© 2017 Klaus F. Kandel

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH Norderstedt

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages und des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Coverillustration: Emanuel Henné

Umschlaggestaltung: Klaus F. Kandel

Korrektur: Ursula Schuchardt

ISBN 978-3-7448-5726-0

Inhalt

Vorwort

Der vorliegende Band schließt nahtlos an Taran 17 an. Anbei der zum Verständnis der Leser, welche Taran 17 nicht kennen, den Inhalt in Kurzform:

David Thorstensen, genannt Dave, Tornadopilot, Staffelkapitän im Rang eines Korvettenkapitäns, Marinefliegergeschwader 2, startet im Jahr 2003 zu einer militärischen Übung über der Ostsee.

Zusammen mit einer englischen Natomaschine sollen sie ein unbemanntes, zur Verschrottung freigegebenes Schiff, ausgestattet mit einem Störsender, versenken. Als Dave eine ›Kormoran‹ abfeuert, explodiert diese weit vor dem Ziel. Für Sekunden taucht in einer diffusen, nebligen Zone ein ›Schatten‹ auf. Herumfliegende Trümmer des Geschosses beschädigen das Begleitflugzeug, welches abstürzt. Nur der Waffenleitoffizier entkommt per Schleudersitz der abstürzenden Maschine.

Ein Forschungsraumschiff von Shantinar, die Largo-14, Kapitän Kort Nagar, unsichtbar im verwundbaren Tarnmodus fliegend, interessiert sich wegen der unerklärlichen Aussendung ebenfalls für das Schiff, nicht ahnend, dass es nur ein harmloses Seeziel für militärische Übungen ist. Zu spät erkennen sie die heranrasenden Kampfflugzeuge und werden getroffen. Ihr Hauptenergieleiter bricht, das Raumschiff stürzt ab und landet auf dem Grund der Ostsee. Die Shantis, eine lebend gebärende Echsenrasse, sind flugunfähig gestrandet.

Gerüchte über ein Ufo machen die Runde. Selbstverständlich glaubt niemand bei der Marine daran. Auch der MAD unternimmt alles, um unerwünschte Spekulationen zu unterdrücken.

Zusammen mit Mike Chester, irischer Abstammung, welcher den Absturz der Natomaschine überlebte, macht Dave sich auf die Suche nach dem von ihnen gesehenen, geheimnisvollen ›Schatten‹. Als sie das Raumschiff bei einem Tauchgang finden, holt man sie ins Innere. Um wieder behelfsmäßig flugfähig zu werden, benötigen die Shantis beachtliche Mengen an Kupfer. Dave und Mike besorgen das Metall. Mit dem Kapitän der Shantischiffes wird vorher vereinbart, dass sie, um dem MAD und CIA keinesfalls in die Hände zu fallen, anschließend zum Mars mitfliegen. Weiter schaft es der beschädigte Forschungsraumer nicht mehr.

Ihre einzige Hoffnung beruht auf der beim Einflug in das irdische System gefundenen untermarsianischen Anlage, die sich jeder Analyse entzog. Dabei entdeckten sie an einer Stelle der Oberfläche unbekannte Schriftzeichen. Mike hält diese für Jahrtausende alte Hieroglyphen.

Er möchte daraufhin von seinem Vetter zweiten Grades, Bill Skinner, einem Archäologen, Spezialist für altbabylonische und sumerische Schriften, Bücher zum Entschlüsseln der Symbole ausleihen. Doch der ahnt, um was es geht und begleitet ihn auf dem Flug zum Mars.

Auf dem Planeten angekomen, ist der Shantiraumer endgültig ein Wrack. Das Wasser der Ostsee beschädigte die Treibwerke erheblich. Zusammen mit Rijn Tubal, einer Shantiforscherin, entziffern sie die Zeichen für ›Tür‹ und ›öffnen‹. Dave, leidlich vertraut mit Meditationstechniken, gelingt es auf telephatischem Weg, Einlass in die Anlage zu erhalten. In einer unerwarteten ›Vision‹ verschmilzt er kurzzeitig gedanklich mit einem ursalanischen Großadmiral, der soeben mit seiner ›Todesflotte‹ den ›Feind‹ angreift. Dieses geschah vor rund achthunderttausend Jahren. Dave wird dabei ein Wissen übermittelt, das ihn teilweise befähigt, das Außenfort 17 der Marsfestung, von ihm Taran 17 genannt, in Grenzen zu beherrschen.

Er erfährt, dass die Ursalaner, von der gleichnamigen Welt stammend, gegen den ›Feind‹ überall in der Galaxie Abwehrforts errichteten, nachdem alles Leben in ihrem System vernichtet wurde. Niemand weiß, wer oder was der ›Feind‹ ist.

Taran 17 setzt die Largo-14 instand. Die Shanti, mit Ausnahmen von Rijn, fliegen ab, ohne zu ahnen, dass es auf Shantinar inzwischen einen Militärputsch gab. Der Anführer, Admiral Snerk Farl will die befreundete Leigronzivilisation erobern, ist aber derzeit nicht kampfstark genug. Sein Plan ist daher, die technisch rückständige Erde zu überfallen und als Geisel zu nehmen, um die Marsstation zu erpressen.

Derweil schult Taran 17 Dave und Mike, sodass sie in weitem Umfang ursalanische Rechner kommandieren können.

Anschließend wird Dave als scheinbarer ›Schiffbrüchiger‹ auf einer kleinen, unbewohnten Insel in der Ostsee ausgesetzt. Nach seiner Rettung gibt er an, dass er von Aliens entführt und auf deren Raumschiff gefangen gehalten wurde. Er weiß nicht, was aus Mike und Bill geworden ist.

Major Gubba, der kurz danach zum Freund wird, wirbt erfolgreich Personen für die Marsstation an.

Inzwischen greifen die Xsoor das ›Reich der Zwölf Sonnen‹ an. Eine in diesem Gebiet stationierte ursalanische Beobachtungssonde strahlt ein Alarmsignal aus, welches von Taran empfangen wird. Die Marsfestung muss aufgrund ihrer Programmierung alles unternehmen, was in ihrer Macht steht, um die Angreifer zu vernichten. Im ›Reich der Zwölf Sonnen‹ sind bereits zwei Welten zerstört, ehe die kleinen Kampfeinheiten aus den Hangars des Mars dort auftauchen. Zu ihrer Überraschung kommen von einer unbekannten, vollautomatischen Raumschiffswerft modernste, schwer bewaffnete Kampfschiffe hinzu und unterstellen sich Dave. Die Werft namens Milverduun empfing ebenfalls das Alarmzeichen und wartete nur auf bemannte ursalanische Einheiten, um diesen die Raumschiffe zur Verfügung zu stellen. Nach der Vernichtung der Invasoren fliegen Dave und seine Begleiter ab, ohne Kontakt mit den dortigen Eingeborenen aufzunehmen.

