Aischylos: Die Orestie

 

 

Aischylos

Die Orestie

Agamemnon

Die Grabspenderinnen

Die Eumeniden

 

 

 

Aischylos: Die Orestie. Agamemnon / Die Grabspenderinnen / Die Eumeniden

 

Übersetzt von Johann Gustav Droysen

 

Vollständige Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

William-Adolphe Bouguereau, Orestes wird von Furien gehetzt, 1862

 

ISBN 978-3-8430-5365-5

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-5086-9 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-5087-6 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Bestehend aus den drei Teilen »Agamemnon«, »Die Grabesspenderinnen« und »Die Eumeniden«, 458 v. Chr.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Griechische Tragiker: Aischylos, Sophokles, Euripides. Hg. v. Wolf Hartmut Friedrich, übers. v. J. G. Droysen (Aischylos), K. W. F. Solger (Sophokles), J. A. Hartung (Euripides), München: Winkler, 1958.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Agamemnon

Personen

 

Wächter

 

Klytaimestra

 

Herold

 

Agamemnon

 

Kassandra

 

Aigisthos

 

Chor argivischer Greise[112]

 

Königspalast zu Argos. Auf dem flachen Dach der Wächter.

 

WÄCHTER.

Die Götter bitt ich um Erlösung dieser Mühn

Der langen Jahreswache, die ich, lagernd hier

Im Dach des Atreushauses wie ein Wächterhund,

Der stillen Sterne Nachtverkehr mit angesehn,

Und die den Menschen Winter bringen und Sommerzeit,

Die hellen Führer, funkelnd durch des Äthers Raum.

Und wieder späh ich nach des Flammenzeichens Schein,

Dem Strahl des Feuers, das von Troja Kunde bringt

Und Siegesnachricht; also, denk ich, hat es mir

Geboten meiner Herrin männlich ratend Herz.

Und halt ich so hier meine nachtgestörte Ruh,

Vom Tau durchnäßt, nie mehr von Träumen aufgesucht,

So steht ja statt des Schlafes neben mir die Furcht,

Zufallen könnte gar im Schlaf mein Augenlid.

Und wenn ich ein Lied mir singen oder pfeifen will,

Den besten Schlaftrunk für den Wachestörer Schlaf,

So wein ich seufzend über dieses Hauses Los,

Das nicht, wie sonst wohl, allem Wetter glücklich trotzt.

So käm erwünscht mir meiner Müh Erlösung jetzt,

Erschien' des nächtgen, botenfrohen Feuers Schein.

 

Auf den Bergen steigt eine Flamme auf.

 

O sei gegrüßt mir, Licht der Nacht! Taghelle Lust

Weckst du in mir, erweckst in Argos weit und breit

Festchorgesänge, diesem Glück zum Dank geweiht!

Hoiho, hoiho!

Agamemnons Gattin will ich es laut verkündigen,

Daß schnell ihr Lager sie verlasse, im Palast

Den freudenhellsten Jubel diesem Feuerschein

Entgegenjauchze, da die Troerfeste ja

Gefallen ist, wie dort der Schein es hell erzählt!

Dann will ich selbst beim Fest den Vortanz halten; mir[113]

Auch klecken soll's, daß meiner Herrschaft Würfel jetzt

Gut fiel; die achtzehn Augen bringt mein Spähen mir.

Nun aber will ich meines Fürsten liebe Hand,

Des Heimgekehrten, schütteln hier mit dieser Hand;

Vom andern schweig ich; mir verschließt ein golden Schloß

Den Mund; das Haus selbst, wenn es sprechen könnte, würd

Am besten ihm erzählen; denn der's weiß, mit dem

Besprech ich gern; für den, der's nicht weiß, schweig ich gern.

 

Wächter ab.

Der Chor der Greise tritt auf.

 

CHORFÜHRER.

Zehn Jahre nun sind's,

Seit Priamos' mächtiger Rechter, der Fürst

Menelaos, mit ihm Agamemnon zugleich,

Das erhabene Paar der Atriden, in Zeus'

Zweithroniger Macht, Zweizeptergewalt,

Der Argiver tausendschiffigen Zug

Von jenem Gestad

Fortführten, Genossen des Krieges.

 

Voll Zornmut schrien sie gewaltigen Kampf,

Wie der Weih des Gebirgs im verwilderten Schmerz

Um die Brut hoch hin sein einsam Nest

Unermüdlich umkreist,

In der Fittiche ruhendem Ruder gewiegt;

Der ins Nest bannenden,

Für die Küchlein der Sorge verwaiset!

