andy feind ist depressiv. Und das auch noch chronisch. In diesem, nicht immer ganz ernsten, Buch widmet er sich gekonnt dem Leben mit Depressionen, den Vorurteilen, den Stigmata und den Hürden, die man meistern muss, wenn man an Depressionen erkrankt.

»Gedankengewitter« ist eine wortgewaltige Mischung einer autobiographischen Erzählung und einem schonungslosen Tatsachenbericht.

Über den Autor:

andy feind wurde 1984 in Villingen im Schwarzwald geboren und lebt in einem beschaulichen Örtchen in der Region. Im Jahr 2001 ist er an Dysthymie, einer chronischen Form der Depression, erkrankt. Es folgten viele Jobs, unter anderem als Journalist, weshalb er sich dazu entschied, sein Leben mit Depressionen in seinem Buch »Gedankengewitter« zu verarbeiten und weiterhin auf psychische Erkrankungen aufmerksam zu machen.

1. Auflage

© 2018 andy feind

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH,

Norderstedt.

ISBN: 9783752827255

Lektorat: Lisa Gehrke

Covergestaltung & Illustrationen: Franziska Sporrer

Coverfotografie: Svenja Sesterhenn

Satz: designmeetsmotion.com, Tina Meffert

kontakt@andyfeind.com

www.andyfeind.com

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Für Svenja.

Weil du stets guter Dinge bist
und mich in allen Lebenslagen unterstützt.
Danke!

»Jeder von uns ist Kunst, gezeichnet vom Leben.«

Casper – Unzerbrechlich

»Jemanden zu lieben, der Depressionen hat, ist wie London. Es ist die tollste Stadt der Welt, aber es regnet jeden Tag.«

Sophie Manleitner

BRUCHSTÜCKE

  1. Die wandelnde Katastrophe
  2. Selbstbild
  3. Prinzessin auf der Erbse
  4. Im Dialog mit der Depression
  5. Indianerschmerz
  6. An einem schlechten Tag
  7. Mein schwarzer Hund
  8. Gedankengewitter
  9. Depressionen zu haben, ist …
  10. Eingestaubte Fangnetze
  11. Zwei Sätze, neun Wörter
  12. Monolog der Depression
  13. Letzte Wege
  14. Depressive Gedanken
  15. Anker im Ozean der Melancholie
  16. An einem neutralen Tag
  17. Der Kampf mit mir
  18. Zu kleine Körper
  19. Hingeschmissen
  20. Das einsame Boot
  21. Schweigende Lenkräder
  22. An einem guten Tag
  23. Nico
  24. Meine Abrechnung
  25. Veränderungen
  26. Was ich mir vom Leben wünsche
  27. Dreißig Ratschläge fürs Leben

VORWORT

In der heutigen, schnelllebigen und immer hektischer werdenden Zeit, sind sehr viele Menschen auf der Suche nach einem Ventil, welches ihnen erlaubt, ihre Gedanken, Emotionen und die Eindrücke des Alltags zu verarbeiten.

Ich war lange ebenfalls auf der Suche nach diesem Ventil und fand es letztendlich darin, zu schreiben. Bereits während meiner ersten schwereren depressiven Episode begann ich, Gedichte und Kurzgeschichten zu schreiben. Bis auf eine einzige Ausnahme waren alle diese Texte nur für mich bestimmt und meistens recht negativ geschrieben. Dennoch tat mir das Schreiben gut. Denn ich konnte mir meine Wut, meine Trauer und meinen Hass, welcher sich an den meisten Tagen hauptsächlich gegen mich selbst richtete, von der Seele schreiben.

Als mich die Depression dann im Jahr 2016 wieder schleichend ereilte, viel schwerer als bisher, beschloss ich, meine Gedanken, meine Gefühle und meine Erinnerungen aufzuschreiben … und nun hältst Du das Ergebnis in Deinen Händen. Es ist sicherlich nicht perfekt, aber das erwarte ich auch nicht. Mein Buch soll in erster Linie ehrlich sein. Ehrlich zu mir selbst und ehrlich zu denen, die es lesen werden.

Noch während ich dieses Buch schrieb, ging es mir zeitweise ziemlich schlecht und mein Leben geriet, beruflich wie privat, deutlich aus der Spur.

Gerade in schweren Momenten stellte ich die Sinnhaftigkeit, ein so persönliches Buch wie »Gedankengewitter« zu schreiben, sehr häufig in Frage.

Würde dieses Buch überhaupt jemals jemand lesen wollen? Und wenn ja, warum?

Würde dieses Buch irgendein Verlag je verlegen wollen? Und wenn ja, warum?

Würde sich überhaupt irgendwer für meine Zeilen interessieren? Und wenn ja, warum?

Macht es überhaupt Sinn, dieses Buch zu schreiben, wenn es sowieso keinen interessiert, wie es mir wirklich geht? Und wenn ja … Warum?

