Oswald Spengler: Reden und Aufsätze

 

 

Oswald Spengler

Reden und Aufsätze

 

 

 

Oswald Spengler: Reden und Aufsätze

 

Neuausgabe.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

ISBN 978-3-8430-9056-8

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-9005-6 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-9006-3 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Oswald Spengler: Reden und Aufsätze. München: Beck, 1937.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Heraklit.

Eine Studie über den energetischen Grundgedanken seiner Philosophie

(1904)

Einleitung

I

In dem Jonier Heraklit erreicht die griechische Philosophie des 6. und 5. Jahrhunderts – keine Schule, sondern eine Reihe selbständiger, mächtiger, ihrer Zeit an Reife weit überlegener und erstaunlich schöpferischer Denker, wie sie später, als die Philosophie ihren Sitz in Athen genommen hatte, nicht wieder aufgetreten sind – ihren Gipfel. Griechenland hat niemals gewaltigere Menschen hervorgebracht als diese, von denen einer dem andern folgend mit Meisterstrichen ein Bild des Kosmos schuf, nichts weniger als kritisch und mit dem Vorsatz, den Anforderungen strenger Wissenschaft zu genügen, sondern in hoher Intuition und mit einem gewaltigen Blick den Sinn der Welt, ihre Vergangenheit und Zukunft umfassend. In diesem Sinne hat man ihre Leistungen zu beurteilen. An Stelle der kühlen Strenge des Unterscheidens und Zerlegens, wie sie Aristoteles besitzt, findet man hier, um ein Wort Goethes zu gebrauchen, die »exakte sinnliche Fantasie«, eine Richtung auf Gestalten und Gedanken, nicht deren abstrakte Folgerungen, Begriffe und Gesetze. Heraklit ist nicht nur der tiefste, sondern auch der vielseitigste und umfassendste Geist unter ihnen. Die Systeme des Anaximander, Xenophanes, Pythagoras finden in dem seinigen verwandte Seiten. Die großen Probleme des griechischen Denkens – das Verhältnis von Form und Ding an sich, der Begriff des Gesetzes, der Begriff der inneren Einheit alles Seins oder Geschehens, der Ursprung des Seins, der Ursprung des Andersseins – die man in dieser Zeit entdeckte und zu naiven und kühnen[1] Formeln verdichtete, vereinigte er in den Grundgedanken seiner Lehre, die andern repräsentieren sie einzeln. Es wäre unrichtig, aus diesem Grunde in Heraklit einen Nachfolger oder Nachahmer dieser Lehren sehen zu wollen. Ob zwischen Anaximander oder Xenophanes und ihm das Verhältnis des Meisters zum Jünger oder eine andere engere Beziehung bestand – eine Unwahrscheinlichkeit, wenn man die geistige und politische Unabhängigkeit der hellenischen Städte und die selbstbewußte, von der üblichen weit entfernte Lebensführung dieser Philosophen in Betracht zieht – ist eine Frage von geringer Bedeutung. Die Möglichkeit einer mittelbaren Einwirkung ist ja vorhanden. Aber von den zahlreichen möglichen, aus Beobachtung, Erlebnissen, Eindrücken, Meinungen der anderen stammenden Anregungen werden nur diejenigen gewirkt haben, die auf verwandte, im Grunde schon vorhandene Elemente trafen. Daß Heraklits Unabhängigkeit niemals in Frage gestellt worden ist, darf man aus seinem Charakter mit großer Gewißheit schließen. Wenn sich eine ähnliche Richtung im Denken jener Philosophen beobachten läßt (wie die Gleichheit des Ausgangspunktes und die parallele Behandlung gleicher Fragen), so folgt dies aus der organischen Einheit des geistigen Lebens innerhalb einer umgrenzten Kulturepoche, wie es die Geschichte häufiger zeigt. (Die ἀταραξία als Basis aller ethischen Lehren im 3. Jahrhundert, das Problem der Methode bei Bacon, Descartes, Galilei.)

Der Gedanke, in dem Heraklit eine neue Auffassung des kosmischen Daseins gab, ist ein energetischer: der eines reinen (stofflosen), gesetzmäßigen Geschehens. Die Entfernung dieser Idee von der Anschauung anderer, und zwar gleichmäßig der Jonier, Eleaten und Atomisten, ist eine außerordentliche. Heraklit ist mit ihr unter den Griechen völlig einsam geblieben; es gibt keine zweite Konzeption dieser Art. Alle andern Systeme enthalten den Begriff der substanziellen Grundlage (ἀρχή, ἄπειρον, τὸ πλέον, ὕλη, τὸ πλῆρες und auch Platos Erscheinungswelt, γένεσις im Gegensatz zur Ideenwelt, αἰτία τῆς γενέσεως), und die Stoa, die sich später Heraklits Worte und Formeln aneignete, mußte sie erst mit demokritischem Geist erfüllen, um sie dem Zeitalter annehmbar zu machen. Daraus vor allem erklären[2] sich die häufigen Mißverständnisse in der Auffassung dieser Lehre, nicht weil sie uns ungenügend bekannt ist,1 sondern weil sie im Gegensatz zu der uns geläufigen Denkweise steht. Die Geschichte der Heraklitforschung zeigt, wie man, um sich einen schwierigen, fremdartigen Gedanken zu assimilieren, mangels einer angemessenen modernen Ausführung der Idee auf alle möglichen andern zurückgreift, um sich an bekannte Begriffe und Anschauungen halten zu können. Man darf zweifeln, ob irgendeine der möglichen Erklärungen noch nicht versucht worden ist. Heraklit erscheint als Schüler des Anaximander (Lassalle, Gomperz), des Xenophanes (Teichmüller), der Perser (Lassalle, Gladisch), der Ägypter (Tannery, Teichmüller), der Mysterien (Pfleiderer), als Hylozoist (Zeller), Empirist und Sensualist (Schuster), »Theologe« (Tannery), als Vorläufer Hegels (Lassalle). Sein großer Gedanke gleicht der Seele Hamlets: jeder versteht ihn, aber jeder anders. –

Der Versuch, die Ideen eines Philosophen, dem die scharfe, durch lange Übung geschulte Ausdrucksweise einer hochentwickelten Wissenschaft unbekannt war, ohne diese Genauigkeit zu beurteilen, führt nicht zum Ziele. Teichmüller (Bd. I S. 80) sagt: »Wer bei Heraklit exakte Begriffe sucht, gibt sich unnütze Mühe. – Bei Heraklit bestand die Philosophie nur in einer allegorischen Verallgemeinerung einiger auffallender Tatsachen. – Wollten wir schärfer bestimmen, so würden wir Heraklits Denkweise zerstören.« Eine Folge dieser Auffassung ist es, wenn man durch ungenügende Feststellung der Begriffe und unhaltbare Analogien zu den schwersten Irrtümern kommt. Ein Beispiel ist die Anwendung des Begriffs ἀρχή, den Anaximander für seine Philosophie geschaffen hat und der nur innerhalb des Hylozoismus[3] einen Sinn hat, auf andere, auch Heraklit, in dessen System er ganz gegenstandslos ist. Man muß vorsichtig, sogar skeptisch sein nicht nur in der Erklärung der griechischen Gedankenelemente an sich, sondern vor allem in ihrer Abgrenzung gegen die modernen. Wir dürfen nicht vergessen, daß unsere Grundbegriffe das Ergebnis der ganzen Entwicklung der neueren Philosophie seit dem 16. Jahrhundert sind und nur in diesem Ideenkreis eine unbedingte Geltung haben. Den innerhalb so verschiedener Kulturen, wie es die antike und die neuere sind, entstandenen Gedankenkomplexen, die sich schon durch die verschiedene Auffassung vom Wesen der Wissenschaft überhaupt unterscheiden, entsprechen beiderseits durchaus eigentümliche Begriffe. Selbst ein so naheliegender wie der Begriff Materie ist bei Demokrit und in der modernen Naturwissenschaft nicht derselbe; dort liegt z.B. die Ursache der Bewegung im Wesen der Materie (τύχη), hier ist sie als an den Äther gebundene Energie ein selbständiger Faktor außerhalb.