 

Doch droben ein Gott, ist's Pan, ist's Zeus,

Ist es Apollon, er vernimmt des Geschreis

Weithallenden Schmerz um die fehlende Brut;

Die Vergelterin schickt,

Die Erinnys, er dem Verruchten!

 

Also zum Gericht Alexanders hat Zeus,

So des Gastrechts Hort, die Atriden gesandt;

So läßt um das männerumbuhlete Weib

Unablässigen, gliederzerschmetternden Kampf,[114]

Das ermattende Knie an den Boden gestemmt,

In des Vorkampfs Tosen die Lanze zerschellt –

So läßt er die Danaer kämpfen,

 

Und die Troer zugleich! Mag's immer denn sein,

Wie es sei; es erfüllt das Verhängte sich doch,

Nicht Spend und Gebet, nicht Zauber beschwört,

Nicht Tränen vertilgen den lauernden Zorn

Der sühnevergessenen Gottheit!

 

Doch wir, kraftlos mit gealtertem Leib,

Die vom Zuge zurück man damals ließ,

Wir weilen daheim,

Die kindische Kraft mit dem Stabe gestützt,

Denn das jugendlich rüstige Mark in der Brust,

Das zur Tat anfacht, alt ist's; hier wohnt

Nicht Kampflust mehr.

Wer dem Alter erliegt, wem herbstlich die Stirn

Sich entlaubet, er wankt dreifüßigen Gang,

Nicht kräftiger mehr denn ein kraftlos Kind,

Ein tagumwandelndes Traumbild!

 

Aus der königlichen Pforte ist ein festlicher Zug Dienerinnen getreten. Dann erscheint die Königin Klytaimestra.

 

CHORFÜHRER.

Doch, Königin, sprich,

Du des Tyndaros Kind, Klytaimestra, was ist?

Was Neues geschah?

Auf welches Gerücht, auf wessen Bericht

Ist's, daß du die Opfer verteilest?

 

Und den Göttern zumal, den Beschirmern der Stadt,

Himmlischen, Unteren,

Den Behütern des Markts, den Olympiern flammt's

Von Geschenken auf jeglichem Altar!

 

Und hüben und drüben zum Himmel empor

Steigt flackernde Glut,[115]

Mit des heiligen Öls duftsüßem Getröpf,

Wie mit arglos schmeichelndem Zauber getränkt,

Mit dem Weihöl fürstlicher Habe!

 

So sage davon, was kund mir zu tun

Du vermagst und du willst!

So werde du mir der Besorgnis Arzt!

Was mich bang jetzt läßt in die Zukunft sehn,

Jetzt heiter im Schein sich der Opfer erhellt,

Dies Hoffen, die weitere Sorge verbeut's,

Den geheim herznagenden Kummer!

 

Das Opfer beginnt.

 

Opfergesang

 

Erste Strophe

 

CHOR.

Ich darf singen der herrlichen, zeichenbegünstigten Fürsten

Glückliche Fahrt – denn es haucht mir Vertraun zu den Göttern

Dies Festlied ein,

Kraft inwohnendes Alter –,

Wie einst die zwiethronige Kraft der Achaier, der griechischen Jugend

Einige Feldherrn,

Fort mit Speer und mit rächendem Arme der Vogel des Mutes

Sandte gen Troja,

Der Luftkönig die Könge der See:

Der im schwarzen Gefieder voran, der im schneeweißen Fittich

Ihm nach zum Palast an der Lanzenseite;

Auf weitschauendem Horste

Saßen sie, weideten dort vom Geweide der tragenden Häsin,

Im letzten Lauf zum Tod erhascht.

Ailinon, Ailinon rufet! Das Gute siege!

 

Erste Gegenstrophe

 

Und der erfahrene Seher, die zwei einmütigen, kühnen

Fürsten erkennend, erkannte die Hasenverschlinger,

Des Zugs Führer;

Also sprach er die Deutung:[116]

»Wohl wird dereinst Priamos' Feste die Beute der Heerfahrt;

Alle des Schlosses,

Alle des Volkes gesammelte Schätze, sie wird mit Gewalt einst

Rauben die Moira;

So hat nimmer der Ewigen Neid

Die gefährdeten Wälle mit Heeresgewalt so nie umnachtet!

Die lautere Artemis zürnt dem Hause,

Den Flugdienern des Vaters,

Weil mit der Frucht sie die tragende, zagende Mutter geopfert;

Sie haßt der Adler arges Mahl!«

Ailinon, Ailinon rufet! Das Gute siege!

 

Epode

 

»So treuen Sinns schirmt die Holde

Des zürnenden Leun ungeborne Brut,

Sorgt für alle des heidedurchfliehnden Wildes saugende Jungen!

