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Melanie Schumacher, geb. 1969 in Düsseldorf, ist Mutter von zwei Kindern und lebt mit ihrem Mann und sieben Schlittenhunden in Florstadt. Durch ihre kaufmännische Ausbildung, einen USA Aufenthalt und ihren Beruf als Chefstewardess hat sie viele Menschen und Länder kennen gelernt und verstreut einige ihrer Erfahrungen in ihren Geschichten für Kinder. Schon als Kind entdeckte sie die Freude am Schreiben und verbindet diese nun mit den Huskys. Ihr Mann, Wolfram Schumacher wurde 2003 Deutscher Meister beim Schlittenhunderennen und arbeitet ebenfalls als Chefsteward.

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Der große Willow
Meine Abenteuer als Schlittenhund
Autor: Melanie Schumacher
ISBN: 978-3-8448-8642-9

Alle Rechte liegen bei der Autorin (www.luckyhusky.de)
Zeichnungen und Titelbild: Johann van Rossum (www.johannvanrossum.nl)
Copyright Bilder: Johann van Rossum, Melanie Schumacher
Herstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Für Dominique

und alle Kinder, die die Sprache der Hunde verstehen!

Inhalt

Willow ist da!

Die Jagd nach dem weißen Wurm

Training

Reif für den Reifen…

Der erste Schnee

Das lebensrettende Rennen

Willow beißt sich durch

Echte Freundschaft

Die Falle

Abschied

Hundebesuch

Willow als Detektiv

Hund der Ringe

Wenn Schlittenhunde fliegen

ALASKA

Fellpflege

Ein guter Freund muß gehen

Den Glücksbringern sei Dank

Willow ist da!

Hallo, ihr - hier bin ich - äh…., ach so - ihr könnt mich ja nicht sehen… also werde ich euch meine Geschichte erzählen.

Ich glaube, es war irgendwann im Juni, heiß war es jedenfalls und ziemlich dunkel. Dunkel? Nein, es war natürlich nicht dunkel, sondern ich war gerade erst auf der Welt und hatte meine supersüßen Augen noch nicht geöffnet. Naja, das kennt ihr Menschenkinder nicht, ihr habt gleich vom ersten Tag an die Augen weit offen, wir Hunde brauchen dafür ungefähr 14 Tage. Aber bei meiner Geburt wußte ich das natürlich auch noch nicht. Es war einfach bloß dunkel. Und kalt…brrrr…war das kalt. Schnell kuschelte ich mich an Mamis warmen Bauch und rollte mich ganz doll ein. Huch - was war denn das…? Ich bekam doch glatt eine Pfote auf die Nase gestupst, die war genauso klein wie meine vier Pfoten!! Hey - noch eine, na, wieviele Geschwister habe ich denn eigentlich? Ich dachte mir, zählen kannst du später, jetzt wird erst einmal ein Nickerchen gehalten!

Als ich wach wurde - es kam mir vor als hätte ich viele Stunden geschlafen - streckte ich mich erst mal ordentlich ( Das machen übrigens alle Tiere, aber es gibt viele Menschen, die das vergessen! ) und dann hatte ich Hunger! Boah, hatte ich einen Hunger!!! Tja, wo ist hier die Küche? Meine Geschwister waren schneller als ich und fingen an, aus Mamis Zitzen die Milch zu saugen. Mit ihren kleinen Pfoten pumpten sie gegen ihren Bauch und schmatzten wie eine Horde unerzogener Löwenbabys.

Mann, war das aufregend. Und ich war der Größte und natürlich auch der Schönste von allen. Das sage ich. Sechs Geschwister habe ich gezählt. Fünf Schwestern, einen Bruder und ich. Ob ihr es glaubt oder nicht, sechs von uns sind schneeweiß und kaum zu unterscheiden. Nur mein Bruder hat ein dunkles Fell, wie unsere Mami. Plötzlich fliegt die Türe auf und eine großer weißer Husky mit braunen Augen und buschiger Rute (so heißt unser Schwanz auf hündisch….) steht vor uns. PAPA!! Er verschwand schnell wieder, wollte nur nachzählen, ob wir noch alle da waren. Er heißt übrigens Fire, cooler Name, nicht? Er kann sehr schnell laufen, daher hat er sicher seinen Namen. Meine Geschwister heißen Azura (DIE HÜBSCHE), Loucie (DIE SCHEUE), Akita, Lu, Smokey (DER FRECHE) und Cheyenne. Und ich - der große WILLOW!!

