Kieling, Andreas Kielings kleine Waldschule

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Dieser Titel entstand in Zusammenarbeit mit Sabine Wünsch

 

Für Lea

 

Mensch!
Ich bin die Wärme deines Heimes in kalten Winternächten,
der schirmende Schatten, wenn des Sommers Sonne brennt.
Ich bin der Dachstuhl deines Hauses
das Brett deines Tisches.
Ich bin das Bett, in dem du schläfst.
Ich bin das Holz, aus dem du deine Schiffe baust.
Ich bin der Stiel deiner Haue,
die Türe deiner Hütte.
Ich bin das Holz deiner Wiege und deines Sarges.
Ich bin das Brot der Güte,
die Blume der Schönheit.
Erhöre mein Gebet: zerstöre mich nicht!

Dieses uralte »Gebet des Waldes« von einem unbekannten Verfasser hängt in einer Kneipe in der Eifel und habe ich schon auf Tafeln an Waldrändern in verschiedenen Regionen Deutschlands gesehen.

 

Angaben im Text entsprechen dem Stand bei Drucklegung im Januar 2020.

© Piper Verlag GmbH, München 2020

Fotos Bildteil: Erik Kieling (Tafel 4 unten, 5 oben und unten rechts), Thore Kieling (2 Mitte und 15 Mitte), Lea Goldberg (1 oben und unten links, 3, 4 oben und Mitte, 5 unten links, 6/7 oben und Mitte, 6 unten links, 7 unten rechts, 8, 9 oben links, oben rechts, unten rechts, 10 unten, 11 oben, unten links, 12 oben rechts, Mitte links, 13 unten links, 14 Mitte, 15 unten links, 16 oben rechts, unten).

Alle anderen: Andreas Kieling

Covergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaas-buchgestaltung.de

Covermotiv: Erik Kieling (Foto Andreas Kieling vorne); Dieter Braun (Eichhörnchen, Fuchs, Vogel); fotolia.com (Blätter); istockphoto.com (Holzstamm, Biene); AdobeStock (Bäume)

Litho: Lorenz & Zeller, Inning am Ammersee

 

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Vorwort

Mit etwa vierzig hatte ich die Befürchtung, dass mein Interesse an Tieren und generell an der Natur nachlassen könnte, wenn ich erst einmal sechzig wäre, dass ich dann satt wäre, dass meine Neugierde und mein Wissensdurst vergehen könnten. Für jemanden, der als Tierfilmer sein Geld verdient, wäre das eine mittlere Katastrophe. Doch je älter ich werde und je mehr ich verstehe, wie die Natur funktioniert, was die Dinge zusammenhält, desto mehr hinterfrage und erkenne ich, und desto mehr zieht es mich wiederum hinaus. Wenn ich beschreiben müsste, was mich mit der Natur verbindet, würde ich sagen, sie beseelt mich. Es macht mich glücklich, wenn ich draußen in der Natur sein kann. Jetzt sogar mehr als mit dreißig oder vierzig. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich heute mehr andere Verpflichtungen habe und nicht mehr so viel draußen sein kann wie früher. Dennoch nimmt die Natur nach wie vor einen sehr, sehr großen Teil meines Lebens ein.

An dieser Liebe, dieser Glückseligkeit, die ich in der Natur erfahre, will ich möglichst viele Menschen teilhaben lassen, und so entstand schließlich die Idee zur »Kleinen Waldschule« auf Facebook. Interessanterweise sind meine Follower auf der einen Seite Menschen, die die Natur eher pragmatisch und realistisch sehen. Sie wandern viel, sind selbst viel draußen, erleben die Natur, fühlen, hören, sehen sie, machen sich ihr eigenes Bild. Einige finden zum Beispiel die Jagd nicht so prickelnd, andere sehen durchaus deren Notwendigkeit ein, lehnen aber die Trophäenjagd ab. Auf der anderen Seite gibt es die Follower, die quasi stellvertretend durch mich die Natur erleben. Sie haben sich oft ein sehr romantisches Bild von der Natur geschaffen und stören sich an vielen von dem, was ich sage, zum Beispiel, dass Tiere instinktgesteuert sind, nicht so sozial, gerecht, harmonisch oder wie auch immer wir sie gern hätten und sie uns wünschen. Das führt dazu, dass einzelne Follower mir sogar die »Freundschaft« kündigen, weil sie sich ihre idealisierte Vorstellung von der Natur nicht zerstören lassen wollen. Eines ist aber ganz klar: Die Natur ist nicht per se gut. Genauso wenig, wie sie per se böse ist. So wenig, wie Wölfe, Giftschlangen oder Knollenblätterpilze »böse« sind. Diese moralische Klassifizierung kennen nur wir Menschen.