Der Seneschall

Wie Marionetten, deren Fäden gleichzeitig durchschnitten wurden, fiel der gesamte Hofstaat zu Boden, mit verrenkten Gliedern reglos liegen bleibend.

Noch immer lächelnd, in unbestimmte Fernen sehend, kippte die Kaiserin aus ihrem Thron langsam vornüber. Ihr funkelndes Diadem zersprang auf dem Marmorboden hell klingend in zwei Teile.

Auf allen Monitoren der Überwachungszentralen das gleiche Bild: Ob Mensch, ob Tier, sie lagen ausnahmslos tot auf dem Boden!

Vögel stürzten ab, zerschmetterten auf der Erde. Blut, wohin man sah. Ein feiner Nebel sank herab. Insekten, wie Fliegen, Bienen, Käfer oder Mücken, bedeckten nach kurzer Zeit das Land.

Von den Rechnern und Überwachungsstationen alarmierte Helfer fanden auf Ursalan kein Leben mehr.

Auf der ganzen Welt gab es nicht die geringste Spur einer einzigen, lebendigen Zelle! Von kleinsten Einzellern, von Viren, Bakterien, Pilzen, Kleingetier, über einfache Pflanzen bis hin zu riesigen Bäumen, alles abgestorben.

Meeresbewohner? Gleichgültig ob auf pflanzlicher oder tierischer Basis waren ausnahmslos verendet. Selbst in den tiefsten Schichten des Planeten existierte nicht einmal die winzigste Mikrobe.

Die Wurzeln der Gewächse nahmen kein Wasser mehr auf. Sie vertrockneten, genau wie die Leichen von Mensch und die Kadaver der Tiere. Durch das Fehlen von Mikroorganismen und Pilzen gab es weder Fäulnis noch Verwesung.

Ohne autorisierte Anweisungen und Befehle blieben die Rechner und Androiden untätig.

Fünf Tage später ...

Ein Blitzschlag genügte, um die ausgedorrten Pflanzen zu entzünden. Ursalan wurde zu einem gigantischen, brennenden Scheiterhaufen.

Danach kam der Regen. Ein schwarzes, schlammiges Leichentuch bedeckte gnädig die tote Welt.

Mit ihrem Heimatplanet fiel auch das gesamte System der Vernichtung anheim!

*

Stets von Neuem betrachtete Großseneschall, Duc de l‘Achcon, die Aufzeichnungen. Und unablässig stellte er sich dieselbe Frage: Warum schätzten sie die Situation dermaßen falsch ein, nahmen die Gefahr, in der Ursalan schwebte, auf die leichte Schulter? Müde in seinen Kontursessel zurückgelehnt, schloss er die Augen und erinnerte sich ...

*

Die Sitzung des ›Kaiserlichen Rates‹ verlief, wie in Anwesenheit Ihrer Majestät nicht anders zu erwarten, gelassen und sachlich.

Links von ihr, an einem ovalen Tisch, saßen der Großseneschall und der Oberhofmeister, zu ihrer rechten Seite, der Obersthofmarschall sowie der Hauptmann der Garde, Mitglieder des Adels.

Gegenüber hatten ein Admiral und zwei Vizeadmirale, jeweils mit ihren Adjutanten, Platz genommen.

Freundlich an den Admiral ansprechend:

»Ich habe ihre Berichte gelesen, möchte aber aus ihrem Mund nicht nur eine Zusammenfassung, sondern auch ihre persönliche Ansicht zu dem Vorgang hören. Bitte sprechen Sie frei und offen, danke!«

»Eure Majestät, vor vier Tagen orteten wir in einer Entfernung von rund dreiundachtzig Lichtjahren das Raumschiff einer uns unbekannten Rasse. Es fliegt mit konstant fünfundneunzig Prozent Lichtgeschwindigkeit einen Kurs, welcher in etwa drei Lichtminuten, sofern keine Änderung der Flugrichtung eintritt, an Ursalan vorbeiführt. Die Größe des annähernd kugelförmigen Gebildes, es hat keine glatte Oberfläche, sondern unzählige Ausbuchtungen und Einkerbungen, beträgt im Mittel eintausend Kilometer. Eher ein fliegender Kleinplanet, denn ein Sternenschiff. Das Objekt reagiert auf keinerlei Kontaktversuche unsererseits. Eine unbewaffnete Sonde, unauffällig in die Flugbahn gelenkt, verging etwa hundert Kilometer vor dessen Äußeres in einem andauernd aufgebauten Schutzschirm. Dieser Schirm ist sowohl für unsere Ortungseinrichtungen als auch für Telepathie undurchdringlich. Da es direkt auf das System zufliegt, rate ich zu seiner sofortigen Zerstörung! Aufgrund des Ausmaßes des Objektes ist, wenn es angreift, mit einer enormen Feuerleistung zu rechen!«

Mit besorgter Miene lehnte sich der Admiral zurück.

»Sind ihre Kollegen derselben Meinung?«

Die beiden Vizeadmirale nickten bestätigend. Vor ihnen leuchtete ein Hologramm auf, das Fremdschiff zeigend. Eiskalt fühlte die Kaiserin, wie es ihr den Rücken herunterlief. Für einen Moment verspürte sie grenzenlose Angst.

Gefasst wandte sie sich an den Seneschall:

»Monsieur Duc de l‘Achcon, was ist ihre Meinung?«

»Ich denke, wir sollten unsererseits nicht sofort mit einem kriegerischen Akt beginnen. Herr Admiral, wie wäre es mit einem Schuss vor den Bug, mit einer Bombe die deutlich vor dem Schutzschirm, wenn auch mit hoher Sprengladung, explodiert?«

Bevor der Angesprochene antworten konnte, ergriff ihre Majestät erneut das Wort:

»Ich halte die Idee für gut! Können wir das gleich durchführen und das Ergebnis umgehend sehen?«

Der Admiral wandte sich seinem Adjutanten zu:

»Kontakt zum leitenten Flottenadmiral aufnehmen und Anfrage stellen!«

Keine zwei Minuten später erfolgte die Antwort:

»Sofort ausführbar! Welche Stärke wünschen Sie?«

»Mittlere Sprengkraft, wir wollen unsere tatsächliche Kampfstärke keinesfalls zu früh aufdecken. Positionieren Sie einen Zerstörer der Kalron-Klasse in drei Lichtsekunden Abstand seitlich zum Ziel. Danach Feuer frei!«

Gespannt verfolgte der ›Kaiserliche Rat‹ das Manöver. Der Kreuzer feuerte. Sekunden später vernichtete ihn ein ungeheurer Feuerstoß aus einem der Geschütze des Objektes, welches unbeirrt weiterflog.