Ich stellte mir diese Fragen vermutlich mehrere tausend Mal und war mindestens halb so oft kurz davor, das Vorhaben, dieses Buch zu schreiben, einfach aufzugeben. Manchmal, weil mir das Schreiben einfach schwergefallen ist. Manchmal, weil mir die Motivation gefehlt hat.

An anderen Tagen wiederum war ich hochmotiviert und hatte die Zeit und auch die Lust weiterzuschreiben. Ich nahm mir vor, täglich an »Gedankengewitter« zu feilen. Aber ich saß oftmals stundenlang vor meinem Notebook und brachte rein gar nichts zustande, was diesem Buch, meinem eigenen, kleinen Herzensprojekt, auch nur im Ansatz gerecht wurde.

Eines Tages stellte ich mir vor, wie jemand dieses Buch liest und sich verstanden fühlt.

Nicht auf diese unehrliche »Ich weiß, was du meinst«-Smalltalk-Art, die man irgendwann nicht mehr hören kann, weil man weiß, dass es sowieso nicht ernst gemeint ist und nur die peinliche Stille übertönen soll.

Sondern dass sich jemand wirklich in diese Situation hineinversetzen kann. Weil er oder sie genau weiß, wie es sich anfühlt, mit sich selbst zu hadern und einen tagtäglichen Kampf mit sich, der Depression und einem Weg aus dem Loch hinaus zu führen.

Der Gedanke, dass jemand dieses Buch liest und es ihm oder ihr eventuell dabei hilft zu sehen, dass es auch nach einer langen, düsteren Talfahrt wieder bergauf gehen kann, hat mich dazu motiviert, »Gedankengewitter« schlussendlich zu vollenden.

Wenn es nur diese eine Person liest. Und wenn vielleicht gerade Du diese eine Person bist, dann ist der Zweck dieses Buches und meines Ventils bereits erfüllt. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du Dein eigenes Ventil ebenso findest, wie ich meines gefunden habe.

Halte durch, es lohnt sich!

Mein Name ist andy feind und ich bin chronisch depressiv.

Ich begab mich unfreiwillig auf die Suche nach mir selbst und traf irgendwann auf den schwarzen Hund, den ich lernte an die Leine zu legen. Seitdem spaziere ich mit ihm durch den Regen in Richtung Sonne und versuche mich endlich selbst zu finden.

Dieses Buch ist meine eigene, kleine Kuriositätensammlung an Erfahrungen, Gedanken und Selbsterkenntnissen, die ich mal mit einem Augenzwinkern und mal vollkommen ernst in einer intensiven Hassliebe mit meiner Depression zusammen, mühevoll sortiert und zusammengestellt habe.

Fast wie eine Playlist der größten Hits des Jahrhunderts. Nur vollkommen anders, denn ich bin der Interpret.

BRUCHSTÜCK 01:
DIE WANDELNDE KATASTROPHE

Schau nicht so blöd«, sage ich vorwurfsvoll zu dem blassen, unrasierten Typen, der mir aus meinem kleinen, staubigen Badezimmerspiegel entgegenblickt. »Ich habe mir das alles auch anders vorgestellt.«

Glaub mir, das habe ich wirklich.

Jeder von uns kommt irgendwann an einen bestimmten Punkt in seinem Dasein, an dem man feststellt, dass alle um einen herum das Leben kräftig bei den Hörnern packen. Sie heiraten, werden schwanger, bekommen Kinder, beenden erfolgreich ihr Studium, kaufen sich neue Autos, gehen gut bezahlten Jobs nach, machen sich selbstständig, ziehen mit ihren Partnern zusammen, bauen ein Haus oder kaufen eine Wohnung. Dann beginnt man unweigerlich damit, seine eigene Situation mit der der Anderen zu vergleichen und zieht seine Schlüsse. Ich habe mir mehrfach sagen lassen, dass es normal sei, sich mit anderen zu vergleichen.

Ist es nicht. Es ist auch nicht hilfreich. Schon gar nicht, wenn man sowieso dazu neigt, sich in dunklen Gedankenstrudeln zu verlieren, und glaubt zu wissen, dass man im Leben bisher nicht viel erreicht hat.

An genau diesem Punkt stand ich kürzlich.

Mir fiel auf, was in den Leben meiner Mitmenschen so vor sich geht. Was einem, dank der heutigen Landschaft aus sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, Instagram oder Snapchat besonders leicht gemacht wird. Ich für meinen Teil kann nicht gerade behaupten, dass ich das Leben bei den Hörnern packe.

Bei mir läuft das alles irgendwie schon immer etwas anders.

So lebe ich Tag für Tag vor mich hin, und frage mich ernsthaft, was bei mir falsch läuft.

Ich bin mittlerweile einunddreißig Jahre alt und habe vor knapp vier Monaten meine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten, kurz »Sofa«, beendet. »Besser spät als nie«, sagt der Volksmund.

