Brehm's Thierleben: Die Säugethiere 1

»Wir hatten unweit des linken Ufers Asrat einen Regenteich aufgefunden, welcher vom Strome während seines Hochstandes gefüllt worden und noch bei unserer Ankunft im Februar ziemlich wasserreich war. Außer einer Menge von Vögeln lebten in ihm auch Krokodile und mehrere Flußpferde mit ihren Sprößlingen. Wahrscheinlich hatten letztere die noch ihre kleinen und verhältnismäßig niedlichen Jungen in ihm zur Welt gebracht; wenigstens schien mir der stille, ruhige, rings von Wäldern und an einer Seite sogar von Feldern eingefaßte See zu einem Wochenbette für Nilpferde wohl geeignet. Unsere Aufmerksamkeit und Jagdlust fesselten vorzüglich die Schlangenhalsvögel, obgleich wir, um auf diese geschickten Taucher feuern zu können, oft bis tief an die Brust in das Wasser waten mußten – trotz der Krokodile und Nilpferde, um welche wir uns heute gar nicht kümmerten. Mein Jäger Tomboldo, welcher die Jagd in Vater Adams Kleidung ausführte, hatte eben den vierten Schlangenhalsvogel glücklich durch den Hals getroffen und watete auf ihn zu, um ihn aufzufischen. Da schreit plötzlich vom anderen Ufer her ein Sudaner laut auf und winkt und geberdet sich wie toll; Tomboldo schaut sich um und sieht ein wuthschnaufendes Nilpferd mit mächtigen Sätzen auf sich losstürmen. Das Vieh hat bereits festen Grund unter den Füßen und jagt wie ein angeschossener Eber durch die Fluten; der Nubier ergreift in Todesangst die Flucht und erreicht, bis zum Uferrande von seinem furchtbaren Feinde verfolgt, glücklich den Wald. Ich war mit meiner trefflichen, leider aber bloß leichte Kugeln schießenden Büchse dem treuen, höchst brauchbaren Diener zu Hülfe geeilt und fand ihn im Gebete und stöhnend auf der Erde liegen: ›La il laha il Allah, Mahammed rassuhl Allah! – Es gibt nur einen Gott, und Mahammed ist sein Prophet! – Nur bei Allah, dem Starken allein ist die Stärke; allein nur bei Gott, dem Helfenden, ist die Hülfe! – Behüte, o Herr, deinen Gläubigen vor den aus deinen Himmeln zur Hölle hinabstürzenden Teufeln! – Du Hund, du Hundesohn, Hundeenkel und Hundeurenkel, du von einem Hund Erzeugter und von einer Hündin Gesäugter – du willst einen Muslim fressen –! Verdamme dich der Allmächtige, und werfe er dich in das Innere der Hölle!‹ Diese und ähnliche Stoßseufzer und Flüche entrangen sich seinen bebenden Lippen. Dann aber sprang er wütend auf, lud eine Kugel in sein Gewehr und sandte sie dem Nilpferde nach, welches noch immer vor uns tobte und lärmte. Die Kugel tanzte lustig auf dem Wasser hin und – an dem Ungethüme vorüber.

›Bei dem Barte des Propheten, bei dem Haupte deines Vaters, Effendi‹, bat er mich, ›sende du dem nichtswürdigen Gottesleugner aus deiner Büchse eine Kugel zu; – denn auch mein schöner Taucher ist ja verloren!‹

Ich willfahrte seiner Bitte, schoß und hörte die Kugel auf den Schädel einschlagen. Das Nilpferd brüllte laut auf, tauchte einige Male unter und schwamm nach der Mitte des Sees zu, wie es schien, ohne durch den Schuß wesentlich gestört zu sein. Nur seine Wuth nahm von Stunde zu Stunde zu. Freilich ließ uns unsere Rachsucht fortan die hier und da erscheinenden Köpfe als Scheiben ansehen, nach denen wir ja, so oft es anging, eine Kugel entsendeten. Ich wußte aus Erfahrung, daß meine schwache Büchsenkugel selbst bei einer Entfernung von noch nicht vierzig Schritten kaum die Haut des Kopfes durchbohren konnte, wollte mir aber gleichwohl das Vergnügen nicht versagen, dem ›Abgesandten der Hölle‹ unseren Ärger fühlen zu lassen«.

