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1. Auflage 2018

© 2018 Bernd Garrels

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783748170112

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Am kompliziertesten war und ist es, dass meine Generation, mein Jahrgang dreimal der große Verlierer sein musste. Als Kind hatte ich materiell und ideologisch den verlorenen Ersten Weltkrieg zu verkraften; meine Eltern verloren in Posen den Hauptteil ihres Vermögens und mussten während der Inflationszeit 1922/23 einen Wiederbeginn wagen und sich eine neue Lebensgrundlage erkämpfen.

Die Teilnahme am Zweiten Weltkrieg war eine Überlebensfrage, die man selber nur im geringsten Maße steuern konnte. Außerdem waren wir bis zuletzt bereit das Vaterland zu retten. Ich habe das große Glück gehabt, keine menschenfeindlichen bzw. kriegsverbrecherischen Handlungen miterleben zu müssen. Verbrechen, wie Raub, Vergewaltigung, Totschlag, Mord, … lernte ich – was meine damalige Haltung eher bestärkte als zu einem Gesinnungswechsel führte – erst in der Gefangenschaft kennen. Diese Verbrechen blieben auch nicht aus, als ich aus der Gefangenschaft nach Hause kam. Im Unterbewusstsein, eher unterdrückte Gedankengänge als rationale Einschätzung, war dann doch die Angst, dass während der Nazi-Zeit so einiges geschehen sein könnte, was nicht den Regeln des Völkerrechts entsprach. Auch wenn die Nachkriegsaufklärung von einer Siegerposition gezeichnet waren, trafen sie mich wie Faustschläge, waren schwer zu verkraften und sorgten in der Nachkriegszeit für meine Einstellung nie wieder eine Waffe anfassen.

Hugo Garrels
26.04.2000

Nach 1933

In meinem Leben spielt die Erziehung zum Krieg eine tiefgründige Rolle. Kaum den Windeln entwachsen, ging es schon los: Streiten, kämpfen, siegen, nur nicht verlieren, besser sein, ständig aufmerksam verfolgen, was der andere macht. Dabei war „Räuber und Gendarm" noch harmlos. Nur allzu bald war richtiges Kriegsspielen aktuell ... mit Lanzen, Säbeln, Gewehrattrappen, mit Anschleichen, Deckungsuchen, Springen, Umgehen, Angriffsmanieren etc. Man denke da nur an das Weihnachtslied:

Morgen kommt der Weihnachtsmann,

kommt mit seinen Gaben,

Trommel, Pfeifen und Gewehr,

ja ein ganzes Kriegesheer

möcht’ ich gerne haben.1

Dabei hatten wir noch gar nichts gehört, bewahre gelesen von Indianern, Trappern, Helden und ihren Taten, aber ab fünf bis sechs Jahren mischten wir schon kräftig beim Kriegsspielen mit. Frage: Woher kommt das?

Die Motivierung zum Krieg(-spielen) war im Keim schon da, bevor die Hitlerjugend dieses mit uns systematisch betrieb, bevor wir Karl May, Tom Mix2 (damalige Westernserie), Onkel Toms Hütte u.a. gelesen hatten. Die operative Manipulation zum Kriegsspielen geschah einfach von Junge zu Junge, von Gruppe zu Gruppe ... von Mund zu Mund, und nochmals betont, kaum Impulse von Erwachsenen. Die Folge war, dass eine Ordnung eingeübt und die kindlichen Denk-, Spiel- und Verhaltensaktivitäten in didaktisch-methodische Muster- und Verfahrensweisen des Lernens eingebunden wurden. Die Selbst- und Eigenständigkeit wird also mehr oder weniger begrenzt.

Dennoch haben Eltern, Erwachsene unser Kriegspielen geduldet, belächelt oder sogar animiert. Ich weiß von keinen Stimmen, die so etwas für schändlich hielten. Ich, als der Jüngere, hatte nur das Pech, dass ich besonders im Verhältnis zu meinem zwei Jahre älteren Bruder der ewige Verlierer und in der Gruppe der „Muschkote" in der zweiten oder dritten Reihe oder dem hinteren Glied war.

Charakterlich wurde dadurch der Drang zum Besseren angestachelt, andererseits erwirbt der Verlierer viele Erfahrungen, die ich gegenüber anderen sehr gut nutzen konnte und auch zu nutzen wusste. Schließlich war ich auch in der Schulklasse stets der Jüngste ... bis zum Abgang von der Oberschule. Diese Position der Abstufung verwischte sich später im Deutschem Jungvolk (DJ)3.

Beim Dienst im DJ gab es für mich Jüngere und Ältere, die mit mir im Glied standen. Die Unterstellung unter den Führer war schnell in unsere Kinderhirne eingetrimmt. Dafür sorgte schon der Drill bei den Ordnungsübungen, militärisch formuliert „exerzieren". Hier liegt nach meiner Auffassung die grundlegende Basis für das Funktionieren des militärischen Apparates; ohne unbedingten Gehorsam und bedingungslose Ausführung der Befehle - ohne Wenn und Aber, ohne Aufkommen eines abwägenden Gedankens - funktioniert keine Militärmaschinerie.

Im Elternhaus erfolgte keine direkte Erziehung zum Soldatentum. Dafür hatte meine Mutter zu sehr das Sagen, und bei ihr hatte die Erziehung zum Christentum den Vorrang. Vater hatte weniger verbalen Einfluss auf uns. Dennoch ließ er sich in seinem Denken wenig von Mutter beeinflussen. Realen Argumenten seiner Frau gab er durchaus statt. In der Erziehung, bei der wirtschaftlichen Abrechnung, in der Korrespondenz und Strategie und im gesellschaftlichen Umgang überließ er meiner Mutter die Führung. So sind die Umsiedlung von Deutschendorf/Posen4 nach Maethus/Mecklenburg, der Verkauf des Maethusener Hofes und der Ankauf des Hofes in Rosenhagen vor allem ihrer Initiative zu verdanken. Sie hat mit Schreiben z.T. mehr Geld gemacht als Vater mit dem Hof. In den zwanziger Jahren erhielten wir für „Posen" eine Entschädigung in Höhe von 27.000 RM (Reichsmark)... und 1936 machte sie noch eine nachträgliche 10.000 RM locker. Durch Schreiben an Ämter, Lieferbetriebe, Baufirmen etc. konnte sie manches Plus verbuchen.

Ohne Frage hatte Vater einen Einfluss auf soldatischem Gebiet. Wenn auch viele seiner Aussagen, Erzählungen, Stellungnahmen eine gewisse Glorifizierung seiner Soldatenzeit und damit der Stärkung seiner Autorität galten, so wirkten sein Denken, seine Haltung, Disziplin, Bündigkeit, Traditionsgebundenheit und sein Liedgut auf uns Kinder.

Vater hat gesungen und gepfiffen - ich möchte wohl annehmen, meine Kinder glauben mir hier nicht so recht! Über alle Fährnisse hinweg hat er eine Bildmontage von sich als Soldat bis weit nach 1945 bewahrt. Meine älteren Kinder kennen sie sicher noch von Rosenhagen her, wo sie über seinem Bett hing. Ein stolzer Reiter, mit langem Säbel und mit gewölbter Brust. Leger stützt er die Hand auf einen Beistelltisch ... im Ganzen ein hübscher Mann, wie Oma zu kommentieren pflegte - sicher in Hinblick auf den viel kleineren Hermann Schulte, den sie nicht bekommen konnte. Salut dabei der folgende Spruch:

„Es lebe hoch das Regiment,

das sich mit Stolz von Podbielski5 nennt."