Ohne sich mit dem Rat abzustimmen gab der Admiral den Befehl:

»Alle Schiffe sofort auf einen Mindestabstand von einer Lichtminute! Ausführen!«

Beherrscht sprach er die Kaiserin an:

»Ich schlage einen zweiten Versuch vor. Gleichzeitiger Angriff von fünfhundert Panzerschiffen der Kothran-Klasse. Sie haben die stabilsten Abwehrschirme und nahezu die gleiche Feuerkraft wie die Schlachtschiffe. Feuereröffnung aus einer Entfernung von 10 Lichtsekunden!«

Zögernd stimmte die Kaiserin zu:

»Alles aus verschiedenen Positionen genau aufzeichnen! Ich wünsche, dass unsere Großrechner anschließend eine ausführliche Analyse des Geschehens vornehmen! Wie lange benötigen Sie für das Manöver?«

Der Flottenadmiral wandte sich an seinen Schiffsrechner.

»Feuerbereitschaft in sieben Minuten, Eure Majestät!«, meldete er.

»Gut Herr Admiral, handeln Sie nach eigenem Ermessen!«

Der Rat beobachtete aufmerksam die in der Schiffszentrale ablaufenden Ereignisse. Nach der genannten Zeit feuerten die Panzerschiffe mit höchster Leistung. Danach besaß Ursalan fünfhundert Schiffe samt Besatzungen weniger.

Müde erhob sich die Kaiserin:

»Meine Herren, keine weiteren Aktivitäten bis zur Auswertung des Geschehens!«

*

Vorläufig begnügten sie sich mit der Beobachtung des ›Feindes‹, wie sie das fremde Raumschiff neuerdings nannten.

Und entwarfen Pläne.

Wie sie nach intensiver Suche feststellten, tausende von Sonden durchsuchten gezielt ihre Galaxie, gab es noch mehr ›Feinde‹.

Sie beschlossen mehrgleisig zu fahren.

Als Erstes erwählten sie einen urwüchsigen Planet, weitab des georteten ›Feindes‹, welcher im schlimmsten sich vorzustellenden Fall ihre zukünftige Heimat werden sollte. Sie nannten ihn Ursalan II.

Zweitens installierten sie, ebenfalls weit auseinander liegend, auf zwei nicht von Lebewesen bewohnten Welten, gigantische, vollautomatische Raumschiffswerften.

In vielen Sonnensystemen, die Leben trugen oder voraussichtlich welches tragen würden, errichteten sie, zusammen mit befreundeten Sternenvölkern, Abwehrstationen mit höchster Feuerleistung, versehen mit einigen Raumschiffen.

Als Letztes entsandten sie selbstständig handelnde Überwachungssonden in die Randgebiete zahlreicher Systeme.

Der Rechner auf Ursalan II entsprach genau dem auf ihrer Heimatwelt und koordinierte zusätzlich auch die Abwehr des ›Feindes‹.

Ob absichtlich oder nicht, Fehler oder Sabotage, niemand bemerkte es, reagierte diese Anlage lediglich auf Anweisungen höchster Militärs. Zivilisten, selbst in den obersten Adelsrängen, einschließlich der Kaiserin, konnten ihn keinesfalls kommandieren!

Jahr um Jahr verstrich. Da sich der ›Feind‹ unauffällig verhielt, verschwand er aus dem Visier der normalen Menschen. Die andauernde Bedrohung, wurde zur Gewohnheit, mit der Zeit als gering erachtet.

Da der Feind, solange er in Ruhe gelassen wurde, von sich aus nichts gegen die Ursalaner unternahm, gingen sie davon aus, dass dieser das System durchqueren würde, ohne einen Schaden anzurichten.

Je lethargischer sich die Bevölkerung verhielt, desto emsiger arbeiteten die Militärs, Forscher und Wissenschaftler. Werft um Werft, Festung um Festung, Schlachtschiff um Schlachtschiff entstanden.

Ununterbrochen verbessert, stets kampfstärker werdend. Eine auf lange Sicht angelegte Strategie. Sie würden die ›Feinde‹ vernichten! Und wenn es Jahrhunderte dauern würde!

Der Seneschall übernahm, bis zum Eintreffen der Kaiserin, die Regierungsgewalt über Ursalan II. Was nicht viel bedeutete. Klare Vorgaben, unter Kontrolle der Rechner, sorgten dafür, dass alles plangemäß umgesetzt wurde.

Schließlich war es soweit. Der Umzug, genauer die Evakuierung Ursalans, sollte erfolgen.

Aber ihre Majestät ignorierte die Gefahr. Sie weigerte sich, ihre Welt zu verlassen, ging mit schlechtem Beispiel voran. Als sie zur Umsiedlung aufgefordert wurde, entgegnete sie:

»Meine Herren, ich glaube, dass die Bedrohung, die vom angeblichen ›Feind‹ ausgeht, maßlos übertrieben ist! Er stellt nichts als einen überwiegend inaktiven Metallklotz dar, welcher zufällig unser System durchfliegt! Ich werde hierbleiben!«

Ihre letzte Fehlentscheidung. Als das feindliche Schiff den Punkt des kürzesten Abstandes zu Ursalan erreichte, schlug es zu! Übrig blieb eine tote Welt!

*

Wut, Hass und Rachegedanken erfüllte die Besatzungen der zehntausend angreifenden Schlachtraumer. Der ›Feind‹ verging! Und mit ihm die ursalanische Flotte!

Welch ein hoher Preis für die Vernichtung eines einzigen ›Feindes!‹

Aber eine Erkenntnis gewannen sie: Ihr Gegner war besiegbar.

Ab sofort ging es darum, die eigenen Verluste an Menschenleben so klein wie möglich zu halten.

