Johann Nestroy: Der böse Geist Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt

 

 

Johann Nestroy

Der böse Geist Lumpazivagabundus

oder

Das liederliche Kleeblatt

Zauberposse mit Gesang in drei Aufzügen

 

 

 

Johann Nestroy: Der böse Geist Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt. Zauberposse mit Gesang in drei Aufzügen

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Kolorierter Kupferstich aus der Wiener Theaterzeitung, 1834

 

ISBN 978-3-8430-6681-5

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-7575-6 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-7586-2 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Entstanden 1833, Erstdruck: Wien 1835. Uraufführung am 11.4.1833 in Wien.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Johann Nestroy: Werke. Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Oskar Maurus Fontana, München: Winkler, 1962.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Personen

Stellaris, Feenkönig.

 

Fortuna, Beherrscherin des Glückes, eine mächtige Fee.

 

Brillantine, ihre Tochter.

 

Amorosa, eine mächtige Fee, Beschützerin der wahren Liebe.

 

Mystifax, ein alter Zauberer.

 

Hilaris, sein Sohn.

 

Fludribus, Sohn eines Magiers.

 

Lumpazivagabundus, ein böser Geist.

 

Leim, ein Tischlergesell,

Zwirn, ein Schneidergesell,

Knieriem, ein Schustergesell, vazierende Handwerksburschen.

 

Pantsch, Wirt und Herbergsvater in Ulm.

 

Fassel, Oberknecht in einem Brauhause.

 

Nannette, Tochter des Wirts.

 

Sepherl,

Hannerl, Kellnerinnen.

 

Ein Hausierer.

 

Ein Schustermeister.

 

Ein Tischlergesell.

 

Strudl, Gastwirt zum goldenen Nockerl in Wien.

 

Hobelmann, Tischlermeister in Wien.

 

Peppi, seine Tochter.

 

Anastasia Hobelmann, seine Nichte.

 

Ein Fremder.

 

Gertraud, Haushälterin in Hobelmanns Hause.

 

Reserl, Magd daselbst.

 

Hackauf, Fleischermeister in Prag.

 

Ein Maler.

 

Erster,

Zweiter , Bedienter bei Zwirn.

 

Erster,

Zweiter , Geselle bei Zwirn[6]

 

Herr von Windwachel.

 

Herr von Lüftig.

 

Herr von Papillon.

 

Signora Palpiti.

 

Camilla,

Laura, ihre Töchter.

 

Wirt,

Wirtin, in einer Dorfschenke unweit Wien.

 

Ein Reisender (Stellaris).

 

Zauberer. Magier und ihre Söhne. Nymphen. Genien. Gäste. Volk. Bauern. Handwerksleute verschiedener Zünfte etc. etc.

 

Die Handlung spielt teils in Ulm, teils in Prag und teils in Wien.[7]

 

Erster Aufzug

Wolkendekoration.

 

Erster Auftritt

Mehrere alte Zauberer und Magier, darunter Mystifax, treten auf und stellen sich im Halbkreis, jeder führt einen erwachsenen Sohn an der Hand, darunter Hilaris und Fludribus. – Stellaris sitzt auf dem Throne.

 

CHOR DER ALTEN ZAUBERER.

Wir werden euch schon Mores lehren,

Ihr liederlichen Bursche ihr!

Was nun geschehn wird, sollt ihr hören,

Der Feenkönig richtet hier.

Ihr kehrt im nächsten Augenblick

Zur Ordnung wiederum zurück.

 

STELLARIS. Was versammelt euch so zahlreich an meines Wohnsitzes goldner Pforte? Was verlangt ihr von mir?

MYSTIFAX. Mächtiger Beherrscher! wir flehen um deine Hülfe. Es treibt sich ein böser Geist im Zauberlande herum.

STELLARIS. Wie heißt er?

MYSTIFAX. Lumpazivagabundus.

STELLARIS. Was tat euch dieser böse Geist?

MYSTIFAX. Er hat sich der Herzen unserer Söhne bemächtigt, und sie vom Pfade der Ordnung gelockt. Sie verabscheuen jetzt jede Beschäftigung, sie spielen, trinken, stürzen sich in tolle Liebesabenteuer – mit einem Wort, sie sind verloren, wenn du den bösen Geist nicht bannst.

STELLARIS. Lumpazivagabundus erscheine!

 

Musik fällt ein, Lumpazivagabundus kommt im Vordergrunde aus der Versenkung.[9]

 

Zweiter Auftritt

Vorige. Lumpazivagabundus.

 

LUMPAZI nach der Musik. Da bin ich! Was steht zu Befehl?

STELLARIS. Du bist Lumpazivagabundus?

LUMPAZI. Der bin ich, und zugleich Beherrscher des lustigen Elends, Beschützer der Spieler, Protektor der Trinker etc. etc.; kurzum, ich bin ein Geist aus'n F.

STELLARIS. Verwegener! der du's wagtest, in das Feenreich zu dringen, ich verbanne dich von diesem Augenblick auf ewige Zeit.

LUMPAZI. Ha, ha, ha, ha, ha!

 

Versinkt lachend.

 

STELLARIS ehe er noch ganz versunken ist. Halt!

LUMPAZI kommt wieder in die Höhe. Haben mir Eu'r Herrlichkeit noch was zu sagen?

STELLARIS. Du hast meinen Urteilsspruch mit Hohngelächter erwidert?

LUMPAZI. Natürlich, weil er nichts nutzt. Ob ich da bin oder nicht, diese jungen Herren bleiben auf alle Fäll' meine getreuen Anhänger; denn meine Grundsätze leben in ihnen fort.

STELLARIS zu den Söhnen. Wie? Ihr seid nicht ernstlich entschlossen, zur Ordnung zurückzukehren?