Oft habe ich das Bildwerk vom Vater besichtigt und studiert. Gerade des Lesens kundig, habe ich das damals noch einzige weltliche Buch im Hause von vorn nach hinten und zurück durchstöbert; es war ein bebilderter, großformatiger, wenigstens A4-Band über den Ersten Weltkrieg. Mit solchem Schrifttum wurden schon Grundhaltungen und bestimmte Anschauungen gebildet.

Auf Grund seiner Herkunft, aber vielmehr durch seine Erfahrungen als vorbildlicher Reiter, als Soldat und zuletzt als Sergeant bei der berittenen Artillerie und in einem Pferdelazarett hat sich seine Hingabe zu den Pferden herausgebildet. Seinen Kindern und insbesondere uns Jungens hat er viel und mehr als gewöhnlich „Pferdeverstand" beigebracht. Dabei hatten seine besondere Sympathie Hermann und später auch Alfred gegolten, die beide beste Reitersmänner geworden sind. Bei Otto und bei mir fehlte wohl die Hingabe. Sicher habe ich, als Vaters Liebling, ihm doch etwas Kummer bereitet, weil es mit der Reiterei bei mir nicht so klappte.

Papa und ich mit unserer Stute „Fanny“ und dem Hengst „Hans“

Aber bei einer groß angelegten Pferdemusterung und -aufkaufaktion zu Beginn des Krieges konnte ich unsere Pferde „kavalleriegerecht" vorführen. Er hatte mich sachgerecht eingewiesen; aber so mancher Bauernbursche oder auch Knecht bekam harsche Zurechtweisungen durch die recht hochnäsigen Offiziere der Musterungskommission. Sie wirkten so, als hätten sie den Auftrag „direktemang" von Kaiser und Gott bekommen.

Solch Gehabe von Offizieren ist mir bis heute unangenehm. Vielleicht war das der Hemmschuh für mich, eine Offizierslaufbahn einzuschlagen. Dabei muss ich bekennen, dass ich hervorragende Offiziere kennen gelernt habe, die sowohl Führer, Vater und Kamerad ihrer Einheit waren und verantwortungsbewusst bei der Erfüllung ihres militärischen Auftrags mit ihren Untergebenen umgegangen sind. Für uns als Soldaten waren solche Persönlichkeiten der Rückhalt in unserem opferreichen Frontsoldatenleben.

Je näher der Krieg kam, desto perfektionierter wurde die Jugend auf den Krieg vorbereitet: In der SA und HJ etc. wurden der Waffengebrauch geübt und taktische Kriegsübungen durchgeführt. Es gab spezialisierte Vorbereitungen Interessierter für die Fliegerei, die Marine und die motorisierten Einheiten. Luftschutz und Rot-Kreuz-Verbände wurden aufgebaut. Der sich ausdehnende Rundfunk und die allseitig wirkenden Presseinformationen, dazu noch die Kinovorführungen und, nicht zu vergessen, die Agitation in den politischen Organisationen und auf Versammlungen, Gedenktagen, Appellen etc. haben es geschafft, dass eine opfer- und kampfbereite und vor allem befähigte Generation zu Kriegsbeginn „Gewehr bei Fuß" stand.

Ich kann es mit meinem heutigen Verstand nicht verstehen, wie opferbereit, duldend, sogar mit gewissem Stolz die Eltern ihre Söhne und Schwiegersöhne in den Krieg ziehen ließen, wohl wissend, dass diese nicht gerade eine „Spielwiese" betreten, dass sie im Inferno eines vernichtenden Krieges landen würden.

Aufopferungsvoll nahmen sie die unendliche Belastung der Heimatfront auf sich, stets hoffend und wünschend, dass einer auf Urlaub kommt und eine Arbeitsspitze brechen hilft, und als der Krieg heißer und heißer wurde, dennoch im Glauben und in der Hoffnung, dass ihre Lieben von allen Kriegsübeln verschont blieben. Hier und da bekam man mit, dass Eltern oder Ältere den stürmischen Drang Jüngerer zu dämpfen versuchten. Aber derartige ideologische Einflussnahme ist mir damals nicht widerfahren. Einzig und allein, wenn Übereifrige sich an den Status Kirche, Christen ... heranmachten, entstand eindeutige Abkehr.

Hitler und Co. haben es verstanden, ihren Frieden mit der Kirche zu machen. Wobei die evangelische Kirche aufmüpfiger war als die katholische. Das lag vielleicht daran, dass mit der katholischen Kirche ein Konkordat6 abgeschlossen worden war und andererseits deren Glaubensideologie die Verinnerlichung der seelischen Zustände auf das „ewige Leben" besser zu erzeugen verstand. Militärgeistliche beider Konfessionen arbeiteten in vielen Einheiten.

Ich kann mir vorstellen, dass Schwägerin Grete in Kummer ihren Mann Otto schon besser präpariert hatte, schließlich hatte er nicht, wie z.B. ich, den Ehrgeiz, seine Pflicht für das Vaterland in vorderer Linie zu tun. Als Futtermeister in einer berittenen Einheit war er doch davon etwas weiter entfernt. Bruder Hermann hatte es auch geschafft, nicht an die vorderste Front zu kommen. Dabei weiß ich, dass solche Karrieren kein frei waltendes Schicksal waren, es wurde oft „nachgeholfen".

Das Verhalten meiner Eltern gegenüber Alfred und mir kann ich schlecht erklären. Um Alfred hat sich Mama mehr gesorgt; er war leichter bereit, sich dem Krieg heroisch zu stellen7 und sich dann dabei herauszustellen. Andererseits hatte er auch weiche Gefühlsregungen, z.B. bei Urlaubsende. So wusste Mutter mehr um seine Lage als Frontsoldat.

Über meine Situation und Rolle im Kriege habe ich zu Hause nie die Wahrheit gesagt. Ich habe lieber bagatellisiert: ... alles nicht so schlimm, ... nur ein Spaziergang! Innerlich war ich zu stolz und cool, um in dieser Hinsicht eine Schwäche, eine bedrückte Gefühlsstimmung zu zeigen.

Meine Situation war durch die Eltern auch nicht beeinflussbar und das Erlangen von Begünstigungen durch Schmieren kam für mich niemals in Frage. Ich hätte auch nicht gewusst, wie man so etwas anstellt. Sicher sorgten sich Mama und Papa um mich, aber ich will schon meinen, dass ihre Sorge um meine Person an letzter Stelle stand. An letzter Stelle zu sein, das kannte ich ja, also warum deswegen ein Aufheben machen! In gewohnter Zurückhaltung habe ich wenig von mir geredet.


1 Das Gedicht ist ein Weihnachtslied von Hoffmann von Fallersleben.

2 Tom Mix (eigentlich: Thomas Hezikiah Mix; * 6. Januar 1880 in Mix Run, Pennsylvania; † 12. Oktober 1940 in Florence, Arizona) war ein US-amerikanischer Filmschauspieler, Regisseur und Produzent. Er war während der Stummfilmzeit einer der frühen Stars des Westerngenres.

