~~~

„Bücher sind nur dickere Briefe
an Freunde.“

Jean Paul, * 1763, † 1825,
deutscher Dichter, Publizist und Pädagoge

~~~

Michael Behn, Peter Bödeker und Susanne Behn

Was wiegt dein Leben?

November 2017, 1. Auflage

Herrenberg/Adendorf

Copyright 2017 Peter Bödeker, Michael und Susanne Behn

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art und Nachdruck in Auszügen, sind vorbehalten.

Vielen Dank an Inge Blesinger für das Lektorieren des Buches.

Kontakt:

Michael Behn

Am Joachimsberg 46, 71083 Herrenberg

E-Mail: behn@behn-friends.de

Peter Bödeker

Kastanienallee 2d, 21365 Adendorf

post@boedeker.de

Internet: www.blueprints.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783748112969

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Der Wandel
  3. Die Geschichte vom Leben
  4. Zeit oder Geld
  5. Das Gewicht deines Lebens
  6. Miss Rose und die Legende vom Jaron-Kobel
  7. Der Hase vor dem Zaun
  8. Die Legende vom Tempel der tausend Spiegel
  9. Das Geheimnis des Riesen
  10. Wenn ich mein Leben nochmals leben könnte
  11. Miss Rose, der Meister und die ziellosen Studenten
  12. Der verborgene Diamant
  13. Die Suche des Königs
  14. Die Katze und die Frau
  15. Die Fabel von den beiden Fröschen
  16. Der Friede im Sturm
  17. Man kann es nicht allen Leuten recht machen
  18. Die Gaben der Tiere
  19. Der Fisch und das Meer
  20. Das Geheimnis der Steinmauer
  21. Der Blick von Frida Stein
  22. Miss Rose und der Bahai auf Reisen
  23. Der Brunnenfrosch
  24. Der wahre Wert
  25. Die Angst vor dem Loslassen
  26. Das letzte Geschenk
  27. Marks List gegen seinen Schweinehund
  28. Conor und das Geheimnis der wichtigsten Wahrheit
  29. Der Mann, der Mönch und der Diamant
  30. Der kleine Krieger
  31. Die alte Eisenbahnbrücke
  32. Der Löwe und das Mäuschen
  33. Die Liste des Tigers
  34. Lass einfach los
  35. Der alte Mann und sein Schicksal
  36. Mantu, der Zuversichtliche
  37. Zenmeister Hakuin über Zufriedenheit
  38. Sokrates und die drei Siebe des Weisen
  39. Die traurige Geschichte vom wilden Hund
  40. Heiliger Froschgesang
  41. Der Floh und der Hammel oder: Bedenke die Folgen
  42. Die Sonne und der Wind
  43. Von der Fichte, dem Teich und den Wolken
  44. Der Aufstieg
  45. Miss Rose: Der Kampf von Licht und Dunkel
  46. Vom Ausgleich im Tun
  47. Der alte Großvater und der Enkel
  48. Der gedeihliche Riss
  49. Die Taube und die Ameise
  50. Desiderata – Lebensregeln von Baltimore
  51. Die Kunst der kleinen Schritte
  52. Der unnötige Tod im Einmachglas
  53. Der Ausblick

Einleitung

Seit Jahrtausenden geben Völker ihr Wissen in Geschichten weiter. Ob der Indianer am Lagerfeuer, der Philosoph in der Wandelhalle an seine Schüler oder die Oma an ihre Enkel.

Die Geschichten in diesem Buch sind die beliebtesten der Leserinnen und Leser beim Online-Portal blueprints.de, dem Herausgeber der Guten-Morgen-Gazette.

Die Erzählungen handeln von Menschen und Tieren auf ihren persönlichen Lebenswegen mit all den möglichen Problemen, Gefahren, Geheimnissen und Erlebnissen. Sie stammen von Schriftstellern aus aller Welt und aus unterschiedlichen Zeiten.