Also wurde ein vollautomatischer Schiffsverband, sicherheitshalber dieses Mal aus zwölftausend Schiffen bestehend, ausgesandt. Keiner der Raumer hielt dem Gegenschlag stand! Ungerührt flog das Ziel weiter, nicht den Bruchteil eines Grades aus dem Kurs gebracht.

Jetzt wollten sie es wissen! Eine ›Todesflotte‹, die Besatzungen bereiteten sich darauf vor, ihr Leben zu opfern, griff erneut an. Der ›Feind‹ verging beim Angriff! Die ursalanische Flotte verschwand ebenfalls.

Auch wenn sie im Laufe der Jahrhunderte ihre Schlagkraft verbesserten, ihre Taktik verfeinerten, gab es keine Lösung als Leben gegen Leben.

Und so produzierten sie weitere ›Todesflotten‹. Zerstörten Feind um Feind, doch um welchen Preis?

Mit der Zeit fanden sich immer weniger Ursalaner bereit, ihr Dasein zu opfern, um andere Zivilisationen zu retten.

Trotzdem bauten sie auf vielen Welten in ihrer Galaxie kampfstarke Bollwerke.

Für wen? Die Flotten Ursalans verloren sich in den Tiefen des Alls. Zweihunderttausend Jahre nach dem Untergang ihres Systems, erloschen die letzten Hyperfunksprüche, verschwanden die Echos der Triebwerke. Besiegt von der Zeit und der Unendlichkeit des Universums!

*

Achthunderttausend Jahre verstrichen.

Noch immer versah Großseneschall Duc de l‘Achcon seinen Dienst. Unregelmäßig, alle paar Jahrtausende für wenige Tage geweckt, überstand er die Zeit.

Die Menschen auf Ursalan II wussten nichts von ihm, vergaßen ihre eigene Vergangenheit. Unauffällig unter ihnen lebende Androiden sorgten entsprechend ihren Anweisungen dafür, dass es zu keinen Kriegen kam, sodass die Bevölkerung erhalten blieb.

Tief im Untergrund versteckte Neutronenabsorber verhinderten zuverlässig, dass die Kraft des Atoms erneut entfesselt wurde.

Er selbst wohnte auf einem winzigen Kontinent, kaum dreihundert Kilometer durchmessend, von einem Ringgebirge umgeben. Auf Geheiß der Kaiserin errichteten sie inmitten dieses Eilandes die für den Extremfall gedachte neue Hauptstadt des Reiches.

Wenige Jahrhunderte genügten, und die Menschen zogen auf die viel größeren Raum bietenden Erdteile, gründeten weitere Zivilisationen und vergaßen.

Nach kurzer Zeit erinnerte sich niemand an das geplante Zentrum des zweiten Imperiums, auch nicht mehr an die gigantischen Rechner, Kraftwerke und Raumabwehrforts, welche tief unter der Stadt verborgen einsatzbereit warteten.

Und sie wussten nichts von den ›Schläfern‹, welche, seit Ewigkeiten, immer wieder ergänzt durch weitere Personen, auf den Tag ihres Einsatzes warteten, um die Schiffe Ursalans zu bemannen und gegen den ›Feind‹ in den Kampf zu ziehen.

»Sie wünschen, Eure Exzellenz?«

Auf einen Wink trat sein privater Androide heran.

»Ich bin müde! Bringe mich bitte ...«

Tiefrotes Licht ersetzte das Tageslicht, Sirenen ertönten, Bildschirme, bisher unsichtbar, schalteten sich ein und zeigten ...!

Er glaubte, seinen Augen nicht zu trauen, das Herz blieb ihm vor Schreck fast stehen. Er bedurfte der Meldung des Rechners kaum mehr.

»Feindschiff im Anflug! Vorläufig geschätzte Ankunftszeit in 43,7 Jahren! Umgehend Kommandoübernahme durch einen Raumadmiral erforderlich!«

›Aus, alles aus!‹, lauteten seine entsetzten Gedanken. Hier gab es weit und breit keinen befehlsberechtigten Offizier! Und ohne dessen ausdrückliche Anordnung konnte er auch niemals einen Hilferuf absetzen. Ortungssicherheit als höchste Priorität.

Hellsichtig erkannt er, dass dies endgültig das Ende Ursalans war. Ein Plan ›B‹ existierte nicht.

Ursalan II war verloren, die gesamte Bevölkerung, sowie die ›Schläfer‹.

Gebrochen, am Boden zerstört, wandte er sich an den Androiden.

»Bringe mich bitte in meine Schlafkapsel! Du brauchst mich nie mehr zu wecken!«

Noch einmal würde er erwachen. In einer anderen Welt und dort seine Kaiserin wiedersehen.

Großseneschall Duc de l‘Achcon konnte dies kaum mehr erwarten.

Shantinar

»Sie wollen mir allen Ernstes erzählen, dass wir die marsianische Legierung weder analysieren, noch nachbauen können? Was denken Sie, wird Großadmiral Snerk Farl nach seiner Rückkehr dazu sagen?«

Gelassen erwiderte Professor Kurtan, Chefphysiker und Leiter des Akademischen Rates, den Blick des erbosten Admirals. Nachdenklich entgegnete er:

»Glauben Sie angesichts der aktuellen Lage der Dinge, dass ihr Vorgesetzter jemals wiederkommt?«

Während der Angesprochene hochrot anlief, zu einer geharnischten Antwort ansetzen wollte, sprach der Gelehrte geduldig weiter:

»Die Legierung des erneuerten Energieleiters beweist, dass die Technik der Marsfestung uns um Jahrhunderte, vermutlich eher um Jahrtausende voraus ist! Auf Shantinar unendlich wertvolles Kupfer bedeutet dort wenig, sie verwenden zudem überall bessere Materialien. Der Rechner eines harmlosen Außenforts setzte ein ihm bisher völlig unbekanntes Raumschiff quasi so nebenbei instand. Das Material der Festung? Unsere Forscher sahen sich nicht im Geringsten in der Lage, davon eine Probe zu entnehmen! Glauben Sie, dass ihr Großadmiral, wenn er denn jemals das gesuchte System findet, gegen diese Übertechnik auch nur den Hauch einer Chance besitzt? Er wird geortet und vernichtet werden, bevor er weiß, was ihm geschieht. Die wiedererwachte Station wird einen Identifikationscode höchster Verschlüsselung verlangen! Sofern sie den nicht erhält, wird sie systemfremde Schiffe gnadenlos eliminieren! Aber ich denke kaum, dass es so weit kommt!«

Admiral Snurf war inzwischen totenblass geworden. So hatte bisher niemand die Situation eingeschätzt.