Und weil ich so groß war, hatte ich auch ziemlich große Schwierigkeiten das Laufen zu lernen. Erst versuchte ich ein paar Schritte, dann kroch ich auf dem Bauch und schwups - … lag ich auf der Nase. Mami holte mich zurück in die Kiste, wo wir alle sicher aufgehoben waren, aber ich mußte es nochmal versuchen. Eins- zwei - und hoppla, diesmal machte ich eine Rolle rückwärts und überrollte meinen Bruder Smokey. Der machte sich sowieso immer so breit. Dafür gab es eine weiche Landung und Mami holte uns beide wieder zurück.

Für den ersten Tag hatte ich genug erlebt und legte mich wieder schlafen.

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Dann, ganz plötzlich wurde ich wach. Meine Schwester knurrte und weinte, sie stieß mir mit der Pfote in den Bauch und zuckte mit den Ohren. Ich hatte Angst, dass es ihr nicht gutgehen würde und gab sofort meiner Mutter Bescheid. Die lachte laut los und schüttelte den Kopf.

Ich verstand die Welt nicht mehr. „Aber Willow, sie träumt doch nur vom Spielen!“ Toll, dachte ich nur - muß sie mich denn dabei aufwecken? Na warte, jetzt träume ich - der große Willow!! Ich strengte mich so sehr an, etwas Schönes zu träumen, dass ich einschlief und alles um mich herum vergaß.

Dann kitzelte ein Schmetterling meine Nase und wollte, daß ich ihm nachlief. Es war nicht einfach ihn einzuholen. Er flog so schnell, über grüne Wiesen und Felder, durch einen dunklen Wald und setzte sich schließlich auf einen Ast um auszuruhen. Ich war völlig aus der Puste, musste mich erst einmal hinlegen und nach Luft schnappen. Ich war so schnell gelaufen, dass ich nicht mehr wusste, wo meine Familie war. Aber der Schmetterling hatte so schöne Farben, gelbrot und grün schimmerten seine Flügel und er sprach mit mir: „Sieh dir deine Welt an, Willow. Achte auf die Tiere und die Menschen. Freue dich über grüne Wiesen und die Bäume, sie werden sich verändern im Laufe des Jahres. Wirst du den Unterschied erkennen? Im Sommer ist es warm, der Winter wird dir lieber sein, du bist nämlich ein Schlittenhund. Du fühlst dich erst richtig wohl, wenn es schön kalt ist. Bald wirst du es selber herausfinden. Hab Geduld und halte Augen und Ohren offen!!“

Dann flog der Schmetterling weiter und zeigte mir einen großen See. Dort sah ich etwas im Wasser schwimmen und ich versteckte mich hinter einem Gebüsch. Voller Angst versuchte ich zwischen den Ästen zu erkennen was es war, doch der Schmetterling lachte mich aus: „Ach Willow, komm raus, du Angsthase, das sind junge Enten, die sich vor DIR fürchten“ Natürlich - ich machte mich noch größer und trat ganz mutig an den See heran, damit sie mich sehen konnten. War ich doch der große Willow! „Bitte, tu uns nichts“, quakten die Enten und versammelten sich ängstlich auf dem See. Da wurde mir ganz warm ums Herz. Ich bin doch selber noch ein Baby, wie könnte ich ihnen nur etwas antun? Der Schmetterling half mir aus der Lage und sagte nur: „Was du nicht willst, was man dir tu, das füge keinem anderen zu!“ Recht hatte er. Ich machte mich auf den Heimweg und……Heimweg? Wie komme ich bloß nach Hause? Linksrum? - Nein, - rechtsrum –- MAMIIIIIIII..!!!!!!! Ich weinte und knurrte, bis ich von meiner Schwester einen Stoß in die Seite bekam…Tja, ich hatte scheinbar alles nur geträumt. Jetzt hatte ich mich wenigstens gerächt.