3 Eine Jugendorganisation der Hitler-Jugend für Jungen zwischen 10 und 14 Jahren. - abrufbar unter Wikpedia: Deutsches Jungvolk

4 1921 hat sich die Familie Garrels im besetzten Posen als Deutsche registrieren lassen. Da dieser Teil Posens im Gefolge des Versailler Vertrags zu Polen geschlagen wurde und die Familie sich als Deutsche haben registrieren lassen, wurde sie ausgewiesen. Omas Onkel Turk hatte sich als Pole registrieren lassen. Familie Turk durfte bleiben.

5 „Feldartillerie-Regiment von Podbielski (1. Niederschlesisches) Nr. 5. Standort ab 1899 Sprottau, Sagan.“ – abrufbar unter http://genwiki.genealogy.net/FAR_5 Aller Wahrscheinlichkeit nach, das Regiment von Opa Otto Garrels.

6 Der am 20. Juli 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich geschlossene Staatsvertrag wird als Reichskonkordat bezeichnet. In ihm wurde das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und der römisch-katholischen Kirche geregelt. Es wird auch heute noch als für die Bundesrepublik Deutschland gültig betrachtet. – abrufbar unter Wikipedia: Reichskonkordat Auch in der Evangelischen Kirche zeigten die Versuche einer Gleichschaltung von Lehre und Organisation zu einer Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) ihre Wirkung. - Siehe auch „Verantwortung für die Kirche: Herbst 1935 bis Frühjahr 1937“. - Hans Meiser

7 Alfred war zum Schluss Oberleutnant, hatte das EK I, das Deutsche Kreuz in Gold und war am 20.4.1945 vorgesehen für die Verleihung des Ritterkreuzes für 52 Panzerabschüsse, davon zwei mit der Panzerfaust. Bei dem Rückeroberungsversuch des Bahnhofs Ratibor in Oberschlesien verlor er sein rechtes Bein. 1946 kam nach Hause. Als Arbeitskraft fiel er mit dieser Verwundung aus. Zuletzt arbeitete er als Neulehrer in Lützow. 1949 starb er an der Zuckerkrankheit.

Der 1. September 1939 - Kriegsbeginn

Propaganda, Hetze, aber auch Drangsalierungen der deutschen Bevölkerung, von beiden Seiten provoziert, hatten den Beginn des Krieges systematisch vorbereitet. Die Stimmung wurde unversöhnlich. Die polnische Seite hatte die „Stangenhalter" London und Paris und setzte gläubig darauf.8 Wieso die polnischen Militärs die Stärke der deutschen Wehrmacht so unterschätzten, ist schwer zu begreifen. Im Überpatriotismus wurde den polnischen Soldaten suggeriert, die deutschen Panzer wären nur aus Pappe. Wie kann man eine Hauptschlagkraft so falsch einschätzen?9

Man kann nicht sagen, dass wir - die Jugend - den Krieg heiß begrüßten, aber der Kriegsbeginn nahm uns den durch die Propaganda erzeugten Druck von der Seele. Aber es hat auch viele gegeben, auf die der Kriegsbeginn wie ein Alb gewirkt hat, besonders bei denen, die den Ersten Weltkrieg und dessen Folgen erlebt hatten.

Bruder Alfred wurde eingezogen, Bruder Hermann musste sich im Rahmen der Mobilmachung sofort stellen. Er kam zu einer mecklenburgischen Infanteriedivision, die neu aufgestellt wurde. Ansonsten traf uns der Ernst des Krieges noch nicht zu sehr. Die Siege in Polen und das Ende des 18-Tage-Krieges10 verdrängten viele Ängste.

Es erzeugte bei den meisten Deutschen und insbesondere bei der Jugend ein inneres Hochgefühl. Es lief ja alles so erfolgreich und vor allem so schnell, dass bei mir und meinen Kameraden die Angst aufkam, wir hätten eine Gelegenheit verpasst, an einem horrenden Abenteuer teilzuhaben, eine Gelegenheit, die, wie viele fürchteten, sich nicht so bald wieder ergeben würde.

Nur hier und da drangen todernste Nachrichten bis zu den einfachen Leuten durch. Die ersten Gefallenenanzeigen erschienen in der Zeitung, selten persönlich bekannt. Also in weiter, weiter Ferne! Die ersten Benachrichtigungen wurden noch durch NS-Führer persönlich überbracht. Stets begleitete die Trauernachrichten das Lob für die Opferbereitschaft für Großdeutschland. Besonders tragisch wirkte der Heldentod des Dr. Pfautsch, unseres Hausarztes aus Ludwigslust. Er fiel mit den Sanitätssoldaten und Verwundeten seines Verbandsplatzes, als dieser von versprengten polnischen Soldaten überfallen wurde.

Mit der Zeit erleichterten sich die Gemüter. Hermann kam wiederholt auf Urlaub und brachte gleich zwei bis drei Kameraden mit ... zum Durchfuttern, manchmal auch zum Arbeiten. Käsefabrikant Reinschmidt, der Mann meiner Kusine Eva Onnen, fuhr gleich mit einer Kradgruppe vor, und alle erfreuten sich eines guten Appetits ... und die Freude der Gastgeber war ebenfalls groß, konnten sie doch „als patriotische Tat" den Soldaten etwas Gutes tun. Reinschmidt selbst kam ungeschoren durch den Krieg, sicher Fakt seiner Unabkömmlichkeit bei der Produktion seines Stinkerkäses (Harzer), den besonders die Muschkoten der Ludwigsluster und Parchimer Garnison sich im erheblichem Maße zu Gemüte führen durften. Unser Hermann wusste recht übel gelaunt darüber zu berichten.

Die ersten polnischen Gefangenen trafen ein. Sie wurden als Arbeitskräfte auf den Gütern eingesetzt. Die Bauern bekamen keine, weil eine bewachte und geschlossene Unterbringung nur auf den Gütern möglich war. Aber zum Frühjahr bekamen sie doch polnische Arbeitskräfte. Auf Werbebasis (freiwillig oder auch unfreiwillig) wurden junge Polen nach Deutschland gebracht. Heute sagt man Zwangsarbeit.11 Zu uns kam ein 15/16-jähriges Mädchen, mit Namen Sophie (Zofi?), unscheinbar und ängstlich. Bei Mutter war sie in guten Händen und wurde mit viel Wohlwollen behandelt, obwohl sie wiederholt zu nationalistischen Ausfällen neigte. Darauf wurde weiter nicht reagiert, und bald war sie gut ausgefüttert und ein adrettes Mädchen geworden.

Wenig später kam dann noch ein etwa 16-jähriger Junge, recht spak und auch äußerlich vernachlässigt. Ich bekam den Auftrag, ihm die Haare zu schneiden. Dabei stellte ich fest, dass auf dem Kopf einiges herumkrabbelte. Erst nach einiger Zeit begriff ich, dass es Kopfläuse waren. Ich war sehr geschockt, hatte ich doch so etwas noch nie erlebt. Mit Beherrschung und ohne einen Ton zu sagen, führte ich die Schur zu Ende. Erregt berichtete ich Mama davon. Sie nahm den Fall nicht so tragisch, hat aber dann doch dafür gesorgt, dass die Läusegesellschaft keine Überlebenschance erhielt.