Einige der Geschichten sind von uns erfunden oder auf Basis alter Geschichten neu formuliert worden. Andere Geschichten stammen aus der Feder begnadeter Autoren.

Geschichten können uns erinnern, motivieren, nachdenklich machen oder auf andere Art und Weise bewegen. Bei jeder Geschichte trifft die Idee des Autors auf die Vorerfahrungen, Ideen, Wünsche, Ziele, Sorgen und Ängste des Lesers. Was daraus entsteht kann somit sehr unterschiedlich sein.

Beim Lesen, Zuhören oder beim Besprechen der Geschichten wünschen wir viel Freude und hilfreiche Erkenntnisse.

Ihr blueprints Team

Peter Bödeker, Susanne und Michael Behn

1 Der Wandel

Eine Geschichte darüber, wie Unzufriedenheit in Zufriedenheit verwandelt werden kann.

„Hilfe! Wir werden noch wahnsinnig. Es muss etwas passieren.“ Antonio zog mit beiden Händen an seinen wuscheligen Haaren. Er lebte zusammen mit seiner Frau, den Schwiegereltern und seinen vier Kindern in einer 1-Zimmer-Wohnung in der Altstadt.

„Aber was bloß? Wir können uns keine größere Wohnung leisten.“ Maria, seine Frau, hob hilflos die Arme.

„Es ist die Hölle. Den ganzen Tag brüllt irgendwer, wir schreien uns an, ich habe mich heute schon dreimal mit deinem Vater gestritten.“ Antonio blickte stumpf auf den Küchentisch und fuhr mit den Fingern die Holzmaserungen nach. Die kleine Belana, gerade ein Jahr alt geworden, krabbelte zwischen seinen Beinen hindurch.

„Vielleicht weiß der Meister einen Rat?“ Seine Frau zog fragend die Augenbrauen hoch.

Antonio wippte abwägend den Kopf hin und her. Wie sollte der weise Mann bei diesem Problem helfen können? Dann schlug er mit der Faust auf den Tisch, die kleine Belana fiel vor Schreck einfach um. „Ich werde gleich hingehen und ihn um Rat fragen. Schaden kann es ja nichts.“

Beim Meister

Zu Antonios Überraschung meinte der Alte schon nach kurzer Überlegung, eine Lösung für das Problem zu kennen.

„Aber zunächst verspreche mir, genau das zu tun, was ich dir als Lösung vorschlage“, forderte der Meister.

„Ich schwöre“, entgegnete Antonio ohne nachzudenken. Konnte der Meister einen Weg weisen?

„Wie viele Haustiere habt ihr?“, wollte der Meister wissen.

„Acht. Eine Kuh, ein Kamel und sechs Hühner.“

„Schön. Hole alle Tiere sofort in eure Wohnung und lasse sie Tag und Nacht drinnen. In einer Woche sehen wir uns hier wieder.“

Antonio öffnete vor Entsetzen den Mund. Aber er hatte geschworen, den Weisungen des Meisters nachzukommen. Wieder daheim angekommen trieb er also unter dem Gezeter und Genörgel seiner Schwiegermutter das Vieh in die enge Wohnung. Die Kinder grölten begeistert.

Nach einer Woche bot Antonio ein Bild des Jammers. Völlig erschöpft schleppte er sich zum Meister. Er hatte den festen Vorsatz, diesen um die Entlassung aus seinem Versprechen zu bitten.

„Meister“, rief er schon beim Eintreten, „so geht es nicht weiter. In unserer Wohnung herrscht nicht auszuhaltender Lärm, alles ist verdreckt, es stinkt unerträglich. Meine Frau schläft nur noch auf dem Balkon. Das muss ein Ende haben.“

„Geh und treibe die Tiere wieder aus der Wohnung“, entgegnete der Meister. „In einer Woche kommst du erneut hierher.“

Weitere sieben Tage später war Antonio nicht wiederzuerkennen. Lächelnd fragte der Meister: „Wie geht es dir und deiner Familie nun, lieber Antonio?“