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Die Jagd nach dem weißen Wurm

Vier Wochen später konnten wir schon richtig herumtoben. Da ging ordentlich die Post ab. Unser Herrchen ließ uns nun nach draußen in den Hundezwinger und für den großen Auslauf tollten wir auf einer Wiese, die war mindestens so groß wie England – naja, für mich jedenfalls. Eines Nachmittags fand ich eine große Herausforderung für meine hochempfindliche Spürnase. EINEN WURM!! Hätte nie gedacht, daß Würmer so groß sein können. Er ragte aus einem Holzstoß hervor und bewegte sich langsam hin und her. Nun wollte ich meinen Geschwistern beweisen, wozu der große Willow fähig war. Ich schlich mich ganz nah an den Wurm heran und duckte mich, legte meine Ohren an und machte mich so klein wie es nur möglich war. Mit leisen Pfoten kam ich näher, richtete meinen Blick auf den zappelnden Wurm und wartete den passenden Augenblick ab, um ihn zu erwischen. Mir stand der Schweiß auf der Stirn, ich versuchte mich zu konzentrieren. Alle werden stolz auf mich sein, und die ganze Welt wird erfahren, wie mutig ich bin. Dann war es so weit, ich machte einen Satz nach vorne, packte den Wurm mit meinen gefährlich großen Zähnen und zog ihn aus dem Holzstoß hervor. Ich zog und zog und zog, doch er ließ sich nicht herausbringen. Dann quietschte er laut, und verpaßte mir eins mit der Pfote…. PFOTE!!?? Seit wann hat ein Wurm Pfoten? Meine Schwester sah mich böse an. „Was fällt dir ein, mich in den Schwanz zu beißen?“ Äh, Schwanz?? Ich glaube, der große Willow muß noch sehr viel lernen!!!

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Das Leben war wunderbar. Wir schliefen, fraßen, spielten, schliefen, fraßen und spielten und dann schließlich schliefen wir, fraßen und spielten. Im Garten stand ein Pavillon, der war so groß wie zehn Hundehütten und man konnte prima darunter kriechen und verstecken spielen. Leider wurde ich immer gleich gefunden, war ich doch so groß, daß ich schon von weitem leuchtete. Trotzdem spielte ich mit und kroch eben unter diese riesengroße Hundehütte. Tja, dann war es um mich geschehen. Zwar hatte mich meine Schwester Azura schon längst gefunden, aber, naja- wie soll ich es nur sagen - ich steckte fest! JA, ICH STECKTE FEST. Meine Hinterfüße waren im Freien, aber mein hübsches Köpfchen bekam ich nicht mehr heraus.

Ich drehte mich hin und her, duckte mich und machte mich ganz groß, zappelte herum wie eine Schlange, aber es bewegte sich nichts. Mein Bruder Smokey versuchte mich an den Vorderpfoten seitlich herauszuziehen. Gleichzeitig zogen Loucie und Azura an meinem kostbaren Hinterteil! „Das kann ja nichts werden“ ‚rief ich ihnen zu. „ Ihr müßt schon in die gleiche Richtung ziehen, sonst komme ich hier nie raus!“ „Okay, machen wir!“ ‚kam die Antwort und wieder zog einer nach vorn und zwei nach hinten. „So geht das nicht, ich werde versuchen einen Graben zu buddeln, vielleicht komme ich dann heraus“ ‚rief ich ihnen zu und hoffte, dass dies eine gute Idee war. Ich buddelte und buddelte. Es vergingen viele Minuten, die mir wie Stunden vorkamen. Endlich hatte ich es geschafft. Jubelnd wurde ich von meinen Geschwistern empfangen und nun kam meine Mutter. „Willow, du siehst aus wie ein Maulwurf..!“ sagte sie zu mir und war nicht gerade gut gelaunt. „So schmutzig bin ich noch nicht einmal beim Training, wenn es regnet und wir durch den dicksten Schlamm laufen.“ „Was denn für ein Training?“, fragte ich sie. „Dafür bist du noch zu klein. Aber bald darfst du auch mit uns trainieren und im Winter sogar einen großen Schlitten ziehen!“ Wow, dachte ich. Willow der große Schlittenhund.

Training

Stolz erzählte sie mir, wie im Winter die Huskys einen großen Schlitten durch schneebedeckte Wiesen ziehen, über zugefrorene Seen und durch Wälder, deren Bäume riesige Schneemassen tragen, die aussehen wie große weiße Federbetten, wie die Sonne sich auf den Schneekristallen widerspiegelt und Elche und Schneehasen ihre Spuren im Schnee hinterlassen.