Meine Kumpels 1940 Ernst Schmitt aus Rosenhagen (gefallen), ich, Werner Fentzahn (gefallen), Horst Jahnke, Robert Engel, Bromann (gefallen/vermisst)

In der Schule verschwanden die Schüler der oberen Klassen nach und nach, mit viel Neid von uns jüngeren registriert. Als dann noch Norwegen besetzt und der Frankreichfeldzug beendet war, hegten wir trübe Gedanken. Wir hatten wirklich Angst, dass wir vom Krieg nichts mehr mitbekommen würden. Wir waren überzeugt davon, dass die Möglichkeiten heldenhafter Bewährung für uns (Jahrgang 1921/ 22)12 vorbei wären.13

Als mein Bruder Alfred auf Urlaub kam, geriet ich in Hochstimmung. Meinen Kameraden stellte ich ihn als erfahrenen Frontsoldaten vor. Aus Frankreich hatte er einen Plattenspieler und auch die Platte „Les contes d'Hofman" von Jacques Offenbach mitgebracht. Mich beeindruckte Offenbachs Musik sehr, sie brachte nicht gekannte Temperamente in Bewegung. Für uns spielte es keine Rolle, ob er Franzose oder Jude war. Die Platte wurde immer wieder aufgelegt. In der ersten Zeit nach dem Frankreichfeldzug waren solche Einkäufe in Frankreich möglich und gängig. Alfreds Berichte vom Feldzug notiere ich nicht, es ist nicht selbst Erlebtes.

Unendlich große Anziehungskraft hatte für mich eine erbeutete belgische Pistole, Fabrikat FN. FN war ein schon vor dem Krieg bekannter Fahrzeug- und Waffenhersteller. FN-Motorräder hatten den Ruf eines guten, soliden Fahrzeuges. Ich muss wohl so lange gebettelt haben, bis ich mit der Pistole einmal schießen durfte. Entsprechende Erklärung! Ein Zielgegenstand am Zaun angebracht. Dann durfte ich mit der Waffe schießen. Gezielt, Schuss - ich nehme den Arm mit der Waffe runter, da fällt noch ein Schuss. Der Schreck saß mir und auch Alfred in den Gliedern.

Ernst Hasse (SS, keine Informationen), ich, Bromann (mit einer JU52 in Stalingrad gelandet, vermisst), Robert Engel (wehrunfähig), Borchert (gefallen), Bruder Alfred (1949 verstorben), Werner Fentzahn (gefallen vor Sewastopol)

Es war natürlich eine Repetierwaffe, und beim Herunternehmen habe ich versehentlich den Abzug betätigt und der nächste Schuss hat sich gelöst. Wie leicht hätte ich mich dabei verletzen oder aber einen anderen treffen können. So etwas ist, wer weiß wie oft, passiert. Manch Unerfahrener ist dabei wegen Selbstverstümmelung oder Verletzung anderer vor ein Kriegsgericht gekommen. War der Drang nach Waffen bei uns schon eine Sucht!

Bald nach dem Frankreichfeldzug trafen die ersten französischen Kriegsgefangenen ein - für uns Jungens interessante Leute. Die Bewachung durch die Landwehrsoldaten (ältere Jahrgänge) war leger, sodass wir Kontakt aufnehmen konnten. Mit meinen Französischkenntnissen (besser: Unkenntnissen!) versuchte ich mich wichtig zu machen. Die Gefangenen waren sicher erstaunt, dass jemand sie auf Französisch ansprach. Sie waren durchaus zugänglich, ihre Antworten waren leichter zu verstehen als Sätze in Französisch zu bilden. Ich glaube, dass ich ziemlich banalen Stuss gestottert habe. Vielleicht hat sich doch der eine oder andere über meine Zuwendung gefreut, sie hatten ja auch schwere Erlebnisse zu verkraften.

Mehr oder weniger gewöhnten wir uns an den Kriegsalltag. Hatten wir schon die Kriegserklärungen Frankreichs und Englands mit Unmut zur Kenntnis genommen, so mussten wir mit Zorn die Bombardierungen durch englische Bomber miterleben. Noch waren es Stipp-Visiten, später aber die großflächigen Bombardierungen von Hamburg und Wismar. Der flammenrote Himmel war bis zu uns (Rosenhagen bei Gadebusch) sichtbar.

Der erste Kriegsinvalide, den wir zu Gesicht bekamen, war ein Sohn von Boß aus Klein Welzin. Er hatte bei den Stellungskämpfen am Westwall durch Granatsplitter einen Arm verloren. Nach seiner Genesung hatte er eine Anstellung in Schwerin bekommen, soviel ich weiß bei der Landesbauernschaft. Ich muss zugeben, und das gilt auch für viele meiner Alterskameraden, dass mir viele Sachverhalte des Krieges klar waren. Doch mit Neid sahen wir die erlebnisschwangeren Frontsoldaten - zumindest waren sie das in ihren Erzählungen. Wir harrten in versteckter inständiger Hoffnung darauf, dass uns der Krieg doch auch endlich vereinnahmen würde. Hätten wir damals schon gewusst...! Ahnungslos, zu schnell und unverblümt waren wir dann später mit der verzehrenden Fratze des Krieges konfrontiert. (Wir haben es wohl nicht anders gewollt, solch Schicksal zu ertragen und zu bewältigen oder - wie viele andere - daran zu zerschellen.)


8 Hier gibt Vater eher die Stimmung in der deutschen Bevölkerung wieder. Da die Familie aus Posen ausgewiesen worden war, war die Meinung von Polen sowieso nicht hoch. Trotz Fehler auf der polnischen Seite, die es mit Sicherheit auch gegeben hat, lag die Kriegsschuld beim Deutschen Reich. Der Krieg wurde vorsätzlich und mit dem Willen zur Vernichtung Polens herbeigeführt.

9 Vater nimmt hier Bezug auf das "Gefecht von Krojanty", wo das polnische 18. Ulanen-Regiment auf Teile der deutschen 20. Infanteriedivision traf. Aus diesem Gefecht entstand später der Mythos, dass die polnische Kavallerie vorsätzlich deutsche Panzer mit blanken Säbeln angegriffen habe. – Siehe auch Wikipedia: Gefecht von Krojanty Es kann sein, dass er sich auf Informationen beruft, die er direkt von Kameraden aus der 20. Infanteriedivision bekommen hatte.

10 Die NS-Propaganda bezeichnete Deutschlands Aggression gegen Polen als Feldzug der 18 Tage. - Hellmuth G. Dahms: Deutsche Geschichte - Der Zweite Weltkrieg. - Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1966, S. 37.