„Ein Wunder ist geschehen, Meister. Seit die Tiere nicht mehr mit uns in der Wohnung leben, ist unser Heim ein Hort der Harmonie. Diese Ruhe, alles ist sauber, keiner schreit mehr herum. Sogar meine Schwiegermutter lächelt. Ich kann gar nicht mehr nachvollziehen, warum ich vor zwei Wochen wegen unserer Wohnung so verzweifelt war.“

nacherzählt von Peter Bödeker

~~~

„Zufriedenheit ist der Stein der
Weisen. Zufriedenheit wandelt in
Gold, was immer sie berührt.“

Benjamin Franklin, * 1706, † 1790,
amerikanischer Philosoph und Staatsmann

~~~

2 Die Geschichte vom Leben

Es war einmal alter, weiser Mann. Der beobachtete schon seit langem einen kleinen Jungen in der Nachbarschaft, der oft ganz alleine den Nachmittag verbrachte. Im Laufe der Zeit hatte er den Jungen in sein Herz geschlossen. Darum rief er ihn eines Tages zu sich. Der alte Mann wollte dem Jungen das schönste Spiel beibringen, das er in seinem ganzen langen Leben kennengelernt hatte.

Der alte Mann hatte es lange hinausgezögert, den Jungen anzusprechen. Denn das Spiel war nicht ungefährlich ...

Dennoch, dieses Spiel war das Risiko wert. Wer es beherrschte, würde immens profitieren. Darum stand sein Entschluss fest: Er würde den Jungen in dem Spiel unterrichten.

„Welches Spiel wirst du mir zeigen?“, wollte der Junge wissen.

Der alte Mann zeigte dem Jungen glitzernde Kugeln aus buntem Glas und erklärte: „Sieh her! Ich werde dir jetzt eine dieser Glitzerkugeln nach der anderen zuwerfen. Jede hat eine andere Farbe und einen anderen Namen. Diese hier heißt FREUDE, jene LEID, diese hier NACHSICHT und dieses Prunkstück nennt sich LIEBE. Du sollst mir jede dieser Kugeln sofort wieder zurückwerfen.“

Und das Spiel begann. Es war eine Pracht, dem Spiel zuzusehen. Zwischen dem alten Mann und dem Jungen flogen die Kugeln in den buntesten Farben glitzernd hin und her.

Aber dann wollte der Junge die Schönste von allen Kugeln festhalten. Er drückte sie entschieden an sich – ....

... und die Kugel zerbrach. Vor Schreck vergaß der Junge, die nächste Kugel zu fangen und dann lag auch diese in tausend Scherben am Boden. Er versuchte verzweifelt, wenigstens eine der Kugeln zu halten. Dabei wurde der Haufen an Scherben um ihn herum immer größer. Zugleich schnitten die Scherben in seine Hände, er blutete bald aus zahlreichen Wunden.

Beim Zusehen wurde dem weisen Mann das Herz schwer, denn er liebte ja den Jungen. Er ging zu dem Kind hinüber, bückte sich, hob alle Scherben auf und trug sie auf seine Seite. Dabei fügte er sich selbst viele Schnitte zu, doch die Kugeln fügten sich unter seinen Händen wieder zusammen. Merkwürdig: Jede neue Wunde in den Händen des Mannes heilte eine Wunde des Jungen.

Schließlich war der weise Mann so zerschnitten, dass das Spiel scheinbar unmöglich weitergehen konnte. Doch der weise Mann stand auf und hob an, die Kugeln von Neuem zu werfen.

Zuvor sagte er zum Jungen: „Der Sinn dieses Spieles lautet: GEBEN und NEHMEN im Wechsel. Nur im Flug glänzen die Kugeln so hell, wie sie es sollen! Zwischen GEBEN und NEHMEN schimmern die Farben der Kugeln – und das Spiel wird sehr gut. Wollen wir es noch einmal probieren?“

Diesmal hatte der Junge verstanden.