Diese Zeilen könnten einem Abenteuerroman entnommen sein. Doch sie stammen aus der Feder Brehms, aus seinem Lebenswerk, dem »Thierleben«. Die Lektüre dieses Werkes wäre unbefriedigend, würde man nicht wenigstens in groben Zügen auf die Personen von »Altvater Brehm« eingehen.

Alfred Edmund Brehm wurde am z. Februar 1829 in Renthendorf bei Neustadt an der Orla in Thüringen geboren. Sein Vater war Pastor des Ortes und gleichzeitig einer der bedeutendsten Ornithologen des damaligen Deutschlands. Schon früh begleitete Alfred Brehm seinen Vater auf vogelkundliche Exkursionen im Thüringer Land. Als er 1847 im Alter von 18 Jahren das Gymnasium verließ, wollte er Naturwissenschaften studieren.

Doch dazu kam es nicht. Er erhielt von Baron W. von Müller aus Württemberg eine Einladung, an einer naturwissenschaftlichen Jagdreise über Griechenland nach Ägypten und Kleinasien teilzunehmen. Am 6. Juli 1847 verließen die beiden Triest an Bord des Postdampfers »Mamuhdie«, der sie nach Griechenland brachte, und setzten von hier aus nach Alexandrien über. Am 29. Juli betrat Brehm dort zum erstenmal afrikanischen Boden: »Das Märchenland der tausend und einen Nacht liegt vor uns.« Doch schon bald mußte er erfahren, daß die Wirklichkeit anders aussah. Am 12. Januar 1848 schrieb er in sein Tagebuch: »Heute kam ein Transport Dingasklaven hier an. Gott! Welch ein trauriger Anblick! Sie sangen, weil man sie dazu zwang; wie hätten sie wohl sonst singen können, die Hälse in Holzgabeln gepreßt. Die im Kreise sitzenden Männer und Weiber mochten bei sechzig sein; Kinder waren auch dabei, und unter ihnen ein Säugling, dessen Haut in großen Falten auf dem Knochengerippe lag; seine Mutter war krank und mit Tränen in den Augen sah sie das arme zu sich herangekrochen kommen, das die Mutterbrust verlangte, die jetzt ohne zu laben, schlaff am Körper herabhing. Viele der Männer, die man alle in Gabeln gepreßt hatte, waren verwundet und ihre Wunden nicht verheilt; – kurz es war eine Scene des tiefsten und schrecklichsten Elends, die sich nicht beschreiben läßt.«

Obwohl einige europäische Staaten die Sklaverei bereits verboten hatten, blühte der Menschenhandel nach Übersee. Allein nach Brasilien wurden in jenem Jahr 1848 60000 Sklaven transportiert, die höchste Zahl in der Geschichte des Landes.

Es war die Zeit, in der der »große alte Mann der Afrikaforschung«, der damals erst 35jährige schottische Missionar David Livingstone zu seinen Forschungsreisen durch Zentralafrika aufbrach, die ihn in das noch weitgehend unerforschte Innere des schwarzen Kontinents führten und bei denen er als erster Europäer Zentralafrika von West nach Ost durchquerte.

Brehm bereiste kein Neuland. Ägypten, das damalige Nubien und der Sudan waren längst von Europäern besiedelt. Für einen Naturforscher aber gab es immer noch genug zu entdecken. Wie in jener Zeit üblich, wurde möglichst viel »gesammelt«, das heißt geschossen und präpariert. Nur der ausgestopfte Balg besaß wissenschaftlichen Wert.