Einmal waren sie viele Stunden im Schnee unterwegs. Sechs Schlittenhunde zogen einen großen hölzernen Schlitten hinter sich und ganz vorne lief meine Mama. Sie ist ein guter Leithund und zeigt dem ganzen Team wo es langgeht. Haben sie sich einmal verirrt, streckt sie ihre Spürnase in den Wind und versucht, wieder nach Hause zu finden. Sie versteht jedes Kommando, das der Musher - der Schlittenhundeführer - den Hunden zuruft. Sie ist es auch, die schnell versucht einen Ausweg zu finden, wenn es auf einem Weg einmal nicht weitergeht. Wenn sie erst gestartet sind, hört man nur noch die Kufen vom Schlitten über den Schnee gleiten, den hechelnden Atem der Huskys und schließlich die Pfoten, wie sie im leichten Trab über den Weg laufen. Manchmal treten sie auf einen Ast, dann hört man es knacksen oder der Schlitten muß ein wenig abgebremst werden, weil es einen Abhang hinunter geht, dann hört man auch die Metallkralle über den Schnee schleifen und die Fahrt wird etwas langsamer.

Mama erzählte, wie sie im hohen Norden eine Schlittentour machten und plötzlich nicht mehr weiterkamen. Der Schnee wurde so tief, das ihre Pfoten darin stecken blieben, der Schlitten immer schwerer wurde bis das ganze Team einfach stehen blieb. „ Was sollen wir jetzt tun?“ fragten die Huskys hinter ihr.

„ Ich weiß es nicht, laßt es uns noch einmal versuchen. Nehmt all eure Kraft zusammen und zieht so fest ihr nur könnt. Gemeinsam werden wir es schaffen! Eins, zwei drei und….UUUaaaaaahhhhh, UUUUaaahhhhh, UUUaaaahhhh,…..“ „Wir schaffen es nicht, wir müssen den Schnee etwas platt treten, damit wir wieder weiterkommen!“ Ihr Musher versuchte bisher, den Schlitten von hinten anzuschieben, aber schaffte es keinen Meter weiter nach vorn. Dann holte er große Schneeschuhe aus seinem Schlittensack hervor und zog sie über seine Schuhe. Jetzt lief er vor dem Hundeteam durch den Schnee und trat ihn so platt, daß die Hunde mit wenig Mühe hinter ihm herlaufen konnten. Es war bitter kalt, doch der Musher schwitzte vor Anstrengung. Es wurde schon fast dunkel als sie endlich nach Hause kamen und sich von ihren Strapazen ausruhen konnten. Jeder Husky hatte einen schönen mit Stroh ausgelegten Schlafplatz und eine Hütte, in die er sich zurückziehen konnte. Nach dem Abendessen rollten sich alle Hunde ein und schliefen bis zum Morgengrauen.

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„Erzähl mir mehr von deinen Abenteuern!“ ‚bat ich meine Mutter. „Nein, Willow, für heute ist erst einmal genug. Jetzt gehen auch wir schlafen und wer weiß, vielleicht erzähle ich dir morgen Abend noch ein wenig!“ Wir gingen alle zurück in unseren Hundezwinger, rollten uns ein, und ich freute mich auf eine weitere Geschichte.

Bald schon durfte ich zusehen, wie die erwachsenen Schlittenhunde im Sommer ihr Training vollzogen. Mann, war das aufregend. Meine Geschwister und ich klebten förmlich mit der Nase am Zaun und beobachteten ganz genau, wie sich alle auf ein Training vorbereiteten. Da es bekanntlich im Sommer keinen Schnee gibt, laufen die Hunde vor einem Wagen, auf dem der Musher steht oder sitzt. Meine Kumpels - also die großen Huskys - kamen jeweils zu zweit an eine lange Zugleine, die wiederum mit dem Wagen verbunden war. Nun ging es los. Alle Huskys bellten laut vor Aufregung und auch ich konnte nicht stillhalten, auch wenn ich nicht mitlaufen durfte. Sie sprangen wie wild auf und ab, warteten sehnsüchtig darauf, dass die Bremse gelöst wird und es endlich losgeht. Dann - wupp - die Ohren angelegt, die Augen geradeaus- ging‘s schnell wie ein Blitz über die Wiese auf einen Weg. Nur eine Staubwolke war noch zu sehen und schon bald konnten wir sie kaum noch erkennen, so weit waren sie schon entfernt.

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