Als die FREUDE kam, als die NACHSICHT kam, als die LIEBE kam, als eine glänzende Kugel nach der anderen kam, warf er sie dem alten Mann wieder zu – und alle glänzten herrlich auf ihrer Flugbahn. Als die TRAURIGKEIT kam, machte er es genauso und siehe da: noch während des Fluges änderte sich die Farbe der TRAURIGKEIT in die Farbe der FREUDE.

Jede Aktivität des Jungen war jetzt auf den alten Mann ausgerichtet.

Und siehe, das Spiel zwischen dem alten Mann und dem Jungen war sehr gut.

Autor: unbekannt

Vielen Dank an Gabriele Juin für diesen Beitrag!

~~~

„Wo man nehmen will,
muss man geben.“

Laotse,
chinesischer Philosoph,
der im 6. Jahrhundert v. Chr. gelebt haben soll

~~~

Die unsterbliche Miss Rose

Miss Rose ist eine Katze, die nicht sterben kann und seit 6.912 Jahren durch die Länder dieser Erde streift. Einige der hier gesammelten Geschichten stammen aus dem Erfahrungsschatz der alten Katzendame, den sie freundlicherweise dem blueprints Team zur Verfügung stellt.

Die weise Katzenoma kehrte immer da bei den Menschen ein, wo es ihr gefiel, wo sie etwas Interessantes erlebte oder etwas zu lernen erhoffte. Im Laufe der Jahrtausende hat sie dadurch einen Blick für die Verstrickungen der Menschen entwickelt, der ihr das Verwobene im Geschehen hinter den oberflächlichen Handlungen offenbart. In ihren Geschichten lässt sie uns an ihren Erkenntnissen teilhaben.

Miss Rose hat noch zwei weitere Namen, denn Katzen haben immer drei. Sie möchte jedoch unerkannt bleiben, von daher dürfen wir diese nicht verraten und nur ihren Schatten zeigen. Diese Geschichte handelt von ihrer Zeit in Düsseldorf.

3 Zeit oder Geld

Katze Miss Rose lebte einst bei einem Psychiater mit Namen Eric in Düsseldorf. Sie durfte bei ihm während der Patientensitzungen in einem Körbchen unter der Heizung liegen.

Eines Tages behandelte Eric einen Bankdirektor, der viele Tränen in seiner ersten Sitzung vergoss. In der zitternden Hand hielt er ein verblichenes Bild, auf dem er mit seinem Vater Hand in Hand in den Sonnenuntergang ging.

Seine Geschichte lautete wie folgt:

In einer kleinen Stadt im Ruhrgebiet wurde vor einigen Jahren ein prachtvoller Junge geboren. Der Vater arbeitete am Schalter in einer Bank, seine Mutter halbtags an der Rezeption des örtlichen Hotels.

Die Jugend des Jungen verlief voller Glück. Immer, wenn er von der Schule heimkam, wartete seine Mutter mit dem Essen auf ihn. Punkt 16 Uhr erschien sein Vater von der Arbeit. Der Rest des Tages war gemeinsamem Spielen und Musizieren oder Ausflügen von Mutter, Vater und Sohn gewidmet.

Jeden Abend dachte sich Papa eine neue Geschichte aus und erzählte sie dem Sohn kuschelnd im Bett. So ging es viele Jahre lang.

Die Familie lebte in einer wohlhabenden Gegend. Als der Junge in die Pubertät kam, wurde ihm bewusst, dass offenkundig alle Nachbarn und Mitschüler größere Häuser, weitläufigere Grundstücke und teurere Autos besaßen.

Sicher, auch seine Familie hatte alles zum Leben, sie machten sogar zweimal Urlaub im Jahr. Aber alles halt ein oder zwei Nummern kleiner als scheinbar alle anderen um sie herum.

Je länger er darüber nachdachte, umso deutlicher wurde ihm, dass Vater und Mutter wohl beruflich völlig versagt hatten. Die Eltern seiner Freunde hatten augenscheinlich wesentlich mehr aus ihrem Leben gemacht.

