Über das Buch:

Eric Harder arbeitet als Sprachforscher in Westafrika.

Bei einem Einsatz in Timbuktu wird er Zeuge eines Raubes.

Wenig später überlebt er in Bamako nur knapp einen Mordanschlag. Damit beginnt eine Kette von Ereignissen, die ihn zusammen mit der UN-Mitarbeiterin Vera Stratmann und dem mysteriösen Khaled quer durch Mali führt. Welche Rolle spielt die seltsame neue Sekte? Was hat Veras Kollege Nabil zu verbergen? Werden die Felsen von Bandiagara, im Gebiet des Dogon-Volkes, ihr Geheimnis preisgeben?

Über den Autor:

Volker Wahl hat viele Jahre in der Werbebranche gearbeitet und malt in seiner Freizeit Aquarelle. Das Titelbild basiert auf einem seiner Werke.

Impressum

Copyright: © 2017 Volker Wahl

2. Auflage

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7448-0573-5

Inhaltsverzeichnis

1

Pierre Tisserand wurde von dem hektischen Stimmengewirr der Dorfbewohner unsanft aus dem Schlaf gerissen. Es hatte auch in den Nachtstunden, hier im Herzen Malis, wie in vielen Gegenden Afrikas, nicht merklich abgekühlt. Schlaftrunken versuchte er herauszuhören was die Menschen vom Volk der Dogon, in deren Gemeinschaft er zurzeit lebte, in diese ungewohnte Aufregung versetzte. Kündigte sich eine Gefahr an oder vielleicht ein freudiges Ereignis? Er war zwar inzwischen mit den Menschen des Dorfes recht vertraut, doch jetzt musste er feststellen, dass er das, was er in der Umgebung der Lehmhütte, die er bewohnte, wahrnahm, überhaupt nicht einschätzen konnte.

Vor etwa 14 Monaten war er als Botaniker der ‚Société Pharmaceutique Internationale‘, kurz SPI, nach Mali gekommen um in diesem westafrikanischen Land nach traditionellen Heilmethoden und bisher unbekannten Arzneipflanzen zu suchen. Mit seinen Erkenntnissen würde die SPI dann in Europa, und im günstigsten Fall der ganzen Welt, neue gewinnbringende Medikamente auf den Markt bringen können. Den großen Durchbruch konnte Pierre aber trotz der engen Kontakte zu den Heilern der Dogon nicht verzeichnen. Die Palette der Heilpflanzen, denen er hier begegnete, hielt sich in Grenzen. Die Vegetation in diesem Teil Afrikas war über Jahrhunderte hinweg sowohl den klimatischen Veränderungen als auch den Bedürfnissen der Menschen zum Opfer gefallen. Was nicht zu Wüste geworden war kämpfte als Trockenwald gegen das lebensfeindliche Klima oder wurde als Ackerland intensiv genutzt.

Pierres intensives Studium der Dogonkultur, seine Bereitschaft sich auf diese Menschen einzulassen und zudem seine Hartnäckigkeit führten schließlich dazu, dass er auch eine Hütte in einem der Dogondörfer bewohnen durfte. An manchen Tagen fühlte er sich sogar als Teil dieser Gemeinschaft.

Die Dörfer der Dogon entlang des dreihundert Meter hohen und fast 170 Kilometer langen Bandiagara-Felsmassivs übten von Anfang an eine erstaunliche Faszination auf Tisserand aus. Die gigantische rotbraune Felswand aus Sandstein, durchschnitt majestätisch das ‚Pays Dogon‘ und bot einen unvergesslichen Anblick mit den pittoresken Dörfern, die wie Schwalbennester in die Felsen gebaut waren.

Nun aber als er mitten in der Nacht, aufgeschreckt vom Lärm, aus seiner Hütte trat fühlte er sich plötzlich hilflos und völlig fremd in dieser Umgebung. Das Feuer auf dem Platz vor dem Dorf spendete zusätzlich zu dem sternenklaren Nachthimmel gerade so viel Licht, dass er sich orientieren konnte. Er sah wie Seydou, der Dorfälteste, der auch die Position des Hogon inne hatte und damit eine Art animistischer Priester war, die Frauen und Kinder zurück in ihre Hütten wies. Die alten Männer reckten ihre Arme zum Himmel und verfielen andächtig in einen sich immer wiederholenden Singsang. Einige junge Männer stimmten mit ein, andere warfen sich zu Boden und hielten ihre Arme vor das Gesicht. Was aus den anderen Hütten drang, konnte Pierre weder als freudige Rufe noch als panisches Geschrei identifizieren. Niemand schien von ihm Notiz zu nehmen. Die Szene, die sich vor ihm abspielte, ließ eine unbestimmte Furcht in ihm aufkommen und er fühlte sich gedrängt in seine Hütte zurück zu kehren. Doch kämpfte er gegen seine Bedenken an und versuchte sich von seiner wissenschaftlichen Neugier leiten zu lassen. Vielleicht wurde er ja nun Zeuge einer bisher unbekannten Heilungszeremonie, die ihm Zugang zu Kenntnissen verschaffte, die sein Konzern so dringend verlangte.

Er sammelte all seinen Mut und versuchte erneut Seydou, den Dorfältesten, in der aufgeregten Menge zu finden. Als er ihn ausgemacht hatte lief er, um Unauffälligkeit bemüht, auf die Menge zu, die sich vor dem Dorf versammelt hatte. Dabei ging er auf den abenteuerlich zerklüfteten Wegen, an den Getreidesilos mit den putzigen Strohdächern und den Wohnhäusern aus Lehm entlang, bis er auf den Platz vor dem Dorf kam. Alle Aufmerksamkeit der fast extatischen Männer gehörte etwas, das weit hinter dem Feuer lag. Die lodernden Flammen in der Mitte des Platzes ließen es nicht zu, dass Pierre von seiner jetzigen Position etwas erkennen konnte. Er bewegte sich weiter an den Hütten entlang bis das Feuer nicht mehr den Blick versperrte und sah eine Gruppe von Dogonmännern, alle wegen des offenbar besonderen Anlasses mit den typischen rituellen Masken versehen. Gemeinsam trugen sie etwas. Was es genau war konnte Pierre nicht erkennen. Immer weiter ging er mit der Menge darauf zu. Je näher er kam, desto öfter fiel ihm auf, dass die anderen Männer ihn mit argwöhnischen Blicken bedachten. Erst glaubte er, dass er die Blicke fehlinterpretierte, dann war er sich sicher. Die Menschen, die ihm in den vergangenen Monaten so herzlich ihre Gastfreundschaft geschenkt hatten, sahen ihn nun als Fremdkörper bei diesem Ereignis. Hier fand etwas statt, das ein Geheimnis der Dogon bleiben sollte. Pierres Blick traf sich mit dem des Dorfältesten, der nun etwas zu seinen Männern schrie und auf ihn zeigte. Pierre wurde schlagartig klar, dass er hier fehl am Platze war und schnellstens zurück in seine Hütte musste.