»Spät ist aber trotzdem scheiße«, entgegne ich.

Ansonsten befinde ich mich momentan mitten in einer Privatinsolvenz und habe auch keine wirklichen Ersparnisse, die mich vor größeren Ausgaben auffangen könnten. Mein Sohn, den ich kaum sehe, lebt am anderen Ende von Deutschland.

Der Großteil meiner Familie ist mittlerweile verstorben. Ich wohne mit meinen beiden Katzen in einer kleinen, bescheidenen Zwei-Zimmer-Mietwohnung in einem verschlafenen Städtchen mit etwa 13.000 Einwohnern im Schwarzwald. Ich fahre einen achtzehn Jahre alten Opel Corsa und ich bin seit knapp drei Jahren in einer Fernbeziehung, die, bedingt durch meine Arbeit und das Studium meiner Freundin, hauptsächlich durch Entfernung als durch Nähe glänzt.

Jepp. Als Außenstehender würde ich mich definitiv als Versager auf ganzer Linie betiteln. Was den anderen leicht von der Hand geht, geht bei mir zu Bruch oder läuft nur unter erschwerten Bedingungen einigermaßen geradeaus.

Und da dies alles noch nicht genug zu sein scheint, habe ich auch noch Depressionen. Aber nicht nur eine einfache depressive Episode, wie es statistisch gesehen jeder vierte Mensch in seinem Leben einmal durchmachen muss.

Nein, ich habe chronische Depressionen. Der Fachbegriff hierfür lautet »Dysthymie«.

Na, das ist doch mal was! Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

So etwas sucht man sich nicht aus. Man bekommt es, ob man es will oder nicht. Einfach, weil die Depression es kann.

Genau genommen bestand mein Leben eigentlich schon immer aus einer Aneinanderreihung von kleinen bis mittelschweren Turbulenzen.

Manche meiner Freunde sagen, ich sei eine wandelnde Katastrophe. Aber so bin ich eben. Ein erfolgloser, aufbrausender, zynischer Pechvogel, mit dem Herzen meist am rechten Fleck. Dies habe ich bereits vor Jahren akzeptiert.

Vor meiner Ausbildung bei einer namhaften Krankenkasse fand ich mich in vielen verschiedenen Jobs wieder. Ich arbeitete im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres in einem Altenheim mit angeschlossener Sozialstation, als Fabrikarbeiter, Lokaljournalist, Verkäufer, Piercer, Hausaufgabenbetreuer und so weiter.

Ich war, mehr oder weniger, auf der Suche nach mir selbst. Gefunden habe ich mich allerdings bis heute nicht wirklich.

Vor elf Jahren begann ich bereits eine Ausbildung zum Fachinformatiker, musste diese aber aufgrund meiner ersten richtigen Depression, gepaart mit Reibereien mit dem neuen, hochmotivierten Vorgesetzten und der Tatsache, dass ich plötzlich mit zwanzig Jahren Vater werden sollte, abbrechen. Mittlerweile ist mein Sohn zehn und wird bald elf Jahre alt.

»Wie die Zeit vergeht …«

Das sagt man immer so salopp daher, aber es stimmt. Die Zeit rast unaufhaltsam und sie hält nicht an. In keinem Moment. Schon gar nicht für dich, wenn du es am dringendsten brauchst. Damals erkannte ich die Depression nicht als solche.

Es war für mich einfach eine scheiß Zeit, in der zu viele Dinge schief gelaufen sind.

Natürlich gab ich mir selbst die Schuld an allem, denn dies ist ein eindeutiges Symptom der Depression. Das Biest stellt sich nicht vor und sagt »Hallo, ich bin die Depression.« Nein, sie tarnt sich verdammt gut und will so lange wie möglich unerkannt bleiben. Was sie auch schafft.

Depressionen sind wie Krebs. Man denkt, es trifft immer nur die Anderen. Bis man selbst Erfahrungen damit macht. Sei es persönlich oder als Angehöriger. Scheißegal. Wenn Du mit Depressionen an einem Tisch sitzen musst, verändern sie Dich. Sie verändern radikal Deine Sicht auf die Welt, auf das Leben und auf Dich selbst.

Man findet letztendlich immer Möglichkeiten und Situationen, die man sich selbst vorwerfen kann. Dass dies an einer ernst zu nehmenden Krankheit liegt, fiel lange Zeit erst einmal niemandem auf. Schon gar nicht mir selbst, denn ich wollte davon schließlich auch nichts wissen.

In der Schulzeit habe ich mich nie für Hausaufgaben interessiert. Ich brachte aber, außer in Mathe, Chemie und Physik, oft annehmbare Noten nach Hause. Streng genommen war ich stinkfaul, weshalb es mir bis heute nie zum Abitur oder zu einem Studium, sondern nur zu einem unterdurchschnittlichen Realschulabschluss gereicht hat. Nicht weil ich dumm, sondern weil ich faul war.