Eine andere Schwierigkeit liegt darin, daß Heraklit zwar seiner Anschauung gewiß war, ihr aber sprachlich nicht immer einen angemessenen Ausdruck gab. Nicht nur der Mangel einer wissenschaftlichen Sprache mit zweckmäßig geschaffenen Ausdrücken, auch nicht das Fehlen einer regelrechten Polemik unter diesen Philosophen, die zu einer scharfen und vorsichtigen Ausdrucksweise gezwungen hätte, sind der wichtigste Grund dafür, sondern die Unmöglichkeit, eine neue, dem Augenschein widersprechende Erkenntnis der Natur mit den gewohnten, unter andern Eindrücken und Meinungen entstandenen Wortsymbolen zu geben. Goethe, dessen Ansichten über die Natur von einem ähnlichen Geist getragen waren, bemerkte diese Grenze wohl. »Alle Sprachen sind aus naheliegenden menschlichen Bedürfnissen, menschlichen Beschäftigungen und allgemein menschlichen Empfindungen und Anschauungen entstanden. Wenn nun ein höherer Mensch über das geheime Wirken und Walten der Natur eine Ahnung und Einsicht gewinnt, so reicht seine ihm überlieferte Sprache nicht hin, um ein solches von menschlichen Dingen durchaus Fernliegendes auszudrücken. – Er muß bei seiner Anschauung ungewöhnlicher Naturverhältnisse stets nach[4] menschlichen Ausdrücken greifen, wobei er denn fast überall zu kurz kommt, seinen Gegenstand herabzieht oder wohl gar verletzt und vernichtet.« (Eckermann, Gespr. mit Goethe III, 20. Juni 1831.)

Eine Darstellung der gesamten Lehre Heraklits ist durch den Verlust seiner Schrift unmöglich geworden. Es soll hier lediglich eine Entwicklung des Prinzips versucht werden, das dieser Denker zur Grundlage seines Weltsystems machte und das mit wenigen Worten in eine Formel zu bringen ist: πάντα ῥεῖ, die Idee eines reinen gesetzmäßigen Werdens. Es liegt in den Worten, daß die Ausführung nach zwei Seiten zu erfolgen hat: das Werden selbst und sein Gesetz. Diese Trennung ist eine rein methodische. Ihr entspricht, wie betont werden muß, durchaus nicht eine dualistische Gliederung des heraklitischen Kosmos. Alle im folgenden erwähnten Gedanken sind ein und dasselbe Grundprinzip, das, als Einheit konzipiert, in den Fragmenten (und bei der aphoristischen Schreibweise Heraklits vielleicht schon in seinem Buche) nur in einer Anzahl verschiedener Darstellungen, wie sie der Fantasie eines leidenschaftlichen künstlerischen Menschen entsprangen, erhalten geblieben sind.[5]

 

Fußnoten

 

1 Die Meinung von Th. Gomperz (Wien. Sitzungsber. 113 [1886] S. 947). Die übrigen, hier benutzten Schriften sind: Schleiermacher, Herakleitos der Dunkle (Werke III. Abt. II. Bd.); Zeller, Philosophie der Griechen Bd. I; F. Lassalle, Die Philosophie Herakleitos des Dunklen von Ephesos; P. Schuster, Heraklit von Ephesus; E. Pfleiderer, Die Philosophie des Heraklit von Ephesus; G. Teichmüller, Neue Studien zur Geschichte der Begriffe Bd. I, II; G. Schäfer, Die Philosophie des Heraklit von Ephesus und die moderne Heraklitforschung; G. Tannery, Rév. philos. 1883, XVI, Héraclite et le concept de Logos.

 

II

Es wäre für das Verständnis dieser Lehre ein Hindernis, wenn uns die Kenntnis der großen und tragischen Persönlichkeit Heraklits verlorengegangen wäre. Wir könnten nicht verstehen, weshalb dieser Philosoph den ἀγών, die vornehmste Sitte seiner Zeit, zur Sitte des Kosmos machte, was er mit dem Feuer meinte, dem er eine herrschende Rolle im Weltall zuschrieb. Seine Lehre ist selbst für diese Zeit und für einen Griechen in ungewöhnlichem Grade persönlich, ohne daß von ihm selbst viel die Rede wäre.

Wir sehen einen Menschen, dessen ganzes Fühlen und Denken unter der Herrschaft einer ungezügelten aristokratischen Neigung stand, die durch Geburt und Erziehung stark angelegt[5] und durch Widerstand und Enttäuschung gereizt und gesteigert war. Hier ist der letzte Grund für jeden Zug seines Lebens und jede Besonderheit seiner Gedanken zu suchen. Noch in der energischen Konzentration des Systems, in dem Vermeiden und Verschmähen aller Einzelheiten und Nebensachen, dem Niederschreiben in kurzen, starken, ihm allein geläufigen Wendungen erkennen wir die Hand des Aristokraten.

Der hellenische Adel,2 dessen Untergang in dieser Zeit sich vollzieht, hat die bedeutungsreichste und schönste Periode der hellenischen Kultur geschaffen. Er hat durch seine Sitte für alle Zeit den Typus des vollkommenen Hellenen festgestellt, eine unvergleichlich hohe und edle Kultur des einzelnen Menschen (καλοκἀγαθία); er vertrat nicht nur Rechte oder Interessen, sondern eine Weltanschauung und eine Sitte (Burckhardt). Es war eine stolze, glückliche, herrschaftliebende und -gewöhnte Kaste, stolz auf das Blut, den Rang, die Waffen, die »Antibanausie«; sie war im Alleinbesitz des Geistes und der Kunst. Man kann die ungeheure ethische Macht der Kaste und ihrer Lebensauffassung über den Geist des einzelnen begreifen. Sie selbst konnte untergehen, aber wer einmal in ihrem Banne stand, vermochte sich ihr nicht wieder zu entziehen. Heraklit besaß ihr ganzes Selbstbewußtsein und ihren Stolz, eine starke, ungewollte, jeder Reflexion über sich selbst fremde Vornehmheit; er hängt mit Leidenschaft an ihren tapfern, gesunden, lebensfrohen Sitten, am Kampf, am Streben nach Ruhm.3 Dieser stolze unbeugsame Mann liebte den Unterschied von Herrschenden und Gehorchenden, er hatte Ehrfurcht vor den althergebrachten Sitten und Institutionen,4 die der Demokratie nicht mehr heilig waren. Er[6] war ein zu tiefer Menschenkenner, um den Menschen seiner Zeit schlechthin, unter Absehen von Geburt und Rang, zu beurteilen. Er glaubte an den homerischen Unterschied5 der ἄριστοι der Menschen von großer und vornehmer Lebensauffassung, und der Masse (οἱ πολλοί), an der er mit spöttischem Scharfblick die Mängel des Standes entdeckt.6 Er läßt sich nicht auf Angriffe und Auseinandersetzungen mit dem δῆμος ein, das verbieten ihm sein Geschmack und die Selbstbeherrschung, die eine der ersten Tugenden des vornehmen Griechen war;7 ohne Wut, ohne Ausfälle beurteilt er das Volk von oben herab, kalt, boshaft, mit Verachtung und Ekel, zuweilen durch eine sarkastische Bemerkung den aufsteigenden Groll verbergend.