Bevor er sich umwandte um den Rückweg anzutreten fiel sein Blick erneut auf den Zug der maskierten Dogonmänner und auf das was sie in ihrer Mitte trugen. Im Schein der Fackeln konnte Pierre nun einen unverdeckten Blick darauf werfen. Ihm stockte der Atem. Benommen nahm er das, was sich vor ihm abspielte, fast wie in Zeitlupe wahr. Er begann an seinem Verstand zu zweifeln und konnte seinen Blick nicht abwenden. Wie in Trance ging er einige Schritte rückwärts, den Weg entlang, den er gekommen war. Auf dem steinigen Pfad strauchelte er, fing sich aber. Seine Augen hatte er noch immer auf das Objekt in der Mitte des Maskenzuges gerichtet. Er war unfähig seinen Blick davon zu lösen. Unbewusst machte er weitere Schritte nach hinten. Mehrmals fanden seine Füße nur schlechten Halt. Als er wieder das Gleichgewicht verlor, bemerkte er seinen Fall erst als er auf dem Boden aufschlug. Sein Kopf prallte auf eine spitze Felsenkante und sein Blick haftete auch jetzt auf dem Maskenzug und dem was er transportierte. Und das war auch das Letzte was er sah bevor er das Bewusstsein verlor.

2

Eric Harder saß über seinen Notizen und tippte Aufzeichnungen in seinen Laptop ein. Als Linguist hatte er auch heute versucht weitere Teile eines der Dogondialekte zu entschlüsseln. Irgendwann würde er ein Wörterbuch erstellen können. Später sollte er, da er für eine Missionsgesellschaft arbeitete, eine Bibelübersetzung erarbeiten um die heilige Schrift der Christen auch dieser Volksgruppe zugänglich zu machen. Die Sprache der Dogon hat unzählige Dialekte, von denen einige schon erforscht wurden. Da die Sprachvarianten sich aber teilweise fundamental von einander unterschieden, gab es für ihn noch Forschungsarbeit über Jahre hinaus. Die Missionsgesellschaft war sehr zufrieden mit seiner Arbeit, die er bisher in dem Nachbarland Burkina Faso bei einer anderen Volksgruppe gemacht hatte. Bis zu dem Tuaregaufstand 2012 arbeitete an seiner Stelle sein Kollege Stefan Eigner. Da in den Jahren zuvor ein stabiles politisches Klima im Land herrschte, konnte Eigner seine Arbeit von Mopti aus, das wesentlich näher am Gebiet der Dogon lag, ausführen. Nach dem Beginn der Unruhen wurde er von der Missionsgesellschaft aufgefordert, zu seiner eigenen Sicherheit, das Land zu verlassen. Seltsamerweise folgte er dieser Aufforderung nicht und nachdem im März 2012 die Regierung gestürzt wurde, hörte man nichts mehr von ihm. Einheimische Mitarbeiter, die das Büro in Mopti nach dem Abflauen der Kämpfe wieder aufsuchten, konnten keinen genauen Grund für das Verschwinden Stefan Eigners nennen. Eine polizeiliche Untersuchung seitens der malischen Behörden gab es nie. Man ging allgemein davon aus, dass Rebellen oder Terroristen den Deutschen entführt hätten. Da es keine Lösegeldforderung gab nahm man an, dass er ermordet wurde. Die deutsche Regierung ließ zwar ein Ermittlungsteam einfliegen, jedoch blieben weitere Erkenntnisse aus.

Eric legte seinen Laptop beiseite und ging auf die Veranda vor seinem Haus. Die Missionsgesellschaft für die er arbeitete, die ‚Global Bible Campaign‘, stellte ihm das Haus samt Haushaltshilfe zur Verfügung. Verglichen mit den meisten Menschen in Mali gehörte er zur wohlhabenden Oberschicht. Trotzdem hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht seine Einkäufe selbst zu erledigen. Er sah das als einen Teil seines Berufes an. Da auf dem ‚Marché Rose‘, dem ‚Rosa Markt‘ hier in Bamako, auch eine Frau aus dem Dogonvolk einen Stand hatte, konnte er sogar dabei seine Sprachkenntnisse auf die Probe stellen. Meistens lief es aber darauf hinaus, dass am Ende doch nur wieder das offizielle, das Land verbindende Französisch gesprochen wurde.

Spontan beschloss er heute noch einige Einkäufe auf dem Markt, der zwischen den ehemaligen Kolonialgebäuden abgehalten wurde, zu erledigen. Es war zwar mehr als eine halbe Stunde Fußweg bis dorthin, da aber zur Zeit keine Sandstürme den Aufenthalt auf den Straßen unerträglich machten, sah er den Weg zum Markt als eine willkommene Abwechslung zur Arbeit am Computer an. Immer wieder musste er Autos, Fahrrädern und Motorrädern ausweichen die hier scheinbar ohne jede Regel die Straßen nutzten. Erst als er den Markt erreicht hatte, waren die Fußgänger unter sich. In einem Labyrinth aus engen Gassen boten unzählige Buden ihre Waren feil. Wer sich hier nicht auskannte konnte sich schnell verlaufen. Wer nicht wusste wo er die von ihm gesuchten Einkäufe bekam gab meist nach einiger Zeit die Suche genervt auf. Eric wohnte inzwischen lange genug in Bamako um die Vorzüge dieses Marktes genießen zu können. Gezielt ging er von Stand zu Stand, wusste, wie er den Preis auf eine angemessene Summe herunterhandeln konnte und welchen Händlern er am Besten aus dem Weg ging. Europäer traf man hier auf dem Markt seit den Unruhen und den Reisewarnungen extrem selten. Die Ausländer, die in dieser Millionenstadt geblieben waren überließen es sicherheitshalber den einheimischen Angestellten auswärtige Aufgaben zu erledigen. Eric aber war gerne hier unter den Menschen. Früher hätte er behauptet, dass es an seinem christlichen Menschenbild liegt, dass er den Kontakt zu den Menschen suchte. Seit bei einem Unfall vor etwas mehr als drei Jahren seine Frau und seine Tochter umgekommen waren, strich er das Wort „christlich“ aus diesem Erklärungsversuch. Bis heute erzeugte dieser Verlust einen fundamentalen Zweifel an seinem Glauben. Für seine Arbeit als Bibelübersetzer war das zwar keine Idealvoraussetzung, aber er war routiniert genug um trotz dieser Zweifel seine Arbeit zur vollen Zufriedenheit der GBC zu erledigen.

Als er den Stand, an dem er sonst seine Kenntnisse der Dogonsprache anwandte, erreicht hatte, stellte er enttäuscht fest, dass nicht wie sonst die ihm vertraute Frau dort stand. Das Äußere der Frau, die nun hinter den Körben mit Früchten stand, wies darauf hin, dass sie auch einem anderen Clan des Dogonvolkes angehörte. Das bestätigte sich als er wieder seine Sprachkenntnisse ausprobierte und die gewohnte Begrüßungsformel mit der Erkundigung nach dem Befinden aussprach. Die Frau hinter dem kleinen Tisch lächelte ihn nur unsicher an. Offenbar verstand sie ihn nicht. Da Eric mehrere Begrüßungsrituale beherrschte versuchte er es in einem anderen Dogondialekt. Doch auch das brachte nicht den gewünschten Erfolg. Erst als er wieder die französische Sprache anwendete zeigte die Frau, dass sie ihn verstand.