Ich hoffe, dass es mir mit diesem Buch und überhaupt mit meiner Arbeit – Filmen, Büchern, Vorträgen, Beiträgen auf Facebook und was ich sonst noch mache – gelingt, zumindest mit einem Teil der Klischees, der Vorurteile und Ängste aufzuräumen, die in Deutschland gegenüber Tieren herrschen, das Interesse an der Natur an sich zu wecken, an den vielen Phänomenen, die es zu entdecken und zu schützen gilt. Das große Ganze ist mir wichtig, daher verzichte ich weitgehend darauf, Einzelfakten zu erwähnen, die man genauso gut im Internet nachlesen kann, etwa, wie groß, wie schwer oder wie alt eine Tierart werden kann.

Einleitung

Meine ersten intensiven Naturerlebnisse hatte ich naturgemäß in Deutschland. Doch dann habe ich Bernhard Grzimek, Wolfgang Ullrich und Heinrich Dathe im Fernsehen gesehen, habe die Abenteuerromane von Jack London, Ernest Hemingway und Mark Twain gelesen. Die Natur wurde in diesen Büchern als übermächtig und sehr gefährlich dargestellt, trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen träumte ich bald davon, in die große weite Welt hinauszuziehen. Zumal ich in Thüringen mittlerweile quasi jede Ameise mit Namen kannte. Nach meiner Flucht aus der DDR heuerte ich daher als Siebzehnjähriger auf einem Schiff an, in der Hoffnung, möglichst viele fremde Länder kennenzulernen. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich mein erstes Känguru sah. Es war sehr klein, ein Wallaby, und ich dachte, komisch, Kängurus habe ich mir viel größer vorgestellt.

Die Seefahrt war auf Dauer nichts für mich, und so verfiel ich auf die Idee, Förster zu werden. Wald und Tiere, das waren genau die zwei Dinge, die mich am meisten faszinierten. Nichtsdestotrotz war der Wunsch, mehr von der Welt kennenzulernen, ungebrochen. So ging ich 1988 im Auftrag der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit für fast ein Jahr nach China, um dortige Kollegen dabei zu unterstützen, den Wald ertragreich zu bewirtschaften. In den ersten Jahren als Tierfilmer zog es mich nach Alaska, dann nach Afrika, nach Sibirien, nach Australien. Und immer wieder nach Alaska. Die ganzen Jahre über beschäftigte mich die Frage, ob meine Kinder später einmal noch einen Eisbären, einen Panda, einen Berggorilla oder einen äthiopischen Wolf sehen würden.

Mit Anfang fünfzig kam dann eine Art »Rückbesinnung« auf Deutschland. Zum Teil, weil ich von den manchmal recht strapaziösen Reisen doch etwas angeschlagen war. Wochenlang bei Minusgraden durch Alaska zu ziehen, Nacht für Nacht auf steinhart gefrorenem Boden zu schlafen und ständig die Fotoausrüstung und so einiges mehr (Zelt, Schlafsack, Verpflegung etc.) zu schleppen steckt man mit über fünfzig nicht mehr so leicht weg wie mit dreißig. Dazu kamen Hautveränderungen und grauer Star durch die immense UV-Strahlung und das grelle Licht auf dem Packeis. Ein ausschlaggebendes Ereignis war aber mit Sicherheit 2009 die Wanderung entlang der 1400 Kilometer langen ehemaligen innerdeutschen Grenze, die auch eine Reise zurück in meine Vergangenheit war. Nach den unzähligen Erfahrungen und Erlebnissen überall in der Welt hatte ich nun einen völlig anderen Blick auf die Natur vor der Haustür und entdeckte sie zwar nicht neu, aber wieder. Und stellte fest: Meine Güte, die Natur hier ist ja genauso interessant. Und hier ist richtig viel los. Tiere, die in meiner Kindheit und Jugend praktisch nicht auffindbar waren, wie zum Beispiel Uhus, Wanderfalken oder Schwarzstörche, oder die in Deutschland schlichtweg ausgestorben waren wie Luchse und Wölfe, sind auf einmal wieder präsent. Bei den Amphibien und den Insekten hat es sich leider in die andere Richtung gedreht; als Kind wäre ich nie auf die Idee gekommen, einem Segelfalter oder Schwalbenschwanz, mit Sicherheit einer der schönsten Tagfalter, hinterherzujagen, weil man sie noch ständig sah.

