Pierre Corneille: Der Cid

 

 

Pierre Corneille

Der Cid

Drama in fünf Aufzügen

 

 

 

Pierre Corneille: Der Cid. Drama in fünf Aufzügen

 

Übersetzt von Malwine, Reichsgräfin von Maltzan

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Camille Corot, Der Ritter, 1868

 

ISBN 978-3-8430-8560-1

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-8488-8 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-8489-5 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Erstdruck: Paris (Courbe) 1637.

Hier nach der Übersetzung von Malwine, Reichsgräfin von Maltzan, 21.-25. Tsd., Leipzig: Phillip Reclam jun., 1945.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Corneille, Pierre: Der Cid. Übers. v. Malwine Gräfin Maltzan, 21.–25. Tsd., Leipzig: Phillip Reclam jun., 1945.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Personen

–

Don Ferdinand, erster König von Kastilien

 

Donna Urracca, Infantin von Kastilien

 

Don Diego, Vater Rodrigos

 

Don Gomez, Graf von Gormas, Chimenens Vater

 

Chimene, Don Gomez' Tochter

 

Don Rodrigo, Chimenens Geliebter

 

Don Sancho, Chimenens Liebhaber

 

Don Arias,

Don Alonso, kastilianische Edelleute,

 

Leonore, Erzieherin der Infantin

 

Elvira, Erzieherin Chimenens

 

Ein Edelknabe der Infantin

 

Der Schauplatz ist Sevilla.

 

Erster Aufzug

Erster Auftritt

Chimene. Elvira.

 

CHIMENE.

War dein Bericht wahrheitsgetreu, Elvira?

Verschweigst du nichts mir, was mein Vater sprach?

ELVIRA.

Ich bin noch ganz entzückt davon; er achtet

Rodrigo ebenso, wie Ihr ihn liebt,

und wird Euch, les' ich recht in seiner Seele,

befehlen, daß Ihr dessen Flamme teilt.

CHIMENE.

Sag mir, ich bitte dich, zum zweiten Male,

weshalb du meinst, er bill'ge meine Wahl;

künd mir aufs neue, was ich hoffen darf,

nicht oft genug hört man so süße Worte;

zu oft verheißen kannst du unsrer Liebe

die süße Freiheit nicht, ans Licht zu treten.

Was sagt er zur geheim bei dir versuchten

Bewerbung Don Rodrigos und Don Sanchos?

Verriet'st du nicht, daß ich, ungleich gesinnt

den beiden Freiern, mich dem einen neige?

ELVIRA.

Nein, Euer Herz sei, sagt' ich ihm, so ruhig,

daß keiner hoffen noch verzweifeln dürfe,

daß, sie zu streng nicht noch zu mild betrachtend,

Ihr bei des Gatten Wahl nur dem Befehl

des Vaters harrt. Er war entzückt von dieser

Ehrfurcht und tat mir's kund durch Wort und Miene.

Hört denn, da ich's Euch wiederholen soll,

was er in Eil' von Euch und ihnen sagte:

»Sie hat ganz recht, denn ihrer wert sind beide;[5]

beide, von edelm, tapferm, treuem Blut,

sind jung, doch spricht aus ihren Augen deutlich

der tapfern Ahnen glänzendes Verdienst,

besonders Don Rodrigos Antlitz zeigt

durch jeden Zug, das Abbild eines Helden,

und einem Haus entsproß er, reich an Kriegern,

daß gleichsam unter Lorbeern sie geboren;

galt seines Vaters Tapferkeit, ohngleichen

zur Zeit, da er bei Kraft, doch fast als Wunder,

und jetzt noch künden, was er einstmals war,

die Furchen seiner Stirn, die Taten gruben.

Vom Sohn hoff' ich, was ich vom Vater sah,

kurz, mir gefällt es, liebt ihn meine Tochter.«

Darauf ging er zum Rat, die Stunde drängte,

und schnitt die Rede, kaum begonnen, ab;

doch schien es mir nach diesen wen'gen Worten,

daß zwischen Euern Freiern er nicht schwankt.

Einen Erzieher muß für seinen Sohn

der König wählen; ihn trifft wohl die Ehre,

und zweifelhaft kaum ist die Wahl; auch duldet

nicht Mitbewerbung seine Tapferkeit.

Wie seine Taten ohnegleichen, findet

sein Hoffen auch wohl keinen Nebenbuhler;

und da nun Don Rodrigo seinen Vater

bestimmt, beim Heimweg aus dem Rat dem Euren

die Sache vorzuschlagen, urteilt, ob

die Zeit er nützte und Ihr hoffen dürfet.

CHIMENE.

Und dennoch ist's, als weig're meine Seele

der Freude sich, und sei dadurch bedrückt.

Des Schicksals Antlitz ändert sich oft plötzlich:

In großem Glück befürcht' ich großes Leid.

ELVIRA.

Ihr werdet sehn, daß diese Furcht Euch täuschte.

CHIMENE.

Laß uns, wie dem auch sei, des Ausgangs harren.[6]

 

Zweiter Auftritt

Die Infantin. Leonore. Ein Edelknabe.

 

DIE INFANTIN.

Geht zu Chimene, ihr zu sagen, daß

sich ihr Besuch etwas zu lang verzögert,

und meine Freundschaft ihrer Trägheit grollt.

 

Dritter Auftritt

Die Infantin. Leonore.

 

LEONORE.

Derselbe Wunsch drängt täglich Euch, Prinzessin,

und täglich, sprecht Ihr sie, hör' ich Euch fragen,

wie es mit ihrer Liebe sich verhält.

DIE INFANTIN.

Nicht ohne Ursach. Zwang ich sie doch fast,

ihr Herz dem Pfeil, der es verletzt, zu bieten.