Enden wird sie, was Gunstreiches der Aare

Zeichen zugleich so erfreuend, so dräuend verkündet!

Dem Helfer will ich, dem Paian rufen,

Daß sie den Danaern nimmer ermüdender, widriger Winde Fahrthemmung zusend,

Lüstern nach anderem Opfer, geweiht mit Verstummen und Blutschuld,

Heimlichen, keimenden Hasses Geburt, mannscheulos Freveln, da furchtbar

Sein die empörte, mißehrte,

Tückische Herrin im Haus,

Schlaflos kindrächende Wut harrt!«

Also geweissagt wurde von Kalchas zu freudigstem Glücke

Böses aus fahrtvordeutendem Aar dem Hause der Fürsten.

Diesem ein gleiches

Ailinon, Ailinon rufet! Das Gute siege!

 

Zweite Strophe

 

Zeus, wer Zeus auch immer möge sein, ist er dieses Namens froh,

Will ich gern ihn nennen so;

Ihm vergleichen kann ich nichts, wenn ich alles auch erwäg,[117]

Außer ihm selbst – wenn des Denkens vergebliche Qualen

Ich in Wahrheit bannen will!

 

Zweite Gegenstrophe

 

So, wer ehedem gewaltig war, allbewerten Trotzes hehr,

Was er war, nicht gilt es mehr;

Der darauf erstand, dem Allsieger unterlag auch der.

Aber den Zeus im Gesange des Sieges zu preisen,

Alles Denkens Frieden ist's!

 

Dritte Strophe

 

Ihn, der uns zum ernsten Nachsinnen leitet, uns in Leid

Lernen läßt zu seiner Zeit;

Drum weint auch im Traum im Herzen noch

Kummer leideingedenk, und es keimt

Wider Willen weiser Sinn.

Wohl heißt streng und schonungslos der ewgen hochgethronten Götter Gunst!

 

Dritte Gegenstrophe

 

Gleiches hat des Griechenzugs ältrer Führer kummervoll,

Seinem Seher sonder Groll,

Ringsandräundem Kummer ernst bereit,

Als in ruhmloser Rast fahrtgehemmt

Schwierig schon das Griechenheer,

An dem Aulisstrand gelagert, rückwärts Chalkis' Brandung strömen sah –

 

Vierte Strophe

 

Vom Strymon her wehten da die Winde

Rastloser Rast, hafenlosen Treibens,

Des Zugs Verzug,

Für Tau und Kiel immer neu Gefährde;

In trostlos langer Säumnis welkend,

Schwand auch des Heers blühnde Jugend schon dahin;

Und als ein Mittel nun,

Ärger den Fürsten selbst als ärgster Verzug, der Seher,[118]

Artemis' Zorn deutend, erfand, und sie den Stab tief in den Sand

Stießen und selbst Tränen sie nicht hemmten, des Atreus Söhne –

 

Vierte Gegenstrophe

 

Da also sprach dieses Wort der Ältre:

»Ein hartes Los ist es, nicht zu folgen,

Und hart, daß ich

Soll schlachten mein Kind, des Hauses Kleinod,

Am Altar tauchen meine Hand soll,

Die Vaterhand, in der Tochter Opferblut!

Was ist von Schmerzen frei?

Soll ich das Heer verraten? Täuschen die Kampfgenossen?

Daß sie das windstillende Sühnopfer, das jungfräuliche Blut

Wilden Geschreis fordern, gerecht ist es; es stünde gut dann!«

 

Fünfte Strophe

 

Als er dem Joch so der Not sich beugte,

Als er der unselgen Sinneswandlung

Nachdachte, der arg unheilgen, da

Ergriff er kühn allzukühnen Vorsatz!

Denn so emporstachelt den Menschen ein erster Irrtum, den er begeht

Sinnverstört. Sinnbetört trug er's nun,

Sein Kind schlachten zu sehn für jenen weibstrafenden Krieg, der Meerfahrt

Bräutliche Totenweihe!

 

Fünfte Gegenstrophe

 

Ihr Bitten nicht, nicht ihr »Vater« Rufen,

Nicht ihre jungfräulich süße Jugend

Erbarmte der Feldherrn wilden Mut;

Der Vater sprach sein Gebet; er hieß sie

Den Diener hoch auf dem heilgen Herd niederhalten, in das Gewand

Tiefverhüllt, vorgebeugt, ziegengleich,

Befahl streng zu bewachen ihren schönrosigen Mund, daß nicht sie

Jammernd ihr Haus verfluche.