11 Als die deutschen Arbeitsverwaltungsbehörden bei der Dienstverpflichtung von Arbeitslosen und der Anwerbung von polnischen Zivilisten nicht den erhofften Erfolg hatten, der Ausfall deutscher Arbeitskräfte aber kompensiert werden musste, griffen die Besatzungsbehörden zu Einschüchterungs- und Zwangsmaßnahmen. Kinos und Schulen wurden umstellt, Razzien ganzer Stadtteile durchgeführt, für die Jahrgänge 1915 bis 1925 Arbeitspflicht in Deutschland angeordnet. – abrufbar unter http://www.zum.de/Faecher/Materialien/lehmann/dps/hintergrund/anwerbung.html

12 Die Jahrgänge 21 / 22 sind die mit am schlimmsten betroffenen Jahrgänge des Zweiten Weltkrieges. Während des Krieges sind von diesen Jahrgängen etwa 39% / 35% aller männlichen Geburten umgekommen. – abrufbar unter http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Soldat/Wehrdienst.htm

13 Der Schriftsteller Dieter Wellershoff (Träger des Heinrich-Böll-Preises) erlebte den Kriegsanfang ähnlich wie unser Vater: „Hoffentlich dauert der Krieg so lang, dass wir auch noch Soldat werden“, sagten wir damals. Wir haben den Krieg als etwas Normales verstanden. Krieg, das war der normale Ausnahmezustand im Leben der Völker. Für diesen Ausnahmezustand waren wir erzogen worden. Wir wollten uns bewähren“. - Sabine Omland: NS-Propaganda im Unterricht deutscher Schulen 1933-1943. ... - Verlag: Lit Verlag (2014) 2 Bände (Zeitgeschichte - Zeitverständnis)

Reichsarbeitsdienst

So hatte ich es dann geschafft, dass ich Ende November 1940 der Penne den Rücken kehren konnte und eingezogen wurde. Ich war damals 18 1/2 Jahre alt. Auf Grund meiner Freiwilligenmeldung wurde ich zuerst zum Reichsarbeitsdienst (RAD) eingezogen. Der RAD erfüllte im Laufe der Zeit verschiedene Funktionen. Zuerst holte er viele Arbeitslose von der Straße und für wenig Entgelt wurde manche landeskulturelle Maßnahme ausgeführt. Heimlicher, boshafter Song:

"O du schöner Arbeitsdienst,

fünfundzwanzig Pfennig ist der Reinverdienst,

ein jeder muß zum Arbeitsdienst

und dann zum Militär!"

Die Ordnung war von vornherein mit militärischem Drill aufgezogen. Die erste Zeit beim RAD war für mich sehr hart. Der Dezember zeigte schon winterliche Allüren. Marschieren war eher angenehm, man blieb warm dabei, auch wenn die Füße durch das bereits abgetragene, vom Militär abgelegte Schuhwerk leicht wund wurden. Besonders hart war das Griffekloppen mit dem Spaten. Handschuhe durften dabei nicht getragen werden, und ich habe schon immer leicht an den Fingern gefroren!

Zum ersten Mal konnte ich soldatische Freiheiten genießen. Es gab Ausgang, und da erprobten wir uns gerne auf den Tanzböden. Tanzen war wieder gestattet.

Anfang Januar mussten wir Waggons mit privaten Paketen und Bündeln entladen und einlagern. Diese stammten von Baltendeutschen, die mit Einverständnis der Sowjetunion ausgesiedelt wurden.

Beim Arbeitsdienst lernte ich zum ersten Mal Großküche, Essenfassen in der Reihe und Massenabfertigung an langen Tischen kennen. Um wohl Kultur zu beweisen, wurden Aufträge für Tischsprüche verteilt. Diese waren manchmal erhebend, oft banal und mitunter unsauber, ich will nicht sagen säuisch.

Rekrut beim Reichsarbeitsdienst

„Bescheidenheit, Bescheidenheit,

verlass mich nicht bei Tische,

und gib, dass ich zu jeder Zeit

das größte Stück erwische."

Das war noch recht harmlos!

Mehr Freiheit und körperliche Arbeit gab es dann im Februar und Anfang März in Jessenitz bei Lübtheen. Dort hatte der Arbeitsdienst bei der Errichtung des großen Marine-Depots gewirkt. Das war geräumt worden und wir mussten diese Arbeitsdienstbaracken jetzt abreißen.

Es waren serienmäßig hergestellte Bauteile aus Holz, von den in Erdreich gerammten Stützpfählen, den Fußbodenplatten und Seitenwänden bis zu den mit Teerpappe belegten Dachplatten. Die Barackenstuben boten Platz für etwa acht Doppelbetten und ein Einzelbett, gedacht für den (länger dienenden) Stubenältesten, und für einen großen Kanonenofen. Wir haben unseren Kanonenofen im Winter sehr umschwärmt und ihn immer bis zur Rotglut - Weißglut wäre übertrieben - gebracht, aber auf der einen Seite haben wir geschwitzt, auf der rückwärtigen gefroren. So blieben wir wenigsten ständig in Bewegung, weil wir uns immer drehen mussten ... wie ein „Spanferkel”!

Dann Zapfenstreich, Horngetute, mit zwei Decken ins Bett. Gegen Morgen war dann „alles Eis", was irgendetwas mit Wasser zu tun hatte. Auch die Atemfeuchtigkeit haftete gefroren am Zudeck.

Beim Abriss der Baracken in Lübtheen konnten wir Grundkenntnisse des Barackenbaus erwerben, vielleicht weit hergeholt, aber wir brauchten sie ja nicht wiederaufzubauen, wir haben die Teile nur in Waggons verladen.

Zu jener Zeit waren im Lager die Arbeitsmaiden untergebracht. Das war für uns „zukünftige Helden" noch das attraktivste. Die haben uns bei dem ganzen Zirkus noch am besten gefallen und wir hofften, wir ihnen auch. Die allergrößte Abwechslung hatten sie auch nicht, und viele waren aus Hamburg, wo bekanntlich Schüchternheit „klein" geschrieben wird. So war manches nicht zu vermeiden, aber keine Angst, wir waren erst 18/19 Jahre, also keineswegs Exzesse, nur Erfahrungen sammeln.

Die „Freiheiten“ beim Reichsarbeitsdienst in Jessenitz bei Lübtheen

Auch ich hatte dort eine kleine Liebelei mit einer Küchenfee. Immer empfehlenswert! Sie war Gastwirtstochter aus Hamburg, Lisa; was wohl aus ihr nach dem Großangriff der alliierten Luftstreitkräfte auf Hamburg geworden ist? Sie war bestimmt weiter als ich, ich glaube, dass ich ihrer Liebesauffassung doch nicht ganz genügt habe. So hat sie mir in ihrem letzten „Liebesbrief" einen, für mich gut wirkenden Denkzettel verpasst.

In meinen schriftlichen Ergüssen hatte ich nämlich mit „h“, also „nähmlich“, geschrieben, und ich bekam von ihr den Rechtschreibhinweis: „Wer nä(h)mlich mit "h" schreibt, ist dämlich.“ Doch etwas beleidigt, habe ich mich mit dem Fakt getröstet, dass dämlich letztendlich zwei Bedeutungen hat, und ich mir die Frage stellte: „Wer ist denn nun dämlich, sie oder ich!" War sie schon eine Dame oder noch nicht dämlich! Die Liebe war aus! Gar nicht herzzerbrechend! Es waren ja noch Reserven da.

Nach einem kurzen Arbeitseinsatz Ende Februar 1941 in Neddemin bei Neubrandenburg kam die Entlassung aus dem RAD. Zwei Tage zu Hause, dann erfolgte die Einberufung zur Wehrmacht.