Der Name des weinenden Philosophen, den ihm das Altertum gab, wird nicht ohne Grund entstanden sein, das verraten Anekdoten8 und manche seiner Aphorismen,9 aus denen ein bittrer, verwundeter Ton spricht. Durch Abkunft und tiefe Anhänglichkeit an ein Lebensideal geknüpft, wurde er zu einer Zeit geboren, wo dies Ideal keine Daseinsmöglichkeit mehr hatte. Die Macht und die Sitten des Adels waren gesunken oder verschwunden. Die Demokratie begann zu herrschen. Zum Nachgeben oder nutzlosen Klagen war er zu starr und zu trotzig. Eine der ersten und einflußreichsten Würden in Ephesos, die ihm durch Erblichkeit zufiel (die des βασιλεύς), war für ihn nicht mehr das, was sie hätte sein müssen. Er verzichtete auf sie. Das Leben der πόλις verlor die aristokratische Form und die Menge begann zu regieren.[7]

Da verließ er die Stadt, wo er ein kleiner Machthaber hätte sein können, und ging in das Gebirge, in eine freiwillige Einsamkeit, ein Dasein, das dem geselligen Griechen, der mit dem Schicksal seiner Stadt verwachsen war, das furchtbarste dünkte. Er ist unversöhnlich dort geblieben, sein Leben ertragend, das ihn zuletzt dem Wahnsinn nahe brachte, wenn man Theophrast glauben darf.10

Als Hellenen galt ihm der Ruhm, man könnte sagen die Berühmtheit, als das Höchste.11 Es ist die Frage, ob ihn jene selbstgewählte Einsamkeit und die seltsamen Züge, die ihm eine bewundernde Aufmerksamkeit zuzogen, nicht vielleicht für eine Rolle in Ephesos schadlos halten sollten. Jeder Grieche wollte in aller Munde sein, und um jeden Preis. Herostrat ist ein berühmtes Beispiel dafür, was man zu diesem Zwecke versuchen konnte. Aber man sieht das auch an Alkibiades, Themistokles und jedem andern, der als echter Hellene gelten kann. Man darf bei Heraklit am wenigsten diese nationale Form des Ehrgeizes, einen verhängnisvollen Zug des griechischen Charakters, vergessen. Diese Eigenschaft, die in unsern Augen unedel erscheint, ist kein Streben, das dem Gegner Großmut und Anerkennung nicht versagt, sondern ein unbändiger verzehrender Neid, ja Haß gegen jeden, der glücklicher war, eine bis zur Selbstvernichtung gehende Unerträglichkeit des Bewußtseins, weniger als andere bewundert zu werden, das die Griechen mit ihrem lebhaften Empfinden zu einem tief unglücklichen Volk machte.

Für die Philosophie folgte daraus, daß es in der altern Zeit nie zu der Behandlung eines Problems durch eine Reihe von Denkern nacheinander gekommen ist. Hier beginnt jeder von vorn, vielleicht gerade vom Gegenteil aus, kaum einer hat die Entdeckungen der Vorgänger dankbar angenommen. Man weiß vielmehr die Unterschiede hervorzukehren, sogar zu übertreiben, und bis auf Aristoteles hat jeder der Großen die andern spöttisch genug[8] angesehen. Man darf von Heraklit als einem Griechen keine Anerkennung fremder Verdienste erwarten. Er neigt im Gegenteil zu schroffer Betonung der Gegensätze in Paradoxien und Antithesen, und wenn er einmal einen berühmten Namen nennt, geschieht es gewiß immer mit einer Bosheit dazu (Fr. 40, 57, 129; Plut. de Iside 48, 370). Die Besonderheit seines Schicksals steigerte in ihm das Selbstgefühl des ungewöhnlichen Menschen und führte zu einer Überspannung des Originalitätstriebes, zu einer grundsätzlichen Ablehnung aller fremden Meinungen, selbst zum Vermeiden geläufiger, ihm vielleicht trivial klingender Wendungen. Unter diesen Voraussetzungen ist die Genesis seiner Gedanken zu verfolgen und der Grad ihrer Abhängigkeit von gleichzeitigen Systemen zu bemessen.[9]

 

Fußnoten

 

2 Über den Adel s. Wachsmuth, Hell. Altert. I S. 347 ff.; J. Burckhardt, Griech. Kulturgesch. I S. 171 ff., IV S. 86 ff.

 

3 Fr. 24: Ἀρηιφάτους θεοὶ τιμῶσι καὶ ἄνθρωποι. Fr. 25: Μόροι γὰρ μέζονες μέζονας μοίρας λαγχάνουσι. Die Fragmentzählung geschieht nach H. Diels, Herakleitos von Ephesus, griech. u. deutsch, Berlin 1901.) [Diese Fragmentzählung ist auch in der Ausgabe der Vorsokratiker von H. Diels (5. Aufl., Berlin 1934, bearb. von W. Kranz, Text u. Übersetzung S. 150 ff.) beibehalten. Anm. des Verlags.]

 

4 Fr. 33: Νόμος καὶ βουλῇ πείθεσθαι ἑνός. Fr. 44: Μάχεσθαι χρὴ τὸν δῆμον ὑπὲρ τοῦ νόμου ὅκωσπερ τείχεος.

 

5 Ἄριστος (χαρίεις) bei Homer im Sinne von Adel II. VII, 159, 327, XIX, 193. Od. I, 245 und öfter. Ebenso bei Heraklit Fr. 13, 29, 49, 104. Οἱ πολλοί in Fr. 2, 17, 29.

 

6 Unter vielen andern Fr. 29: Αἱρεῦνται γὰρ ἓν ἀντὶ ἁνάντων οἱ ἄριστοι, κλέος ἀέναον θνητῶν, οἱ δὲ πολλοὶ κεκόρηνται ὅκωσπερ κτήνεα·Fr. 104: Δήμων ἀοιδοῖσι πείθονται καὶ διδασκάλωι χρείωνται ὁμίλωι...