Ab diesem Zeitpunkt veränderte sich das Zusammenleben in der Familie. Der Junge verhielt sich immer abfälliger zu seinen Eltern, zweifelte alles an und verbrachte kaum noch Zeit bei sich zuhause.

Der Sohn versuchte fortan alles, seine vermeintlich ärmliche Herkunft vor seinen Freunden und Freundinnen zu verbergen. Seinen „Alten“ gegenüber war er nur noch mürrisch und ablehnend. Wie hatten sie nur solche Loser werden können?

Nach einem heftigen Streit zog der Junge, kaum volljährig geworden, in eine eigene Wohnung. Er verließ das Elternhaus mit den Worten, dass er mit solchen Verlierern in seinem Leben nichts mehr zu tun haben wollte.

Der Junge lernte eifrig in einer Bank und studierte parallel Betriebswirtschaftslehre. Die Briefe seiner Eltern ignorierte er konsequent. Sie wurden mit der Zeit seltener und hörten schließlich ganz auf. Zwei Jahre nach seinem Studienbeginn starb seine Mutter.

Nach dem Studium kletterte der Sohn die Karriereleiter rasch höher und gründete eine eigene Familie. Nachdem seine Tochter geboren wurde, meldete sich sein Vater wieder öfter bei ihm und seiner Frau. Er wollte das Kind gerne einmal sehen.

Doch in dem Sohn gärte nach wie vor noch solch eine Abneigung gegen den väterlichen Versager, dass er dessen Besuch immer wieder nach hinten verschob. Irgendwann musste er nicht mehr schieben, denn als seine Tochter gerade zu krabbeln begann, erlag sein Vater einem Herzinfarkt.

Wie es der Zufall wollte, wurde just zu diesem Zeitpunkt die Stelle des Bankdirektors in seiner Geburtsstadt frei. Genau in der Bank, bei der auch sein Vater bis zur Rente gearbeitet hatte.

Kurz überlegte er, ob ihm das zum Nachteil gereichen könnte. Sein Vater nur Schalterangestellter, nun wollte der Sohn Direktor werden? Man wird sehen. Er würde es auf einen Versuch ankommen lassen und bewarb sich.

Der junge Mann erhielt eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Der Personalchef begrüßte ihn mit den Worten, dass nun wohl der Sohn das nachholen würde, was der Vater nicht gewollt hatte.

„Bitte, ich verstehe nicht ganz. Mein Vater war am Schalter beschäftigt.“

„Richtig. Aber auch ihm wurde einst die Stelle des Direktors der Bank angetragen. Dann aber wurden Sie geboren und Ihr Vater lehnte ab. Statt Geld und Prestige wollte er lieber das Aufwachsen seines Sohnes begleiten. Das hat damals viel Eindruck in der Bank hinterlassen, besonders bei den Damen, wie Sie sich vorstellen können.“

„Egal“, der Personalchef winkte ab und wechselte das Thema, „Sie scheinen aus anderem Holz geschnitzt zu sein, kommen wir zu Ihren Zeugnissen. Die sind ja exzellent, vor allem ...“ Doch der künftige Bankdirektor hörte schon gar nicht mehr zu.

(auf-)geschrieben von Peter Bödeker

~~~

„Reue kommt immer zu spät.“

Sprichwort

~~~

4 Das Gewicht deines Lebens

Ein junger Mann suchte einst einen alten Weisen auf.

„Großer Meister“, begann er mit müder Stimme, „mein Leben liegt mir wie eine Last auf meinen Schultern. Mir ist, als würde ich bald unter diesem Gewicht zusammenbrechen.“

„Mein Sohn“, antwortete der Weise zart, „das Leben ist leicht wie eine Feder.“

„Meister, bei allem Respekt“, widersprach der junge Mann, „hier müsst Ihr irren. Ich spüre mein Leben doch Tag für Tag wie ein tonnenschweres Wagenrad auf mir lasten. So sagt doch, wie kann ich mich von dieser Last erlösen?“

„Wir selbst sind es, die diese Last auf unsere Schulter nehmen. Nur wir selbst können uns davon befreien“, sagte der Weise mit leiser Stimme.