Rekrut in Stettin

Nachrichtenausbildungskompanie Schützenregiment 2 (SR 2) nach Stettin-Kreckow. Die Ausbildungskompanien des SR 2 in Stettin hatten den soldatischen Ersatz für die Schützenregimenter 5 und 25 der 12. Panzerdivision auszubilden. In Bad Kleinen wurden „wir" aufgesammelt, dann ging es per Bahn nach Stettin und dort mit der Straßenbahn nach Kreckow zu den Kasernen. Ich kam zur Nachrichtenkompanie.

Rekrut 1941 in Stettin

Der übliche Zirkus: Stubenzuteilung, Einkleidung, Koffer mit Zivilklamotten abliefern, Schrankordnung, Bettenbau, Einteilung der Reinigungsdienste, Waffenempfang etc. etc.

Damit alles wie am Schnürchen ablief, stand uns unser zukünftiger Hilfsausbilder und zugleich Stubenältester zur Seite.

Auch empfingen wir eine Magenbinde aus Flanell und Wickelgamaschen, beides keineswegs absurde Utensilien, wie man heute annehmen möchte. Sie waren sogar sehr zweckmäßig, wie wir es später in der Praxis erproben konnten. Die Magenbinde zu tragen war Pflicht; sie hat uns bei unserer späteren „Erdverbundenheit" im Geländedienst vor manchem Magenkatarrh u.ä. bewahrt.

Während in den anderen Kompanien die Ausbildung sofort mit allem Heck und Meck begann, hatten wir eine kurze Schonzeit. Wir hatten die Eignungsprüfung für Funker zu absolvieren, und ihr Ergebnis entschied darüber, ob man Funker oder Fernsprecher wurde. All diejenigen, die akustisch nicht genügend Unterscheidungsvermögen besaßen oder sich zu „doof" anstellten, wurden Fernsprecher, die anderen Funker - ein gewisses Privileg, wie sich bald herausstellte.

Meine Gruppe, etwa 10 bis 12 Mann, erhielt als Ausbilder einen Unteroffizier Wuensche aus dem Ruhrgebiet, ein durch Einberufung verhinderter Student. Er war intelligent, human und kein exakter Soldat, aber ein guter Funkausbilder. Trotzdem stellte er in der Ausbildung hohe Anforderungen und hat uns eine sehr gute Funkausbildung vermittelt. Da er in der Kompanie auch seine Position halten musste, hatte er uns bald eine konforme Dienstauffassung beigebracht: In der Öffentlichkeit und bei Observierung durch Offiziere etc. herrschte Zackigkeit bis zur Vergasung, wie wir sagten. Dann aber unter uns körperliche Schonung, aber nie auf dem Gebiet der Funkausbildung, da war stets hohe Betriebsamkeit, was uns durchaus gut gefiel.

Wir hatten sogar eine bestimmte Q-Gruppe, „qnz“, das hieß für uns: „Feind in Sicht", gebildet aus dem Namen des Kompaniechefs Oblt. Koinzak, der gern unvorgesehen die Ausbildung kontrollierte.14

Mit Kameraden aus der Ausbildungskompanie

Für Verschlüsselungsunterlagen galt strenge Geheimhaltung, sie wechselten täglich und wurden von der höheren Dienststelle immer nur kurzfristig im Voraus an die Funkstellen ausgeliefert.

Funkausbildung, Schießausbildung, Gasausbildung, Exerzieren, Geländedienst, Märsche, Revierdienst (Saubermachen der Flure, sanitären Einrichtungen, Unterrichtsräume, Treppen, Vorgelände der Kaserne etc.), Stubendienst, Waffenreinigen, Putz- und Flickstunde, so sorgte eine ununterbrochene Folge von Maßnahmen dafür, dass wir nicht viel Ruhe hatten. Aber der Sonnabendnachmittag und der Sonntag war den Kommiss heilig, da gab es keinen Dienst, es sei denn, jemand hatte etwas „ausgefressen".

Unsere Fernsprecher waren mit Ausbilder Uffz. Waechtler schlechter dran als wir Funker. Waechtler war seinem Naturell nach ein Sadist, und bemühte sich, seine Autorität durch „Schleifen" der Soldaten zu beweisen. Bei solcher Führung machten einige Rekruten in ihrer Angst manches schlecht, z.T. sogar falsch. Dann hagelte es Schleifen und Anwartschaft auf Strafdienst. Zum Strafdienst wurden die Kandidaten für die Woche auf einer Strafliste gesammelt, und diese wurden dann am Sonnabendnachmittag geschliffen, gehetzt und durch den Dreck gejagt, anschließend nach ca. ½ Stunde Waffen- und Uniform-Appell. Wehe dem, der versagte, der war schon wieder Kandidat für den nächsten Strafdienst. Meist traf es immer dieselben. Der Härtegrad des Strafdienstes war sehr abhängig von der Willkür bzw. Humanität des befehlshabenden Unteroffiziers und des beaufsichtigenden Offiziers. Der Schein des Rechts musste gewahrt werden, deshalb war dazu stets die Anwesenheit eines Offiziers erforderlich.

Ich selbst kam relativ schnell aus dieser Schusslinie. Aus wer weiß welchen Gründen hatte mich Uffz. Waechtler zu seinem Burschen gemacht, gerade der, der von allen Rekruten gehasst und verachtet und ob seiner heiser-krächzenden Stimme als Hamburger Marktschreier bewitzelt wurde.

Mir war dabei recht mulmig zumute. Trotzdem musste ich den Posten, ob ich wollte oder nicht, übernehmen. Es sollte dem Burschen sogar ein Handgeld gezahlt werden, auf jeden Fall ein ganz unbedeutendes, so dass ich vergessen habe, ob ich solches bekommen habe oder nicht. Jedenfalls war ich bemüht, meine Aufgabe so gut wie möglich zu erfüllen, wie Kaffeebringen, Stubenreinigen, Stiefelputzen, Bettenmachen u.a.

Am meisten hat ihn wohl meine Kunst beeindruckt, scharfe Bügelfalten ohne Bügeleisen in die Hosen zu bringen. Die reichlich zellstoffhaltigen Hosen reagierten auf Plätten mit Bügeleisen mit immer größer werdenden „Kniebeulen" und Nichtbeständigkeit der Falten. Ich dagegen legte die leicht angefeuchtete Hose fassongerecht zwischen Decken in mein Bett, und am nächsten Morgen kam eine glatte Hose ohne Kniebeulen und mit scharfen Kanten zum Vorschein. Mein Uffz. war stolz darauf, dass er solche Hosen präsentiert bekam. So war ich in der Obhut des gefürchteten „Himmelhundes" gefeit gegen alle Schikanen der anderen Chargen und Diensthabenden, wie GvD, UvD und OvD15.

Nicht alle Chargen, die streng waren, waren schlecht, so beispielsweise der Feldwebel Koch. Er hatte als OvD auf unserer Stube einen Rekruten geschnappt, der vergessen hatte, sein Spind abzuschließen. Hat er den armen Kerl fertiggemacht! Seitdem war er bei uns unbeliebt und gefürchtet. 1945 habe ich ihn dann auf dem Rückzug als Frontsoldat kennengelernt. Er war bis ins letzte korrekt, ehrlich und diszipliniert, kameradschaftlich und ein befähigter Unterführer.