Sie liebt Rodrigo – ich führt' ihn ihr zu,

und ich auch brach Rodrigos stolze Kälte.

Da ich das Liebesband also geknüpft,

seh' ich das Liebesleid auch gern geendet.

LEONORE.

Doch trotz des günstigen Erfolgs, Prinzessin,

zeigt Ihr die tiefste Traurigkeit. Erweckt

die Liebe, welche dieses Paar beseligt,

solch bittern Kummer Eurem großen Herzen?

Und macht der große Anteil, den Ihr nehmt,

Euch elend, da sie glücklich sind? Doch gehe

ich wohl zu weit und werde unbescheiden.

DIE INFANTIN.

Verheimlicht drückt verdoppelt mich mein Gram.

Vernimm, vernimm denn endlich, wie ich kämpfte:

Schilt meine Schwachheit, lobe meine Tugend!

Der Liebe Tyrannei verschont kein Herz:

Den Ritter, dessen Liebe ich verschenkte –

lieb' ich.

LEONORE.

Ihr liebt ihn!

DIE INFANTIN.

Fühle, wie mein Herz[7]

bei seines Siegers Namen klopft und bebend

ihn anerkennt!

LEONORE.

Verzeiht, Prinzessin, wenn

ich sonder Schonung diese Liebe tadle.

Wie! Diesen Ritter zum Geliebten wählen!

So weit vergißt sich eine große Fürstin!

Was würd' Kastilien, was der König sagen?

Bedenkt Ihr auch wohl, wessen Kind Ihr seid?

DIE INFANTIN.

Ja, ich bedenk' es, und würd' eh'r mein Blut

vergießen, als verleugnen meinen Rang.

Wohl könnt' ich dir entgegnen, schönen Seelen

weckt nur Verdienst mit Recht der Liebe Glut;

und suchte mein Gefühl Entschuld'gung, dienten

tausend bewährte Beispiele dazu:

doch folg' ich solchen nicht, gilt es die Ehre.

Wie stark die Liebe – stärker ist mein Mut.

Lehrt edler Stolz mir doch, der Königstochter

ist jeder unwert, der kein Herrscher ist.

Als ich mein Herz zu schwach fand zur Verteid'gung,

verschenkt' ich selbst, was ich nicht wagt' zu nehmen,

und knüpfte, statt an mich, ihn an Chimene:

Zu dämpfen meine Glut, schürt' ich die ihre.

Drum staune nicht, daß mein gequältes Herz

voll Ungeduld ihrer Vermählung harret;

du siehst ja, meine Ruh' hängt davon ab.

Lebt von der Hoffnung Liebe, stirbt mit ihr sie,

ein Feuer, das, fehlt Nahrung ihm, erlischt.

Und – ob auch hart mein Los – gehört Rodrigo

Chimenen erst auf ewig als Gemahl,

ist tot die Hoffnung und mein Herz genesen.

Doch leid' ich namenlose Qual, denn ach,

bis er vermählt, ist mir Rodrigo teuer:

Ich streb', ihn zu verlieren, und verliere

ihn ungern – das ist mein geheimer Gram.

Verzweifelnd seh' ich, daß mich diese Liebe

nach dem zu seufzen zwingt, was ich verschmähe!

Geteilt ist meine Seele in zwei Hälften –[8]

wie stolz mein Mut –, doch glüht mein Herz. Ich fürchte

und wünsche den für mich unsel'gen Bund –

ich hoff' darauf –, doch mit geteilter Freude,

und weil mir Lieb' und Ehre teuer, muß

ich sterben – ob er sich vollzieh' – ob nicht!

LEONORE.

Darauf, Prinzessin, hab' ich nichts zu sagen,

als, ich beseufze mit Euch Euer Leid,

erst tadelte, doch jetzt beklag' ich Euch.

Allein, da in so schmerzlich süßem Wehe

die Tugend seinen Reiz und seine Macht

bekämpft, dem Sturme wie dem Zauber trotzet,

gibt sie Euch endlich wohl die Ruh' zurück.

Vertraut ihr und der Zeit, hofft auf den Himmel,

der zu gerecht ist, als daß er die Tugend

so herbe Martern lange dulden läßt.

DIE INFANTIN.

Mein liebstes Hoffen ist, nichts mehr zu hoffen.[9]

 

Vierter Auftritt

Die Infantin. Leonore. Ein Edelknabe.

 

DER EDELKNABE.

Chimene ist, wie Ihr befahlt, erschienen.

DIE INFANTIN zu Leonore.

Geht, in der Galerie sie zu begrüßen.

LEONORE.

Und Ihr wollt hier in Träumerei verharren?

DIE INFANTIN.

Nein, nein, ich will mich mühn, trotz meines Kummers,

ein wenig meine Miene zu erheitern;

dann folg' ich Euch.

 

Fünfter Auftritt

DIE INFANTIN.

O Himmel! Du, von dem

ich Heilung hoffe, setze meinen Qualen

ein Ziel! Wahr meine Ruh', wahr meine Ehre!

In andrer Glück erblüh' fortan mein Glück.

Gleich wichtig für uns drei ist die Vermählung;

Laß sie beschleun'gen – oder mach mich stärker![9]

Dies Paar vereinen durch der Ehe Band,

heißt mich erlösen, meine Marter enden.

Doch säum' ich allzulang wohl; fort, Chimene

zu sprechen und die Pein dadurch zu lindern![10]

 

Sechster Auftritt

Der Graf. Don Diego.

 

DER GRAF.

Genug, Ihr siegtet, und des Königs Gunst

erhebt zum Rang Euch, welcher mir gebührte,

zum Hofmeister des Prinzen von Kastilien.

DON DIEGO.

Die meinem Haus erwiesne Ehre zeigt