Diese Faszination wollte ich teilen, und weil ich gern erzähle und es gewohnt bin, mich vor der Kamera so zu verhalten, wie ich auch im richtigen Leben bin, begann ich kurze Videos für Facebook zu drehen. Ich wollte keine großen epischen Geschichten erzählen, sondern eher bestimmte Fakten vermitteln, dies aber mit Leichtigkeit. So wie ich als Schuljunge mit dreizehn, vierzehn oder fünfzehn meinen Kumpels von meinen Abenteuern im Wald erzählte. Während meine Freunde unter »Abenteuer« das Knutschen mit Mädchen verstanden, fand ich es faszinierend, was man im Wald alles entdecken konnte. Ich wusste genau, wo ein großer Ameisenhaufen war, wo man eine Blindschleiche oder einen frischen Maulwurfshügel fand, wo in einem kleinen Tümpel Molche lebten, ich kannte die Verstecke von Erdkröten, wusste, wo es Forellen gab, wo man im Herbst hingehen musste, um einen röhrenden Hirsch nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Und wenn sich mal ein Mädchen für mich interessierte, wollte ich sie daran teilhaben lassen. Tatsächlich konnte ich das eine oder andere Mädchen dazu überreden, mit mir in den Wald zu gehen, wo ich dann auch meinen ersten Kuss erhielt, und ich weiß bis heute, wie das Mädchen roch. Doch keines teilte meine Begeisterung für die Entdeckungen, die es in der Natur zu machen galt.

Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich später einmal eine Freundin haben würde, die genauso naturbegeistert ist wie ich und eine unglaubliche Entdeckerlust hat, und dass mir einmal Tausende Mädchen und Frauen – zumindest virtuell auf Facebook – in den Wald folgen würden. Der Zeitgeist ist heute eindeutig ein anderer als zu meiner Schulzeit; die Jugend von heute begeistert sich nicht nur für Ed Sheeran, Rihanna oder Apache 207, sondern auch für Tiere und die Natur im Allgemeinen. Jedenfalls hatte ich innerhalb kürzester Zeit eine Menge Follower, und zwar aus sämtlichen Alters- und Berufsgruppen, die beständig weiter anwuchs. Inzwischen sind es über 300.000. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass zum Beispiel mein Post über einen Nachtfalter namens Taubenschwänzchen fast 2500 Kommentare erhalten würde. Das Video über das Insektensterben wurde 4,9 Millionen Mal aufgerufen und über 28.000 Mal geteilt, und dasjenige über »Bruder Wolf«, eine Art Nachruf auf den vermeintlichen »Problemwolf« Kurti, der im April 2016 im Auftrag der niedersächsischen Landesregierung getötet worden war, hatte weit über 1,2 Millionen Aufrufe und wurde über 25.000 Mal geteilt. Dieses enorme Interesse an meinen kleinen Filmchen und Beiträgen macht mich glücklich, und es verleiht mir außerdem Energie und Durchhaltekraft, denn oft erfordert es viel Ausdauer, einem Tier oder auch einer Pflanze auf der Spur zu bleiben. Wenn ich dann aber dieses positive Feedback bekomme, spornt mich das immer wieder an.

Ich sehe meine Facebook-Seite ein bisschen als Naturforum, wo diskutiert wird und ich eigentlich nur den Anstoß gebe. Es kommen aber auch Anregungen von Followern wie »Machen Sie doch mal was über fleischfressende Pflanzen« – davon haben wir immerhin drei in Deutschland: Sonnentau, Fettkraut und Wasserschlauch. Allerdings ist die Kleine Waldschule nur eines von vielen meiner Projekte, und ich habe keine große Redaktion im Rücken, die mich dabei unterstützt, weshalb ich leider viele dieser Ideen nicht aufgreifen kann.

Über die zahlreichen Follower auf Facebook wurde auch schon das eine oder andere im Bereich Naturschutz bewirkt. Einer der größten und erfolgreichsten Posts, die ich jemals hatte, war über Wildtierrettung, genauer über die Rettung von Rehkitzen. Dieser Post hat viele Menschen berührt und – und das ist das Entscheidende – zur Nachahmung angestiftet. Als ich den ersten Videoaufruf dieser Art startete, schrieben viele Facebook-Freunde, dass sie sich daraufhin einem Hegering – so nennt man die kleinste Organisationseinheit der Jäger – oder einer Kreisgruppe der Jägerschaft, dem NABU, dem BUND oder einer kleinen lokalen Naturschutzgruppe angeschlossen haben, um unter fachkundiger Anleitung Wiesen abzusuchen und Rehkitze vor dem anrückenden Kreiselmäher zu retten. Mal waren es zwei, mal drei, mal vier Kitze, die in Sicherheit gebracht werden konnten. Überwältigende vier Millionen Mal wurde das Video angesehen. Daran kann man erkennen, dass die Neuen Medien nicht nur Unterhaltung und Tinnef sind, sondern dass man damit sehr effektiv etwas bewegen kann. Ich habe mehrmals über die Jahre hinweg auf Facebook den Aufruf gestartet, dass man sich zur Jungwildrettung melden soll, und bin tatsächlich stolz darauf, dass das bestimmt mehrere Hundert Rehkitze vor dem Mähtod bewahrt hat. Fraglich, ob ein Aufruf in einer Zeitung oder im Radio zu einer ähnlichen Resonanz geführt hätte.