Ich muss zugeben, dass ich durch mein Frontsoldaten-Dasein viel an Akkuratesse eingebüßt habe. Auf den Rückzug hatte ich alles, was lästig war, wie Gasmaske, Gasplane, Stahlhelm (im Winter trugen wir auch in Kampfhandlungen nur die Pelzmützen) u.a. auf dem Trosswagen verstaut, welchen wir leider nie wiedergesehen haben. Wir waren so beweglicher und gefechtsbereiter.

Feldwebel Koch dagegen bewältigte den ganzen Rückzug in vollständiger und exakter Montur, aber nie uns andere rügend. Er war eben soldatisch korrekt, er konnte nicht anders. Sein Ausfall während unserer Rekrutenzeit mag in seinem Wissen um Kameradendiebstahl begründet gewesen, für ihn wohl die größte Widerwärtigkeit im Soldatenleben.

Stabsfeldwebel Koch 1944

In unserem Rekrutenleben hatten wir uns mit der Zeit an die Last der Funkgeräte gewöhnt. Die Fernsprecher hatten es schwerer, Tragegerät mit Kabeltrommel auf dem Buckel, dazu das Gerät zum Kabelverlegen, Gewehr, Spaten, eigenes Gepäck. Sie wurden körperlich sehr belastet. Bei Übungsende packten wir unsere Funksachen zusammen und waren abmarschbereit. Die Fernsprecher dagegen mussten ihre Leitungen und Sprechstellen erst abbauen.

Truppenübungsplatz Groß Born/Pommern

Meine Burschenstelle war ich wieder los, als wir nach wenigen Wochen zum Truppenübungsplatz Groß Born/Pommern umgesetzt wurden. Im Juni 1941 kamen neue Rekruten, wir bekamen neue Gruppenführer bzw. Ausbilder. Unser war ein recht zackiger Gefreiter, schon ein älterer „Hase", von Beruf Uhrmacher und ohne Frage befähigt. Er wollte aber gern in der Dienstgradleiter weiterkommen. Solche Leute sind für den gemeinen Soldaten immer gefährlich. An der Front waren uns die Offiziere widerlich, die „Halsschmerzen" hatten, die hinter dem Ritterkreuz her waren. Halsschmerzen wurde dann verallgemeinert auf alle die übertragen, die hinter Orden her waren.

Der Sommer gab seinen Einstand, und bei dem Sand und unserem neuen Ausbilder haben wir manche Schweißtropfen lassen müssen. Aber bald harmonierten wir besser. Die gemeinsame Perspektive „Fronttruppe" kam näher.

Da wurde so mancher friedlicher! Er hatte wohl schon bestimmte Fronterfahrung und ließ sich aus gemachter Erfahrung nicht zu ausfälligen Handlungen verleiten. „Da vorn" geht es eben anders zu! Ich war wegen einer banalen Dienstverletzung von einem Offizier geschnappt worden. Dieser befahl mir, mich deswegen beim Spieß zu melden. Weil mir die Sache zu dumm war, habe ich das nicht gemacht. Nun war ich in der nächsten Zeit stets gegenwärtig, dass der Spieß nachfassen würde. Die Sache verzog sich alsbald, es fanden die KV-Untersuchungen16 statt, berühmt nach der oft zitierten Devise: „KV - der Nächste!"

Ich habe von dem sehr weisen und über allen Dingen stehenden, älteren Militärarzt einen mehrmals wiederholten Ausspruch behalten:

„Rasch tritt der Tod den Menschen an!"17

Was wollte er damit sagen? Warnung? Bewusstmachen unserer Nichtigkeit, unserer unmittelbaren Zukunft? Oder war es ketzerisches Aufbegehren? Sicher wusste er genau, was das Soldatenschicksal bereithielt. Ich glaube mehr, es war eine nihilistische Äußerung, eine Ohnmachtserklärung bei der Pflicht, das Schlachtvieh zu sortieren!


14 Q-Gruppen sind eine Dreier-Buchstabengruppe, die stets mit Q begann, und diente der Übermittlung von Standardnachrichten, die schnell und bündig, nach einer Tabelle verschlüsselt, der Gegenstelle gesendet und dort nach dieser Tabelle wieder schnell entschlüsselt werden konnte.

15 GvD/UvD/OvD – Gefreiter / Unteroffizier / Offizier vom Dienst

16 KV - kriegsverwendungsfähig

17 Rasch tritt der Tod den Menschen an,
Es ist ihm keine Frist gegeben,
Es stürzt ihn mitten in der Bahn,
Es reißt ihn fort vom vollen Leben,
Bereit oder nicht, zu gehen,
Er muss vor seinen Richter stehen!
Aus: Wilhelm Tell IV,3 / Barmherzige Brüder von Friedrich Schiller

Der „Neue“

Neueinkleidung ... und bei hochsommerlichem Wetter ging es per Sammeltransport zur Front. Von den Rekruten-Kameraden kamen drei Funker mit, dabei Oberschütze Schönberg, Abiturient aus Thüringen. Er war zuvor Hilfsausbilder in der Garnison gewesen, wurde aber sofort an die Front versetzt, als ihm ein militärischer Schnitzer passierte. Der Transport erfolgte zunächst per Bahn. In unserem Abteil waren drei Jungärzte, gerade von der Uni gekommen und sofort eingezogen! Sie wurden als Offiziersanwärter (med. Laufbahn) zur Frontbewährung zu den Infanteriekompanien unserer Einheit versetzt. Uns Soldaten mit den gleichen Heldentod-Perspektiven schien solch ein Einsatzrisiko nach so langer medizinischer Ausbildung überzogen. Die Chancen für die Weiterführung der Laufbahn waren höchstens fifty/fifty. Aber in ihrer soldatischen Gläubigkeit sahen die Drei ihre Zukunft recht optimistisch. Bei uns war es im Grunde ja auch so.

Per Bahn ging es durch den ehemaligen polnischen Korridor über Ostpreußen zu einem Sammelpunkt an der Ostgrenze. Kurzer Aufenthalt, dann wurden wir zur Weiterbeförderung an die Transportkompanie der 12. Panzerdivision überstellt. Zum ersten Mal wurden wir mit dem taktischen Zeichen der 12. PD bekannt, der Mercedes-Stern.18 So wussten wir, welche Fahrzeuge zu unserer Division gehörten. Das war sehr wichtig, weil wir die richtigen aus all den Hunderten von Fahrzeugen heraus- und wiederzufinden hatten. Inzwischen war es sehr heiß geworden. Wir lagen zu dritt hinten auf einem Laster, der bis oben hin mit Mehlsäcken beladen war. Bis zur Abdeckplane war nicht einmal ein Meter Zwischenraum. So fuhren wir durch die baltischen Staaten nach Russland. Bei einem Halt haben wir sogar in der Düna gebadet.

Auf einem Feldflugplatz standen eroberte russische Bombenflugzeuge.19 Einige waren in einem Zustand, dass man sie besichtigen konnte. Wir bestaunen und untersuchen sie. In der Enge des Kampfflugzeuges dachte ich heimlich für mich, dass in einem solchen engen und abgeschlossenen Raum leicht Platzangst aufkommen kann. An so etwas hatte ich zuvor in meiner Begeisterung für die Fliegerei nie gedacht. Es waren intensive Sinneseindrücke, die mir Jahrzehnte später bei der Besichtigung des U-Bootes in Laboe wieder hochkamen.

