend das sein muss. Dann doch lieber zwei Schwestern.

Ich schließe die Motorhaube von meinem Baby, einem 450 PS starken VW Corrado VR6 Bi-Turbo. Ich habe ihn damals auf dem Schrott gefunden und viele nervenaufreibende Stunden damit verbracht, ihn wieder zum Laufen zu bringen. Jonas war mir mit seinem Wissen eine sehr große Hilfe. Seit einigen Tagen jedoch versagt mir der Wagen seinen Dienst und es ist zum Kotzen, dass wir den Fehler immer noch nicht gefunden haben.

„Dann schmeißen wir das Monster mal an“, meint Jonas, der aufgeregt, wie ein kleines Kind, von einem Fuß auf den Anderen tippelt. Ich lasse mich in den Schalensitz gleiten und starte den Motor, nachdem ich den Gang herausgenommen habe. Im Leerlauf säuft mir die Kiste dauernd ab. Nachdem wir nun den Kraftstofffilter und die Zündkerzen gewechselt haben, weil wir einfach keinen anderen Fehler finden konnten, muss mein Baby einfach wieder laufen. Ich lausche dem Motorengeräusch. Einige Sekunden röhrt er ruhig vor sich hin und ich fange schon an mich zu freuen, als er stotternd ausgeht. Wütend schlage ich auf das Lenkrad. Es darf doch alles nicht wahr sein!

„Verdammte Kacke!“ Ich bin echt sauer. Nicht auf Jonas, auch nicht auf mein Auto. Eher auf mich selbst, weil ich seit Tagen nicht in der Lage bin, herauszufinden, was meinem Auto fehlt.

„Lass uns noch mal alles in Ruhe durchgehen, Sam“, sagt Jonas beruhigend. Was würde ich nur ohne ihn machen…

„Die Zündspule ist es nicht, Zündkerzen sind neu, der Temperaturgeber ist heil. Die Batterie ist nicht kaputt und den Luftmassensensor hab ich überprüft… Ich… hab keine Ahnung, was es noch sein könnte.“ Entschuldigend schaut Jonas von mir zum Corrado und wieder zurück. „Vielleicht solltest du es lassen, Kumpel. Ich kann dir hier nicht helfen.“

„Nein, nein, nein… wir müssen irgendwas übersehen haben.“ Ich gebe ganz sicher nicht auf. Vielleicht werde ich es für heute gut sein lassen, aber morgen setzte ich mich ganz sicher noch mal ran. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Ich steige aus und fange an, mein Werkzeug zusammen zu sammeln. Ordnung ist das halbe Leben. Ohne, dass ich Jonas darum bitten muss, hilft er mir.

„Du wirst niemals aufhören, den Fehler zu suchen, hab ich Recht?“ Jonas schaut mich von der Seite an und ich kann ein Grinsen nicht verbergen.

„Hast du mich jemals aufgeben sehen?“

„Wenn das so ist, stehe ich dir bis zum bitteren Ende zur Verfügung“, sagt er, während er in einer tiefen Verbeugung einen Putzlappen wedelt. Ich muss lachen, denn was anderes hab ich von ihm nicht erwartet.

Mittlerweile haben wir das Werkzeug in den Schränken verstaut und ich schließe die Garage ab. Den einzigen Schlüssel für meine kleine, private Werkstatt hüte ich wie meine Westentasche. Meine Garage befindet sich hinter dem Haus. Wir gehen am Pool und der großen Terrasse vorbei. Vor lauter Sorge um mein Baby habe ich schon fast den Gedanken verdrängt, dass wir heute Abend Besuch bekommen werden. Wie gut, dass mich meine Mom daran erinnert.

„Schatz, würdest du bitte duschen gehen? Du weißt, dass Mila und Dad jeden Moment auftauchen können.“ Mom wuselt in der Küche herum und ist sichtlich nervös. Ich lehne mich an den Türrahmen und beobachte sie eine Weile. Warum ist sie nur so überdreht? Als könnte meine Mom Gedanken lesen verharrt sie mitten in der Bewegung und schaut mich an. Sie lässt die Schultern sinken und atmet hörbar aus.

„Ich möchte es ihr so schön wie möglich machen, Sammy. Guck mich nicht so an.“

„Und deshalb musst du dich hier überschlagen?“ Ich runzle die Stirn. Jonas taucht hinter mir auf um sich zu verabschieden. Moms Blick fällt auf ihn.