Eric kaufte einige Früchte und erkundigte sich nach der Marktfrau, die sonst diesen Stand betreute. Er erfuhr, dass sie wegen einer schwangeren Schwester, die ihre Hilfe benötigte, nicht kommen konnte. Eric ließ Grüße ausrichten und verabschiedete sich.

Gerade wollte er sich zum Weitergehen umdrehen, da stand neben ihm eine blonde junge Frau, die seinen Einkauf offensichtlich beobachtet hatte.

„Ich bin beeindruckt, dass sie so viele Idiome beherrschen. Aber bei dem Volk der Dogon soll es ja unzählige Dialekte geben“, sprach sie ihn in klarstem Hochdeutsch an.

„Die Vielfalt der Kulturen und Sprachen hier in Mali ist wirklich faszinierend“, gab Eric schmunzelnd zu. „Aber mit einer deutschen Frau hätte ich hier auf dem ‚Marché Rose‘ überhaupt nicht gerechnet“

„Ich bin Vera. Vera Stratmann. Ich glaube wir sind die einzigen Europäer, die sich hier auf den Markt trauen.“

„Ich bin Eric Harder. Ich freue mich sehr Sie hier zu treffen.“ Er reichte ihr die Hand entgegen und sie schlug lächelnd ein.

„Einer meiner Kollegen von den Vereinten Nationen sind Sie nicht. Da hätte ich Sie sicher hier in Bamako schon mal gesehen. Ein katholischer Pfarrer sind Sie wohl auch nicht. Sind Sie Geschäftsmann? Kann ich mir gar nicht vorstellen. Würde überhaupt nicht zu Ihnen passen.“

„Ich sehe nicht aus wie ein Manager, den das Geld nach Mali gelockt hat? Das sehe ich mal als Kompliment. Aber Sie haben sogar recht. Ich arbeite hier als Linguist. Ich erforsche ein paar noch nicht dokumentierte Dogondialekte.“

„Das passt wirklich eher zu Ihnen.“

„Und was machen Sie als UN-Mitarbeiterin hier in diesem Land?“

„Ich helfe der neuen malischen Regierung dabei ein effektives Verwaltungssystem aufzubauen, das dazu beiträgt die Gesellschaft vor Extremisten zu schützen. Das bisherige System konnte leider nicht verhindern, dass Islamisten versuchten das Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen.“

„Eine große Aufgabe.“

„Das was Sie tun, eine Sprache zu dokumentieren und damit vielleicht vor dem Aussterben zu bewahren, ist bestimmt auch eine große Aufgabe.“

„Das haben wir wohl gemeinsam.“

Vera lachte, was wohl eine Bestätigung sein sollte.

Eric zückte einen Kugelschreiber. „Sie können mich ja mal besuchen. Ich wohne nicht weit von hier.“ Er schrieb ihr seine Adresse samt Telefonnummer auf ein Stück der alten Zeitung in der die Früchte eingewickelt waren, die er auf dem Markt gekauft hatte. Vera nahm den Zettel entgegen und sagte nur „Vielleicht.“ Dann verabschiedete sie sich und verschwand in der Menge. Eric brauchte einige Augenblicke bevor er realisierte, dass er gerade einer völlig Fremden eine Einladung gemacht hatte.

3

Vera Stratmanns Arbeit bei den Vereinten Nationen in Mali bestand hauptsächlich darin sich die vorhandenen Verwaltungsstrukturen zeigen zu lassen, mit den Verantwortlichen zu reden, Vorgänge zu dokumentieren, mit ihrem Team auszuwerten und den Verantwortlichen eigene Vorschläge nachdrücklich zu empfehlen. Wurden diese Vorschläge in die Tat umgesetzt, so konnten die Verwaltungsorganisationen mit UN-Fördergeldern rechnen. Wurden sie nicht umgesetzt so drehte die UN auch mal den Geldhahn zu. In den patriarchalischen Gesellschaften im Westen Afrikas war es für die Verwaltungsbeamten immer eine äußerst ungewohnte Situation sich vor einer Frau bezüglich ihrer Arbeit rechtfertigen oder verantworten zu müssen. Vera stellte Fragen, die Beamten antworteten. Meist hakte sie noch einmal nach. Manchmal kam als Antwort nur ein Achselzucken. Oft stellte sie fest, dass Verwaltung auf dem afrikanischen Kontinent etwas völlig anderes bedeutet als in Europa. Ihr war klar, dass Mali seinen eigenen Weg in die Zukunft finden musste. Das Ziel war es Korruption und Ineffizienz offenzulegen und Alternativen aufzuzeigen. Mit ihrem ägyptischen Kollegen Nabil Samir besuchte sie die Ministerien in Bamako und gab ihre Ergebnisse später an ihr Team im UN-Büro weiter. Dort wurden Lösungsszenarien entworfen.

Veras Kollege Nabil stammte aus Al-Minya in Mittelägypten. Er war nicht sehr groß, hatte aber feine, sympatische Gesichtszüge. Verglichen mit Vera war er eher schüchtern, jedoch ein brillanter Analytiker. Vera übernahm bei ihrer Arbeit den Part der Kommunikation. Nabil griff ein, wenn die Antworten der Verwaltungsbeamten nicht schlüssig oder unzureichend waren. Zusammen bildeten sie ein äußerst effektives Team.

Wenn sie ihr Tagespensum erledigt hatten, verabschiedete sich Nabil meist zügig und erschien dann pünktlich wieder am nächsten Morgen. Vera wusste wenig über Nabils Privatleben. Er war nicht verheiratet, was für seine Arbeit bei der UN von Vorteil war. Er stammte aus einer konservativ muslimischen Familie, kannte sich aber auch sehr gut in den anderen monotheistischen Religionen aus. Studiert hatte er in Deutschland, daher beherrschte er auch die deutsche Sprache. Während ihrer Arbeit benutzten sie jedoch das bei den Vereinten Nationen gebräuchliche Englisch.

Insgeheim spekulierte Vera darüber was Nabil in seinen Abendstunden in Bamako machen könnte. Traf er sich mit einer Frau? Besuchte er Bars? Ging er in eine der Moscheen zum Beten? Vera verdrängte diese Überlegungen meist. Es war Nabils Sache was er privat machte. Es war sein Leben. Beruflich war es ein Glücksfall ihn als Kollegen zu haben. Alles andere ging sie nichts an.

Als Nabil ihr an diesem Abend wieder einen schönen Feierabend wünschte, erwiderte sie wie immer „Danke, dir auch einen schönen Abend.“ Dann verließ Nabil freundlich, korrekt und galant das Büro. Vera sortierte noch einige Notizen auf ihrem Schreibtisch. Dabei fiel ihr Blick auf den Zettel mit Erics Adresse. Sie überlegte einen Moment, atmete tief durch und wählte die Festnetznummer die unter der Adresse stand. Erics Stimme erklang, doch sofort bemerkte sie, dass nur ein Anrufbeantworter am anderen Ende der Leitung war. „Je reviens dans quelques jours. Ich komme in einigen Tagen wieder“, war am Ende der Ansage zu hören. Enttäuscht beendete Vera die Verbindung auf ihrem Mobiltelefon.