 

7 Fr. 43: Ὕβριν χρὴ σβεννύναι μᾶλλον ἢ πυρκαΐην. Auch Fr. 47.

 

8 Er sah einmal spielenden Kindern zu, als Leute aus Ephesos vorüberkamen und stehen blieben. Er fuhr sie an: Was habt ihr hier zu gaffen? Ist dies nicht besser, als mit euch den Staat zu regieren? (Diog. Laert. IX, 3.)

 

9 Fr. 121. Auch Fr. 85: Θυμῶι μάχεσθαι χαλεπόν· ὃ γὰρ ἂν θέληι, ψυχῆς ὠνεῖται.

 

10 Aus dem starken Eindruck, den dieser Mann auf seine Zeitgenossen machte, entsprangen die bekannten Erzählungen wie jene, daß er seine Schrift im Artemistempel niedergelegt habe, damit sie erst der Nachwelt in die Hand käme (Diog. Laert. IX, 6).

 

11 Fr. 24, 25, 29.

 

III

Für jeden denkenden Menschen gibt es eine Form des Denkens, die aus denselben psychischen Ursachen wie die Weltanschauung und die Denkergebnisse entspringend mit ihnen eng verknüpft ist. Im weitesten Sinne, nicht nur als instinktive Art der logischen Gedankenführung, sondern auch als unbewußte Methode der Auswahl und Verwertung von Eindrücken jeder Art ist sie als Vermittler zwischen Persönlichkeit und System, unter Umständen sogar als selbständiger Anlaß zu Ideen von Wert. Der Stil des Denkens und die Lehre selbst sind verwandt. Für die heraklitische Philosophie ist dieser Umstand wichtig. Heraklit war – in einer Zeit des naiven, noch nicht zur Reflexion über sich selbst herangereiften Denkens – in der glücklichen Lage, aus dem Vollen schöpfen zu können, sich seinen Wünschen überlassen zu dürfen, ohne durch bedeutendere Vorarbeiten auf seinem Gebiet auf die Forschung in kleinerem Maßstabe innerhalb festgelegter Richtungen beschränkt zu sein, ein Glück, dessen Goethe sich bewußt war, als er einmal hervorhob: Als ich achtzehn Jahre war, war Deutschland auch erst achtzehn. (Eckermann, Gespr. mit Goethe I, 15. Febr. 1824.)[9]

War Heraklit seiner Weltanschauung nach Aristokrat, so kann man ihn hinsichtlich seines ganzen Denkverfahrens als Psychologen bezeichnen. Beides steht in einem häufiger zu beobachtenden Zusammenhang. Damit soll über den Gegenstand seiner Untersuchungen nichts ausgesagt, nur eine Methode der Behandlung angedeutet werden. Er betrachtet die Natur nicht an sich selbst als Objekt, nach Erscheinung, Ursprung und Zweck, sein Verfahren ist vielmehr eine Analyse der Naturvorgänge, soweit sie Vorgänge, Veränderungen sind, ihren gesetzlichen Verhältnissen nach; man kann sein System eine Psychologie des Weltgeschehens nennen. Aus dieser neuen philosophischen Fragestellung folgt die Auffindung neuer Probleme. Heraklit kann als der erste Sozialphilosoph, der erste Erkenntnistheoretiker, der erste Psycholog gelten. Seine Aphorismen über den Menschen sind nicht Sprüche mit ethischer Tendenz wie die Gnomen des Bias oder Solon, sondern zum erstenmal wirklich beobachtete, durchaus objektive, den didaktischen Ton ganz vermeidende Bemerkungen.

Vergessen wir endlich einen wesentlichen Unterschied nicht, der Heraklit und die ganze griechische Philosophie von der neuern trennt. Das Volk, dessen Erzieher Gymnastik, Musik und Homer waren, das für die Welt das Wort κόσμος erfand, weil es in ihr vor allem den Sinn der Ordnung und Schönheit sah, behandelte die Philosophie nicht eigentlich als Wissenschaft (abstrakt wissenschaftliche Untersuchungen sind immer dem metaphysischen Endzweck untergeordnet worden), sondern als den Weg, ein Weltbild zu schaffen, das ihm seine Stellung im All zu übersehen erlaubte, und als eine Gelegenheit, seine Freude am Formen zu betätigen. Es wäre falsch, das griechische Denken, das unter freiem Himmel, in einer südlichen, sonnigen Landschaft, aus einem heitern und leichtbeweglichen Leben heraus entstand, wegen dieser uns fremden Verwandtschaft zur Kunst tiefer als das unsere zu stellen. Dem Hellenen der klassischen Zeit ist die Philosophie bildende Kunst, Architektonik der Gedanken. Die plastische Kraft der Hellenen, ihre Fähigkeit, alles Erlernte und Selbstgeschaffene einem einheitlichen Stil zu unterwerfen, ist eine ungeheure, und diesem Gefühl für Form entspringt[10] die Neigung, philosophische Systeme als Kunstwerke zu konzipieren.

Heraklit ist der bedeutendste Künstler unter den Vorsokratikern. Davon zeugt nicht nur das satte und farbenreiche Pathos seines Stils, sondern vor allem die geniale Plastik seiner Darstellung. Er sieht seine Ideen, berechnet sie nicht. Ihren intuitiven Charakter, dem alle Dialektik, wie sie vor allem das gegnerische System des Parmenides stützt, fremd ist,12 unterstützen die immer glücklich gewählten Beispiele (wie die vom Bogen und der Leier, vom Mischtrank), in denen er ein ihm greifbar vor Augen stehendes Bild wiederzugeben versucht. Es blieb zuweilen kein andres Mittel der Verständigung übrig, weil ihm durch seine Problemstellung bezüglich der sprachlichen Darstellung Schwierigkeiten erwuchsen, die er nicht immer bewältigen konnte, trotz einer Energie des Denkens, die in der alten Philosophie selten ihresgleichen findet. Sein Hauptgedanke widerspricht dem Augenschein und dem gewohnten Denken vollkommen und beansprucht ein hohes Maß von Abstraktionskraft, um überhaupt gefunden zu werden. Einer unerbittlichen Konsequenz und einem sichern Blick über das Gebiet seiner Untersuchungen verdankt er eine innere Einheit des Systems, die wahrscheinlich nie wieder erreicht worden ist. Es ist mit großer Einfachheit auf einen Gedanken konzentriert und in Einzelheiten bei seiner immanenten Logik unangreifbar.