„Aber ...“, begann der junge Mann von Neuem.

Der Weise hob die Hand und sprach: „Dieses ‚Aber‘, mein Sohn, wiegt alleine schon Deine halbe Last.“

Autor: unbekannt

nacherzählt von Peter Bödeker

~~~

„Nichts ist entspannender, als
das anzunehmen, was kommt.“

14. Dalai Lama

~~~

5 Miss Rose und die Legende vom Jaron-Kobel

Einst hatte Miss Rose ihr Zuhause bei einer Frau, die mit ihrem Sohn Gill in einfachen Verhältnissen lebte. Sie brauchte alle Zeit und Kraft, um ihren Sohn, Miss Rose und sich mit dem Notwendigsten zu versorgen.

Seit Wochen holte Miss Rose den kleinen Gill aus der Schule ab. Als sie an diesem Tag durch die Brombeerhecke an der Schule schlüpfte, sah sie, wie Gill von drei Jungen umringt war.

Der Größte von ihnen sagte: „Deine blöden Ideen will doch keiner hören. Ein fliegendes Fahrrad; eine Uhr, die spricht. Pah! Du bist ein Trottel von armen Eltern. Du bist ein Spinner und wirst nie dazugehören.“

Die drei Jungen zerrten Gill zur Dornenhecke und warfen ihn hinein.

Einer der Drei bespuckte Gill noch bevor sie ihn alleine mit Miss Rose zurück ließen.

Abends schmierte Gills Mutter seine Wunden ein. Sie küsste ihren Sohn auf die zerkratzte Stirn und sagte: „Lass mich Dir eine traurig schöne Geschichte erzählen. Mein Opa war Förster und er hat sie mir als junges Mädchen erzählt. Es ist die Legende vom Jaron-Kobel.“

Miss Rose lag unter dem Bett und spitzte die Ohren.

Jaron war ein Eichhörnchen. Kein ganz normales, denn er hatte Höhenangst, was in seiner Gattung selten genug vorkam, weshalb sich seine Artgenossen oft genug über ihn lustig machten und auch die mitleidigen Blicke entgingen Jaron keineswegs.

Ein Eichhörnchen mit Höhenangst lebt gefährlich, denn es ist seinen Feinden wesentlich stärker ausgeliefert als seine Schwestern und Brüder, denn sie können vor Fuchs, Katze und Co. auf die Bäume fliehen.

Wann immer Jaron einen Artgenossen sah, rannte er zu ihm und fragte, wie es oben in den Bäumen sei. Ob es große Freude mache, in den Baumwipfeln hin und her zu jagen. Wie es sich anfühlte zu springen und den Ast des nächsten Baumes zu erwischen, um auf diesem in luftiger Höhe weiter zu sprinten.

Selten bekam er brauchbare Antworten. Meist klangen sie hochnäsig und abweisend, was Jaron anfangs noch etwas weh tat. So wie das junge Eichhörnchen, das zu ihm sagte: „Warum soll ich Dich neidisch machen? Du musst doch am Boden bleiben, weil Du Angst hast.“

Jaron träumte vom Leben in den Wipfeln, beschäftigte sich aber gleichzeitig mit dem Leben am Boden. Er befragte den Maulwurf, das Kaninchen, die Mäuse, die Mauereidechse und das Mauswiesel. Dann fing er an, eine Höhle unterhalb einer Steinmauer zu bauen. Das war sehr mühsam, denn für so etwas war Jaron nur bedingt talentiert. Ein Loch graben, um eine Walnuss zu verstecken, das war einfach. Aber einen Gang graben, das war etwas anderes. Aber Jaron war erfinderisch und fleißig und so baute er eine besondere Höhle oder, wie Eichhörnchen sagen, „einen besonderen Kobel“.