„Die Männer sind doch überall gleich“, raunte sie vor sich hin, was sie aber nicht ganz ernst meinte. „Wenn man sie braucht, dann sind sie nicht da.“

4

Timbuktu war eine der Städte Malis, die unter der Herrschaft der radikalen Islamisten von 2012 bis 2013 besonders gelitten hatten. Mit der Besetzung durch die Extremisten wurde der tolerante Islam, der sonst für das Land Mali typisch war, in den nördlichen Landesteilen durch die Scharia ersetzt. Plötzlich galten dort strenge Verhüllungsvorschriften für Frauen. Musik, Sport und Fernsehen waren verboten. Verstöße gegen diese Gesetze wurden mit grausamen Strafen geahndet. Selbst die vielen Mausoleen, für die Timbuktu als die Stadt der 333 Heiligen berühmt ist, wurden zerstört. Kurz bevor die Islamisten, die sich einen Aufstand der Tuareg zunutze gemacht hatten um vom Norden her Mali zu erobern, im Januar 2013 von französischen und malischen Truppen zurückgedrängt wurden steckten sie noch die berühmte Ahmed-Baba-Bibliothek in Brand. Dort wurden seit Jahrhunderten tausende Manuskripte über den Koran, aber auch wissenschaftliche Aufzeichnungen zu Mathematik, Astronomie oder Medizin aufbewahrt und studiert. Timbuktus Schätze, für die die geheimnisvolle Stadt in der Wüste seit Generationen berühmt war, wurden während der elf Monate der Herrschaft der Extremisten zu einem großen Teil zerstört.

Um die Handschriften, die der Zerstörungswut entgangen waren zu erfassen, zu sortieren und gegebenenfalls zu restaurieren, waren die Archivare der Bibliothek dringend auf freiwillige Helfer angewiesen. Als Linguist und mit seiner Erfahrung in nordafrikanischen Raum vermuteten die malischen Behörden bei Eric eine gewisse Vorkenntnis um die teilweise verstreuten Handschriften den jeweiligen Sachgebieten zuzuordnen. Deshalb hatte die malische Regierung bei der GBC angefragt ob Eric ehrenamtlich zwei Wochen bei der Neuordnung der Bibliothek helfen könnte. Zähneknirschend hatte die GBC zugesagt um die guten Beziehungen zu den Behörden nicht zu gefährden. Da sich Amagana, Erics wichtigster Kontaktmann bei seiner Arbeit als Sprachforscher für Dogondialekte, sowieso für einige Tage wegen eines Verwandtenbesuchs abgemeldet hatte, legte er die Zeit seines „freiwilligen Einsatzes“ in diese zwei Wochen.

Als Eric alle Vorbereitungen für seinen Einsatz im Ahmed-Baba-Institut getroffen hatte, nahm er ein Taxi zum Flughafen in Bamako und dann den Flug direkt nach Timbuktu. Für die etwa 900 Kilometer hätte man mit dem Auto mehrere Tage benötigt. Eric war froh, dass er für diesen unfreiwilligen Einsatz wenigstens nicht stundenlang mit dem Geländewagen über die Nationalstraßen fahren musste. Ein wenig neugierig war er schon. Und sogar ein wenig stolz. Die Bibliothek in Timbuktu ist eben nicht irgendeine Bibliothek. Sie beherbergte bisher die bedeutendsten Sammlungen alter westafrikanischer Manuskripte. Timbuktu selbst ist für viele Europäer eine mystische Stadt am Ende der Welt. Ihr sagenhafter Ruf ließ Afrikaforscher in den vergangenen Jahrhunderten zu lebensgefährlichen Expeditionen aufbrechen. Auch wenn die Legenden über diese Stadt meist übertrieben hohe Erwartungen bei den Europäern weckten, die sich beim Einzug in die Wüstenstadt oft in Enttäuschungen verwandelten, so verband man doch mit dem Namen Timbuktu immer etwas Besonderes. Die rund 1000 Jahre alte Stadt ist trotz allem als UNESCO-Weltkulturerbe die wohl bekannteste Stadt Malis.

Das Ahmed-Baba-Institut fügte sich mit seiner Lehmarchitektur geschmackvoll in den Stil der legendären Stadt ein. Eric wurde im Institut äußerst herzlich empfangen und durch die wichtigsten Gebäudekomplexe geführt. Mit Stolz wies sein Führer, ein einheimischer Literaturhistoriker, mit dem er auch in den nächsten Tagen zusammenarbeiten würde, ihn immer wieder darauf hin, dass Timbuktu Jahrhunderte lang eines der wichtigsten Zentren der islamischen Literatur war.

„Warum haben die Islamisten dann auch dieses Gebäude in Brand gesteckt?“, fragte Eric den Gelehrten mit der großväterlichen Ausstrahlung.

„Die Extremisten, die hier in Timbuktu gewütet haben, lehnen Abbildungen in heiligen Schriften ab. Ähnlich wie der Bildersturm während der Reformationszeit in Europa, dem auch etliche Kunstwerke zum Opfer gefallen sind.“ Mit dieser Antwort hatte Eric nicht gerechnet. Der Mitarbeiter der Bibliothek kannte sich offenbar nicht nur mit islamischen Schriften aus, sondern auch mit europäischer Geschichte. Eric war versucht darauf hinzuweisen, dass das Zeitalter der Reformation inzwischen fast 500 Jahre zurück liegt, doch hielt er sich mit seinem Widerspruch zurück.

Die Einweisung in seine Arbeit hier im Institut dauerte noch bis zum Abend. Am nächsten Tag würde er damit beginnen können einige Kisten mit noch nicht zugeordneten Handschriften, vor allem auf Englisch und anderen europäischen Sprachen, zusammen mit dem Literaturhistoriker zu katalogisieren. Während seines Einsatzes konnte er in einem Hotel wohnen, das üblicherweise nur Touristen beherbergte, aber nun völlig verwaist war. Das Zimmer war sauber und klimatisiert, so dass er, nachdem er erschöpft in sein Bett fiel, sofort einschlief und eine erholsame Nacht verbrachte.

5

Als die Nachricht im Bundeskanzleramt eintraf, befand sich die Kanzlerin auf einer Pressekonferenz um über die, ihrer Meinung nach, erfolgreichen Koalitionsgespräche zu informieren. Nachdem die Kanzlerin die Fragen der Journalisten beantwortet hatte und in der Tür des Nebenraumes verschwand signalisierte ihr Peter Steinert, ihr Assistent, dass es eine Neuigkeit der Prioritätsstufe 1 gab. Die Kanzlerin teilte ihm mit, dass er umgehend ein Treffen mit dem Leiter des BND und dem Außenminister arrangieren sollte. Da beide glücklicherweise in Berlin waren, erwartete sie die Zusammenkunft noch am selben Abend.

Das Treffen fand wenige Stunden später statt und das was der Bundesnachrichtendienst der Runde mitteilte, hatte niemand der Anwesenden erwartet.