FLUDRIBUS vortretend. Ich nehme im Namen meiner Kameraden das Wort. Wir haben den größten Teil unsers Vermögens durchgebracht, ob wir das Restel haben oder nicht, das ist uns gleichviel; darum wollen wir das auch noch verjuxen.

ALLE SÖHNE. Ja, wir wollen es verjuxen.

DIE VÄTER. Entsetzlich!

STELLARIS. Und wenn ihr nichts mehr habt, was dann?

FLUDRIBUS. Dann machen wir Schulden.

DIE SÖHNE. Wir machen Schulden!

STELLARIS. Und wenn ihr nicht bezahlen könnt, was dann?

FLUDRIBUS. Dann lassen wir uns einsperren.

DIE SÖHNE. Ja, ja, wir lassen uns einsperren.

FLUDRIBUS. Da gibt sich hernach die Ordnung von selbst.[10]

LUMPAZI sich triumphierend die Hände reibend. Das sind meine Grundsätze.

MYSTIFAX zu Stellaris. Was sagen Euer Herrlichkeit nun dazu?

STELLARIS zu den Söhnen. Wenn ihr aber wiederbekämet, was ihr liederlicherweise verpraßt habt, würdet ihr dann ordentlich mit dem Eurigen haushalten?

HILARIS. Der macht uns wieder reich.

FLUDRIBUS zu Stellaris. Ja, wenn wir wieder reich würden, würden wir auch wieder brav.

DIE SÖHNE. Ja, dann würden wir brav.

STELLARIS. Nun denn, Fortuna, nahe dich!

 

Musik. Mehrere Nymphen mit Füllhörnern treten auf, zuletzt Fortuna, ihr folgt ihre Tochter Brillantine.

 

STELLARIS nach der Musik. Fortuna, diese jungen Männer haben ihr Vermögen vergeudet; gib ihnen den verlornen Reichtum wieder.

FORTUNA. Beherrscher des Feenreichs! befehlen lasse ich mir nichts, auch nicht von dir: doch weil ich gerade guter Laune bin Zu Lumpazivagabundus. und dir, Elender, zum Trotze, mag es sein. Zu den Söhnen. Ich schütte mein Füllhorn über euch.

DIE SÖHNE. Tausend Dank!

LUMPAZI. Ha, ha, ha! das ist zum Totlachen! Durch die Fortuna will der mir meine Anhänger entreißen! Da werden grad noch ärgere Lumpen draus.

HILARIS. Ich will aufrichtig sein; Reichtum wird mich nie bessern.

MYSTIFAX. Wie? Was? Mein Sohn, du wärst der Inkurabelste von allen?

HILARIS. Nur ein Mittel gibt's, das mich festhalten wird auf dem Pfad der Tugend: es ist Brillantinens Hand.

ALLE. Was?

HILARIS. Wir lieben uns.

FORTUNA entrüstet. Tochter!

BRILLANTINE. Verzeihung, Mutter![11]

LUMPAZI auf Hilaris zeigend. Den geb' ich auf; die andern alle aber sind und bleiben in meiner Macht.

STELLARIS. Warum, Unhold?

LUMPAZI. Weil die Fee Fortuna nicht imstand ist, mir einen Anhänger abwendig zu machen; aber der, Auf Hilaris zeigend. der steht unter dem Schutz meiner größten Feindin, die mich einzig und allein überall vertreibt.

FORTUNA stolz. Wer ist die Fee, die mächtiger ist als ich?

LUMPAZI. Amorosa ist's, die Beschützerin der wahren Liebe.

STELLARIS. Amorosa!

 

Musik fällt ein. Amorosa schwebt in einer lichten Wolke, mit zwei Genien hernieder.

 

LUMPAZI. Sie naht schon, die Mächtige, die mir oft meine fidelsten Brüderln entreißt. – Jetzt empfehl' ich mich! Aber noch einmal, Madam Fortuna, Sie fürcht' ich nicht; denn was meine wahren Anhänger sind, die machen sich nicht so viel aus Ihnen. Kommt's Glück einmal, so werfen sie's beim Fenster hinaus, und kommt's zum zweitenmal, und will sich ihnen aufdringen auf eine dauerhafte Art, so treten sie's mit Füßen. – So behandeln meine echten Brüderln das Glück. – Gehorsamer Diener allerseits. Tritt auf die Versenkung, und versinkt unter Musik.[12]

 

Dritter Auftritt

Vorige, ohne Lumpazivagabundus. Amorosa.

 

AMOROSA, HILARIS UND BRILLANTINEN an der Hand fassend, und sich Fortunen nähernd. Fortuna! ich vereine meine Bitte mit dem Flehen dieser beiden, beselige durch günstigen Ausspruch zwei Herzen, die sich der wahren Liebe geweiht.

FORTUNA zu Amorosa. Wie, Törichte! du hoffst, ich werde mich deinem Wunsche fügen, in einem Augenblick, wo eben ein frecher Unhold zu deinen Gunsten mich erniedrigte, und du mit stolzem Blick auf mich herniedersiehst? Ich zerreiße das Band, das du um diese Herzen geschlungen.

BRILLANTINE UND HILARIS. Weh' uns![12]

STELLARIS. Halt ein! Bedenk erst, was du sprichst. Des Feenreiches unumstößliche Gesetze erlauben dir nicht, Hilaris' Antrag unbedingt zu verwerfen; nur eine schwere Bedingung festzusetzen, deren Erfüllung die Liebenden trennt, deren Nichterfüllung aber sie auf immer vereint, nur dies ist dir gestattet.

FORTUNA. Nun denn, so sei's. Ich will eine Bedingung setzen, die zugleich jenen Frechen, der meine Macht verspottet, und glaubt, nur du Zu Amorosa.ich