Mit meinem Interesse an der Natur speziell in unserer Heimat bin ich also nicht allein. Immer mehr Deutsche, vor allem auch junge, verbringen zudem ihren Urlaub in Deutschland. Das mag ökologische Gründe haben; eine andere Ursache liegt vielleicht darin, dass aus den Medien im Grunde alle Ecken dieser Welt bekannt sind und so mancher mittlerweile der exotischen Ziele irgendwie überdrüssig ist. Und es entdecken eben immer mehr Menschen, wie unendlich abwechslungsreich unsere Heimat ist: Wir haben mit der Nord- und der Ostsee zwei Meere, wir haben Mittelgebirge und mit den Alpen ein Hochgebirge, wir haben ausgedehnte Wälder und Tausende Seen; mittlerweile haben wir sogar fast savannenähnliche Gebiete in Brandenburg, in denen weniger Niederschläge fallen als in der Serengeti. Und wir haben höchst unterschiedliche Dialekte, Trachten, Traditionen, dazu jahrhundertealte Baudenkmäler wie Burgen, Schlösser oder Kirchen. Und seit das Wandern ein richtiger Trendsport auch unter Jugendlichen geworden ist, steigt das Interesse an Tieren und Pflanzen immer weiter an. Man will wissen: Der Schmetterling da in der Burgruine, wie heißt der? Die hübsche rote Blume auf der Hochalm, was ist das für eine?

Unser Verhältnis zur Natur und zu Tieren

Dem Interesse an der Natur einerseits, das ich zum Beispiel bei meinen Facebook-Followern feststelle, steht andererseits eine gewisse Entfremdung von der Natur gegenüber. Mich erstaunt immer wieder, wie viele Menschen heutzutage allergisch auf ganz natürliche Substanzen wie Heu, Hausstaub, Erdnüsse oder Äpfel reagieren – und ich meine damit die »echten« Allergien, also eine Abwehrreaktion des Immunsystems, nicht die Lebensmittelunverträglichkeiten, bei denen der Stoffwechselprozess gestört ist. Zu viel Hygiene in der Kindheit, das ist von der Wissenschaft bestätigt, behindert die Entwicklung unseres Immunsystems: Ein Immunsystem, das wenig mit (nicht krank machenden) Mikroben und (ungefährlichen) Parasiten in Kontakt kommt, sucht sich andere »Gegner« und findet sie zum Beispiel in der Milch oder im Obst. Ein Beleg dafür ist, dass Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, wo sie unweigerlich mit »Schmutz« in Kontakt kommen, weit seltener an Allergien und Asthma leiden als Stadtkinder.

Dass wir uns (zu) weit von der Natur entfernt haben, zeigt sich meines Erachtens auch in der Angst oder dem Ekel vor allen möglichen Tieren. Man denke nur daran, wie viele Menschen sich vor Spinnen fürchten und teilweise regelrecht hysterisch reagieren, obwohl ihnen keine einzige der in Deutschland heimischen Spinnen gefährlich werden kann; oder wie viele Menschen, auch Nicht-Allergiker, wild um sich schlagen, wenn eine Biene oder eine Wespe sie umschwirrt. Das ist Ausdruck einer zivilisationsgeschichtlich relativ neuen Entwicklung, denn als die meisten Menschen noch auf dem Land lebten, wäre eine Phobie gegen die dort allgegenwärtigen Tiere höchst unpraktisch gewesen. Heute haben viele Menschen noch nie in ihrem Leben einen Regenwurm angefasst, weil sie sich vor der vermeintlich glitschigen Haut ekeln; sie wissen daher gar nicht, dass sich ein Regenwurm in Wirklichkeit trocken anfühlt. Noch bis Mitte der 1950er-Jahre kam in Jahren, in denen es massenhaft Maikäfer gab, Maikäfersuppe auf den Tisch; heutzutage würde das kaum einer mehr anrühren. Viele Insekten finden wir widerlich, dabei sind die meisten der kleinen Krabbler äußerst nützliche Lebewesen. Allenfalls Bienen werden akzeptiert, weil sie uns unseren geliebten Honig liefern, und in neuerer Zeit auch, weil ihre immens wichtige Rolle im Ökosystem erkannt wurde.