Mein Unternehmergeist war am Abend des zweiten Tages dahin; ich wurde bei der Hitze und dem Geschaukel des LKW regelrecht „seekrank". Ich habe geko..., mich übergeben ... wie ein Reiher. Der nächste Tag war eine große Qual.

Dann hatten wir das Ziel in der Nähe von Smolensk erreicht. Wir waren bei unserer Division (zweite Juli-Hälfte 1941). Trossfahrzeuge brachten uns zum Schützenregiment 25. Oberschütze Schönberg und ich kamen zum 1. Bataillon des Regimentes (I/SR 25), der dritte von uns kam zum II/SR 25.20 Wir waren als Reservefunker angefordert, ich als fünftes Besatzungsmitglied auf den Funkwagen (Kfz 17 – sogenannter Panzerfunktrupp). Das Fahrzeug war eigentlich nur für einen Fahrer, einen Funktruppführer und zwei Funker ausgelegt. Entsprechend beengt waren die Platzverhältnisse auf der hinteren Bank. Die Station war eine 30 Watt-Funkstelle, also eine Funkapparatur mit recht hoher Sendestärke. Mein Mit-Neuling, Oberschütze Schönberg kam zur Gegenstelle, ebenfalls eine 30 Watt-Funkstelle in einem dafür umgebauten Fahrzeug.

Diese Funkstellen waren wenig störanfällig und ihre Reichweite war beachtlich. Das hatte Nachteile in Frontnähe, da sie sehr leicht anzupeilen waren und so Anziehungspunkt für die feindliche Artillerie war. Die Russen hatten, wie wir bitter erfahren mussten, gute Peilfunker und entsprechende Feuerleitverbindung zur gut schießenden Artillerie, deren Feuerkraft von uns nie unterschätzt wurde. Als Gegenmaßnahme hatten wir sehr genau festgelegte, stets wechselnde Zeiten des Funkbetriebes und der Funkstille. Bei längerem Stellungsaufenthalt hatten wir dann Funkstille zu halten. Die Nachrichtenverbindungen wurden dann vornehmlich per Fernsprecher getätigt. Die Funkstation war für uns kein Problem, auch nicht die Berta- und Dora-Geräte (tragbare Tornisterfunkgeräte). Nach kurzer Einweisung hatten wir alles im Griff.

Meinen Funkdienst versah ich mit soldatischer Hingabe. Ohne Vorbereitung und Einweisung wurden wir Neuen für Fernsprechdienste, insbesondere die Vermittlungsdienste eingeteilt. Seltener hatten wir die Bautrupps zu unterstützen, die die Fernsprechleitungen zu legen und die Sprechstellen einzurichten hatten. Die standardisierten Ansagen und der Gebrauch der Decknamen waren uns schnell geläufig, aber der „Umgangston" bei Gesprächen lag mir zu Anfang nicht so, wie ich es mir wohl wünschte. Besonders im Gespräch mit höheren Offizieren hatte ich zuerst Hemmungen. Aber bald war der Vermittlungsdienst Gewohnheit, Routine stellte sich ein, man wurde kühl und gelassen. Dazu trug auch bei, dass ich bemerkte, die meisten Offiziere bemühten sich mit den Fernsprechsoldaten, besonders mit denen an der Vermittlung gut auszukommen, weil sie sehr wohl von ihrer Abhängigkeit auf diesem Gebiet wussten. Frechlinge erhielten von den Fernsprechern bei der nächsten Gelegenheit, die meist nicht lange auf sich warten ließ, deftige Abfuhren.

Funkausbildung am Berta-Gerät in Kalisch 1943

Wie Buschfunk ging die Information über solche Leute durch die Staffel, und gegen so eine Einigkeit kamen auch höhere Chargen nicht an. Dabei ist zu sagen, dass eigentlich solche Hochnäsigkeit bei unseren Offizieren nicht vorkam, eher schon bei den „neuen Offizieren". Aber die Nachrichtensoldaten waren auch um ein gutes Verhältnis bemüht. Deshalb war Höflichkeit bei Ferngesprächen auf beiden Seiten mit „bitte" u.ä. Usus. Aber Neulinge erkannten die Herren sofort, und schon stellten sie mehr oder weniger unübliche Forderungen.

Bei mir hat es eine Weile gedauert, bis ich ruhig und abgeklärt meinen Dienst absolvieren konnte. Hier habe ich eine Grundregel für das Fernsprechen/Telefonieren gelernt. Als Angerufener und bei Anruf eines anderen Gesprächspartners hat man sich exakt vorzustellen. Das gilt auch im zivilen Fernsprechverkehr. Ich habe in meinem Leben beruflich und privat viel telefonieren müssen, und immer wieder habe ich feststellen müssen, dass viele Telefonpartner diese wichtige Regel nicht beherrschten. Mit „Hallo" glauben viele, die Sprechverbindung hergestellt zu haben, und wer „Hallo" ist, das muss der andere doch gleich wissen! (Der Ruf „Hallo" war bei den Fernsprechern direkt verpönt!)

Die Fernsprecher waren stärker belastet als der Rest der Nachrichtenstaffel. Deshalb setzte der Staffelführer uns Funker, die oft zur Funkstille verurteilt waren, zur Entlastung der Fernsprecher ein. Solange noch genügend Fernsprechsoldaten Dienst taten, wurden wir wenig zum Leitungsbau und zum Dienst an den Sprechstellen eingeteilt. Da mehr und mehr „Strippenzieher" ausfielen, wurden zunehmend wir Funker eingesetzt; anfangs nur zum Lastentragen, später als Fernsprecher. Der Staffelführer fand bald heraus, welche besonderen Qualitäten der einzelne hatte. Vor allem die Störungssuche war aktuell, und zu Recht oder Unrecht gerieten Offiziere in Ungeduld und Rage, wenn keine Verbindungen vorhanden waren. Ich selbst hatte wohl eine gute Nase, Störstellen zu finden, deshalb war ich nebendienstlich fast immer für bestimmte Leitungen zuständig, ein Dienst, den ich zeitlich fast mehr als Funkdienst auszuüben hatte. Dabei war Störungssuche beileibe kein Possenspiel. Oft lief die Leitung über einsehbares Gelände. Gewehr- und Maschinengewehrfeuer und Granatwerfer- und Artillerieschläge waren an der Tagesordnung.

Ekelhaft waren die Scharfschützen. Als Störungssucher konnten wir nicht weglaufen, denn wir mussten der Leitung folgen, egal wo die Störstelle sich befand. Sie musste geflickt werden - so oder so. Nur mit schnellen Bewegungen konnten wir die Störstelle finden und im Liegen dann beseitigen. Gerade im ersten Kriegsjahr hatten die Störungssucher es häufig mit versprengten Feinden zu tun, die unverhofft auftauchten und recht gefährlich wurden.

Den restlichen russischen Sommer, etwa bis Ende August 1941, verbrachten wir mit der Abwehr russischer Angriffe an der Rollbahn zwischen Smolensk und Wjasma Richtung Moskau21