Inhaltsverzeichnis

  1. Stopp: Europa
  2. Stopp: Amerika
  3. Stopp: Ozeanien/Australien
  4. Stopp: Asien
  5. Stopp: Afrika

Alle Rezepte sind, soweit nicht anders angegeben, für vier Personen ausgelegt – denn wer isst schon gerne alleine?

Suppen lassen sich zudem hervorragend vorkochen und in der gewünschten Portion einfrieren.

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Löffelspeisler,

am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Kurz danach kam die Suppe, auch bekannt als die Ursuppe.

Nein, ganz im Ernst: Suppen gehören zweifellos auf allen Kontinenten zu den ältesten Gerichten, die der Mensch auf dem Feuer gegart hat. In dem Moment, wo es einigermaßen dichte und feuerfeste Behälter gab, stand dem Erfindungsreichtum beim Kochen von Gemüse, Getreide und Fleisch mit Wasser nichts mehr im Wege. Übrigens stand die „Ursuppe“ keinesfalls immer auf offenem Feuer. Manchmal wurden die heißen Steine auch direkt in das Mus, den Brei, die Suppe oder den Eintopf gelegt.

Nicht immer ist eindeutig, wo die Suppe aufhört und der Eintopf beginnt. Lange Zeit nannte man diese Kategorie von Gerichten deshalb schlichtweg „Löffelspeise“. Ob nun klare Suppe oder kräftiger Eintopf – was sie so faszinierend macht, ist, dass sie immer anders schmecken, selbst wenn ein und dieselbe Person ein und dasselbe Rezept immer wieder zubereitet. Sie kennen das von Omas Linsensuppe: Es sind selbst kleine Variationen von Qualität und Reifegrad der Zutaten wie Gemüse, Kräuter und Gewürze oder größere geschmackliche Nuancen wie das verwendete Fleisch, Geflügel, Wild oder der Fisch, die jeder Suppe einen mehr oder weniger kräftigen Geschmack verleihen.

Das unterscheidet die selbst gekochte Suppe vom immergleichen Tütenwerk mit seinen gefriergetrockneten Standardaromen.

Ich möchte auch ausdrücklich dazu animieren, bei meinen Rezepten nach Gefühl zu handeln und nicht nach der Briefwaage. Natürlich darf es bis zu einem gewissen Maße etwas mehr hiervon und etwas weniger davon sein.

Das Ergebnis wird sowieso immer etwas anders sein – selbst wenn Sie sich akribisch an die Mengenangaben meiner Rezepte halten.

Sie werden Unterschiede schmecken. Jedes Mal, wenn Sie eines der Rezepte nachkochen. Vorausgesetzt natürlich, Sie haben sich Ihren Geschmack und Sinn für gutes und echtes Essen nicht durch Geschmacksverstärker, Emulgatoren, modifizierte Stärken, Hefeextrakte und sogenannte „naturidentische“ und künstliche Aromen verderben lassen. Ich verspreche Ihnen auch: Egal ob Sie sich künftig eine Tomatensuppe, Rinderbrühe oder Gulaschsuppe kommen lassen – Sie werden sofort sehen und vor allem schmecken, ob diese Suppe gekocht oder aus Pulver angerührt wurde.

Gute Suppen kommen nicht aus der Tüte, sondern aus aller Herren Länder. In diesem Sinne: Hoch die Suppentassen!

Ihr Mirko Reeh

Eine gute Suppe bedient alle Sinne

Wie sinnlich eine gute Suppe ist. Ohne Mühe lässt sich mit dem geschmeidigen Löffel gleichsam Flüssiges wie Festes zum Munde führen. Die Lippen umschließen die Kelle, und der dampfende Happs umfließt die Zunge. Alle Geschmacksknospen zugleich öffnen sich dem Erlebnis. Huh! Gänsehaut!

Mal etwas mehr hiervon, mal etwas mehr davon – jeder Mundvoll schmeckt eine Spur anders als der vorherige. Dazu noch ein Stück Brot, mit der Hand direkt vom Laib gerissen, vollgesogen mit dem kräftigen Sud der heißen Suppe.

Suppen geben einen Vorgeschmack, beruhigen den knurrenden Magen auf sanfte Art und steigern die Vorfreude auf das kommende Mahl, wenn sie als erster Gang serviert werden.

Sie können ein leichtes Hauptgericht an heißen Sommertagen sein oder als deftiger Topf voller Geschmack an kalten Wintertagen wärmen. Und wer erinnert sich nicht daran, von Oma oder Mama gegen die Erkältung eine echte Hühnersuppe Löffelchen für Löffelchen eingeflößt bekommen zu haben?

Der älteste Eintopf der Weltgeschichte

Ihre Vielfalt in Geschmack, Zutat und Wirkung hat Suppen für die Menschheit schon vor sehr langer Zeit zu einem lieben Begleiter durch die Jahreszeiten gemacht. Von den ersten Menschen, die das sesshafte Leben und seine Vorzüge für sich entdeckten, weiter über die Antike und das Mittelalter bis zur Neuzeit – gegessen wurde immer und am liebsten etwas Warmes für Herz und Magen.

