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Inhalt

Der Kosmos-Farbcode teilt die Vögel in sechs Gruppen ein, die neben untereinander verwandten Arten auch ähnliche Familien enthalten.

Wasservögel (Taucher, Enten)

Greifvögel

Schreitvögel (Reiher, Hühner, Rallen, Kraniche)

Watvögel (Limikolen, Möwen)

Tauben bis Spechte

Singvögel

Hilfreiche Fachbegriffe im Bild

Vogelarten zum Größenvergleich

Eier im Größenvergleich

Impressum

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Faszinierende Vogelwelt

Wenngleich die Vogelwelt Europas im Vergleich zu tropischen Gebieten in Südamerika, Afrika und Asien weniger artenreich ist, so ist sie doch gerade in Mitteleuropa auf kleinem Raum recht vielfältig. Grund dafür ist das vom Menschen geschaffene Mosaik aus Lebensräumen, in denen ganz verschiedene Vogelarten ein Zuhause finden. In annähernd ursprünglichem Zustand befinden sich bei uns nur noch die höchsten Regionen der Alpen und das Wattenmeer an der Nordseeküste. Die dazwischen liegenden Gebiete waren einst von endlosen Wäldern bedeckt, doch mit der Rodung der Wälder und der Nutzung der frei gewordenen Flächen als Acker- und Weideland veränderten die Menschen die Landschaft stark. Dies machte sich auch in der Vogelwelt bemerkbar, denn die ursprünglich in Mitteleuropa lebenden Waldvögel erhielten nun Gesellschaft von Steppenvögeln aus Südosteuropa und Vorderasien (z. B. der Feldlerche), die die neu geschaffene »Kultursteppe« besiedelten. Zugleich wuchsen die Siedlungen des Menschen zu großen, künstlichen Felslandschaften heran, in die Gebirgsvögel wie Hausrotschwanz und Mauersegler einwanderten. Die artenreichsten Vogellebensräume sind heute sogar Gärten und Parks in unmittelbarer Nähe des Menschen, denn hier treffen in Bäumen lebende Waldvögel, Gebüsche bevorzugende Vögel der halboffenen Landschaft und die genannten Felsbewohner aufeinander. Ein wechselhaftes Schicksal teilen diejenigen Vögel, die an Seen und Flüssen oder in Sümpfen und Mooren leben. Einerseits verloren sie viele ihrer Lebensräume durch Trockenlegung, Begradigung, Eindeichung oder Abtorfung, andererseits profitieren viele von künstlichen Gewässern wie Kiesgruben und Baggerseen. Durch starke touristische Nutzung vieler Gewässer sind aber gerade viele Wasservogelarten heute in ihrem Bestand gefährdet.

Als Kulturfolger brütet der Weißstorch in Dörfern und sucht auf Wiesen und Äckern nach Nahrung.
Foto: Zeininger

VOGELZUG

Ein typisches Merkmal der mitteleuropäischen Vogelwelt ist der Vogelzug. Besonders Vögel, die sich von Insekten ernähren, finden bei uns vom Herbst bis zum Frühjahr nicht genügend Nahrung. Sie machen sich deshalb im Spätsommer oder Herbst auf den Weg nach Süden, um im Winter den Nahrungsreichtum der Gebiete rund um das Mittelmeer oder in Westafrika zu nutzen. Einige Arten wie Weißstorch, Neuntöter und Rauchschwalbe ziehen sogar bis ins südliche Afrika. Alle kehren sie jedoch zwischen März und Mai in ihre Brutgebiete zurück. Um den Zug über etliche tausend Kilometer zu überleben, haben sich Zugvögel in vieler Hinsicht an die große Herausforderung angepasst. Dazu gehört neben der Fähigkeit, sich mithilfe von Sonnenstand, Sternen und Erdmagnetfeld zu orientieren, ganz besonders das »Auftanken« vor einem langen Flug: An günstigen, nahrungsreichen Plätzen fressen sie weit mehr als ihren täglichen Bedarf und speichern am Bauch eine dicke Fettschicht als »Treibstoff«. Dieser ist vor allem dann unentbehrlich, wenn große Meeresgebiete (z. B. das Mittelmeer) oder die 3000 km breite Sahara überflogen werden müssen. Denn weder im Meer noch in der Wüste finden Zugvögel Nahrung und würden ohne zuvor angelegte Fettvorräte zugrunde gehen.