„Max Strobl ist wieder aufgetaucht. Oder besser gesagt, unsere Leute haben eine heiße Spur von ihm“, erklärte der Leiter des BND.

„Damit hat nach all den Jahren niemand mehr gerechnet. Nachdem wir nun schon seit etwa dreißig Jahren nichts mehr von ihm gehört haben, ist wohl jeder davon ausgegangen, dass er inzwischen tot sein müsste“, bemerkte der Außenminister.

„Strobl kann einem eigentlich leid tun. Er ist schon fast hundert Jahre alt und lebt seit über dreißig Jahren auf der Flucht. Und das obwohl er genau genommen unschuldig ist“, fügte die Kanzlerin hinzu.

„Das ändert nichts daran, dass er über Informationen verfügt, die für ein internationales politisches Erdbeben sorgen würden und deshalb nie an die Öffentlichkeit kommen dürfen.“ Der Außenminister sah die Angelegenheit sehr sachlich.

„Wie nahe sind wir an Strobl und wie viel wissen die anderen?“, fragte die Kanzlerin den Leiter des BND.

„Er wurde vor drei Tagen in Bamako, der Hauptstadt von Mali, gesehen. Wir haben die Informationen erst noch überprüfen lassen, bevor wir sie meldeten. Weitere Kontaktpersonen haben die Meldung unabhängig von einander bestätigt“, erklärte der Angesprochene.

„Haben ihre Leute den genauen Aufenthaltsort ermittelt?“, hakte die Kanzlerin nach.

„Strobl hat keinen offiziellen Wohnsitz in Bamako, er hatte sich in einem Hotelzimmer einquartiert. Dort hat er drei Tage gewohnt. Als er dort ausgezogen ist, verlor sich seine Spur. Dieser Strobl ist ein gerissener Hund. Er weiß wie man Spuren verwischt.“

„Wenn einem die ganze Welt auf den Fersen ist, dann wird man vorsichtig“, mischte sich der Außenminister ein.

„Gibt es gar keinen Hinweis mehr auf Strobls Aufenthaltsort?“

„Nein, aber einer unserer Informanten berichtete, dass ein Zeuge ausgesagt hätte, Strobl wäre regelmäßig in Bamako. Wenn das zutrifft, dann haben wir in den nächsten Wochen wieder die Chance auf ihn zu treffen.“

„Bamako ist eine Millionenstadt, da trifft man nicht jemanden einfach so“, bemerkte der Außenminister.

„Wie nahe sind die anderen Nationen an unserem flüchtigen Senioren?“, wiederholte die Kanzlerin ihre Frage.

„Es gibt keine Hinweise, dass noch jemand von Strobls Existenz in Mali weiß. Insofern besteht auch kein Zeitdruck. Strobl hat bis jetzt geschwiegen, daher ist davon auszugehen, dass er auch weiterhin nicht redet.“

„Dann werte ich diese Informationen als eine gute Nachricht“, verkündete die Kanzlerin. „Ihre Leute haben Strobls Spur wieder aufgenommen. Er hat, so ist zu vermuten, nicht die Absicht mit seinen Informationen Schaden anzurichten. Wenn wir weiter dranbleiben, dann können wir die Angelegenheit irgendwann auch einmal abschließen.“

„Frau Kanzlerin. Ihr nächster Termin ist in sieben Minuten“, meldete Peter Steinert und reichte seiner Chefin eine Mappe mit Unterlagen.

„Danke meine Herren. Sie halten mich auf dem Laufenden.“ Mit diesen Worten stand die Kanzlerin auf und verabschiedete sich.

6

Abdul Battuda, der Literaturhistoriker mit dem Eric zusammenarbeitete, strahlte die Aura eines würdigen alten Gelehrten aus. Eric empfand es am Ende des nächsten Tages als einen Glücksfall, für einige Tage am Ahmed-Baba-Institut arbeiten zu können. Abdul war schon weit über sechzig, hatte einen gepflegten, silbergrauen Vollbart und trug die landestypische weite Tracht, den Boubou. Wie bei den meisten seiner Landsleute, schwarzafrikanischer Herkunft, leuchteten die blendend weißen Zähne und die strahlenden Augen in starkem Kontrast zur dunklen Hautfarbe. Dem alten Mann war bewusst, dass Eric nur auf Grund einer Einladung des Instituts, die „er nicht ablehnen konnte“ hier war. Abdul gab Eric Aufgaben die seiner Ausbildung und seinen Erfahrungen entsprachen, erklärte unaufgefordert das was Eric nicht wissen konnte und verbreitete allgemein eine entspannte Atmosphäre. Er strahlte eine natürliche Autorität aus und das was er sagte, sagte er so, dass auch ein Europäer es in seinen Erfahrungskontext einbauen konnte. Eric fühlte sich in seiner Nähe wohl.

In den nächsten Tagen begegnete Eric neben den vielen einheimischen Mitarbeitern noch zwei Franzosen, die im Auftrag der ‚Académie de la Recherche Scientifique‘ mithalfen die Bestände im Institut zu restaurieren. Da Eric mit seiner Fachrichtung aber stark auf die Zusammenarbeit mit Abdul angewiesen war, hatte er tagsüber wenig Gelegenheit Kontakte zu den Franzosen zu pflegen.

Eine Woche später, als Eric in den Abendstunden seinen wohlverdienten Feierabend in einem Restaurant in der Altstadt genoss, traf er die Franzosen, die sich zu ihm an den kleinen Tisch unter dem Sonnenschirm setzten.

„Na, mein deutscher Freund. Dürfen wir dir ein Bier spendieren?“ Eric war erfreut über das Erscheinen der Franzosen. Zwar mochte er die Menschen in Mali sehr, aber ein entspannter Abend mit Europäern tat hin und wieder auch sehr gut.

„Danke. In diesem Fall entspreche ich dem Klischee, das uns Deutschen als Biertrinker anhaftet, sehr gerne.“ Die Franzosen bestellten bei der Bedienung auch noch jeweils eine Flasche Bier für sich mit und nahmen ihre Sonnenbrillen ab.

„An kalten Winterabenden in Nordfrankreich habe ich mir immer gewünscht in einer unserer ehemaligen Kolonien zu leben, wo man keine Handschuhe und Pelzmäntel braucht“, begann der kleinere der beiden das Gespräch und fächelte sich mit einer französischen Tageszeitung Luft zu. Er litt merklich unter der Hitze die hier in Timbuktu, am Rand der Sahara, scheinbar niemals erträglich werden wollte. Eric wusste nicht ob er auf das Thema „ehemalige Kolonie“ eingehen sollte.