Das haben mir alle meine Lehrer, durch die Bank, Jahr für Jahr bestätigt und mir ans Herz gelegt, ich solle doch meinen bequemen Arsch endlich mal hochkriegen.

Doch mir war das herzlich egal. Ich war damals sogar zu faul, mir Ausreden für die fehlenden Hausaufgaben einfallen zu lassen. Das kann auch nicht jeder. Heute könnte ich mir dafür selbst in den Allerwertesten beißen, dass ich mich nicht mehr bemüht habe, ein besserer Schüler zu sein.

Meine Interessen lagen eher im Leistungsturnen und Inline Skaten. Nicht etwa in dieser langweiligen Streckenrollerei in lächerlich quietschbunten, hautengen Outfits. Mein Herzblut hing an Halfpipes, Miniramps, Rails und Street-Parcours. Skaten konnte ich ziemlich gut und so verbrachte ich den Großteil meiner Kindheit und Jugend mit meinen Freunden an unserem städtischen Skatepark.

Wir stürzten uns von Hindernissen, versuchten uns an waghalsigen Tricks, applaudierten, wenn diese gelangen und zogen uns gegenseitig auf, wenn der Trick schiefging.

Wir hatten unsere feste Clique und erfreuten uns unserer Jugend. Wir rauchten, um cool zu sein, tranken Bier und Alkopops, die damals total angesagt waren und amüsierten uns auf typischen Jugendpartys in verstaubten Partykellern.

Zugegeben, man kann seine Kindheit deutlich schlechter verbringen, wenn man von Zigaretten und Alkohol absieht.

Vor dieser Zeit, im zarten Kindesalter, war ich mit meinen Eltern viel in den örtlichen Kneipen und auf Dorffesten unterwegs, da der Freundeskreis meiner Eltern und auch die nebenberuflichen Wege meiner Mutter hier zusammenkamen. Als kleiner Stöpsel fand ich die Tatsache, manche Abende nur mit Erwachsenen zu verbringen, ziemlich cool. Ich hatte viel mehr Freiheiten als meine gleichaltrigen Freunde. Ich ging aus, ich durfte später ins Bett und saß mit den Erwachsenen bis spätabends in den Wirtshäusern der Stadt.

Rückwirkend betrachtet war dies natürlich alles andere als cool. Eine verrauchte Kneipe ist nicht gerade das Ambiente, in welchem ein kleines Kind seine Kindheit verbringen sollte. Aber es hat mir nicht sonderlich geschadet, so viel kann ich heute sagen. Die Kneipengänge hatten schließlich auch Vorteile.

Ich lernte beispielsweise früh mit Menschen umzugehen, die auch mal etwas schwieriger sein konnten. Heute würde ich sagen, sie waren besoffen und hatten sich nicht immer im Griff.

Ich war stets höflich, wofür meine Eltern auch außerhalb dieser Kreise häufig gelobt wurden. Ich war ein fröhliches, aufgewecktes Kind und hatte immer etwas zum Spielen und zu Essen. Es hat mir nie an etwas gemangelt.

Meine Eltern brachten mir bereits mit vier Jahren das Lesen, Schreiben und etwas Englisch bei, was mir in der Schule sehr zugutekam.

Sie liebten mich, wie Eltern ihre Kinder lieben sollten. Ich bin meinen Eltern heute unendlich und von ganzem Herzen dankbar, dass sie alles dafür getan haben, dass es mir gut geht und ich immer alles hatte, was ich brauchte.

Viele Bücher, die ich gelesen habe, die sich mit der Thematik »Depression« beschäftigen, hatten häufig zwei Dinge gemeinsam. Die Tatsache, dass eine schlechte Kindheit frühe Schäden anrichtete und dass die betroffenen Personen immer anfingen zu saufen oder Drogen zu nehmen.

Vielleicht kenne ich gerade aus meiner Kindheit zu viele schlechte Beispiele für Alkoholismus, sodass mir in meiner Depression wenigstens die Sauferei größtenteils erspart geblieben ist. Auch mit Drogen habe und hatte ich, dank des erzieherischen Nachdrucks meines Vaters und schlechter Beispiele im Bekanntenkreis, zum Glück noch nie etwas am Hut. Ich habe bis heute noch nicht mal an einem Joint gezogen.

Was mir leider nicht erspart blieb, sind Verluste von Menschen, die mir sehr viel bedeuteten.

Freunde kamen, Freunde gingen. Freundinnen kamen, Freundinnen gingen. Menschen starben und verschwanden somit deutlich schneller aus meinem Leben, als ich es mir gewünscht habe. Bei Vielen hätte ich mir wenigstens einen Abschiedsgruß gewünscht.

Aber so ist das Leben.

Es läuft immer weiter, auch wenn die Welt für dich aus den Angeln fällt.