Heraklit darf als Realist bezeichnet werden, trotzdem er leicht für das Gegenteil zu nehmen ist. Jeder Begriff, der auf symbolistische Absichten zu deuten scheint, läßt sich bei näherem Eingehen auf einen realen Grund zurückführen. Er besitzt einen durchaus gesunden Blick für das greifbar Vorhandene13 und oft eine große Feinheit im Unterscheiden.14 Aber er verleugnet[11] den Aristokraten nirgends; sein Denken hat einen wahren Imperatorenstil, ein selbst für diese Zeit in Einzelheiten sehr summarisches Verfahren.15 Nur die großen, grundlegenden Ideen sind ihm des Nachdenkens wert, bei einer ausgesprochenen Abneigung gegen eigentlich wissenschaftliche Detailforschung. Er hat eine bestimmte, streng begrenzte Ansicht, wie man denken müsse. Man soll nicht alles wissen wollen, nur das Wertvolle und Große, wenig auslesen, dies aber durchdringen. Er will Tiefe, Gehalt, Klarheit, nicht Umfang des Wissens. Daher seine Polemik: πολυμαθίη νόον ἔχειν οὐ διδάσκει. Ἡσίοδον γὰρ ἂν ἐδίδαξε καὶ Πυθαγόρην αὖτίς τε Ξενοφάνεά τε καὶ Ἑκαταῖον (Fr. 40). Μαθίη ist die bloße Kenntnisnahme der Dinge. Das Sammeln von Tatsachen, ohne Überblick und Verständnis, ist ihm verhaßt. Nicht etwa wenig wissen: χρὴ γὰρ εὖ μάλα πολλῶν ἵστορας φιλοσόφους ἄνδρας εἶναι καθ᾽ Ἡ. (Fr. 35.) Ἱστορίη ist die in die Tiefe dringende kritische Beobachtung (nicht Kenntnis aus Büchern: Gomperz a.a.O. 1002 f. Ἵστωρ Zeuge, Kritiker, bei Homer Schiedsrichter. Vgl. Porphyr, de abst. II, 49: Ἵστωρ γὰρ πολλῶν ὁ ὄντως φιλόσοφος.

Eine »wissenschaftliche Philosophie« wird auf solcher Grundlage nie entstehen. Aber man hat hier die außerhalb des Schwerpunkts liegenden Fragen und den Grundgedanken selbst zu unterscheiden; dieser ist wirklich erschöpfend ausgeführt. Man darf die Logik der Gedankenführung auch nicht an der unsystematischen Darstellung messen. Die Schrift ist eine Aphorismensammlung, wie eine Bemerkung Theophrasts und die Fragmente selbst lehren. Heraklit hat nicht im bescheidensten Sinne didaktisch, geschweige denn populär zu wirken versucht, das beweist sein durchaus nicht auf leichtes Verständnis Rücksicht nehmender Stil und entspricht seiner menschenverachtenden Weltanschauung vollkommen.[12]

 

Fußnoten

 

12 Vgl. Fr. 81, wo er die rhetorische Methode κοπίδων ἀρχηγός Führer zur Abschlachtung, nennt. (Angeblich gegen Pythagoras, vgl. Anm. zu Byw. Fr. 138.)

 

13 Fr. 55: Ὅσων ὄψις ἀκοὴ μάθησις, ταῦτα ἐγὼ προτιμέω.

 

14 Ein Beispiel: Οὐ γὰρ φρονέουσι (durch Nachdenken einsehen) τοιαῦτα οἱ πολλοί, ὁκοίοις ἐγκυρεῦσιν, οὐδὲ μαθόντες (sinnlich wahrnehmen), γινώσκουσιν (begreifen), ἑωυτοῖσι δὲ δοκέουσι (haben das Gefühl, es verstanden zu haben).

 

15 Der Eindruck dieser Methode auf spätere, etwas pedantische Philosophen Diog. Laert. IX, 8: Σαφῶς δὲ οὐδὲν ἐκτίθεται.

 

A. Die Reine Bewegung

I. Erste Formulierung: Πάντα ῥεῖ.

1. Der Kosmos als Energieprozeß

Der Grundgedanke, auf den Heraklit seine Anschauung des Kosmos gründete, ist in dem berühmt gewordenen πάντα ῥεῖ bereits vollständig enthalten. Der bloße Begriff des Fließens (der Veränderung) ist aber zu unbestimmt, um die feineren und tieferen Abstufungen dieses Gedankens erkennen zu lassen, dessen Wert nicht darin liegt, eine bloße Verschiedenheit der sich folgenden Zustände der sichtbaren und greifbaren Welt zu behaupten, die niemand bezweifelt. Gleich am Anfang ist der wichtige Unterschied hervorzuheben zwischen der Vorstellung, die Heraklit von dem Verlaufe und dem innersten Charakter des Weltgeschehens selbst hatte, von dem er sagte, daß er unsrer Wahrnehmung nicht zugänglich sei, und dem Anblick, den die Welt der Dinge, die wir folgerichtig als Erscheinung dieses Geschehens und seine Wirkung auf die Sinne aufzufassen haben., uns darbietet. Legt man diese kantische Unterscheidung, die Heraklits Lehre praktisch zweifellos enthält, obwohl sie in den Bruchstücken seiner Schrift nicht grundsätzlich getrennt erscheint, zugrunde, so vermeidet man einen der häufigsten Mißgriffe in der Beurteilung dieser Lehre. –

Will man das Geschehen in der Natur auf die ursprünglichsten Elemente zurückführen, so bleibt der Begriff der Veränderung noch mehrerer Auffassungen fähig. Man kann ein Substrat mit der einzigen Bestimmung der Beharrlichkeit annehmen, dann erscheint die Veränderung als die Art, wie das Beharrende in jedem Augenblick existiert. Kant bezeichnete von diesem vorsichtigen und unangreifbaren Standpunkte aus den Satz, daß die Substanz beharre, als Tautologie. »Denn bloß diese Beharrlichkeit ist der Grund, warum wir auf die Erscheinung die Kategorie der Substanz anwenden, und man hätte beweisen müssen: daß in allen Erscheinungen etwas Beharrliches sei, an welchem das Wandelbare nichts als Bestimmung seines Daseins ist.«1 Um zu[13] einer einfachem und anschaulichen Vorstellung zu gelangen, fügt man meist zu jenem Merkmal des Substrats noch die der Raumerfüllung, Undurchdringlichkeit und qualitativen Beständigkeit und erhält so den Begriff der (körperlich gedachten) Materie, worauf sich deren Veränderung nur noch als eine räumliche denken läßt. Dieser demokritische Begriff der Verschiebung von Massenteilen (περιφορά) den auch die neuere Naturwissenschaft enthält, liegt nicht im πάντα ῥεῖ. Es ist möglich, den Begriff eines Substrats überhaupt, sei es als das im Wechsel der Erscheinungen Beharrende (das sich physikalisch als das unveränderliche Verhältnis der auf einen Körper wirkenden Kräfte zu den daraus folgenden Beschleunigungen beschreiben läßt), sei es als eigentliche Materie, fallen zu lassen, wodurch der Begriff der Veränderung (des Werdens, Fließens) einen neuen und reichern Inhalt erhält.

Die allgemeinsten Grundbegriffe, die zur schematischen Veranschaulichung von Naturvorgängen, zu der jeder denkende Mensch neigt, unerläßlich sind, unterliegen im Laufe der Jahrhunderte einer Entwicklung, die von dem jeweiligen Standpunkt der Wissenschaft bestimmt wird, so daß sie inhaltlich nur noch dem Denken einer begrenzten Zeit vollkommen genügen, diesem aber so notwendig sind, daß es nicht ohne Schwierigkeit möglich ist, sich von ihrem Einfluß zu befreien, um die andersgearteten Begriffe einer frühern Epoche (in diesem Falle Heraklits) richtig und objektiv aufzufassen. Wenn Plato im Philebos die Erscheinungswelt für ein Produkt des leeren Raumes (τὸ μὴ ὄν, ἄπειρον) und der mathematischen Form (πέρας) erklärt, so können wir uns von diesen Begriffen kaum die entsprechende Vorstellung bilden.