Im Grunde ist unser Verhältnis zur Natur, zu Wildtieren und sogar zu Pflanzen höchst ambivalent. Wir unterscheiden sie in gut und böse, in giftig und genießbar, in putzig und hässlich, in Nützling und Schädling. Wenn sie unseren Vorstellungen entsprechen, dürfen sie bei uns leben, wenn nicht, sind sie uns suspekt und sollen (wieder) verschwinden. Mit »Vorstellungen« meine ich, dass die Tiere sich so verhalten, wie wir es gern hätten. So sollen Beutegreifer gefälligst unsere Nutztiere in Ruhe lassen, und vor allem die größeren sollen sich an das Gebiet halten, das wir für sie vorgesehen haben. Tieren dichten wir zudem menschliche Attribute und Verhaltensweisen an. Vielleicht nicht gerade einer Maus oder einem Fisch, aber großen Beutegreifern, und das ist einer der Gründe, warum viele keine Wölfe, Luchse oder Bären bei uns haben wollen. Manche Menschen glauben nämlich tatsächlich, diese Tiere wären uns feindlich gesinnt und würden sich an uns dafür »rächen« wollen, dass wir sie hier in Deutschland einmal ausgerottet haben. Das ist Menschendenken und, mit Verlaub, Blödsinn, denn Tiere denken oder empfinden einfach nicht so.

Eine ganz ähnliche Einstellung wie gegenüber großen Prädatoren haben manche Menschen generell der Natur gegenüber. Sie denken, weil wir die Natur jahrhundertelang ausgebeutet haben, weil wir Wälder roden, Moore trocken legen, Tier- und Pflanzenarten ausrotten, Böden, Luft und Wasser vergiften, würde sie »zurückschlagen«, also durch Stürme, Überschwemmungen, Dürren und Ähnliches Vergeltung üben wollen. Dabei ist das alles lediglich eine Frage von Ursache und Wirkung – und die Ursache sind wir.

Wenn man der Natur unbedingt menschliche Verhaltensweisen zuschreiben möchte, dann müsste man sagen: Sie ist erstaunlich belastbar, und sie reicht uns immer wieder die Hand. Tiere, die wir in Deutschland ausgerottet haben, kommen freiwillig zurück, wenn wir es zulassen, wie beispielsweise der Luchs (um nicht immer nur den Wolf zu nennen), oder lassen sich wieder ansiedeln, wie etwa der majestätische Bartgeier. Areale, auf denen Soldaten jahrzehntelang Krieg spielten, verwandeln sich in relativ kurzer Zeit von einem Truppenübungsplatz in ein Stück Natur, auf dem sich seltene Tiere wie der Wolf oder die Gelbbauchunke heimisch fühlen. Sogenannte tote Flüsse, in denen es aufgrund der hohen Verschmutzung kaum mehr Leben gab, erholen sich, sobald wir Menschen unsere Abwässer aus den Haushalten und der Industrie nicht mehr ungefiltert in die Gewässer entsorgen. Der Rhein und die Themse waren beide bereits einmal tot, trübe, stinkende Kloaken. Heutzutage ist der Rhein streckenweise »nur« noch »mäßig belastet«, und die Themse ist sogar einer der saubersten Hauptstadtflüsse weltweit.

Das alles könnte in einer Spalte mit der Überschrift »einerseits« stehen. Andererseits nämlich wird trotz aller Defizite in Deutschland eigentlich viel für den Naturschutz getan. Großen Anteil haben die Hunderttausende Freiwilligen, die sich in Naturschutzgruppen organisieren. Oft sind das nur kleine Kreisgruppen oder selbst ernannte Verbände. Aber auch jeder Einzelne von uns kann – in kleinem Maßstab – etwas tun: Indem er oder sie zum Beispiel den Balkon in ein Wildblumen- und Insektenparadies verwandelt, das Gärtchen der Erdgeschosswohnung oder den kleinen Garten ums Einfamilienhaus »verwildern« lässt und nur mit Wasser aus einer Regentonne gießt. Oder die Menschen, die, in größerem Maßstab, Hecken und Randstreifen zwischen ihren Äckern anlegen, Flächen mal länger brachliegen oder vielleicht sogar mal ein Feld Wiese werden lassen. Oder sich in Großstädten mit Gleichgesinnten in »Urban Gardening«-Projekten zusammentun und auf ehemaligen Brachflächen Nutzpflanzen ziehen. Auch ist die Bereitschaft, an Naturschutzorganisationen zu spenden, enorm hoch. Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) zum Beispiel, die sich dem Erhalt bedrohter Wildtiere und deren Lebensräume verschrieben hat, kann mit dem eingesammelten Geld derzeit dreißig Programme und Projekte weltweit unterstützen: vom Schutz der Buchenwälder in der Hohen Schrecke in Thüringen über den Erhalt eines der größten Wildnisgebiete Europas, des Belovezhskaya Pushcha-Urwalds in Weißrussland, bis zur Förderung der Wiederansiedlung von wild lebenden Spitzmaulnashörnern im Nationalpark North Luangwa in Sambia. Und natürlich steht immer noch die Serengeti im Fokus, die Region, mit der in den 1950er-Jahren alles begann. Ältere Leser erinnern sich bestimmt noch an den berühmten Dokumentarfilm Serengeti darf nicht sterben, den Professor Bernhard Grzimek, der Gründer der ZGF, 1958 drehte.