Manche dieser Verluste haben mich mehr getroffen als andere. Einige davon habe ich bis heute nicht verarbeitet und ich erinnere mich tagtäglich, ohne Ausnahme, mit einem lachenden und einem weinenden Auge an die Menschen, die ich bereits verloren habe.

BRUCHSTÜCK 02:
SELBSTBILD

Ich gehe bei Sturm und Gewitter gerne spazieren. Ich mag Whisky. Ich spiele Volleyball. Ich kann mich manchmal schlecht konzentrieren und mache dann Leichtsinnsfehler.

Ich habe mit acht Jahren ein Dart-Turnier gegen Erwachsene gewonnen und als Preis eine Flasche Metaxa abgestaubt, die immer noch bei meiner Mutter zuhause steht.

Ich liebe gutes Essen. Ich bin gesellig, aber auch gerne alleine. Ich streife mit Schuhen an den Füßen gerne durch buntes Herbstlaub. Ich mag den Winter nicht. Ich fluche beim Autofahren.

Ich behalte viele Dinge für mich, weil es unhöflich ist, sie auszusprechen. Außer gegen mich selbst. Ich kann mir sämtliche negativen Dinge an den Kopf werfen und mich damit verletzen, problemlos.

Ich hasse Unpünktlichkeit. Und kaltes Wasser. Ich schlafe gerne, auch wenn ich manchmal tagelang nicht schlafen kann.

Ich liebe meine Freunde und Familie. Mich selbst hingegen kann ich nicht lieben. Ich esse lieber herzhaft als süß. Ich habe zwei Katzen, obwohl ich eigentlich eher ein Hundemensch bin. Ich kann Komplimente schlecht annehmen. Lob verpufft einfach. Ich spiele gerne Videospiele.

Ich wurde mit zwanzig Jahren unvorbereitet Vater.

Ich liebe es, mich in Serien zu verlieren, auch wenn ich schwermütig werde, wenn sie enden. Ich gehe gerne ins Kino. Manchmal auch alleine. Ich wurde in der E-Jugend Vereinsmeister im Geräteturnen.

Ich hätte mich mal beinahe umgebracht. Ich bin unordentlich, habe aber einen Hang zur Symmetrie. Ich hasse das Leben und fühle mich vom Pech verfolgt. Gelegentlich hasse ich mich auch selbst. Aber meistens bin ich mir gleichgültig.

Ich kann nicht singen, tue es aber dennoch. Ich gehe gerne unter Menschen, auch wenn ich mich schnell alleine unter ihnen fühle. Ich liebe Musik. Zeitgleich hasse ich sie, weil sie mich problemlos in ein tiefes, dunkles Loch werfen kann. Andere behaupten, ich hätte eine schöne Stimme. Ich hingegen kann meiner Stimme nichts abgewinnen.

Ich bin ein Misanthrop, helfe paradoxerweise aber Menschen gerne. Ich telefoniere nur ungern. Lieber schreibe ich. Ich trete oft souverän auf, auch wenn ich innerlich komplett zerrissen und unsicher bin.

Ich liebe schwarzen Humor. Ich lache, wenn Kinder hinfallen. Ich lache aber auch, wenn ich selbst hinfalle, mache mir aber im Nachhinein ewig Gedanken darüber, wie unsagbar dumm und peinlich das war. Ich habe mehr Angst vor dem Leben, als vor dem Tod. Ich denke im Auto oft daran, wie einfach es wäre, meinem Leben ein Ende zu setzen. An manchen Tagen sehe ich nur schwarz. Grauzonen existieren nicht.

Ich war schon einmal in der Ausnüchterungszelle. Ich reise gerne. Es ist mir unangenehm, wenn Vögel um mich herumflattern.

Ich gehe gerne nachts spazieren, weil ich dann niemanden sehen muss. Ich bin nachtragend, auch wenn ich grundsätzlich schnell vergebe, so vergesse ich selten, wenn ich gekränkt wurde. Ich liebe Minischweine und Tierbabys.

Ich bin immer nervös, wenn ich vor vielen Menschen sprechen muss, weil ich Angst habe, mich zu blamieren.

Ich habe als Kind erfolgreich eine CD in einem Kaufhaus geklaut und als es herauskam, den Diebstahl einem Freund in die Schuhe geschoben. Ebenfalls erfolgreich.

Ich schaue Wrestling und habe Spaß dabei. Ich finde in jeder Situation etwas Negatives. Ich koche gerne, mag es aber nicht, wenn jemand unerlaubt das Gekochte probiert oder nascht.

Ich bin geduldig, wenn es darum geht, den Anderen zuzuhören. Ansonsten herrscht Ungeduld, insbesondere mir gegenüber. Ich kann von ganzem Herzen lachen, aber nur selten weinen. Außer bei »König der Löwen«.

Ich habe Depressionen und wünschte oft, ich wäre tot.

Aber ich lebe noch. Mit all meinen Fehlern, Makeln und Fehltritten. Auch wenn mir das oft nicht passt, so bin ich immer noch hier.