Die Erforscher der menschlichen Frühgeschichte gehen davon aus, dass der Peking-Mensch vor etwa 300.000 Jahren zu den ersten Grillmeistern gehörte. Archäologen haben nämlich verkohlte Tierknochen aus dieser Zeit im heutigen China gefunden. Die Funde lassen darauf schließen, dass das Fleisch in weichem Lehm eingepackt und dann ins Feuer gelegt wurde. Das war ein Fortschritt, denn beim direkten Grillen des Fleisches, vor allem großer Beutestücke, hatten unsere Vorfahren das Problem, dass das Fleisch außen verbrannte, aber im Innern noch roh blieb – man kennt das bis heute von so mancher Grillparty.

Vermutlich führte diese frühe Technik des sogenannten Grill-Kochens, bei der der Lehm nach einiger Zeit feuerfest aushärtet, zur Erfindung des Kochtopfs.

Rund um die Welt entwickelten sich etwa zur gleichen Zeit ähnliche Techniken, um das Feuer nicht nur als Licht, Wärmequelle und Schutz vor Raubtieren, sondern auch zum Kochen zu nutzen. In Spanien, Frankreich und England beispielsweise wurden Kochstellen gefunden, die sich auf die Zeit vor etwa 200.000 Jahren datieren lassen.

Für diejenigen, die noch kein Survivaltraining gewagt haben: Selbst ohne Topf ist das Kochen einer Suppe möglich! Zum Beispiel mit Steinen, die im Feuer erhitzt wurden. Diese nahm man dann und gab sie zu den Zutaten der Suppe in einen Beutel aus Tierhaut oder einem Tiermagen. Das Kochen mit Kochsteinen hat sich rund um die Welt lange Zeit erhalten und ist zum Teil auch heute noch üblich, denn es war lange Zeit die einzige Methode, um ohne feuerfesten Behälter verschiedene Zutaten gleichzeitig durch Kochen zuzubereiten. In manchen Gegenden der Welt, wo geeignete Steine wie Basalt, Kiesel oder Granit schwer zu bekommen sind, werden Kochsteine sogar über Generationen vererbt oder sind begehrtes Handelsgut.

Etwa zehn bis acht Jahrtausende vor Christi Geburt, als der Mensch rund um seine Hütte anfing, seine Nahrung selbst zu produzieren, sich Tiere zu halten und Getreide zu säen, gab es wohl auch die ersten festen Feuerstellen, an denen man in Ruhe kochen konnte. Zu dieser Zeit begannen die Menschen, aus Ton und Lehm Keramiktöpfe zu brennen, die es ermöglichten, Fleisch, Früchte, Kräuter und Wurzeln ohne großen Aufwand in Wasser zu kochen.

Ohne Brühe wäre es nur ein stückiger Brei. Und ohne Stückchen wiederum nur ein Getränk. Der Übergang von Brei und Eintopf zur Brühe mit Einlage ist – passenderweise – fließend.

Apropos: Im Alb-Donau-Kreis im heutigen Baden-Württemberg fand man sogar die krustigen Reste einer dicken Suppe, die um 4.000 v. Chr. in Tongefäßen dort zurückgelassen wurde. Im Übrigen ist diese Gegend mit ihren Höhlen ein Eldorado für Erforscher der Frühgeschichte, denn außer den Suppenresten wurden dort auch die berühmte „Venus“, die älteste plastische Menschendarstellung der Welt, der „Löwenmensch“, die ältesten Musikinstrumente der Welt und viele andere Relikte gefunden, die die Gegend zum UNESCO-Welterbe für Höhlen und Eiszeitkunst machten. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden. Man stelle sich vor, welche Vielfalt an Speisen den Menschen der Steinzeit mit einem Ma(h)l zur Verfügung stand. Sie probierten aus, kombinierten dies und das, fanden heraus, dass manches, was um sie herum wuchs, durch das Kochen besser genießbar oder sogar weniger giftig wurde, und entdeckten wundersame Dinge beim Aufbrühen von halluzinogenen Kräutern und Pilzen.

Wer hat’s erfunden?

Es gibt keine genaue Geburtsstunde und ebenso keine Kultur, die sich die Erfindung der Suppe zuschreiben könnte. Sie gilt als polygenetisches Gericht, das heißt, die Suppe wurde an verschiedenen Orten unter annähernd gleichen Bedingungen erfunden – wenn auch mit unterschiedlichen Zutaten. Gleiches lässt sich übrigens von der Nudel vermuten.

Der Handel unter den Völkern, Kontakte mit Eingewanderten, ja selbst Kriege und Eroberungen – allen voran die Kolonien in Afrika und Amerika – sorgten für einen Austausch der Rezepte, Zutaten und somit auch der Suppenrezepte.

Nicht alles, was früher den Gaumen erfreute, findet auch heute noch seine Liebhaber. Auf alten babylonischen Tontafeln, die um 1.700 v. Chr. mit Kochrezepten beschriftet wurden, fanden sich neben Fischsuppe beispielsweise auch Rezepte für Blutsuppen.

Eine solche Blutsuppe sollen nach epischen Überlieferungen auch die spartanischen Kämpfer gegessen haben. Das Rezept aus dem vierten Jahrhundert v. Chr. ist einfach nachzukochen, falls es Sie interessiert. Kochen Sie einfach Schweinefleisch in scharf gewürztem Schweineblut mit Essig und Salz weich. Ich habe nicht ausprobiert, ob das schmeckt, aber ich kann mir vorstellen, dass man nach einem solchen Mahl das Bedürfnis hat, wie im Rausch auf einen Gegner einzudreschen. Mir fehlt da eindeutig das Gemüse …

Vom Breichen zum Süppchen