Die meisten Versuche, Heraklits besondere Gedankengänge zu verstehen, werden beeinflußt durch diejenige Anschauung, welche der neuern Naturwissenschaft und sehr vielen Philosophen seit Hobbes eigen ist – und zwar nicht nur als »Arbeitshypothese« (Ostwald) –, welche das in der Anschauung Gegebene, infolge langer Denkgewöhnung beinahe mit Notwendigkeit, in eine aktive und eine passive Komponente zerlegt. Hier werden also zwei Größen unterschieden, die Materie und die selbständige, davon getrennte Energie, deren Objekt die Materie ist. Der zweite,[14] in der griechischen Philosophie unbekannte Begriff ist durchaus substanziell aufzufassen. Infolgedessen ist aber das Bedürfnis, zu dieser Energie einen Träger, an den sie gebunden ist, vorzustellen, so stark, daß nach ihrer prinzipiellen Trennung von der Materie die Wellentheorie des Lichtes die Annahme einer zweiten Art von Materie, des Äthers, zur Folge hatte, nur weil man eine Größe mit diesen Merkmalen sich nicht ohne einen Träger wirkend vorstellen konnte. (Lord Kelvin hat nachgewiesen, daß dieser hypothetische Äther mit Eigenschaften, wie sie die Wellenbewegung der Lichtstrahlen voraussetzt, nicht existenzfähig ist.)

Ein körperlicher Träger der Bewegung ist nicht zur Vorstellung des Wirkens im Raume, der »Wirklichkeit«, notwendig. Die von Mach und Ostwald aufgestellte energetische Theorie steht darin der Idee Heraklits weit näher. Nachdem bereits die kritischen Philosophen des 18. Jahrhunderts die Dinge für zusammengeordnete Komplexe von Empfindungen erklärt und damit das Endziel beinahe aller philosophischen Forschung, das Begreifen der Dinge an sich, als unmöglich und irrtümlich nachgewiesen hatten, konnte man die Substanz nicht mehr material auffassen. Die Energetik erkennt diese Kritik wenigstens für den Begriff der Materie an und definiert die Natur als eine Summe von Energien (wobei dieser Begriff aber wieder durchaus substanziell gefaßt ist). »Wir erlangen unsere Kenntnis der Außenwelt nur dadurch, daß unsere Sinnesorgane in bestimmter Weise von den Objekten derselben erregt werden; die Art und Stärke dieser Erregungen schreiben wir den ›Eigenschaften‹ der Materie zu. Nehmen wir aber den Objekten jene Eigenschaften, so behalten wir nichts übrig, was unsern Erfahrungen zugänglich ist, und die Materie verschwindet bei dem Versuch, sie für sich zu denken« (Ostwald, Chem. Energie, 2. Aufl., S. 5). Diese Annäherung der Energetik an Heraklit ist wichtig, denn sie macht es zum ersten Male möglich, seine Gedanken in eine moderne, wissenschaftliche Form zu bringen. Das im Raum Vorhandene ist ausschließlich Energie: »Denken wir uns deren verschiedene Arten von der Materie fort, so bleibt nichts übrig, nicht einmal der Raum, den sie einnahm. Somit ist Materie nichts als eine[15] räumlich zusammengeordnete Gruppe verschiedener Energien und alles, was wir von ihr aussagen wollen, sagen wir nur von diesen Energien aus« (Ostwald, überwind. d. wissensch. Materialismus, S. 28). Auf diese Substanz läßt sich aber wieder die erwähnte Bestimmung Kants anwenden, daß sie selbst beharrt (das Gesetz J.R. Mayers) und nur ihre Art zu existieren sich ändert (die »Formen« der Energie, Licht, Wärme, Elektrizität).

Die griechische Anschauung ist von Anfang an eine andere. Der Begriff der Kraft ist erst von Galilei geschaffen worden und den Griechen unbekannt. Unterscheiden wir also zwischen Bewegung und Energie. Bewegung (ein Beziehungsbegriff) setzt nur ein Bewegtes voraus und nichts außerdem. Energie (die substanziell vorgestellte Ursache der Bewegung) ist selbst eine zweite Größe neben dem Bewegten, auch wenn dies wieder nur als Gruppe von Energien gedacht werden soll. Wir sagen: »Die Kraft greift an einem Punkte an.« Dagegen kennt die monistische griechische Philosophie nur immanente und ideelle Ursachen der Bewegung (ἀνάγκη, φιλία καὶ νεῖκος, λόγος, τύχη); Demokrits Atome bewegen sich infolge der τύχη; es liegt in ihrer Natur, sich zu bewegen. Sie brauchen keine angreifende Energie. Für den griechischen Monismus ist damit das im Raum Vorhandene (am besten von Parmenides mit τὸ πλέον, das Raumerfüllende, bezeichnet) als einzige und unzerlegbare Substanz eine ganz andere Größe geworden. Dieser Begriff der Substanz ist es, den Heraklit leugnet.

Das erste Problem der griechischen Philosophie, für welches der Mythus eine Lücke ließ, aber auch keine Richtung gab, ist das des »Ursprungs« der Dinge. Das am Anfang der Welt liegende Chaos, das ein Grieche als qualitativ unbestimmbare, in ihrer Bewegung regellose Masse definiert haben würde, ließ die Idee eines Urstoffs entstehen. Ἀρχή ist ein Stoff. Nach der Meinung des Thales und Anaximenes besteht die Welt aus den qualitativen Verwandlungen dieses zuerst vorhandenen Stoffes. Die Bedeutung Anaximanders liegt darin, daß er für dessen Bestimmung die sinnlichen Qualitäten ausschaltete. Das ἄπειρον, als ἀρχή gedacht, ist ein der Wahrnehmung gänzlich entzogenes[16] Etwas, dessen spezifische Einwirkung auf die Sinne erst Qualitäten und also Dinge entstehen läßt. Immerhin wird hier noch ein körperlich gedachter Hintergrund der Empfindungen angenommen. Die unbedingte Skepsis dem Substanzbegriff gegenüber ist schwer. Parmenides bemerkte mit Recht, daß alles Denken sich auf ein Sein bezieht, daß alles, was gedacht wird, in diesem Augenblick die Eigenschaft der Substanzialität erhält.

Da das griechische Denken keine Trennung von Bewegendem und Bewegtem kennt, und Heraklit die Einheit im Weltgeschehen ausdrücklich betont – sein Ausspruch ἐκ πάντων ἓν καὶ ἐξ ἑνὸς πάντα ist darin gleichbedeutend mit dem ἓν καὶ πᾶν des Xenophanes –, so muß die Annahme eines reinen, einheitlichen, unaufhörlichen »Werdens«, das die Eleaten leugnen,2 den Substanzbegriff in jedem Sinne ausschließen.