BRUCHSTÜCK 03:
PRINZESSIN AUF DER ERBSE

Einer der bereits erwähnten Verluste, die mich sehr stark prägten, war der Tod meiner besten Freundin.

Wir lernten uns an einem sonnigen Wintertag im Januar 2000 kennen. Wie so oft, verbrachte ich meinen freien Nachmittag hier in dem kleinen, städtischen Hallenbad. Ich war über die Winterzeit oft hier, da ich mit Wintersportarten nicht viel anzufangen wusste und auch bis heute nicht weiß, wie man sich dafür begeistern kann, in der Kälte Sport zu machen. Eigentlich war ich nur dort, um mit tollkühnen Drehungen und Arschbomben vom Drei-Meter-Turm zu springen. Die Zeiten, in denen der Turm geschlossen war, verbrachte ich im Nichtschwimmerbecken.

Hier lernte ich sie kennen. Sie hatte brünettes, langes Haar, war recht klein und schlank. Sie fiel mir ziemlich schnell auf, da hier ansonsten nur die üblichen Verdächtigen unterwegs waren und ich sie hier noch nie gesehen hatte. So spektakulär war

das Hallenbad auch nicht, dass hier ständig neue Gesichter zu sehen gewesen wären. Sie hatte noch zwei Freundinnen im Gepäck, die beide sehr ambitioniert waren, im Schwimmerbecken ihre Bahnen zu ziehen. Das brünette Mädchen nicht. Sie hing unmotiviert am Beckenrand und sah ihren Freundinnen beim Brustschwimmen zu.

Ich sammelte also etwas Mut, da ich nicht der Typ bin, der alle Menschen gerne und direkt anspricht, und ging zu ihr hin.

Ich: »Hi!«

Sie: »Hallo!«

Ich: »Du bist nicht oft hier, oder? Ich habe dich hier noch nie gesehen.«

Sie: »Nein, ich bin das erste Mal hier. Meine Freundinnen wollten unbedingt hier her, damit sie schwimmen können. Und das tun sie gerade. Wie heißt du?«

Ich: »andy, und du?«

Sie: »Ich bin Alex. Freut mich!«

Alex lächelte und wir unterhielten uns eine gute Viertelstunde, ehe ihre Freundinnen dazu kamen. Sie stellte mir die beiden vor. »Das sind Anja und Marina. Die Sportlerinnen unter uns.« – »Freut mich, ich bin andy« stammelte ich unsicher. Ich war irgendwie genervt, dass Alex nicht alleine war, weil wir uns gut verstanden hatten und ich gerne mehr in Ruhe mit ihr gesprochen hätte.

Wir tauschten im Laufe des Nachmittags noch unsere Telefonnummern aus und gingen dann unserer Wege. Einige Tage später rief Alex mich an und wir quatschten stundenlang. Das wurde dann auch irgendwie unser Ding.

Reden bis in die frühen Morgenstunden. Über Gott und die Welt. Über das, was in unseren Leben so vor sich geht.

Alex war knapp zwei Jahre älter als ich, was man ihr aber kaum anmerkte, da wir voll auf einer Welle schwammen. Der Vorteil daran war, dass sie relativ bald achtzehn Jahre alt wurde und ein Auto bekam, wodurch wir uns deutlich öfter sehen konnten. Wir saßen an den unterschiedlichsten Orten und redeten stundenlang, lehnten uns aneinander, rauchten eine Zigarette nach der anderen und genossen unsere Freundschaft.

Das kleine, brünette Mädchenwuchs mir unfassbar schnell und stark ans Herz. Lange Zeit dachte keiner von uns an irgendeine romantische Beziehung. Denn wir waren einfach wir. Alex und andy, die mitten in der Nacht irgendwo im Schwarzwälder Nirgendwo saßen, rauchten und herumalberten. Ich konnte mit Alex über alles reden. Auch über die Themen, über die ich nicht mal mit meinen engsten Freunden gesprochen habe. Bei ihr ging das problemlos und ich hatte immer das Gefühl, dass es ihr genauso ging.

Sie erzählte mir irgendwann, dass sie Streit mit ihrer Zwillingsschwester gehabt habe, weil diese ein Problem damit hatte, dass Alex spätabends noch zu mir fuhr. Alex war total aufgelöst und fertig. Es war wohl der erste richtig große Streit unter den beiden Schwestern. Nicht zu glauben. Nach achtzehn Jahren. Und das wegen mir. Ganz tolles Gefühl. Nicht.

Ich nahm Alex in den Arm und versuchte sie zu trösten. »Danke, dass du da bist«, sagte sie mit leiser Stimme. »Für dich immer, das weißt du doch, Prinzessin«, antwortete ich und küsste sie auf die Stirn. So, wie wir es immer taten, wenn einer von uns schlecht gelaunt war. Ich nannte sie irgendwann »die Prinzessin auf der Erbse«, weil sie gerne mal einen auf hochgestochen und adlig machte, wenn sie sehr albern wurde.