„An heißen Tagen in Frankfurt habe ich mir immer gewünscht in Grönland zu leben. Trotzdem hat es mich hierher verschlagen. Man kann es sich eben nicht immer aussuchen“, gab Eric zurück. Die Franzosen lachten. Eric lachte mit. Das Eis war gebrochen. Man prostete sich zu und erzählte von Ausflügen oder Ferien in Frankreich oder Deutschland. Nach einer weiteren Runde Bier zeigten die Franzosen Bilder ihrer Familien. Auch Eric holte ein Foto seiner Frau und seiner Tochter aus der Brieftasche. Er erklärte, dass beide nicht mehr lebten. Dabei bekam er wieder feuchte Augen. Die beiden Franzosen legten Eric die Hände auf die Schultern und trösteten ihn. Ohne übertriebenes Mitleid. Ohne Floskeln. Ohne theoretische Ausführungen über Trauerbewältigung. Lange hatte Eric nicht mehr über seinen Verlust gesprochen, weil er stets das Gefühl hatte nicht verstanden zu werden. Nun aber fühlte er sich so verstanden wie nie zuvor. Und das half ihm, sich wieder echte Freude zu erlauben. Die nun folgenden Stunden mit den beiden Männern taten ihm gut. Als sie die dritte Runde Bier bestellten, wechselten sie den Tisch und begaben sich in den Innenraum des Restaurants um nicht auf der Straße das Bild des betrunkenen Ungläubigen abzugeben. Alle drei waren keinen Alkohohl gewohnt, so dass das Bier in Verbindung mit der Hitze schnell dazu führte dass sie alle „stark angeheitert“ waren. Eric fühlte sich schon lange nicht mehr so entspannt.

Als die Dunkelheit herein brach, begleitete Eric die beiden zu ihrem Geländewagen skandinavischer Herkunft und verabschiedete sich mit guten Ratschlägen für eine sichere Heimfahrt und besten Wünschen für die Nacht.

Am nächsten Tag wunderte sich Eric, dass er seinen neuen Freunden nicht in der Bibliothek begegnete, hielt er das zwar für einen Zufall, machte sich aber dennoch Sorgen, dass sie nicht doch Entführern in die Hände gefallen sein könnten.

Als Eric am darauffolgenden Tag seine Arbeit antrat, traf ihn die neue Nachricht wie ein Schlag ins Gesicht. Die beiden Franzosen waren zwar nicht entführt worden, jedoch anderen Hinterlassenschaften der Besetzung durch die Extremisten zum Opfer gefallen. Irgendwo waren sie auf freier Strecke auf eine Mine gefahren. Die Detonation hatte den vorderen Teil des Geländewagens mitsamt den Insassen zerrissen. Der Ziegenhirte, der die Männer gefunden hatte, verständigte den örtlichen Armeeposten.

Die Untersuchung, die daraufhin eingeleitet wurde kam zu dem klaren Ergebnis, dass die beiden in der Nacht leichtsinnigerweise die Straße verlassen hatten, die Schilder, die bei Tag deutlich sichtbar auf die Minengefahr aufmerksam machten, nicht beachtet oder in der Dunkelheit nicht gesehen hatten und zusätzlich einfach nichts weiter als Pech hatten. Höchstwahrscheinlich waren sie auf der Stelle tot. Die örtliche Tageszeitung berichtete davon in einen knappen Artikel.

Eric fühlte sich an diesem Tag als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Er fragte sich ob er es hätte verhindern können. Ob es einen irgendwie gearteten Sinn geben könnte.

„War das die Strafe eures Gottes, dafür dass wir Christen Alkohol trinken?“, fragte Eric seinen väterlichen Kollegen Abdul trotzig. Abdul ignorierte diese Respektlosigkeit und überlegte. Dabei sah er Eric an, der wie ein kleines Kind in hilflosem Zorn vor ihm stand.

„Allah, der Allbarmherzige, hat den Menschen gute Gesetze gegeben. Aber er kennt die Menschen auch. Er weiß, dass sie ungehorsam und selbstsüchtig sind. Würde er alle Menschen die gegen seine Gebote verstoßen derart bestrafen, dann gäbe es bald keine Menschen mehr. Und in eurer Religion habt ihr nicht einmal ein Vergehen begangen. Du hast mir gestern erzählt, dass es ein Abend des fröhlichen Beisammenseins war. Wärt ihr ohne Alkohol nicht so fröhlich gewesen?“

„Ich glaube, das Schöne war, dass wir vorgestern einander bis in die Seele schauen konnten. Das hatte nichts mit dem Alkohol zu tun.“

„Dann hat Allah, der Gütige, nicht dich oder deine Freunde gestraft. Er hat euch gegenseitig in eure Herzen schauen lassen. Der Allmächtige hat euch ein Geschenk gemacht. Würde das deine Religion anders sehen?“

„Nein, du hast recht. Es war ein Geschenk. Aber verstehen kann ich es trotzdem nicht.“

„Das verlangt auch keiner von dir. Oder steht in eurer Bibel, dass man Gott verstehen muss? Ist es so ein kleiner Gott, dass Menschen ihn verstehen können?“

„Nein, auch damit hast du recht.“

„Wenn ein Mensch Jahre braucht um eines dieser alten Schriftstücke zu verstehen, wie sollte er dann den Allmächtigen verstehen können.“

Auch wenn Eric am liebsten jetzt schon wieder widersprochen hätte, so nickte er nur ergeben und versuchte das Gehörte zu verinnerlichen. Abdul lächelte ihn mitfühlend und aufmunternd an. „Fülle dein Herz mit dem Andenken an deine Freunde und nicht mit dem Zorn gegenüber deinem Gott. Damit ehrst du sie und deinen Schöpfer.“ Mit diesen Worten reichte Abdul ihm einen Stapel mit alten Handschriften. „Ich vermutete diese Texte sind in deutscher Sprache geschrieben. Vielleicht auch Holländisch. Du kannst mir sicher dabei helfen.“

7

Frank Eastwood war froh, wieder das Haus in Ségou beziehen zu können. Seit die malische Armee zusammen mit den französischen Truppen den Norden Malis von den Islamisten zurückerobert hatte, musste er nicht mehr von Mauretanien heraus operieren. Der US-Geheimdienst, für den er arbeitete, hatte ihn mit einer kleinen Gruppe von Spezialisten in den Westen Afrikas geschickt um politische und religiöse Splittergruppen zu beobachten, die den Vereinigten Staaten oder westeuropäischen Nationen potentiell gefährlich werden könnten. Im Laufe der Jahre hatte Frank ein Netzwerk von Verbindungsleuten in Mali aufgebaut, das ihm das Gefühl gab, dass er hier in den Ländern der CEDEAO, der „Communauté Économique des États de l’Afrique de l’Ouest“, einer westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, zu der auch Mali zählt, alles unter Kontrolle hatte. Das einzig Unvorhergesehene in seinem Alltag als Leiter dieser Abteilung, war das Bündnis zwischen den aufständischen Tuareg und den Extremisten in den letzten beiden Jahren. Und das hatte leider dazu geführt, dass er vorübergehend seinen Standort nach Mauretanien verlegen musste. Nun, da er wieder zurück in Ségou war, ging er davon aus, dass er wie in den Jahren zuvor, den Kontakt zu seinen Informanten pflegen, hin und wieder bei manchen inoffiziellen Verhören von Verdächtigen etwas Nachdruck anwenden müsste und die Informationen dann einfach seinen Vorgesetzten weiterleiten würde. Für einen unerfahrenen Anfänger wäre es sicher ein schwerer, vielleicht sogar ein unmöglicher Job. Für ihn, der sich im Laufe von Jahrzehnten im US-Geheimdienst hochgearbeitet hatte, wäre es nur Routine.