Brehms Sammeleifer kannte kaum Grenzen. In seinem Tagebuch beschreibt er die Begehung einer Höhle am 23. Oktober 1848: »Wir . . . schickten unseren Diener in die Stadt, um Einkäufe zu machen, die wir zu unserer bevorstehenden Fahrt in die Krokodilhöhlen nötig hatten, teils auch um zu fragen, wo denn eigentlich Ababdi liege...

Nach manchem Schweißtropfen kamen wir auf der Spitze der ersten Hügelreihe an . . . Unser Führer zeigte uns einen schwarzen Punkt – die Mündung der Höhlen. Nach einer halben Stunde kamen wir dort an. Es war ein kleiner senkrechter Schacht von ungefähr 12 oder 15' Tiefe und von einem großen Stein größtenteils überdeckt. Ringsumher lagen eine Menge Knochen, Mumienbrocken, alte Fetzen Leinwand, Dattelbast und Datteläste. Unsere Führer entkleideten sich und stiegen den Schacht hinunter. Wir folgten ihnen und zündeten unsere Lichter an.

Ein scharfer, widerlicher Geruch kam uns entgegen. Der eine der Führer legte sich jetzt auf den Boden und begann in ein staubiges Loch hineinzukriechen. Obgleich wir fast von Staub erstickten, mußten wir doch seinem Beispiel folgen. – Der Gang war sehr niedrig, und wir stießen uns öfter an den Ecken des Gesteins. Doch hörte der Staub bald auf, und wir kamen in einen zweiten Gang, der höher und breiter war. Alle Steine waren mit einer schmierigen Substanz überzogen, und der erwähnte Gestank nahm furchtbar zu.

Tausende und Tausende von Fledermäusen bewohnten diese Räume und verursachten ein Geräusch, das sich wie leiser Donner durch die ganze Höhle verbreitete. Wir erbeuteten mehrere von ihnen, mußten aber die meisten wieder frei lassen, die wehrhaft um sich bissen. Sie löschten uns mehrere Male die Lichter aus. Unser Gang mündete in ein ungeheures Gemach, welches wir mit unserer dürftigen Beleuchtung nicht zu erhellen vermochten und in das viele andere Gänge einmündeten. Das Ende des Gewölbes erreichten wir nicht, sondern traten vielmehr in einen Nebengang ein und begannen unserm Kriechmarsch von Neuem. Dieser Gang war sehr eng. Wir blieben mehrere Male stecken und wurden nur mit großer Mühe wieder frei. Doch auch er wurde weiter, war jedoch so uneben, daß man sich sehr in acht zu nehmen hatte, denn hüben und drüben gähnte ein dunkler Abgrund herauf. Durch ein enges Loch kamen wir in einen anderen Gang, der ebenso uneben und felsig war. Wir fanden hier schon viel Dattelbast und viele Lumpen. Auch war der Geruch nicht zum Aushalten. Einer der Führer zeigte uns eine Stelle, wo zwei Engländer durch die mephistischen Dünste hier umgekommen waren.

Noch eine kleine Strecke krochen wir weiter, dann sagte der Führer, daß wir am Ziele seien. Wir befanden uns in einem weiten Gewölbe und erstiegen einen Hügel, der nach genauer Untersuchung aus nichts anderem als menschlichen Leichnamen bestand. Da fand man Stükke, wie man sie brauchte, Köpfe, Arme, Hände, Füße, kurz alle Gliedmaßen des menschlichen Körpers. Wir hatten uns bald einige vollkommene Mumien ausgesucht, die wir gern hinausgeschafft hätten. Leider hatten wir zu wenig Licht mitgenommen, um uns lange aufhalten zu können und mußten uns begnügen, ihnen die Köpfe abzureißen.