„Jonas, Schätzchen, bleib doch bitte auch zum Essen. Sicher möchtest du Mila kennen lernen und du weißt, dass ich es hasse, dass du dich zu Hause nur von Tiefkühlpizzen ernährst. Dein Vater könnte ruhig mal etwas Vernünftiges kochen.“

„Aber ich mag Tiefkühlpizzen!“ protestiert Jonas, schlendert zum Herd und begutachtet das Essen.

„Allerdings kann ich heute gern darauf verzichten, Bea.“ Jonas grinst meiner Mom ins Gesicht. Mit einem Geschirrhandtuch bewaffnet scheucht sie uns aus der Küche.

„Sammy, sei so gut und leih Jonas ein paar saubere Klamotten. Und wie die Dusche funktioniert brauche ich euch sicher nicht zu erklären“, ruft sie uns hinterher, während wir den Rückzug antreten.

Mila

Berry öffnet die Haustür und sofort habe ich den Geruch von etwas Essbarem in der Nase. Wir betreten einen großen Raum, der einem Flur gleichkäme, wäre er nicht so verdammt riesig. Offensichtlich das Herz des Hauses. Alles sieht so edel aus. Die Fliesen haben einen ähnlich hellen Farbton wie der Naturstein draußen an der Fassade. Ist das etwa Granit? Vom Eingang aus habe ich einen guten Blick in den Bereich gegenüber des Eingangs. Berry nimmt mir meine Sachen ab und stellt sie an die Wand.

„Willkommen im Hause Jackson, ab sofort wird dies hier dein zu Hause sein.“ Berry wirft mir ein fröhliches Grinsen zu. Ich bin mir noch nicht sicher, ob das alles hier zum Grinsen ist. Ich bin erst einmal heilfroh, dass ich keine Panikattacke mehr bekommen habe, seit ich aus dem Flieger gestiegen bin. Dies hab ich wohl meiner Müdigkeit zu verdanken.

„Es sieht toll aus.“ Wieder schaue ich in die Richtung gegenüber des Hauseingangs. Doch nun steht dort jemand und ich brauche ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass es sich um Bea handelt. Sie grinst uns an und ich kann Tränen in ihren wunderschönen, blauen Augen erkennen. Gott, sie sieht noch genauso umwerfend aus wie damals. Ihre blonden Haare hat sie zu einem lockeren Dutt gebunden und sie trägt ein lila Sommerkleid. Sie eilt auf mich zu und breitet die Arme aus. Einen Augenblick später befinde ich mich in der festen Umarmung einer weinenden Bea. Das ist zu viel für mich und auch mir bilden sich Tränen in den Augen.

„Mila, mein kleiner Engel. Du bist so erwachsen geworden!“, schnieft Bea. „Ich bin froh, dass du endlich da bist.“

„Ich auch“, bringe ich leise hervor.

„Hattest du einen guten Flug, ja? Es tut mir Leid, dass ich dich nicht abgeholt habe, Schätzchen. Berry hat dir sicher schon erklärt, dass ich noch einige Vorbereitungen getroffen habe. Und ich wollte, dass das Essen pünktlich auf dem Tisch steht, wenn du kommst. Es tut mir leid. Ich hätte dir ja Bescheid gesagt, aber…“

„Bea, es ist alles in Ordnung“, unterbreche ich sie. „So hatte ich die Möglichkeit, Berry kennen zu lernen. Ich weiß deine Mühe wirklich sehr zu schätzen.“ Ich löse mich vorsichtig aus ihrer Umarmung und zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen. Ich bin mir ganz sicher, dass Hannah mich durchschauen würde, wäre sie jetzt hier. Aber das ist sie nicht. Natürlich bin ich glücklich darüber, die Chance auf ein neues Leben zu bekommen, aber ich hätte viel lieber mein altes Leben zurück. Das, in dem meine Mutter noch mit mir reden konnte, wir zusammen im Garten gesessen haben und sie mir Geschichten vorlas, wir gemeinsam Kuchen gebacken haben und uns anschließend immer ganz schlecht vom Naschen war. Ich würde viel lieber meine Mutter im Arm halten, als meine Patentante, viel lieber in unserem alten zu Hause stehen und nicht in einer riesigen Villa, in der ich mich ohne Landkarte sicher verlaufen werde. Es gibt so vieles, was ich in diesem Moment lieber wollte, aber das muss hier ja niemand wissen.

„Komm, Schätzchen. Ich zeig dir schnell das Haus und deinen Wohnbereich, dann gibt es Abendessen. Du kannst dringend zu Beißen gebrauchen, wenn ich mir dich so anschaue.“

Wohnbereich? Ein Zimmer würde es auch tun, ich hab mich da nicht so.