 

[119] Sechste Strophe

 

Sie schwieg dem Machtwort in lautlosem Zwang;

Ihr Safrankleid ließ sie niederfließen,

Und sah mit wehmütgem Blick bang zu jedem bittend ihrer Opfrer,

Als ob sie so mahnen wie ein stummes Bild

Ihn jetztan sonst wollte, wo

Im goldnen mahlreichen Vätersaal sie

Jungfräulich blöd sang ihr Lied, in des Gesangs kindlich frommer Lust

Des vielteuren Vaters dreimal seliges Los zu preisen.

 

Sechste Gegenstrophe

 

Was drauf geschah, sah ich nicht, sag ich nicht;

Doch unerfüllt bleibet Kalchas' Wort nicht!

Denn Dike wägt je für Leid auch Belehrung zu. Die Zukunft –

Wer beugt ihr aus? – mag voraus ich nimmer schaun;

Dem wär voraustrauern gleich;

Denn klar dem Ausspruch entsprechend kommt sie!

Was muß geschehn, wenden mag sich es zum Heil, falls es gönnen will,

Der hier nächster Hort uns weilt, des apischen Landes Schirmherr!

CHORFÜHRER.

Ich nah in Ehrfurcht, Klytaimestra, deiner Macht;

Das ist gerecht, zu ehren seines Königes

Gemahlin, wenn verwaist ist seines Herrn der Thron.

Doch ob du nun Glaubwürdges hörtest oder nicht,

Daß du in botschaftsfroher Hoffnung opfertest,

Das gern erführ ich; aber schweigst du, kränkt's mich nicht.

KLYTAIMESTRA.

Ein Evangelium, wie's im Sprichwort heißet, ward

Das Morgenrot uns von der Mutter Nacht gesandt.

Ja, Freude höret über alle Hoffnung groß:

Die Achaier nahmen ein die Stadt des Priamos!

CHOR.

Was ist? Das Wort entging mir aus Unglaublichkeit!

KLYTAIMESTRA.

In der Griechen Hand ist Troja! Sprach ich nun es klar?

CHOR.

Es ergreift mich Freude, Tränen ruft sie mir hervor![120]

KLYTAIMESTRA.

Daß du es wohl meinst, zeigt dein Aug mir unverstellt.

CHOR.

Sprich, hast du Zeugnis dessen, sicher und gewiß?

KLYTAIMESTRA.

Gewiß, was sonst denn? Wenn ein Gott mich nicht betrog.

CHOR.

Du ehrst vielleicht ein überredend Traumgesicht?

KLYTAIMESTRA.

Nie würd ich Glauben schlafestrunkenem Sinne leihn.

CHOR.

So macht ein schnellbeschwingt Gerücht dich wohl so froh?

KLYTAIMESTRA.

Als wär ich ein kindisch Mädchen, so verhöhnst du mich.

CHOR.

Zu welcher Zeit war's, daß die Stadt vernichtet ward?

KLYTAIMESTRA.

In dieser Nacht war's, welche diesen Tag gebar.

CHOR.

Doch welcher Bote mochte sich so schleunig nahn?

KLYTAIMESTRA.

Hephaistos, der vom Ida hellen Strahl gesandt!

Denn hergeschickt hat in der Feuer Wechselpost

Ein Brand den andern. Ida selbst zum Hermesfels

In Lemnos; von der Insel her zum dritten nahm

Den breiten Lichtstrahl auf des Zeus Athosgebirg.

Hochleuchtend, daß der Wanderin Flamme mächtger Schein

Weithin der Meerflut Rücken überflog, ein Brand

Der Freude, ward goldstrahlend, einer Sonne gleich,

Zur Warte von Makistos dann das Licht gesandt.

Die schürte weiter, säumig nicht noch unbedacht

Vom Schlaf bewältigt, ihren Botenteil hinaus.

Und wieder fernhin eilend gen Euripos' Flut

Rief auf der Strahl die Wächter auf Messapios.

Die dann entbrannten und entsandten neuen Schein,

Der Graias Haufen Heidekraut anzündete.

Die rüstge Flamme, nicht ermüdet noch geschwächt,

Sie eilte weithin über Asopos' Ebene,

Gleich hellem Mondlicht, gen Kithairons Felsenstirn

Und weckte schnell der Feuerboten Wechsel auf.

Fernhin erkennbar neue Flamme schürte dort

Die Wache; hoch schlug dann das hellste Feuer auf

Und warf den Glanz weit über den Gorgopis-See.