Als er die Meldung, die heute auf seinem Schreibtisch lag las, wusste er, es würde Arbeit für ihn geben. Aber auch diese Aufgabe würde er routiniert abarbeiten.

8

In den nächsten Tagen hatte sich Eric wieder gefangen. Der Tag der Abreise zurück nach Bamako war nun nicht mehr fern und er bedauerte es nun fast sich bald wieder von Abdul trennen zu müssen.

Während seiner täglichen Arbeit brachten ihm Helfer alle Schriftstücke die offensichtlich in einer europäischen Sprache verfasst waren, sofern es nicht Französisch war. Eric sortierte diese Handschriften dann nach von Abdul vorgegebenen Regeln.

Drei Tage vor Erics geplanter Heimreise brachte ihm ein Helfer eine Handschrift auf der sich am unteren Ende eine stark stilisierte Zeichnung befand. Der ägyptische Helfer war sich nicht sicher, ob der Text zur islamischen Literatur zählte oder ein anderes Thema behandelte. Da der Text auf Deutsch geschrieben war, konnte er ihn nicht lesen. Deshalb bat er Eric den Inhalt zu übersetzen.

Eric las die ersten Zeilen des handschriftlichen Dokuments, das für ihn kaum zu entziffern war und schüttelte etwas verlegen den Kopf.

„Ich bin mir nicht sicher. Der Text gehört zu einem Ausgrabungsbericht und handelt von einem Fund in Tel el-Amarna in Ägypten. Der Verfasser schreibt von einer Stele auf der eine Inschrift zu lesen ist.“

Der Helfer fragte weiter, ob es nicht auch ein Symbol des Volkes der Dogon sein könnte.

Eric las den Text weiter, um seinem Kollegen genauere Angaben machen zu können. „Nein. Vom Stamm der Dogon kann ich hier nichts finden. Dieses Zeichen hier ist ein Ideogramm. Es steht für Chepri, einer Erscheinungsform des Sonnengottes. Es ist offensichtlich auch kein islamischer Text. Nur eine Abhandlung über eine Hieroglyphe.“ Eric nahm das Schriftstück und legte es zu anderen auf einen Stapel. Der Ägypter verabschiedete sich und Eric machte mit seiner Arbeit weiter.

Am nächsten Tag fiel Eric auf, dass der Helfer, der ihm gestern das seltsame Dokument mit dem Chepri-Symbol gegeben hatte, ein längeres Gespräch mit Abdul führte. Im Laufe des Gesprächs wurde der Helfer immer lauter und aggressiver. Abdul hielt eine der Handschriften in den Händen und versuchte mit seiner väterlichen Art den Mann zu beruhigen, was ihm aber offensichtlich nicht gelang. Der junge Mann griff nach dem Blatt, aber Abdul zog es zurück. Der Helfer wurde immer aufgeregter und Abdul wies ihn zur Tür. Der junge Mann reagierte jedoch nicht und wiederholte seine Forderung erneut lautstark. Nun wurde auch Abdul laut und trat autoritär auf ihn zu. War dieser heftige Streit in den alt ehrwürdigen Hallen schon ungewöhnlich, so versetzte das nun Folgende die Mitarbeiter des Hauses in helle Aufregung.

Der junge Mann zog eine Pistole und richtete sie auf Abdul. Abdul hob die Hände und redete nun betont langsam und deutlich auf den Angreifer ein. Das Papier hielt er immer noch in der rechten Hand. Der Helfer forderte wieder das Schriftstück und als Abdul es ihm gab rannte er sofort, den Gang zwischen den Arbeitstischen entlang, los. Die anderen Mitarbeiter in dem großen Saal standen alle gebannt mit erhobenen Händen an ihren Tischen. Als der junge Mann den Raum verlassen hatte hörte man einen Schuss. Einige Männer in dem Raum fingen sich wieder und liefen zu den Fenstern. Von dort konnte man den Seitentrakt sehen in dem sich der Flüchtende nun befinden musste.

Der Schuss war auch in den anderen Gebäuden des Instituts gehört worden. Zwei Soldaten, die seit dem Konflikt mit den Islamisten ihren Dienst hier versahen, rannten über den Hof. Ein weiterer Schuss fiel. Offenbar wurde aber niemand getroffen. Von dem Fenster aus konnte Eric jetzt sehen, dass der junge Mann eine Geisel genommen hatte. Mit hocherhobenen Händen wurde ein Mitarbeiter der Bibliothek von dem Geiselnehmer über den Hof geführt. Immer wieder schrie der Flüchtende: „Bleibt alle ganz ruhig, dann wird niemand verletzt. Ich will nur dieses eine Blatt.“ Diese Warnung tat offensichtlich ihre Wirkung. Die Sicherheitskräfte wogen das Risiko ab und entschieden, den Flüchtenden mit dem Papier erst mal laufen zu lassen. Die Unversehrtheit des Mannes, der als Geisel genommen wurde, war wichtiger. Die beiden näherten sich nun dem Parkplatz. Von seinem Fenster aus konnte Eric das Geschehen nun kaum noch verfolgen. Eine Autotür schlug zu, Autoreifen quietschten und ein Fahrzeug fuhr in einer Wolke aus Staub und Sand davon.

Sofort starteten weitere Autos, die wohl zu den Soldaten gehörten. Als der Staub sich gelegt hatte, sah man inmitten des Parkplatzes die Geisel. Der Mann drehte sich langsam nach allen Seiten herum und war sich offenbar nicht sicher, ob nun alles vorbei war. Jemand rannte über den Hof auf den Mann zu. Es war Abdul. Als er den Mann erreicht hatte, sprach er beruhigend auf ihn ein und führte ihn zurück ins Gebäude.

Der Polizeihauptmann, der die Ermittlungen führte, unterhielt sich lange mit Abdul. Da der Täter erst seit einigen Tagen im Institut arbeitete, konnte Abdul wenig über ihn sagen, doch der Polizist hakte immer wieder nach. Auch die Aussagen der Kollegen die enger mit dem Ägypter zusammenarbeiteten, ergaben keine zusätzlichen Erkenntnisse. Nachdem von weiteren Polizisten die restlichen Zeugen befragt wurden, unter anderem auch Eric, zog die Polizeieinheit ab. Man wartete darauf, ob die Verfolgung, inzwischen mit einem Armeehubschrauber, Erfolg haben würde. Allgemein war man froh, dass niemand verletzt worden war.

„Welches Dokument hat der Ägypter eigentlich geraubt?“ fragte Eric den inzwischen sehr erschöpften Abdul als sie gemeinsam das Gebäude verließen.

„Ein Dokument in deutscher Sprache, das einen Fund in Ägypten behandelt. Eine einzelne Seite. Sie gehört zu einem etwa 300-seitigen Grabungsbericht und ist etwa 200 Jahre alt. Den Inhalt kennst du wahrscheinlich besser als ich. Du hast ihn gestern gelesen.“

Eric erinnerte sich. „Eine Handschrift mit einer Zeichnung. Der Ägypter war sehr interessiert daran. Warum war ihm diese Seite so wichtig, wenn sie doch nicht zur islamischen Literatur gehörte?“

„Was hast du auf diesem Blatt gelesen, mein Freund?“

„Nur dass in Tel el-Amarna eine Stele gefunden worden ist, auf der irgendein Sonnengott gewürdigt wurde. Keine Ahnung wie er genau hieß. Und die Bedeutung einer Hieroglyphe wurde beschrieben“, erklärte Eric.