Etwas weiter hinten lagen die Krokodile. Da waren sie in allen Größen von 10"bis 18' und darüber, Tausende über Tausende geschichtet und seit Jahrtausenden so liegend. Da gab es Brocken, Stücke, viertel, halbe und ganze Exemplare. Da gab es welche, die noch mit Dattelästen umgeben waren.

Wir suchten uns aus ihnen einige schöne Stücke aus und begannen unseren Rückzug, denn unsere Lichter waren dem Verlöschen nahe. Nur langsam ging es vorwärts, alle waren beladen. Mit lautem Hurra begrüßten wir das Tageslicht, die freundliche Sonne und unsere außen wartenden Diener.

Dann kochten wir unseren Kaffee mit Mumiengebein und betrachteten unsere Köpfe. Es waren ihrer sieben, und alle hatten rotes Haar am Schnurrund Backenbärte. Sie waren alle sehr gut erhalten.

Ermüdet von den Beschwerden des Tages kamen wir nach ½ stündigem Marsch auf unserer Barke an. Der Abend brach herein, die untergehende Sonne bestrahlte die Berggipfel, von denen wir herabgestiegen waren, und als der Ruderschlag und Gesang unserer Matrosen schon lange verstummt war, hing ich noch in wachen Träumen den Erlebnissen des Tages nach. Die Nacht war eine der herrlichen Ägyptens, kein Laut war hörbar, unsere Barke glitt langsam den Strom hinan, und meine Gedanken schweiften weit über Land und Meer nach dem teuren Vaterlande, zu den fernen Lieben hin.«

Nachdem sich Brehm ein Jahr in Ägypten aufgehalten hatte, folgte ihm sein älterer Bruder Oskar. Für Alfred Brehm begann eine herrliche Zeit gemeinsamer Forschung. Doch ein halbes Jahr später, am B. Mai 1850, ertrank der Nichtschwimmer Oskar beim Baden im Nil. Erst 16 Tage später war Alfred Brehm fähig, dieses Geschehnis in seinem Tagebuch zu schildern. Doch weder der Tod des Bruders noch die schweren Zerwürfnisse, die Brehm mit seinem Brotherrn und Begleiter Baron von Müller hatte, bewegten ihn zur Rückkehr in die Heimat. Insgesamt fünf Jahre lang bereiste er die nördlichen Nilländer.

Als er 1852 zurückkehrte, veröffentlichte er die Ergebnisse seiner Reise in einem dreibändigen Werk, das den Titel »Reiseskizzen aus Nordafrika« trägt.

In den Folgejahren holte er sein Studium nach und schloß es mit der Promotion ab. Er heiratete und nahm eine Lehrtätigkeit an einer höheren Schule auf. Doch zum seßhaften Leben war er nicht geboren. Reisen nach Spanien, Norwegen und Schweden folgten. 1861 erschien sein Werk »Das Leben der Vögel«. Es brachte dem inzwischen 32jährigen 1862 die Aufforderung des Herzogs Ernst von Sachsen Coburg-Gotha ein, ihn auf einer Reise nach Abessinien zu begleiten.

1863 veröffentlichte er das Buch »Ergebnisse einer Reise nach Habesch«. Im Vorwort zu diesem Buch schreibt er:

»Es gereicht mir zur Beruhigung, daß ich hinsichtlich der Geringfügigkeit, Dürftigkeit und Unvollständigkeit meiner ›Ergebnisse‹ im Voraus der Nachsicht meiner Leser, einschließlich der Fachgenossen, sicher sein darf. Zwei böse Feinde haben mich während der Reise gehindert und gequält: Der Mangel an Zeit und das Fieber! Ich bin nicht lässig gewesen. Von Bord des Schiffes und vom Rücken des Maulthiers aus habe ich rastlos nach Rechts und Links gespäht und mit dem Merkbuche in der Hand die reichhaltigen Gegenden durcheilt, welche zu durchforschen mir nicht vergönnt war. Hätten mich meine Reisegefährten und zwar seine Hoheit selbst und mein eifriger und liebenswürdiger Freund Leibarzt Dr. Hassenstein nicht wesentlich unterstützt: es würde mir nicht möglich gewesen sein, auch dies Wenige zu bieten.«