„Berry, sei so gut und bring ihre Sachen schon mal hoch, während ich ihr das Wichtigste zeige.“

„Sicher.“ Berry nimmt meinen Koffer und die Tasche und geht auf die Treppe zu. Dann befindet sich mein Wohnbereich also oben. Ich bekomme keine Möglichkeit, mir weiter darüber Gedanken zu machen. Bea zieht mich in den Raum, aus dem sie gekommen ist und wir befinden uns offensichtlich in der Küche. Das Erste, was mir ins Auge fällt, ist der gigantische, typisch amerikanische Kühlschrank. Die Küche besitzt eine Kochinsel und muss ein Vermögen gekostet haben. Aber wie kann ich mir darüber jetzt noch Gedanken machen? Man braucht sich doch nur das Haus von außen anzusehen. Oder die Einfahrt. Oder den Briefkasten. Das hier kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen. Aus einem normalgroßen, quadratischen Röhrenfernseher. Nicht so einem, der hier im Wohnzimmer an der Wand hängt. Der hat geschätzt einen Durchmesser von zweieinhalb oder drei Metern. Das Wohnzimmer ist in schwarz und weiß gehalten. Die Wände und Fliesen sind weiß und die Möbel und Accessoires sind schwarz. Mir gefällt dieser Raum auf Anhieb. Alles hat hier seinen Platz, nirgends liegt was herum und selbst die Blumen auf dem schwarzen Sideboard sehen perfekt aus. Die eine Seite des Wohnzimmers besteht aus einer kompletten Fensterfront, aus der man einen Blick auf die Terrasse und den Pool werfen kann.

„Wow…“ Mehr Worte braucht es nicht. Bea antwortet mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht.

„Schön, dass es dir gefällt. Die rechte Seite der Fenster kann man komplett zur Seite schieben, dann kannst du direkt auf die Terrasse und in den Pool. Toll, nicht?“ Ich nicke nur. Mir fehlen einfach die Worte. Unten im Flur befindet sich auch eine Abstellkammer mit Putzutensilien, die aber hauptsächlich von den Hausdamen verwendet werden. Daneben haben die Hausdamen ein eigenes Zimmer, in dem sie sich umziehen und pausieren können, wie Bea mir erklärt, als wir auf dem Weg zur Treppe sind. Natürlich befinden sich im Untergeschoss auch eine Sauna, zwei Bäder, ein Fitnessraum und sämtliche Gästezimmer. Ich komme mir vor wie in einem All-Inklusive-Luxusurlaub. Ich brauche bestimmt noch ein paar Wochen, um zu begreifen, dass dies mein neues zu Hause ist. Oben angekommen deutet Bea auf die Tür rechts von der Treppe.

„Dort befindet sich der Bereich von Berry und mir. Und hier…“, Bea öffnet die Tür, die direkt gegenüber der Treppe liegt. „…hier ist unsere Bibliothek.“ Kurz erhasche ich einen Blick, als ich an der Tür stehen bleibe. Die Bibliothek sieht ziemlich gemütlich aus. Die Wände sind über und über mit Regalen versehen, auf denen sich etliche Bücher befinden. In der Mitte des Raumes steht eine große rote Couch.

„Am Besten, du schaust dir das hier morgen alles in Ruhe an. Du musst ziemlich fertig sein.“ Bea schließt die Tür und führt mich zu einer Weiteren am Ende des Flurs. Ich bekomme einen kleinen Schreck, denn es ist die Letzte im Obergeschoss. Wo schlafen denn ihre Kinder, wenn sich hinter dieser mein Schlafbereich befindet? Habe ich unten etwa eine übersehen? Ich gehe durch die letzte Tür und stehe in einem Raum, der viel Ähnlichkeit mit dem Wohnzimmer von unten hat. Auch hier sind die Wände und der Boden weiß, und die Möbel schwarz. Nur, dass man von hier oben keinen Blick auf den Pool, sondern auf den wunderschönen Garten hat. Die grünen Farben leuchten in der Abendsonne.