Auf Aigiplanktos' Scheitel treffend trieb es an,

Des Fanales Lichtbahn nicht zu stören; schnell geschah's;[121]

Sie sandten glutanschürend zu wolkenglühndem Schein

Den mächtgen Schweif der Flamme, daß er fernhinaus

Die weite Spiegelfläche des saronischen

Meerbusens leuchtend überstrahlte, bis er kam

Zu Arachnaions Gipfel nah bei unsrer Stadt.

Von dort ergoß dies Feuer sich in dieses Schloß

Der Atriden, echter Enkel der idäischen Glut.

So war die Ordnung dieses Fackellaufs bestimmt

Und, so mit Flamme Flamme wechselnd, schnell erfüllt;

Im Flammenlauf die erst und letzte hat den Preis.

Ein solches Zeugnis, solches Zeichen nenn ich dir,

Aus Troja mir voraus von meinem Mann gesandt.

CHOR.

Die Götter, Herrin, preisen will ich sie demnächst;

Doch anzuhören, zu bewundern jenes Wort

Von neuem, möcht ich, daß von neuem du es sprächst.

KLYTAIMESTRA.

's ist Ilion der Griechen Beute diesen Tag!

Ich glaub, ein unvermischt Geschrei durchhallt die Stadt;

Gießt Öl und Essig du in einen Krug, so siehst

Du sie geschieden fort und fort und nicht vereint;

So wird der Sieger, so der Besiegten Rufen dort

Geschieden, so zwiefachen Loses Zeichen sein.

Die einen tiefgebeuget bei den Leichen der

Erschlagnen Männer, der Geschwister, und das Kind

Beim greisen Vater, sie beklagen nimmermehr

Mit freier Kehle dies Geschick der Teuersten.

Die andern, nachtdurchirrend, hungermatte Gier

Hat sie zum Imbiß, wie und wo die Stadt ihn beut,

Verwildert, reihlos Reih und Glied, umherzerstreut;

Wie jeder je das Los des Glückes sich gewann,

So hausen sie in Trojas speererrungenen

Palästen, für des freien Feldes Lagerplatz

Und kalten Tau ein guter Tausch – die Glücklichen!

Die ganze Nacht durch schlafen sie nun unbewacht.

Und ehren jetzt sie jenes Landes, jener Stadt,

Der Besiegten Götter und der Götter Tempel, dann

Vielleicht erliegt der Sieger nicht dem eignen Sieg.

Doch reize nicht Begier zu früh das Heer, besiegt[122]

Von schnöder Habsucht mehr zu wollen, als es darf;

Es braucht zur Heimkehr noch zurück die zweite Fahrt,

Bevor des Seezugs Doppelbahn vollendet ist.

Und käme schuldlos auch den Göttern heim das Heer,

Wach könnte dennoch werden der Erschlagnen Blut,

Geschäh hinfort auch keine neue Freveltat. –

Von mir, von einem Weibe, habe das gehört!

Das Gute siege, jedem Blick unzweifelhaft!

Mit teuren Opfern hab ich solchen Wunsch erkauft.

CHOR.

Du sprachst, o Herrin, würdig eines würdgen Manns;

Ich aber will den Göttern, da mich überzeugt

Dein früher Zeugnis, singen meinen frohen Dank;

Denn fromm erkannt sei's, wenn sich Mühe so belohnt.

 

CHORFÜHRER.

Allherrschender Zeus und du, freundliche Nacht,

Du Spenderin leuchtenden Schmuckes,

Die du fest anzogst um Ilions Burg

Dein fangendes Garn,

Und keiner entkam, nicht klein noch groß,

Dem gewaltigen Netze der Dienstbarkeit,

Dem alles erfassenden Unheil!

Dich, gastlicher Zeus, hoch ehr ich auch dich,

Der du das zu erfüllen an Priamos' Sohn

Längst hieltest den Bogen der Rache gespannt,

Daß weder zu früh noch ins Dunkel der Nacht

Ein eitel Geschoß hinschwirrte!

 

Erste Strophe

 

CHOR.

Wie Zeus traf, wissen sie zu sagen;

Auch das vermag man aufzuspüren:

Er hat's vollbracht, zu enden!

Meinet nicht, daß die Götter den

Ihrer Sorg würdigen,

Der unverletzbares Recht

Zertrat – und der scheute's nicht!

Beweis ward sein Geschlecht,

Das tollkühn Kampf gewagt,[123]

Im Kriegsmut wilder denn gerecht war,

Im Hochmut überstolzen Glückes,

Im Übermaß schuldig!

Sei mein Geschick niedrig, sei der Armut

Reines Gewissen gnug mir!

Schutz nicht bietet der Reichtum

Dem, der, Glückes gesättigt,

Frech zertrat der Gerechtigkeit Altar, gegen Vernichtung!

 

Erste Gegenstrophe