Wo ich dringenden Handlungsbedarf sehe, ist bei unserem Umgang mit Lebensmitteln. Jedes Jahr landen in Deutschland nach Berechnungen der Universität Stuttgart fast dreizehn Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Nebenbei: Weltweit sind es rund 1,3 Milliarden Tonnen, während gleichzeitig laut dem UN-Report »Die Situation der Nahrungssicherheit und Ernährung in der Welt« über 821 Millionen Menschen hungern. In Privathaushalten werfen wir pro Kopf 85,2 Kilogramm Nahrungsmittel in den Müll – fast die Hälfte davon, weil wir nicht bewusst einkaufen, Obst und Gemüse nicht richtig lagern und Reste nicht verwerten. Auch die Landwirtschaft, die Lebensmittelverarbeitung und die Gastronomie tragen natürlich ihren Teil bei. Nimmt man sie in die Rechnung mit auf, könnte die Lebensmittelverschwendung um die Hälfte reduziert werden. Das würde landwirtschaftliche Nutzflächen überflüssig machen, auf denen letztlich blühende Wiesen für Insekten und andere Tiere entstehen könnten. Das muss nicht heißen, dass Landwirte dadurch finanzielle Nachteile haben, wenn wir, statt viele billige Lebensmittel zu kaufen und vierzig Prozent davon wegzuwerfen, weniger Essen kaufen, dafür von guter Qualität, und den Landwirten dafür einen adäquaten Preis bezahlen. Doch genau darin liegt das Problem. Gerade weil Lebensmittel bei uns relativ wenig kosten – die Lebensmittelpreise in Deutschland sind im Schnitt deutlich günstiger als die in anderen westeuropäischen Ländern wie Italien und Frankreich –, wird so sorglos und verschwenderisch damit umgegangen.

Naturschutz in Deutschland – da geht noch was

Privatinitiativen sind das eine, staatliche Maßnahmen das andere. Der deutsche Staat tut im Vergleich zu etlichen anderen Staaten zwar relativ viel für den Naturschutz, könnte und sollte meines Erachtens aber weit mehr tun. Im Jahr 2019 beliefen sich laut www.bundeshaushalt.de die Ausgaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) auf 2,287 Milliarden Euro. Hört sich erst einmal gut an. Bis man genauer hinschaut. Das sind nämlich gerade einmal 0,64 Prozent des Gesamthaushalts. Und der mit Abstand größte Batzen, nämlich fast 984 Millionen Euro – beziehungsweise 43 Prozent –, floss in die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle. Der Klimaschutz war unserer Regierung gerade einmal 540 Millionen Euro wert (knapp 24 Prozent des Etats vom BMU). Der Umweltschutz musste sich mit 154 Millionen (6,73 Prozent) und der Naturschutz sogar mit nur gut 95 Millionen Euro, schlappen 4,18 Prozent, zufriedengeben.

Rechnen wir Umwelt- und Naturschutz zusammen, geben wir dafür also gerade einmal 250 Millionen Euro aus – bei einem Gesamthaushalt von fast 357 Milliarden. Das ist absolut unverhältnismäßig, zumal wir ja nicht nur die Natur vor unserer Haustür benutzen, gefährden und zerstören, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Für den Bedarf an Palmöl wird immens viel tropischer Regenwald abgeholzt. Ich bin stundenlang über Ölpalmenplantagen auf der indonesischen Insel Sumatra geflogen. Auf Malaysia, nach Indonesien der zweitgrößte Produzent von Palmöl, bietet sich dasselbe Bild. Nun betreiben aber Indonesien und Malaysia nicht deshalb Raubbau an ihren Urwäldern, weil sie selbst einen enorm hohen Bedarf an Palmöl hätten. Allein wir Deutschen importieren pro Jahr fast 1,5 Millionen Tonnen Palmöl. Es kann in Kosmetikartikeln stecken (auch in mancher Naturkosmetik!), in Shampoos, Seifen, Bodylotions und Duschgels, in Wasch- und Putzmitteln, in Kerzen, in Butter, Margarine und Brotaufstrichen, in Keksen, Schokolade und Eiscreme, in Tütensuppen, Fertigprodukten und, und, und. Und sogar in Babynahrung, obwohl seit Jahren bekannt ist, dass bei der industriellen Verarbeitung von Palmöl und Palmfett gefährliche Schadstoffe entstehen, wenn sie über 200 °C erhitzt werden – und das ist bei industrieller Fertigung sehr häufig der Fall. In erster Linie wird Palmöl aber zur Herstellung von Biosprit verwendet. Das macht mich immer wieder fassungslos: Es wird Regenwald gerodet, um Biosprit zu produzieren! Biosprit können wir Verbraucher aber gar nicht vermeiden, da die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU von 2009 die Beimischung von Agrosprit in Benzin und Diesel vorschreibt. Im Supermarkt und im Drogeriemarkt können wir jedoch sehr wohl auf Produkte mit Palmöl verzichten und stattdessen zu palmölfreien Alternativen greifen. Manchmal steht die palmölfreie Variante im Regal sogar direkt neben der palmölhaltigen.