„Da staunst du, was? Wir haben das Haus damals komplett umbauen lassen, als Sammy und Lana älter wurden. So haben die zwei Ihre Privatsphäre und wir gehen uns nicht ständig auf die Nerven. Da rechts befindet sich eins eurer Badezimmer. Die Kinder nutzen es als Gäste-WC… Lana hat ein eigenes Badezimmer direkt an ihrem Schlafzimmer. Sie kommt übrigens erst morgen wieder nach Hause. Ist auf irgendeinem Trip mit ihren Freunden.“ Wir gehen nach links und befinden uns in einer Art Nische des Wohnzimmers. Sie erklärt mir, dass sich ganz links Lanas Bereich befindet, rechts daneben ist das ehemalige Gästezimmer, welches nun mein Zimmer sein wird. Ganz auf der rechten Seite befindet sich Sams Reich. Zwischen unseren Zimmern liegt dann wohl das gemeinsame Badezimmer. In dem Moment, als ich Anstalten mache, die Badezimmertür zu öffnen, fliegt diese wie von selbst auf und ich starre auf eine nackte, vom Duschen noch feuchte Männerbrust.

„Wusste ich doch, dass ich etwas gehört habe“, höre ich eine tiefe Stimme sagen. Nur langsam löse ich mich aus meiner Schockstarre und mache einen Schritt zurück, um diesem Sinne vernebelnden Duschgelgeruch zu entkommen und um zu sehen, wem die Stimme gehört. Lana wohl kaum. Vor uns steht anscheinend Sam, mit nichts weiter als einem Handtuch bekleidet, und mustert mich eindringlich. Seiner Miene ist nichts zu entnehmen.

„Ähm, hi… ich bin Mila.“ Noch immer kann ich meine Augen nicht abwenden. Er sieht wirklich gut aus. Genau wie seine Mutter. Er hat dunkelblondes Haar, welches gerade in alle Richtungen absteht. Ich komme mir blöd vor, da er mich immer noch mit seinen grauen Augen mustert.

„Ich weiß“, sagt er nach einer gefühlten Ewigkeit und verschwindet danach lässig in seinem Zimmer. Mir bleibt gar nichts Anderes übrig, als ihm hinterher zu starren und schaue dann hilflos zu Bea, die nur mit den Schultern zuckt.

„Das ist also Sam, ja?“

„Ihr werdet schon miteinander klar kommen. Ich glaube, er braucht einfach ein bisschen Zeit um dich kennen zu lernen.“ Das sollte wohl beruhigend klingen. Aber Bea glaubt sich wahrscheinlich nicht einmal selbst.

„Okay, wenn du das sagst.“ Ich runzle die Stirn, nehme es aber erst einmal so hin. Klar freut er sich nicht darüber, dass er von nun an seinen privaten Bereich und sein Badezimmer mit einer Wildfremden teilen muss. Ich kann es verstehen.

Mein Zimmer sieht sehr gemütlich aus. Es hat helle Wände, verziert mit Bildern, und einen Kleiderschrank, der dreimal ausreicht für meine Klamotten. Das Bett wirkt auf einmal richtig einladend und würde ich mich jetzt hinlegen, schlafe ich wahrscheinlich auf der Stelle ein.

„Meinst du, ich kann mich noch schnell frisch machen, bevor es Essen gibt?“, frage ich, während ich meinen Koffer öffne, den Berry mir schon auf das Bett gelegt hat.

„Aber natürlich, Schätzchen. Nimm dir alle Zeit, die du brauchst und wenn du soweit bist, kommst du einfach runter. Brauchst du noch irgendetwas? Im Badezimmer müssten noch frische Handtücher liegen.“

„Nein, ich denke nicht.“ Ich krame meine Waschtasche aus meinem Koffer.

„Bea?“ Sie bleibt an meiner Tür stehen und dreht sich zu mir um.

„Ja, Schätzchen?“ Ihre liebevollen Augen sind erwartungsvoll auf mich gerichtet und plötzlich weiß ich nicht mehr, was ich eigentlich sagen wollte. Deshalb bringe ich noch einmal ein kleines „Danke“ hervor.

„Oh, Mila…“ Bea kommt zu mir zurück und nimmt mich noch einmal fest in den Arm.

„Du brauchst dich für überhaupt nichts bei mir bedanken. Ich will nur, dass du glücklich bist.“

Nachdem sie mein Zimmer verlassen hat, nehme ich mir einen Augenblick, um alles auf mich wirken zu lassen. Das Haus ist der absolute Wahnsinn. Und okay, dann teile ich mir eben das Badezimmer mit Sam. Ich werde es schon hinkriegen, ihm nicht im Weg zu sein. Ich nehme mir frische Klamotten aus meinem Koffer. Gott sei Dank ist dieses Haus klimatisiert, denn ich trage nach wie vor meinen Kapuzenpullover.

Im Badezimmer verriegle ich die Tür und werfe einen Blick in den Spiegel. OH MEIN GOTT!