VÖGEL, DIE BEI UNS ÜBERWINTERN

Im Gegensatz zu diesen Zugvögeln stehen besonders Vogelarten, die vor allem Pflanzensamen zu sich nehmen. Sie verlassen ihr Brutgebiet im Winter nicht oder streifen nur in der näheren Umgebung umher. Zu diesen Standvögeln stoßen ab dem Herbst auch Vögel, die in Nord- und Osteuropa brüten, zum Überwintern aber unsere Gefilde aufsuchen. Viele dieser Vögel besuchen in der kalten Jahreszeit Futterstellen mit ausgelegtem Körnerfutter. Solche Futterhäuschen sind ein guter Ansatzpunkt, um Vögel zu beobachten und kennen zu lernen. In ähnlicher Weise kann man auch im Sommer Vögel in den eigenen Garten locken, weil ihnen eine Schale mit Wasser als Tränke oder Badestätte willkommen ist. Fütterungen sollten aber auf kalte oder schneereiche Perioden im Winter beschränkt bleiben.

VÖGEL BEOBACHTEN

Ein fast unerlässliches Hilfsmittel beim Beobachten der Vögel ist das Fernglas, das es uns erlaubt, auch aus größerer Entfernung Details des Federkleids oder die Form und Färbung von Schnabel oder Beinen zu erkennen – allesamt wichtige Aspekte bei der Bestimmung. Im Fachhandel wird jeder nach eingehender Beratung das richtige Modell für sich finden. Mit einem Fernglas ausgestattet, bieten sich Exkursionen in alle Lebensräume unserer Umgebung an, denn Vögel gibt es fast überall. Besonders Parks sind für den Anfänger zu empfehlen, da die dort beheimateten Vögel meist gut an Menschen gewöhnt und deshalb weniger scheu sind. Im Gegensatz dazu kann es im Wald schwierig sein, versteckt in den Baumkronen umherturnende Vögel zu entdecken. Als recht vogelreich haben sich in vielen Großstädten alte Friedhöfe erwiesen, auf denen Wald- und Parkvögel vorkommen. Auf Feldern und Wiesen gibt es zwar meist weniger Vogelarten, doch lässt die Offenheit der Landschaft dort eingehende Beobachtungen des Verhaltens auch aus größerer Entfernung zu. Als besonders spektakulär gilt vielfach die Vogelwelt an Gewässern und an den Meeresküsten. Hier stehen die interessantesten Gebiete zum Glück unter Naturschutz und dürfen nur auf gekennzeichneten Wegen betreten werden. Vielerorts bieten aber Naturschutzorganisationen vogelkundliche Führungen unter der Leitung fachkundiger Ornithologen an. Solche geführten Exkursionen sind Einsteigern in die Vogelkunde allemal zu empfehlen. Auch Wanderungen zum Erlernen der Vogelstimmen gibt es fast überall; sie sind eine hilfreiche Ergänzung. Denn neben dem optischen Eindruck sind es oft besonders die Gesänge und Rufe, mit deren Hilfe man Vögel richtig bestimmen kann.