Leise, mit brüchiger Stimme: »Wieso glauben sie nicht, dass dies geschehen wird?«

Müde sah ihn der Gelehrte an.

»Sie halten sich für einen fähigen Offizier, mit bester militärischer Ausbildung und logischer Denkweise, oder? Wie kamen Sie und die völlig überhastet aufgebrochene Flotte auf die Idee, dass die Largo-14 die echten galaktischen Positionsdaten des Mars besitzt? Der marsianische Rechner tauschte sie unter Garantie gegen modifizierte, für uns ganz und gar verhängnisvolle Werte aus! Überlegen Sie einmal! Auch unsere Forschungsschiffe setzen normalerweise alles daran, dass die Position Shantinars fremden Zivilisationen keinesfalls bekannt wird! Warum sollen andere Militärs nicht in den gleichen Bahnen denken? Berücksichtigten Sie und ihre Kollegen je, dass die Marsanlage nur auf Telepathie reagiert? Dies ist ein weiteres Indiz für eine absolute Hochtechnologie! Ohne eine schlagkräftige Flotte sind wir wehrlos! Hoffen Sie, das es niemand unserer raumfahrenden Nachbarn und Konkurrenten bemerkt!«

Totenblass saß der Admiral am runden Tisch des akademischen Rates, die fragenden, auf ihn gerichteten Blicke kaum bemerkend.

Wenn das dem Rat der Sieben Leigrons bekannt würde, die möglicherweise zu den gleichen Schlüssen gelangten, befand sich Shantinar in höchster Gefahr!

Jetzt war die Metalllegierung plötzlich nebensächlich, ab sofort ging es um Alles oder Nichts! Seinen ersten Einfall, die Gelehrten umgehend in Haft zu nehmen, verwarf er resigniert. Ganz gewiss diskutierten diese seit Längerem mit weiteren Kollegen das Thema durch, kamen gemeinsam zur vorliegenden Einschätzung, sonst träte der Professor kaum derart selbstsicher auf. Zu viele wussten bereits davon.

Nicht abzusehen von dem Aufsehen, welches solch ein Schritt ausgelöst hätte. Die Aufmerksamkeit Leigrons würde erst recht geweckt! Er erhob sich, wohl wissend, dass es längst zu spät war:

»Meine Herren, ich werde die Angelegenheit umgehend dem Militärrat vortragen. Sie stehen ab sofort unter Kriegsrecht und dürfen zu niemandem über ihre Überlegungen sprechen! Weitere Diskussionen zu diesem Thema müssen unbedingt unterbleiben. Sie erhalten hierzu demnächst genauere Anweisungen! Guten Tag!«

*

Wie zu erwarten lagen sich die höchsten Militärs prompt in den Haaren, auch wenn sie, als Echsen, nicht ein einziges besaßen. Nur eine ledrige, mit feinen Schuppen bedeckte Haut.

Von überheblicher Ignoranz bis zu tiefstem Erschrecken, von Sachlichkeit bis zum hysterischen Gekreische, von maßloser Wut bis hin zu bitterer Resignation erfüllt, kamen die Herren, von ihren Adjutanten umsorgt, zu keiner allseits gefälligen Lösung.

Mühsam einigten sie sich auf ein paar Kompromisse:

Jeder ausgemusterte Raumer sollte, gleichgültig wie alt, erneut einsatzbereit gemacht werden. Die Bewaffnung der Schiffe mussten sie verbessern und, auch wenn dies am schwersten schien, die Produktionszahlen von Raumschiffen mit Einsatz jeglichen zur Verfügung stehenden Kräften drastisch steigern.

Für am vordringlichsten hielten sie es, dafür zu sorgen, dass die Botschaft Leigrons nichts von alledem erfuhr. Höchste Geheimhaltung war angesagt!

Als sie auseinandergehen wollten, meldete sich verschüchtert ein Oberst zu Wort:

»Admiral Snurf, bitte, ...«

Unwillig wandte sich sein Vorgesetzter ihm zu:

»Ja? Was noch? Sprechen Sie!«

Nervös schluckte der Offizier.

»Das von der Largo-14 angekündigte Marsschiff. Wie sollen wir vorgehen, wen dieses kommt?«

Mist! Das hatten sie völlig vergessen!

Erneut lagen sich die Militärs in den Haaren. Angesichts der wenigen Kampfschiffe, welche sie noch besaßen, gab es nur eines:

»Wir werden das Schiff abfangen und ohne Warnung vernichten! Gleichzeitige Feuereröffnung aller unserer Einheiten! Eine Kontaktaufnahme der Terraner mit Leigron ist unbedingt zu verhindern!«

*

Wie gewohnt hörte die offiziell nicht existierende, stets geleugnete Spionageabteilung in dem Botschaftsgebäude Leigrons den Nachrichtenverkehr der Shanthimilitärs ab. Und zählte zwei und zwei zusammen. Und sendete, sehr zum Ärger der Shanthis, einen hochverschlüsselten, unmöglich zu knackenden Bericht an ihre Heimatwelt.

Ein paar eingeborene Verräter, welche dringend Geld benötigten, sowie umgehend gezielt eingesetzte Spione, ergaben alsbald ein klares Bild der Situation auf Shantinar. Die Besatzung des Forschungsraumers Largo-14, interniert in einem Militärlager, wurde über in das Wachpersonal unauffällig eingeschleuste Agenten heimlich ausgefragt. Innerhalb weniger Tage zeichnete sich eine völlig andere Darstellung des solaren Systems ab, als die offizielle Propaganda verkündete. Was zum nächsten Bericht und steigender Sorge bei den Militärs Shantinars führte. Sie konnten den Funkspruch der Botschaft zwar anpeilen und aufzeichnen, doch die von den Humanoiden Leigrons angewandte Verschlüsselungstechnik entzog sich allen ihren Versuchen, diese zu dechiffrieren.

*

Längst war dem Rat der Sieben klar, dass die Shantis es auf ihre wasserreichen Welten abgesehen hatten, natürlich ohne die dort lebenden Humanoiden.