In der Ausführung des Gedankens treten die äußersten Schwierigkeiten der sprachlichen Darstellung auf; einer der Fälle, wo wir bemerken, daß die Sprache selbst philosophische Grundsätze enthält. Unsere ganze Philosophie ist Berichtigung des Sprachgebrauchs, bemerkte Lichtenberg; »es wird also immer von uns wahre Philosophie mit der Sprache der falschen gelehrt.« Wir können die Leugnung des Seins sprachlich nicht genau ausdrücken. Οὐδὲν μένει, πάντα χωρεῖ: man fühlt, daß die Subjekte dieser Sätze bereits ein zuständliches Sein enthalten. Die Sprache ist eleatische Philosophie. –

Heraklit erklärt die Dinge grundsätzlich für eine in jedem Sinne erfolgende Veränderung: λέγει που Ἡ., ὅτι πάντα χωρεῖ καὶ οὐδὲν μένει. (Plato, Cratyl. 402 A.) Diese vollkommene Verwandlung (μεταβολή in Fr. 91, ἀνταμοιβή in Fr. 90) scheidet Plato (Theätet 181 B. ff.) in eine räumliche (περιφορά) und qualitative (ἀλλοίωσις). Es muß festgehalten werden, daß es für einen Griechen nur eine reale Größe in der Außenwelt gibt, um die Abweisung des Substanzbegriffs in diesem Gedanken[17] zu finden. Heraklit gebraucht den Substanzbegriff, der ihm aus der Philosophie der Zeit hätte geläufig sein müssen (ἀρχή, ἄπειρον), niemals (Teichmüller Bd. I S. 147). Ebenfalls kennt er den aus der Annahme der bewegten Materie leicht folgenden Begriff des leeren Raumes nicht. Heraklit versuchte, einen angemessenen Ausdruck für seinen neuen Gedanken zu finden. In den Sätzen: συνάψιες ὅλα καὶ οὐκ ὅλα, συμφερόμενον διαφερόμενον, συνᾶιδον διᾶιδον, καὶ ἐκ πάντων ἓν καὶ ἐξ ἑνὸς πάντα (Fr. 10) und: γνώμην, ὁτέη ἐκυβέρνησε πάντα διὰ πάντων (Fr. 41. Vgl. Pseudo-Linus 13 Mullach: κατ᾽ ἔριν συνάπαντα κυβερνᾶται διὰ παντός) sieht man zweifellos den Versuch einer energetischen Formel, um das reine, nicht an Materie gebundene Wirken im Räume auszudrücken.

Dieses Wirken ist der sinnlichen Wahrnehmung entzogen. Was wir sehen und fühlen, ist immer ein Seiendes, ein beharrender Zustand: θάνατός (seiend, unbewegt) ἐστιν, ὁκόσα ἐγερθέντες ὁρέομεν (Fr. 21). Die Sinne täuschen: Diese Einsicht machte ihn zu einem Skeptiker der Erkenntnis. Der Hintergrund der uns umgebenden körperlichen Welt, das im Raum wirkende »Werden«, ist nicht erkennbar. Heraklit redet von einer unsichtbaren Harmonie gegenüber der sichtbaren in der Erscheinungswelt (ἁρμονίη ἀφανὴς φανερῆς κρείττων Fr. 54). Dasselbe will Fr. 123 sagen: φύσις κρύπτεσθαι φιλεῖ, die Natur pflegt verborgen zu sein;3 in der Natur ist das tiefere Wesen nicht ohne weiteres erkennbar, man muß den Eindruck der Sinne erst deuten. Diese Erscheinung des energetischen Prozesses für uns ist außerdem eine verschiedenartige: ὁ θεὸς ... (=φύσις, κόσμος) ἀλλοιοῦται δὲ ὅκωσπερ [πῦρ], ὁπόταν συμμιγῆι θυώμασιν, ὀνομάζεται καθ᾽ ἡδονὴν ἑκάστου (Fr. 67).

Aus dieser Theorie folgt notwendig, daß das Werden und Fließen ein ununterbrochenes sein muß: ὁ κυκεὼν διίσταται [μὴ] κινούμενος (Fr. 125). Dies Bild vom Mischtrank ist ein Beispiel für die Meisterschaft, mit der Heraklit seinen Ideen eine[18] glückliche Anschaulichkeit zu geben weiß. (Nietzsche macht auf das Treffende des Ausdrucks »Wirklichkeit« aufmerksam.) Ein Ausgleich des antagonistischen Wirkens würde Ruhe für immer sein. Es ist für die Existenz des Kosmos notwendig, daß sich unaufhörlich differente Spannungen gegenüberstehen, widerstreben, aneinander messen; es darf kein Augenblick der Ruhe eintreten, fortwährend muß ein Minimum des Unausgeglichenen im Räume vorhanden sein.4 Wir haben uns das ewige Wirken als An- und Abschwellen von Spannungen (Gegensätzen) zu denken. Ein Versuch, dies auszusprechen, ist Fr. 91: ἀλλ᾽ ὀξύτητι καὶ τάχει μεταβολῆς σκίδνησι καὶ πάλιν συνάγει καὶ πρόσεισι καὶ ἄπεισι. Als prägnante Wendungen für diesen Gedanken finden sich die beinahe gleichbedeutenden Ausdrücke συμφερόμενον διαφερόμενον (in Fr. 10: συνάψιες ὅλα καὶ οὐκ ὅλα, συμφερόμενον διαφερόμενον, συνᾶιδον διᾶιδον κτλ ... Plato Soph. 242 e: διαφερόμενον ἀεὶ ξυμφέρεται. Luc. vit. auct. 14: αἰὼν παῖς ἐστι παίζων πεσσεύων συνδιαφερόμενοςs. Plato Symp. 187 A: τὸ ἓν γάρ φησι διαφερόμενον αὐτὸ αὑτῷ ξυμφέρεσθαι.) und ὁδὸς ἄνω κάτω (in Fr. 60: ὁδὸς ἄνω κάτω μία καὶ ὡυτή. Diog. Laert. IX, 8: καλεῖσθαι μεταβολὴν [vgl. Fr. 91] ὁδὸν ἄνω κάτω). Diese Vorstellung, daß das Wirken im Räume, also das An- und Abschwellen entgegenstehender Spannungen, in der Weise erfolgt, daß unaufhörlich ein Streben nach Ausgleichung vorhanden ist, kennt die Energetik als das Helmsche Gesetz: Jede Energieform hat das Bestreben, von Stellen, in welchen sie in höherer Intensität vorhanden ist, zu Stellen von niederer Intensität überzugehen (Helm, Lehre von der Energie, S. 59 ff.). Der Unterschied liegt ausschließlich in der nichtsubstanziellen Vorstellungsweise Heraklits. Der Versuch, dieser abstrakten Erwägung in einem dem Auge verständlichen und gefälligen Bilde Gestalt zu geben – eine Neigung, der Heraklit am leichtesten und liebsten nachgibt – führt zuletzt auf die Vorstellung einer wellenförmigen Bewegung. (Es ist die einzige leicht übersehbare Vorstellung einer an den Ort gebundenen Bewegung.) Der Jonier, der täglich den Blick auf das Meer richten konnte, mußte wissen,[19] wie sehr sich in seiner Bewegung, von der leichtgeschwungenen Linie bis zu den hohen mäandrischen Wellenzügen, die Unruhe einer erstrebten und nie erreichten Vereinigung spiegelt. In diesem Sinne, halb Abstraktion und halb künstlerische Anschauung, darf man wohl die παλίντροπος ἁρμονίη κόσμου, ὅκωσπερ τόξου καὶ λύρηςs (Fr. 51) verstehen.5 Die Linie des altgriechischen Bogens ist derjenigen der Leier gleich (Arist. Rhet. III, 11 p. 1412 h 35: τόξον φόρμιγξ ἄχορδος), eine ebenmäßig geschwungene Kurve, deren Enden sich nähern. Man könnte, um Heraklits Vorstellung der Linien der ausgleichsuchenden Gegensätze näherzukommen, an die Arsis und Thesis der Metrik und die Tonlinie von Melodien (lenken. So vermeidet man den Irrtum einer Annahme schwingender Teilchen. Diese Vorstellung gilt im ganzen Umfange des Kosmos: τὸ ἕν γάρ φησι διαφερόμενον αὐτὸ αὑτῷ ξυμφέρεσθαι ὥσπερ ἁρμονίαν τόξου καὶ λύρας (Plato Symp. 187 A). Ein Vergleich läßt die Bedeutung dieser Idee vollkommen übersehen: ἣν (ἀνάγκην) εἱμαρμένην οἱ πολλοὶ καλοῦσιν, Ἐμπεδοκλῆς δὲ φιλίαν ὁμοῦ καὶ νεῖκος· Ἡ. δὲ παλίντροπον ἁρμονίην κόσμου ὅκωσπερ λύρας καὶ τόξου. (Plut. de anim. procr. 27 p. 1026). Wenn man sich erinnert, was die εἱμαρμένη, das große, überall und unbedingt waltende Schicksal, in der Vorstellung eines Griechen ist, wird man auch den Sinn der Harmonie Heraklits (die mit λόγος oder νόμος gleichbedeutend ist) verstehen.