„Ebenso wie du, sind nicht alle Mitarbeiter hier im Haus Muslime“, gab Abdul zu verstehen. „Daher kann ich dir wenig über die Denkweise dieses Mannes, der sich Omar nannte, sagen. Ich bin froh, dass niemand ernstlich zu Schaden kam. Lass uns nun nach Hause gehen. Dies war kein guter Tag.“

9

Der Abschied von Abdul und den Kollegen des Ahmed-Baba-Instituts, einige Tage später, war sehr herzlich. Eric versprach den Mitarbeitern irgendwann zurück zu kommen, zumindest als Tourist. Abdul übergab ihm eine von ihm selbst angefertigte Kalligrafie mit einem Ausspruch des malischen Korangelehrten Sidi Ahmad al-Baqqa‘i. Die fast ornamental in sich gewundenen Linien der arabischen Schrift zeigten ein sehr dekoratives harmonisches Gesamtbild. Ganz klein hatte Abdul noch am unteren Rand den Text in das Französische übersetzt. Eric bedankte sich und fühlte sich geehrt.

Er wünschte den Männern die ihn vor dem Gebäude umringten mit einem Handschlag alles Gute und verabschiedete sich mit einer lockeren Umarmung. Er war froh, dass die Verabschiedungszeremonien in Mali lange nicht so umfangreich oder manchmal auch kompliziert waren wie die Begrüßungszeremonien.

Der Flug zurück nach Bamako verlief reibungslos. In der Hauptstadt nahm er wieder ein Taxi zum ‚Marché Rose‘, kaufte dort das Nötigste ein und ließ sich nach Hause bringen. Dort angekommen stellte er erfreut fest, dass weder eingebrochen wurde, noch sonst ein Schaden zu entdecken war.

Die Kontrollleuchte seines Anrufbeantworters blinkte, was ihn nicht verwunderte. Achtzehn Anrufe wurden angezeigt. Eric hörte sie geduldig ab. Meist waren es nur kurze Grüße oder die Mitteilung, dass sich der Anrufer später noch mal melden würde. Als er eine Meldung von Vera Stratmann hörte, lächelte er unwillkürlich. „Hallo Sprachforscher, hier ist Vera. Sind Sie auf einer Expedition im Urwald oder auf einem Abstecher in Deutschland um sich mit heimischen Bier einzudecken? Wenn Sie wieder zu Hause sind, können Sie mich ja mal zurückrufen.“ Dann gab sie noch ihre Handynummer an und legte auf. Eric beschloss, sie am Abend zurückzurufen und jetzt erst mal zu duschen. Danach würde er noch einige berufliche Anrufe erledigen und den morgigen Arbeitstag vorbereiten.

Das Restaurant ‚Chez Bernard‘ lag in der Nähe des ‚Marché Rose‘. Während des Telefongesprächs hatten Eric und Vera vereinbart, sich noch am selben Abend dort zu treffen. Eric hatte das Lokal empfohlen. Als er 2012 seinen Dienst in Bamako antrat, war es das erste Restaurant das er besuchte, um sich nach einer harten Arbeitswoche „etwas zu gönnen“. Er hoffte, dass es noch immer ein so reizvolles Ambiente haben würde und war sogar etwas aufgeregt. Er verbrachte ungewohnt viel Zeit damit, das richtige Outfit für diesen Abend auszusuchen.

Als er am ‚Chez Bernard‘ ankam, war Vera noch nicht da, was aber nicht verwunderlich war, da Eric mehr als zeitig dort erschien. Er wartete unter einer uralten Palme die in der Dämmerung von einem Strahler des Restaurants angeleuchtet wurde.

Vera erschien in einem Taxi. Der Fahrer ließ es sich nicht nehmen der jungen Frau persönlich aus dem Auto zu helfen. Dabei hielt er ungewöhnlich lange ihren Arm. Eric spürte wie sich Eifersucht in ihm regte. Als ihn Vera mit einer herzlichen Umarmung begrüßte, verflogen die düsteren Gedanken aber bald.

Ihre schlanke Figur wurde von einem reizvollen roten Kleid betont. Die langen blonden Haare trug sie jetzt offen, was ihn etwas überraschte, da sie bei ihrer ersten Begegnung ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebändigt hatte. Ihre helle Haut war durch die Zeit, die sie auf dem afrikanischen Kontinent verbracht hatte, leicht gebräunt. Ihre Augen sahen ihn wach und verschmitzt an.

„Schön, dass Sie so spontan Zeit haben“, begann Vera.

„Das Restaurant liegt nicht so weit von meinem Haus und ich hatte sowieso noch nichts für heute Abend vor.“ Eric versuchte seine Freude über das Wiedersehen mit Vera nicht ganz so deutlich zu zeigen.

„Wenn Sie heute Morgen noch in Timbuktu waren, dann hatten sie sicher einen anstrengenden Tag.“

„Umso mehr freue ich mich, dass ich den Abend nun in netter Gesellschaft verbringen darf.“ Eric war gespannt wie Vera auf dieses Kompliment reagieren würde.

„Vielen Dank. Ich habe mich auch auf diesen Abend gefreut.“ Dabei lächelte sie ihn derart strahlend an, dass er sich fühlte als hätte er bei einer Lotterie den Hauptgewinn gezogen.

„Ich hoffe, das Restaurant hat nicht unter den Unruhen gelitten. Der Besitzer scheint noch derselbe zu sein.“ Eric ging voraus, über die Terrasse auf der schon einige Gäste den Abend genossen, und öffnete Vera die Tür zum Gastraum. Es roch nach exotischen Speisen. Erfreut stellte er fest, dass sich das Restaurant kaum verändert hatte. An den Wänden hingen malische Schnitzereien unterschiedlicher Herkunft. Die Tische waren großzügig im Raum verteilt, eine Bar bildete das Zentrum des großen aber gemütlichen Saals. Eric hatte telefonisch einen Tisch reservieren lassen. Der Kellner, ein schlanker Einheimischer mit glatter dunkler Haut, führte sie an einen etwas abgelegenen freien Tisch und zündete eine Kerze an. Vera setzte sich, dann nahm auch Eric Platz.

„Ein schönes Lokal“, stellte sie fest während sie sich umschaute.

„Ja, der Besitzer versteht es den Zauber Afrikas mit dem zu verbinden was für einen Europäer ein gutes Restaurant ausmacht.“ Der Kellner brachte die Speisekarten und beide begannen die angebotenen Gerichte zu studieren. Sie tauschten bisherige Erfahrungen mit der einheimischen Küche aus und amüsierten sich darüber, dass sie beide, wenn sie in Deutschland Restaurants aufgesucht hatten, meistens asiatische Küche wählten.