Derzeit reichte die Kampfkraft der Echsen keinesfalls für einen Erfolg versprechenden Angriff auf die Leigronzivilisation aus. Ein geballter Gegenschlag der Leigronflotte und Shantinar war verloren. Nicht umsonst brach Großadmiral Snerk Farl zum Mars auf, um eine Waffe gegen Leigron in die Hand zu bekommen. Dauernd flogen die Foschungsraumer der Shanti Sonnensysteme an, genau wie ihre eigenen Schiffe, doch stießen sie bisher nie auf Intelligenzen mit überlichtschnellen, ihnen an Kampfkraft weit überlegen Einheiten. Selbst wenn die Marsbesatzung zum Zeitpunkt des Besuches der Largo-14 nur wenige Menschen umfasste, wer wusste, wie viele von denen inzwischen die Kampfschiffe steuern konnten? Die Forscher Shantinars bekamen nur ein kleines Außenfort zu sehen. Taran 17. Wie viele derartige Forts gab es? Und die marsianische Zentraleinheit? Nichts war über sie bekannt! Sahen sich die Erdenmenschen mittlerweile imstande, auch diese Zentrale in Betrieb nehmen?

Im Gegensatz zu dem wie aufgescheuchte Hühner gackernden Militärrat analysierten die sieben Vertreterinnen der Systeme Leigrons, das vorliegende Material in Ruhe und Gelassenheit.

Und beschlossen, vorerst abzuwarten. Die heimlichen Aussagen Kort Nagars ergaben eindeutig: Selbst wenn sich die Positionsdaten des Solsystems, entgegen aller Annahmen, als korrekt darstellten, gegen die marsianische Technik kam Großadmiral Snerk Farl garantiert nicht an. Sein überhasteter Aufbruch, aus Gier und Größenwahn heraus, würde ihm nur Tod und Verderben bringen!

Eine Handvoll Schiffe im interstellaren Raum, weit um Shantinar herum verteilt, mussten das angekündigte Marsschiff rechtzeitig warnen, ehe es arglos in eine Falle tappte, was allerdings kaum zu erwarten war.

Für den Rat der Sieben gab es aus ihrer Sicht der Dinge keinen Grund zur Sorge. Da eine Shanthiforscherin nach wie vor auf Taran 17 weilte, das Shanthischiff vom Marsrechner, vor allem, was dessen Datenspeicher anbetraf, gründlich untersucht, sprich hundertprozentig schamlos kopiert und ausgewertet wurde, kannten die Menschen die Shantis in- und auswendig. Außerdem, wer wollte mit Sicherheit sagen, dass die Largo-14 an Bord oder an versteckten Stellen der Schiffshülle, keine unerwünschten kleine elektronische Geräte nach Shantinar einschleppte? Natürlich ohne Wissen der Besatzung, welche heilfroh war, mit ihrem havarierten Schiff nach Hause zu gelangen, und nicht weiter nachdachte?

Vielleicht befanden sich bereits unsichtbar Spionagesonden im Raum um ihre Welt? Flogen diese der Largo-14 voraus? Immerhin wies die Marstation die Shantis klar auf ihre, in deren Augen recht primitive Raumfahrttechnik hin.

Ehrlicherweise gestand sich der Rat der Sieben ein, dass ihre eigene Technik auch nicht viel besser dastand. Also: Abwarten!

*

Äußerst zufrieden, lehnte sich Admiral Snerk Farl im Kontursessel zurück.

Bald würde sein Traum von der Beherrschung der Galaxie, vordringlich die der Leigronzivilisation und der Marsanlage, in Erfüllung gehen. Danach kam nur noch ein kleiner Schritt zum Kaiser aller Shantis!

Die Humanoiden? Leigron? Terra? Sie mussten vernichtet werden! Sämtliche Wasserwelten allein für sein Volk!

Ein Blick auf die Konsole vor ihm, im Steuerraum der ›Shantinar I‹, dem Flaggschiff, zeigte den planmäßigen Verlauf des Angriffs. In zehn Minuten würden die Schlachtraumer, eine gewaltige Flotte aus über hundertfünfzig Einheiten, im Normalraum, höchsten dreißig Lichtsekunden von Terra entfernt, aus dem Hyperraum auftauchen. Die Erde, wie die Menschen ihren Planeten nannten, stünde danach genau zwischen ihnen und der Marsanlage. Bevor diese reagieren konnte, hatten seine Schiffe diese Welt längst eingeschlossen, als Geisel genommen.

»Countdown bis zum Austritt: 10 - 9 - 8- ...«

Er hörte gar nicht zu, schwelgte gedanklich in dem demnächst erfolgenden Triumph.

»... 1 - 0!«

Erschrocken, gleich darauf zutiefst entsetzt, fuhr er hoch.

Vor ihm ...

Das nervtötende Heulen der Sirenen, die sich überschlagenden Alarmmeldungen, betätigten nur die Katastrophe!

Vor ihm, exakt in ihrer Flugrichtung, lag ein schwarzes Loch. Nichts war zu erkennen außer einem kaum sichtbaren, dunkelroten Glühen an dessen Rändern. Und es griff unerbittlich nach ihnen.

Die kleinsten Einheiten der Flotte konnten den auf sie einwirken Gravitationskräften gerade mal eine Sekunde lang widerstehen, ehe sie zermalmt wurden. Das Flaggschiff? Die Steuerrechner führten die gesamte Leistung der Energiemeiler den Schutzschirmen zu, entzogen sie den Triebwerken. An ein Entkommen war nicht zu denken.

Hellsichtig erkannte er in den letzten Augenblicken seines Lebens den grundlegenden Fehler: Das Forschungsschiff der Shantis wurde von der Marswerft instand gesetzt, dabei die Positionsdaten von Mars und Erde geändert. Er hätte es sich leicht ausrechnen können! So wenig wie er jemals irgendeinem vertraute, genauso argwöhnisch handelten die Erdenmenschen!

Misstrauen gegenüber anderen als oberstes Prinzip!

Danach dachte er nichts mehr.

*

Die Sonde, mit genügend Sicherheitsabstand zum Schwarzen Loch positioniert, lieferte hervorragende Aufnahmen vom Untergang der Shantiflotte.

Betroffen verfolgte die Marsbesatzung in Taran 17 das Geschehen.

»Sie haben es nicht anders verdient!«

Daves Kommentar kam hart und kalt.