Es wird in Deutschland also viel von Umwelt- und Naturschutz geredet und bereits viel dafür getan, aber unter dem Strich ist es definitiv zu wenig. Im Jahr 2019 erreichten wir schon am 3. Mai den sogenannten Welterschöpfungs- oder Erdüberlastungstag, den Tag, an dem wir die Ressourcen verbraucht haben, die uns rein rechnerisch für das ganze Jahr zustehen, ab dem wir sozusagen Schulden bei der Erde machen. Der »Earth Overshoot Day«, wie dieser Tag oft auch in deutschen Texten genannt wird, wird für jedes einzelne Land und für die Welt als Ganzes berechnet. Deutschland war drei Monate schneller als der Durchschnitt, dank ökonomisch schwacher Länder fiel der weltweite Earth Overshoot Day nämlich »erst« auf den 29. Juli. Platz 1 sicherte sich übrigens Katar (11. Februar), Platz 2 Luxemburg (16. Februar). In Luxemburg schlägt sich vor allem der hohe CO2-Ausstoß nieder, was vielen Flügen und dem Benzintourismus geschuldet ist.

Unser unverantwortlicher Umgang mit der Umwelt zeitigt in manchen Bereichen bereits drastische Folgen, so zum Beispiel bei den Insekten.

Warum unsere Insekten sterben und was wir dagegen tun können

Als ich ein Kind war, waren Käfer, Waldameisen, Würmer, Engerlinge, Schnecken, Schmetterlinge und Motten, also nachtaktive Schmetterlinge, etwas völlig Normales. Wir Kinder schwärmten noch aus und sammelten Kartoffelkäfer von den Kartoffelsträuchern ab – wir bekamen dafür sogar Geld. Wenn wir über eine Wiese liefen, begleitete uns das Zirpen unzähliger Heuschrecken. Der Maikäfer war ein Allerweltstier, so häufig, dass wir ihn sammelten und an die Hühner verfütterten. Etwa alle vier Jahre gab es besonders viele dieser Blatthornkäfer mit den charakteristischen fächerförmigen Fühlern, denn zwischen drei und fünf Jahren dauert ihre Metamorphose vom Ei bis zum fertigen Insekt. Dann fraßen sie in manchen Regionen die Bäume kahl und waren eine regelrechte Plage. Nur wenige Jahre später hatte ich Mühe, in einem guten Maikäferjahr zehn von ihnen zu fangen. Die Tiere waren so selten geworden, dass es sogar ein Lied darüber gab. Die älteren Leser erinnern sich vielleicht noch an Reinhard Meys »Es gibt keine Maikäfer mehr« aus dem Jahr 1974. Meys Abgesang auf die Maikäfer ging in den allgemeinen Sprachgebrauch ein und dokumentierte Artensterben bei uns schon vor fast fünfzig Jahren.

Insekten gab es lange Zeit in solch rauen Mengen, dass man kaum gedacht hätte, dass es mal schlecht um sie stehen könnte. Aber dann wurden mit akribischer Systematik Agrarflächen und im Übrigen auch Wälder mit Herbiziden und Fungiziden besprüht, und natürlich mit Insektiziden, allem voran dem berüchtigten DDT. Das war ein Megagift nicht nur für Insekten, sondern auch für insektenfressende Vögel. Deren Eier wurden aufgrund des DDT so dünnschalig, dass der Nachwuchs kaum mehr eine Überlebenschance hatte. Das Gift reicherte sich in der Nahrungskette immer mehr an und wurde so zum Beispiel auch Greifvögeln, Eulenvögeln, Füchsen und Mardern zum Verhängnis. Ich gehe davon aus, dass sich viele Arten bis heute nicht vom hemmungslosen Gebrauch von DDT erholt haben, obwohl es bereits seit über vierzig Jahren (seit 1. Juli 1977) verboten ist. Das Ausbringen anderer Gifte und regelrechter Giftcocktails wurde derweil munter fortgesetzt. Das konnte nicht spurlos an der Natur vorübergehen, denn nicht nur DDT, jedes Gift potenziert sich in der Nahrungskette.