Wir saßen also noch weitere zwei oder drei Stunden da, rauchten unsere Menthol-Zigaretten und sprachen wenig. Wir hielten immer an irgendeiner Stelle Körperkontakt zueinander und keiner kam irgendwie auf die Idee, den anderen mal richtig zu küssen oder was auch immer. Und das war okay. Es war einfach eine angenehme Spannung, die wir beide bei jedem Treffen genossen. Ob es nun eine intensive Freundschaft oder doch eine Form von starker Liebe war – schwer zu sagen.

Da ich nicht zu Alex´ Freundeskreis gehörte und sie nicht zu meinem und es sich irgendwie auch nie ergeben hatte, dass wir diese Kreise mal zusammenführten, gab es immer nur uns beide, wenn wir uns trafen. Was schön war, weil wir uns immer über unsere Leben unterhalten und die Anwesenheit des anderen genießen konnten. Wir trafen uns zwei bis drei Mal pro Woche, meistens abends, und ließen uns das nur durch wenige Ausnahmen nehmen.

Eines Abends, am 30. Oktober 2001, hatte ich wahnsinnig Streit mit meinen Eltern. Ich weiß nicht mehr, worum es genau ging. Vermutlich um irgendeine typische Eltern-Kind-Pubertätsscheiße. Eigentlich ziemlich belanglos, aber mich brachte das dermaßen auf die Palme, dass ich Alex vollkommen aufgelöst auf dem Handy anrief.

Alex: »Hallo?«

Ich: »Hi Alex.«

Alex: »Alles klar? Du klingst nicht gut.«

Ich: »Ja, ich hatte gerade mega Stress mit meinen Eltern. Hast du Zeit? Kannst du vorbeikommen? Ich würde gerne reden und muss raus hier.«

Alex: »Ich bin eigentlich schon bettfertig, so schlimm?«

Ich: »Ja, ich bin echt sauer. Die spinnen doch. Aber es ist echt okay, wenn du schon im Bett bist. Mach dir keine Gedanken.«

Alex: »Nein, Quatsch. Ich komme! Bleib ruhig, okay. Gib mir eine Stunde. Ich muss mich noch anziehen.«

Ich: »Danke, Prinzessin. Du bist die Beste!«

Alex: »Nicht dafür. Bis gleich!«

Ich: »Bis gleich!«

Dies war das letzte Mal, dass ich ihre Stimme gehört habe. Alex kam nie bei mir an.

Ich wartete vergebens darauf, dass Alex endlich klingelt und mir Bescheid gibt, dass sie da ist. Aber nichts passierte. Ich begann mir Sorgen zu machen. Ich rief sie mehrmals auf dem Handy an, aber es war ausgeschaltet. Da ich zu diesem Zeitpunkt gerade mal sechzehn Jahre alt war und demnach noch keinen Führerschein hatte, konnte ich ihr auch nicht einfach entgegenfahren, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist.

Ich verbrachte zwei volle Tage in Sorge und versuchte tausendmal sie anzurufen. Ohne Erfolg.

Hatte ich sie mit meinem Anruf etwa vergrault?

Irgendwann war Alex´ Handy angeschaltet, es klingelte und eine Stimme, ähnlich der von Alex, ging dran. Tina, ihre Zwillingsschwester, nahm den Anruf zu meiner Verwunderung entgegen.

»Öhm, hallo. Ich wollte eigentlich mit Alex sprechen, könntest …«

Tina unterbrach mich und schrie fürchterlich, so dass ich kein einziges Wort verstehen konnte.

»Was zum Teufel ist denn los?«, fragte ich mit lauter Stimme.

»Was los ist? Alex ist tot. Das ist los! Weil sie unbedingt zu dir fahren musste. Weil es dir beschissen ging und du nicht warten konntest.«

Ich musste mich setzen. Tina weinte.

»Das kann nicht sein.«, sagte ich leise. »Doch, das kann sein. Und es ist alleine deine Schuld, du beschissenes Arschloch.«

Tina legte auf. Ich hörte für gefühlte hundert weitere Minuten nur noch das Besetztzeichen, wie es munter vor sich hin piepte. Monoton und eindringlich.

»Alex ist … tot?«

Ich brach in Tränen aus. Niemand außer mir war zu Hause. Meine beste Freundin. Alex. Sie kann nicht tot sein.

»Sie darf nicht tot sein. Warum habe ich sie angerufen? Was mache ich jetzt? Alex!«

Mir wurde schwarz vor Augen. Meine gesamte Welt brach in diesem Augenblick zusammen. »Wir hatten uns doch so gut verstanden. Wir waren ein Herz und eine Seele und wer weiß, was noch gewesen wäre, wenn …« Meine Worte blieben mir im Hals stecken.