»Dank verschiedener Spionagesonden wissen wir genau, dass Snerk Farl die Menschen sowohl auf der Erde als auch auf Leigron gnadenlos ausrotten wollte! In den nächsten Tagen wird Mike mit Rijn Tubal und seinem Vetter Bill Shantinar anfliegen. Vordergründig, um sie zurückzubringen und um unsere Freunde von der Largo-14 unter Kapitän Kort Nagar wie versprochen zu besuchen! Wenn wir angegriffen werden, verlieren die Shantis dabei ihre letzten Kampfschiffe. Danach wird der ›Rat der Ältesten‹ erneut eingesetzt, das Militär aufgelöst. Im Shanthisystem und dazugehörigen sonstigen Systemen, sofern es dort keine unterdrückten Eingeborenen gibt, installieren wir eine überwiegend androidengesteuerte Schutzflotte. Nach der Kontaktaufnahme mit Leigron bieten wir denen ebenfalls unseren Schutz an, vorausgesetzt, dass diese bereit sind, ihre bewaffneten Einheiten zu verschrotten. In ein paar Wochen wird Mike die Gelegenheit bekommen, Prinzessin Alina zu besuchen. Für das ›Reich der 12 Sonnen‹ gilt es dann gleichfalls: keine Militärs! Alle Imperien zusammen, sollen, wenn sie mitmachen, einen übergeordneten ›Sternenrat‹ unter der Oberhoheit Ursalans bilden! Terra und Mars werden nicht erwähnt! Nur Ursalan, ohne dessen galaktische Position preiszugeben.«

Erheitert beobachtete Dave die verblüfften Gesichter rundum. Zum ersten Male hatte er grob umrissen, wie er sich die Zukunft vorstellte.

»Bevor ihr lange fragt: Mit Taran und ein paar Politologen haben wurde dies vorerst so entworfen, Einzelheiten diskutieren wir später gemeinsam!«

*

»Mike, Du nimmst bitte die ›Gungnir‹! Ein Zerstörer der Kalron-Klasse, Standardversion mit gerade mal 250 m, genügt völlig. Offiziell fungierst Du als einfacher Raumkapitän, der Rijn, wie versprochen, nach Hause bringt! Sie erhält ohne ihr Wissen falsche Erinnerungen, die deinen wirklichen Rang nicht enthalten. Im Abstand von einer Lichtstunde gehen drei Kreuzer der Porca-Klasse in Stellung, nur für den Fall der Fälle! Abflug in fünf Tagen. Aine wird als deine erste Offizierin ausgegeben. Sie wird die Shantis telephatisch abhören und Dich laufend abhörsicher informieren. Stelle Dir eine angemessene Besatzung zusammen, immerhin treten wir erstmalig in diplomatischer Mission auf und sollten etwas darstellen. Alles klar?«

Mike nickte zustimmend und verschwand. Dave fuhr fort:

»Hathor, Isabelle und ich fliegen demnächst mit der Tourendal nach Milverduun. Zum einen will ich das Werk persönlich kennenlernen, zum anderen möchte ich mit dem dortigen Großrechner ein paar Ideen diskutieren. Absolut abhörsicher! Ralf übernimmt das Kommando über Taran 17 und sieht zu, dass im Andental nichts schiefläuft. Irgendwelche Einwände?«

Taran 17 meldete sich aufgeregt, recht ungewohnt für einen kühl und emotionslos handelnden Computer:

»Sir! Sie müssen unbedingt mit angemessenem Begleitschutz fliegen! In Milverduun startet soeben eine Einheit von zehn Schlachtschiffen der Sirlan-Klasse! Aufgrund aktuellster Auswertungen von Taran und Milverduun, ihr Verhalten und ihre Pläne für die Zukunft werden laufend analysiert, erfolgt ihre Erhebung, nach Ankunft der Schiffe, in den Dienstgrad eines Großadmirals. Danach sind Sie berechtigt, jeden funktionsfähigen Rechner Ursalans zu kommandieren! Für eine Person ihres Ranges gelten höchste Sicherheitsvorschriften! Zudem ist es Ihnen nicht mehr erlaubt, die Erde anzufliegen! Ihr Schutz ist dort keinesfalls ausreichend gewährleistet!«

Dave griff sich fassungslos an den Kopf. Hatten diese Blechbüchsen noch alle? Bereits nach der Aktion gegen die Xsoor ließen sie ihn nicht mehr mit der Thule, einer kleinen Korvette losfliegen. Viel zu gefährlich! Bevor er Einspruch erheben konnte, meldete sich die Hauptzentrale Taran in begütigendem Tonfall zu Wort:

»Sir! Aufgrund unseren Analysen existieren nach wie vor weitere ›Feinde‹. Den Einsatz einer Todesflotte, welche von einem Admiral befehligt wird, kann nur von einer Rangstufe ab Großadmiral angeordnet werden. Grundlegende, nicht veränderbare Programmierung!«

Jetzt ergriff in Neugier: »Gibt es noch höhere Ränge?«

»Jawohl, Sir! Der oberste militärische Befehlshaber in der Raumflotte ist, sofern ernannt, ein Generaladmiral. Er unterstand nur der Kaiserin! Seine Anweisungen erhielt er über den Großseneschall. Dieser, als Nichtmilitär, besaß keinerlei Befugnis, Kampfrechner zu kommandieren!«

Sieh mal einer an! Ursalan wurde früher also von einer kaiserlichen Majestät regiert! Sehr interessant! Außerdem, die Befehlshaber schienen sich abgesichert zu haben. Keine Kommandoberechtigung für Zivilisten. Offenkundig konnte nicht einmal die Kaiserin militärische Operationen direkt anordnen. Nur als Vorgesetzte über die Admirale.

Was sollte es, Schnee von gestern!

»Einverstanden, Taran! Wann treffen Milverduuns Schiffe ein?«

»In zweiunddreißig Stunden erfolgt Austritt aus dem Hyperflug in einem Abstand von zwei Lichtminuten außerhalb der Marsbahn, damit die auftretende Schockwellen sich nicht auf die Erde auswirken!«

Sehr rücksichtsvoll von Milverduun, dachte Dave.

Nur er selbst zog mal wieder die Arschkarte. Gefangener seines Ranges mit jeder Menge Kindermädchen.

Seufzend wandte er sich ab.

*

Im ›Rat der Sieben‹ ging es hoch her. Entgegen der bisherigen Haltung, vorerst abzuwarten, kamen immer mehr besorgte Stimmen auf. Was tun?

Angreifen, das angekündigte Marsschiff abfangen, oder besser, weiterhin nur beobachten?

Letztendlich erzielten sie einen Kompromiss. Sie wollten schleunigst die Kriegsschiffe Leigrons bemannen, starten und an der Systemgrenze Richtung Shantinar in Alarmbereitschaft aufstellen. Sollte der Marsraumer nicht innerhalb einer konkreten Frist auftauchen, musste ihre Flotte losschlagen, bevor Admiral Snerk Farl mit unbekannten Waffen aus dem Solarsystem zurückkam. Die Heimatwelt der Shantis als Faustpfand ergab eine sichere Basis für Verhandlungen!