Hinzu kommt, dass die Kulturpflanzen, die wir anbauen, immer weniger für Insekten geeignet sind. In den riesigen Feldern mit Monokulturen haben Insekten überhaupt keine Chance, ausreichend Nahrung zu finden, vom Rapsglanzkäfer und anderen spezialisierten Schadinsekten abgesehen, und an den Rändern lässt die industrielle Landwirtschaft keinen Raum mehr für Grünstreifen, Hecken und Büsche. Selbst eine Wiese besteht heutzutage aus Hochleistungsgras: aus Weidegras oder aus Energiegras für Biogasanlagen, das nicht einmal mehr blüht. Diese Grünlandflächen sehen vielleicht ganz hübsch aus, wenn ihnen im Frühjahr Huflattich und Löwenzahn gelbe Sprenkel verpassen. Doch da hält sich keine Hummel auf, keine Feldlerche, nichts. Nach der Mahd wird Gülle draufgesprüht oder das übrig gebliebene Substrat aus der Biogasanlage, und spätestens dann ist das letzte Insekt tot. Falls überhaupt noch eines dort gelebt hat.

Die Forstwirtschaft trug ebenfalls ihren Teil bei. Wirtschaftswälder wurden sauber aufgeräumt, in den Monokulturen standen die Bäume ohnehin in Reih und Glied. Für umgestürzte Bäume oder Baumstümpfe war da kein Platz, das Totholz musste raus. Ich frage mich immer, warum man von »Totholz« spricht, denn es ist ja alles andere als tot. In Totholz steckt sogar mehr Leben als in »lebendigem« Holz – jedenfalls was Insekten betrifft: Es ist Lebensgrundlage für holzfressende Insekten, Lebensraum für Insekten, die in den Löchern und Gängen, die ihre holzfressenden Kollegen schufen, ihre Bruten ablegen. In dem Totholz gedeihen Pilze und Bakterien, von denen sich verschiedene Larven ernähren. All die Totholzbewohner sind wiederum Nahrung für größere Insekten und für insektenfressende Tiere. Für sie ist Totholz wie ein Tischleindeckdich.

Lichtverschmutzung ist ein weiterer Punkt. Nachtaktive Insekten, also immerhin die Hälfte aller Insektenarten, brauchen die Dunkelheit und das Licht vom Mond und den Sternen, um sich zu orientieren, um Nahrung zu suchen, um sich fortzupflanzen, um Räubern auszuweichen. Was sie garantiert nicht brauchen, sind künstliche Lichtquellen von Reklameschildern, Industrieanlagen, Straßenlaternen und dergleichen, denn die stören ihre Aktivitäten, locken sie aus dunklen Ökosystemen fort, die dadurch in Bezug auf Insekten verarmen, und machen sie zur leichten Beute von nachtaktiven Vögeln oder Fledermäusen. Viele Insekten sterben auch durch künstliche Lichtquellen, weil sie gegen das Glas donnern, hinter dem das Licht leuchtet, zu Boden fallen und dort zertreten oder überfahren werden.

Über 27 Jahre hinweg, von 1989 bis 2015, erfasste der Entomologische Verein Krefeld den Bestand von Insekten an sechzig ausgewählten Standorten – mit verheerendem Ergebnis: Die Entomologen gehen davon aus, dass wir 75 Prozent der Biomasse an Insekten verloren haben. Der Verlust zog sich durch sämtliche Arten. Es hat Schmetterlinge getroffen und Libellen, Käfer und Heuschrecken, Ameisen und Wespen … Den meisten Menschen war bis dahin nur aufgefallen, dass so gut wie keine Insekten mehr an der Windschutzscheibe ihrer Autos klebten und dass extrem wenige Bienen unterwegs waren. Der Begriff »Insektensterben« bezieht sich aber nicht nur auf die Anzahl der Insekten, also eben die Biomasse, sondern auch auf das Verschwinden ganzer Arten.

Die sogenannte Krefelder Studie, die im Herbst 2017 erschien und deren Hiobsbotschaft von den Medien bereitwillig aufgegriffen wurde, rüttelte viele auf. Unfassbare 4,9 Millionen Mal wurde mein erster Post zum Insektensterben auf Facebook aufgerufen – ein klares Indiz dafür, wie sehr dieses Thema die Menschen berührt. Es entbrannten heiße Diskussionen. Die schönsten Kommentare kamen aber von Leuten, die nicht nur tolle Tipps gaben, sondern selbst mit gutem Beispiel vorangehen, die etwa auf brachliegenden Äckern – natürlich mit Zustimmung der Landwirte – Sonnenblumenkerne und die Saat von Wildblumen aussäen; die ihren Rasen statt jede Woche einmal im Monat mähen oder dem Gras sogar nur einmal im Jahr mit der Sense zu Leibe rücken, damit Löwenzahn, Klee und andere Wildpflanzen gedeihen können; die auf ihrem Balkon in der Stadt Glockenblumen, Karthäusernelken und andere einheimische Blumensorten pflanzen, die zu unseren Insekten »passen«, statt tropische Sorten wie Passionsblume oder Engelstrompete, mit deren Blüten viele Insekten hier nichts anfangen können, weil zum Beispiel ihre Saugrüssel nicht lang genug sind, um an den Nektar heranzukommen.

WG