»Es ist alles meine Schuld. Das darf alles nicht wahr sein.«

Ich schloss mich in mein Zimmer ein und sprach mit niemandem über das, was passiert war. Nicht mit meinen Eltern, nicht mit meinen Freunden. Erstens kannte sie niemand wirklich und zweitens war es meine Schuld, dass ein junger Mensch gestorben ist.

Das hatte mir Tina unmissverständlich mitgeteilt.

»Ich bin schuld. An allem.«

Aus der Zeitung erfuhr ich dann die näheren Umstände des Unfalls. Alex starb bei einem Autounfall, als sie auf dem Weg zu mir war. Der Fahrer des anderen Fahrzeugs war stark alkoholisiert und drängte sie in ihrem kleinen, schwarzen Fiat von der Straße. Sie prallte auf einen Strommasten, der direkt an der Straße stand.

Alex war offenbar sofort tot und alle Reanimationsversuche der Rettungskräfte blieben erfolglos. Das besoffene Arschloch kam natürlich relativ unbeschadet und mit dem Schrecken davon. Wie sollte es auch anders sein?

Wenn es eine Art Karma oder karmische Gerechtigkeit gibt, dann denkt er hoffentlich jeden Tag daran, dass er einem jungen Menschen das Leben genommen hat, als er entschieden hat, sich volltrunken hinter sein verdammtes Lenkrad zu setzen.

Daraufhin ging ich einige Tage nicht zur Schule. Ich ließ mir eine Ausrede nach der anderen einfallen. Meine schulischen Leistungen gingen noch weiter in den Keller. Ich habe die zehnte Klasse wiederholt und dennoch nicht besser abgeschnitten. Ich traf mich weniger mit meinen Freunden. Ich war nicht mehr der, der ich vorher war.

»Du bist ganz schön kalt geworden«, sagte eine Klassenkameradin irgendwann mal zu mir.

Verstanden habe ich das damals nicht wirklich.

Ich war auch nicht auf Alex` Beerdigung. Ich hatte Angst, ihren Angehörigen unter die Augen zu treten. Das hätte ich nicht ertragen. Ich hätte ihre Eltern gerne, unter anderen Umständen, mal kennengelernt. Aber alles hatte sich verändert.

Mein ganzes Leben hatte plötzlich so viele Sackgassen.

Ich hatte meine beste Freundin verloren, als ich gerade sechzehn Jahre alt war. Fast siebzehn.

Diese Art der Dunkelheit kannte ich so noch nicht.

Eine Dunkelheit in meinem Inneren, obwohl es draußen taghell war. Das Leben vor meinem Fenster ging unbeirrt weiter, obwohl doch gerade so etwas Schlimmes passiert war. Das darf nicht sein. Wie kann die ganze Welt weitermachen, als wäre nichts gewesen?

Vor einigen Jahren ging ich in meiner Mittagspause über einen Jahrmarkt, einige Ortschaften weiter. Ich sah eine Person, die Alex unwahrscheinlich ähnlich sah, nur ein wenig älter. Die langen, braunen Haare. Die Figur. Die Art zu gehen. Ich ging an der Person vorbei und konnte meine Augen nicht von ihr lassen. Ich hörte sie mit einem jungen, etwas fülligeren Mann reden und die Stimme war fast wie die von Alex. Das musste Tina sein. Mir wurde heiß und kalt zugleich.

Nie hätte ich damit gerechnet, irgendwann auf Tina zu treffen. Sicher, die Welt ist ein Dorf, aber so klein?

Ich haderte lange mit mir, ob ich sie ansprechen sollte, aber ich habe es gelassen. Ich konnte mir nicht im Geringsten vorstellen, wie Tina auf mich reagiert hätte. Sie war eh nie gut auf mich zu sprechen. Im besten Fall würde sie normal reagieren und ein normales Gespräch mit mir führen. Im schlechtesten Fall würde sie ausflippen, mich beleidigen und mir weiterhin die Schuld an Alex` Unfall geben. Nein, auf weitere Anschuldigungen konnte ich wirklich verzichten.

Und Tina sah glücklich aus. Da wollte ich nicht dazwischenfunken und eventuell irgendwelche Wunden aufreißen, die vielleicht langsam begannen zu verheilen.

Mit dem schmerzhaften Verlust von Alex, meiner besten Freundin, begann meine fragwürdige »Karriere« als Depressionist.

Ich weiß nicht, ob alles so gekommen wäre, wie es heute ist, wenn dieser Todesfall damals nicht passiert wäre. Wenn ich nicht zum Hörer gegriffen hätte oder einfach nur ein paar Minuten später bei ihr angerufen hätte.

Es sind noch so viele Fragen offen, die ich mir stelle und auf die ich niemals eine Antwort erhalten werde. Ich war auch bis heute nicht an Alex` Grab. Weil ich es nicht ertragen könnte, ihren Namen auf