Zufrieden wollten sie die Versammlung auflösen, als eine Kurierin hereinstürmte, aufgeregt der Vorsitzenden ein Dokument reichend.

»Edle Dame Lady Xern! Wir erhielten soeben erneute Informationen aus der Botschaft von Shantinar! Wenn Sie bitte lesen würden?«

In Ruhe studierte sie das Schreiben, um sich danach ihren gespannt wartenden Kolleginnen zuzuwenden.

»Das ändert die gesamte Sachlage! Hier, lest selbst!«

Mit diesen Worten reichte sie das Dokument ihrer Nachbarin zur Rechten weiter.

Die anderen warteten geduldig ab, bis es auch die Letzte gelesen hatte.

Alle ihre Pläne erwiesen sich als Makulatur! Ihr Zögern hatte verhängnisvolle Auswirkungen: Das Marsschiff war da!

*

»Ursalanisches Botschafterschiff, Kapitän Mike Chester, an Shantinar! Bitten um Landeerlaubnis und um Kontaktaufnahme mit dem ›Rat der Ältesten‹!«

Auf der ihnen von der Largo-14 her bekannten Anruffrequenz strahlten sie mehrmals ihre Nachricht ab. Nur Ton, ohne Bild, übersetzt in die Sprache der Shanti per Computer, was seit dem Besuch des Forschungsschiffes auf dem Mars perfekt gelang.

Einige Minuten später, eine ungewöhnlich lange Reaktionszeit für eine raumfahrende Rasse, kam die Antwort:

»Stoppen Sie sofort ihren Anflug! Eine Landung wird nicht gestattet! Sie werden arretiert! Shantinar steht unter Kriegsrecht! Ein Prisenkommando kommt an Bord und übernimmt die Kontrolle über ihr Schiff!«

Mike nahm telepathisch Kontakt mit Aine auf und wies sie an, die ›Gungnir‹ auf Stillstand abzubremsen, allerdings langsam. Danach entgegnete er kühl:

»Dies ist ein neutrales Raumschiff! Wir stehen nicht im Krieg mit Ihnen! Sollten Sie gewaltsam einzudringen versuchen, beziehungsweise uns angreifen, werden wir uns entsprechend wehren!«

Anscheinend überraschten sie Militärs völlig, denn wiederum dauerte es einige Zeit, ehe eine Antwort kam. Der Grund hierfür zeigte sich alsbald. Die Bodenstation, oder was das auch war, wollte nur Zeit gewinnen, um ihre eigenen Schiffe in Position zu bringen. Von allen Seiten tauchten Shantiraumer auf, welche sie in respektvollem Abstand einkreisten.

Höhnisch triumphierend: »Sie sind umstellt und haben keine Chance mehr! Ergeben Sie sich umgehend!«

Mike sah es gelassen. Die paar Schiffchen, immerhin nahm Admiral Snerk Farl die wirklich kampfstarken Einheiten komplett in seiner Invasionsflotte mit, waren nach ursalanischen Maßstäben harmlos und bedeuteten keinerlei Gefahr.

»Ich wiederhole: Wir werden uns nicht ergeben, Eine Feuereröffnung ihrerseits wird als feindlicher Akt interpretiert und mit einem sofortigen Gegenschlag beantwortet! Ziehen Sie ihre Schiffe zurück!«

Seine Antwort beeindruckte die Shantis keineswegs, eher reizte es sie zum Lachen. Ein Raumer gegen neunzehn. Nahezu gleichzeitig griffen sie an. Kaum eine Sekunde später besaßen sie keine Kriegsschiffe mehr!

*

Admiral Snurf war tief besorgt. Behielten die Gelehrten recht? Statt der Nachricht, dass ihre Flotte das terranische System erfolgreich einnahm, erschien das Marsschiff, welches die Largo-14 angekündigt hatte.

Wo bei allen Shantigöttern war ihre Armada abgeblieben?

Er gab dem Kontaktoffizier im Funkleitraum, der mit dem Fremdschiff sprach, leise die Anweisung:

»Hinhalten bis unsere Kampfeinheiten in Stellung sind!«

Als sich der Kapitän des ursalanischen Schiffes - was und wo war Ursalan? Er hätte sich vielleicht doch genauer informieren sollen, aber niemand sah den Bericht der Largo-14 als bedrohlich an - weiterhin weigerte, sich zu ergeben, erteilte er den Angriffsbefehl.

Entsetzt nahm er das Ergebnis zur Kenntnis. Und den darauffolgenden Funkspruch:

»Mike Chester an den Militärrat! Sie sind abgesetzt und werden sich für ihren Putsch gegen die zivile Regierung verantworten müssen! Das Shantimilitär wird aufgelöst! Wir landen auf dem Flugfeld nahe ihrer Hauptstadt! Jeder Widerstand ihrerseits wird gewaltsam gebrochen! Gehen Sie unseren Kampfeinheiten aus dem Weg!«

*

Kort Nagar, einst Kapitän der Forschungsraumers Largo-14, nach seiner Rückkehr aus dem Terrasystem wegen Hochverrats samt Besatzung verhaftet, vorübergehend zu Propagandazwecken freigelassen, danach wiederum auf einem abgelegenen Militärststützpunkt interniert, glaubte seinen Augen nicht zu trauen.

Unter der Tür stand: »Mike! Mike Chester!«

Freudig sprang er auf, die englische Sprache benutzend, doch er kam nicht weit. Ungestüm drängte sich eine resolute Shanti an Mike vorbei und umarmte ihn.

»Rijn? Du bist auch hier? Aber die Admirale ...?«

Sein Besucher lachte übers ganze Gesicht.

»Keine Sorge, Kapitän! Alles in bester Ordnung! Sie sind rehabilitiert und der ›Rat der Ältesten‹ regiert erneut! Sie und ihre Crew, Sie sind frei!«

Mit Tränen in den Augen, unter dem Beifall der Besatzung, trat Kapitän Kort Nagar ins Freie! Sein Leben begann von Neuem!

*

Welch eine barbarische Pracht!

Die stattliche Versammlungshalle, ein Oval von geschätzt fünfzig auf dreißig Meter, in dunkel gebeiztem Holz gehalten, war durch viele kleine Lichtchen hinlänglich ausgeleuchtet.