ARTENSTECKBRIEFE

In diesem Buch werden die wichtigsten und häufigsten Vogelarten, die in Mitteleuropa beheimatet sind, in Wort und Bild vorgestellt. Während die Fotos den Gesamteindruck eines Vogels und die Färbung von Gefieder, Schnabel und Beinen authentisch wiedergeben, wird im Text auf die bei der Bestimmung benötigten Merkmale hingewiesen. Besonders wichtige Kennzeichen sind bei jeder Art stichwortartig in einem Kästchen zusammengefasst und erlauben einen schnelleren Überblick. An gleicher Stelle ist bei Zugvögeln angegeben, in welchem Zeitraum sie bei uns anzutreffen sind. Sowohl bei der Bestimmung der Vögel als auch bei der Vorbereitung von Exkursionen ist es gut zu wissen, welche Vogelarten in welchen Lebensräumen zu erwarten sind. Im Text sind deshalb unter der Rubrik VORKOMMEN auch die von den jeweiligen Vögeln bewohnten Lebensräume genannt. Unter WISSENSWERTES werden schließlich bei jeder Art einige interessante Details ihrer Lebensweise aufgeführt – als erster Einblick in die Biologie der Vögel. Schnell wird dadurch deutlich, wie unterschiedlich sich die verschiedenen Arten verhalten und an ihre jeweiligen Lebensumstände angepasst sind.

Typisch für Enten: Auch beim Gänsesäger sorgt nur das Weibchen für die Jungen.
Foto: Grüner

ZUM AUFBAU DES BUCHES

Entsprechend ihrer Entwicklungsgeschichte sind die vielen Vogelarten unterschiedlich nah miteinander verwandt. Meistens lässt sich dies schon an Äußerlichkeiten gut erkennen. So haben z. B. alle Arten aus der Familie der Greifvögel einen spitzen Hakenschnabel und kräftige Füße mit scharfen Krallen – auch wenn Gestalt und Gefiederfärbung stark voneinander abweichen können. Die Ähnlichkeit nahe verwandter Arten wird ausgenutzt, um sie in Bestimmungsbüchern nebeneinander darzustellen und damit direkte Vergleiche ohne langes Blättern zu ermöglichen – so auch in diesem Buch. Es wurden sechs farblich gekennzeichnete Gruppen gebildet, die neben untereinander verwandten Arten auch ähnliche Familien enthalten: Die Wasservögel mit Tauchern und Entenvögeln, die Greifvögel, die meist langbeinigen Schreitvögel (Reiher, Kranich, Hühner, Rallen), die Watvögel (Schnepfenvögel und Möwen), diverse kleinere Familien inklusive Tauben, Eulen und Spechte sowie alle Singvögel. Und nun viel Freude beim Kennenlernen der heimischen Vogelwelt!

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Wasservögel (Taucher, Enten)

Zwergtaucher

— Tachybaptus ruficollis

Foto: Delpho

MERKMALE Länge 23–29 cm. Winziger, kompakter Tauchvogel mit kurzem, dickem Schnabel. Im Prachtkleid schwärzlich mit kastanienbraunem Hals und gelbem Fleck am Schnabelansatz, Schnabel schwarz; im Schlichtkleid blassbraun mit dunkler Oberseite und Kopfplatte sowie blassgelbem Schnabel. VORKOMMEN Brütet an kleinen Binnengewässern, im Winter auch auf Flüssen. WISSENSWERTES Obwohl sie sich häufig in der dichten Ufervegetation verbergen, machen sich Zwergtaucher-Paare am Brutplatz oft durch ein lautstarkes »Trillerduett« bemerkbar.

Wasservögel (Taucher, Enten)

Rothalstaucher

— Podiceps grisegena

Foto: Wernicke

MERKMALE Länge 40–46 cm. Im Pracht-kleid dunkler Rücken, rotbrauner Hals, silbergraue Kopfseiten und schwarze Kopfplatte; im Schlichtkleid insgesamt blasser und Hals nur unmerklich rotbraun; Schnabel schwarz mit gelber Basis. VORKOMMEN Brütet in der Verlandungszone von kleinen bis mittelgroßen Binnengewässern in Norddeutschland, im Winter vor allem auf dem Meer und auf größeren Seen. WISSENSWERTES Diese Wasservögel tauchen meist 10–30 Sek. lang nach Fischen, Wasserinsekten und Krebsen. Neben quäkenden und keckernden Rufen enthält das Stimmrepertoire auch ein pferdeartiges Wiehern.