Alle diese Versuche, eine neue Anschauung des Geschehens zu gewinnen, entspringen aus der Leugnung des beharrenden Seins. Alles ist nicht etwa im Fluß begriffen – »alles« wäre immer noch ein Sein –, sondern der Hintergrund der Erscheinung ist ausschließlich als reines Wirken, wenn man will, als Summe von Spannungen, zu denken.[20]

 

Fußnoten

 

1 Krit. d.r. Vernunft (Kehrbach) S. 177.

 

2 Xenophanes bei Clem. Strom. V, 109 p. 714 P. (Diels Frg. 26):

Ἀιεὶ δ᾽ἒν ταὐτῶι μίμνει κινούμενος οὐδὲν

οὐδὲ μετέρχεσθαί μιν ἐπιπρέπει ἄλλοτε ἄλληι.

 

3 φιλεῖ nicht: liebt es, sich zu verbergen. Das Wort soll nicht so persönlich klingen. Vgl. φιλεῖ in Fr. 87 nach Diels: Ein hohler Mensch pflegt bei jedem Wort starr dazustehen.

 

4 Dasselbe bedeutet die Lehre von der Entropie, eine Grundlage der modernen theoretischen Physik.

 

5 Die meist symbolisch aufgefaßt wurde; von Lassalle (I S. 114) als Symbol des apollinischen Kultes, von Pfleiderer (S. 90) und Schäfer (S. 76) als Symbole des heitern Lebens und des Todes, was für Heraklit viel zu sentimental ist; dagegen als Bild des Weltprozesses von Bernays (Ges. Abh. I S. 41) und von Zeller (I S. 548).

 

2. Das Feuer

Heraklit erwähnt das Feuer in einer Weise, die uns zwingt, es als Sein, als Zustand zu denken; es gibt also selbst für ihn in der Welt der Erscheinungen Zustände – im wesentlichen mit den[20] Aggregatzuständen zusammenfallend –, die in diesem System, wo der Begriff der Substanz abgewiesen wird, eine Erklärung herausfordern. Die Tatsache, daß es in der Natur scheinbar Zustände der Ruhe gibt (aus denen die Annahme von beharrenden Substanzen erst entstand), kann nicht bestritten werden. Heraklit erwähnt sie (θάνατός ἐστιν, ὁκόσα ἐγερθέντες ὁρέομεν. Fr. 21) und schreibt sie dem Trug der Sinne zu. Dem Auge ist es verwehrt, das Werden und Fließen zu sehen (Fr. 54 und 123. Siehe S. 18). Es erscheint dem Menschen unter mehreren typischen Gestalten, Formen der sinnlichen Erscheinung (γῆ, πῦρ, θάλασσα, πρηστήρ; es sind bereits die Elemente des Empedokles), die untereinander wechselnd und von vorübergehendem Dasein sind. Sie haben eine rein subjektive Realität. Man sprach früher von Licht, Wärme, Elektrizität als von Naturkräften. Heute bezeichnet man sie in ähnlicher Absicht als Formen der Energie, indem man stillschweigend annimmt, daß sie als Erscheinungsformen der »Energie an sich«, jener unerkennbaren Ursache des Geschehens gelten sollen. So denkt sich Heraklit das Feuer, das Meer, die Erde und den Sturm – Dinge, die nur scheinbar das Sein und die Dauer haben, die sie dem erkennenden Geist einreden möchten, und die, dem Auge entrückt, nichts mehr sind als ewiges ruheloses Fließen und Werden, eins wie das andere.

Damit ist der Begriff des Feuers gegeben: eine Erscheinungsform des kosmischen Prozesses, aber noch nicht seine Bedeutung. Heraklit zeichnet diese Naturerscheinung, die an sich nichts vor den andern voraus haben sollte, in einer geheimnisvollen Weise aus. Um dieser hohen Bedeutung willen konnte man glauben, hier den Hauptpunkt der ganzen Lehre gefunden zu haben; auch der hierin liegende Gedanke ist vielen Mißverständnissen ausgesetzt gewesen. Die Auffassung des Feuers lediglich als Symbol der Veränderung1 darf als abgetan gelten; eine verdunkelnde[21] Symbolik sacht man bei diesem Philosophen nicht mehr. Aber es ist unverständlich, wie die Vorstellung und Bezeichnung des Feuers als ἀρχή von Aristoteles an üblich sein konnte.2 Ἀρχή ist ein sehr spezieller Begriff, der wegen vieler von ihm nicht trennbarer Annahmen nur in beschränkter Weise angewendet werden kann. Die Jonier haben ihn gebildet; er schließt, wenn man ihn richtig versteht, das ganze System dieser Philosophen ein. Vor allem enthält er den Gedanken der Entwicklung und Rückverwandlung in einen normalen Zustand. Die Frage der Jonier lautete: Woraus sind die Dinge entstanden? Es wird ein Stoff, und zwar ein zeitlich und physikalisch ursprünglicher angenommen (denn ἀρχή bedeutet beides), der bei Anaximander Qualitäten annimmt, während er selbst bleibt[22]gleichmäßig