Wasservögel (Taucher, Enten)

Haubentaucher

— Podiceps cristatus

Foto: Höfer

MERKMALE Länge 46–51 cm. Ein heller, langhalsiger Taucher; im Brutkleid mit typischer schwarz-brauner Federhaube; im Schlichtkleid unscheinbar und mit schwarzer Kopfkappe; Schnabel im Sommer schwarz, im Winter rosa. VORKOMMEN Brütet im Uferbewuchs stehender Binnengewässer, bevorzugt an größeren Seen. Außerhalb der Brutzeit auch an der Küste. WISSENSWERTES Bei der auffälligen Balzzeremonie schwimmen Männchen und Weibchen direkt aufeinander zu, schütteln die Köpfe, präsentieren Pflanzenmaterial und nehmen verschiedene Posen ein. Das schwimmende Nest ist an Wasserpflanzen verankert.

Wasservögel (Taucher, Enten)

Eissturmvogel

— Fulmarus glacialis

Foto: Zeininger

MERKMALE Länge 43–52 cm. Plumper Vogel mit langen Flügeln; Oberflügel und Rücken grau, sonst weiß; Schnabel mit röhrenförmiger Nasenöffnung. VORKOMMEN Hochseevogel, der nur zum Brüten an steile Felsküsten kommt. Lebt in Deutschland nur auf Helgoland. WISSENSWERTES Häufigste Hochseevögel der Nordsee, folgen oft zu Tausenden den Fischkuttern nach. Als Verwandte der Albatrosse sind Eissturmvögel auch in sturmgepeitschter See äußerst fluggewandt. Sie brüten erst im Alter von neun Jahren und legen im Jahr nur ein Ei, werden dafür aber über 30 Jahre alt.

Wasservögel (Taucher, Enten)

Basstölpel

— Morus bassanus

Foto: Höfer

MERKMALE Länge 85–97 cm. Größter Seevogel im Nordatlantik. Altvögel leuchtend weiß mit schwarzen Flügelspitzen, gelbem Kopf und dolchartigem grauen Schnabel. Die Jungvögel sind anfangs dunkelbraun und nähern sich im Verlauf von fünf Jahren langsam dem Alterskleid an. VORKOMMEN Lebt die meiste Zeit auf offener See und brütet in wenigen Kolonien an Felsküsten. In Deutschland nur auf Helgoland. WISSENSWERTES Basstölpel ernähren sich von Fischen, die sie durch das typische spektakuläre Stoßtauchen erbeuten. Auf Felssimsen bauen sie ihre Nester aus Tang und verwenden dabei gelegentlich auch Reste von Fischernetzen.

Wasservögel (Taucher, Enten)

Kormoran

— Phalacrocorax carbo

Foto: Höfer

MERKMALE Länge 77–94 cm. Großer, überwiegend schwarzer Wasservogel (»Seerabe«). Zur Brutzeit mit weißen Flecken an Kopf und Beinen; kräftiger Schnabel; Jungvögel braun mit hellem Bauch. VORKOMMEN Häufig an Meeresküsten und größeren Binnengewässern. Brütet in Kolonien, die sich meist in hohen Bäumen befinden. WISSENSWERTES Weil Kormorane ihr Gefieder nicht wie andere Wasservögel mit Bürzelfett imprägnieren können, trocknen sie sich in der typischen Haltung mit ausgebreiteten Flügeln. Auf dem abendlichen Weg zu den Schlafplätzen und auf dem Zug fliegen sie oft in gänseartigen Formationen.

Wasservögel (Taucher, Enten)

Höckerschwan

— Cygnus olor

Foto: Cramm

MERKMALE Länge 140–160 cm. Großer weißer Schwimmvogel mit auffallend langem, meist gebogen gehaltenem Hals; Schnabel orange mit schwarzem Höcker; Jungvögel bräunlich. VORKOMMEN Ganzjährig an der Ostseeküste und an Binnengewässern, auch in Parks. WISSENSWERTES Höckerschwäne brüten auf großen, meist aus Schilfhalmen gebauten Nesthügeln. Sie verteidigen ihren Brutplatz bzw. Nachwuchs gegen Artgenossen und sogar gegen Menschen heftig. Im Flug erzeugt der Luftzug durch die Schwingen ein charakteristisches Pfeifen.