Nach seiner Rückkehr wurde Brehm zum Direktor des Zoologischen Gartens nach Hamburg berufen. Doch er konnte sich an das Beamtenleben nicht gewöhnen; es gab Schwierigkeiten persönlicher Art, und Brehm wechselte seine Stellung. Er wirkte an der Errichtung des Berliner Aquariums mit, das 1869 eröffnet wurde. Aber auch Berlin wurde ihm zur Qual. Krank und zerschlagen von unendlichen Reibereien kehrte er mit seiner Familie in seinen Heimatort Renthendorf zurück.

Nun wirkte er für den Rest seines Lebens als freier Schriftsteller und Forscher. Sein berühmtestes Werk, das »Illustrirte Thierleben«, war 1864 erschienen. Die Nachfrage war so groß, daß schon bald eine zweite, auf zehn Bände erweiterte Auflage herauskam. Brehm bereiste viele Länder Europas, hielt Vorträge in den größeren Städten.

Nach dem Tod seiner Frau nahm er eine Vortragsreise nach Nordamerika an, um seinen fünf Kindern eine finanziell gesicherte Zukunft zu bieten. Nur ungern trat er die Reise an, da die Kinder an Diphtherie erkrankt waren. In Amerika erreichte ihn dann die nächste Hiobsbotschaft: Sein jüngster Sohn war gestorben.

Als er 1884 nach Europa zurückkehrte, war er ein gebrochener Mann, gebeugt und grauhaarig. Seine Kräfte ließen immer mehr nach, und am 11. November starb er an einem Nierenleiden. Alfred Edmund Brehm war nur 56 Jahre alt geworden, doch durch sein »Thierleben«, das heute respektvoll als »Der alte Brehm« bezeichnet wird, hat er sich unsterblich gemacht.

Ameisenigel

Der Ameisenigel (Echidna hystrix) [Heute: Tachyglossus aculeatus], kennzeichnet sich durch seinen plumpen, größtentheils mit Stacheln oder Borsten bedeckten Leib, den walzenförmigen, nur am untern Ende gespaltenen Schnabel, den kurten Schwanz, die freien, unvollkommen beweglichen Zehen und die langgestreckte, dünne, wurmartige Zunge, welche, wie bei den Ameisenfressern, weit aus dem Munde hervorgestoßen werden kann. In seiner äußern Erscheinung weicht er viel mehr von dem Schnabelthiere ab als im innern Leibesbaue. Von Zähnen findet sich keine Spur; im Gaumen aber stehen sieben Querreihen kleiner, derber, spitziger, rückwärts gerichteter, hornartiger Stacheln, welche den Warzen der Zunge entsprechend gelegen sind und die Stelle der Zähne vertreten. Die Milchdrüsen haben ungefähr sechshundert Ausführungsgänge.


Ameisenigel

Wenn man einen Ameisenigel ergreift, rollt er sich augenblicklich in eine Kugel zusammen, und es ist dann sehr schwer, ihn festzuhalten, weil die scharfen Stacheln bei der heftigen Bewegung des Zusammenkugelns gewöhnlich empfindlich verwunden. Ein zusammengerollter Ameisenigel läßt sich nicht leicht fortschaffen, am besten noch, wenn man ihn an den Hinterbeinen packt und sich um alle Anstrengungen und Bewegungen nicht weiter kümmert. Hat er einmal eine Grube von wenigen Centimetern fertig gebracht, so hält es außerordentlich schwer, ihn fortzuziehen. Nach Art der Gürtelthiere spreizt er sich aus und drückt seine Stacheln so fest gegen die Wände, daß er an ihnen förmlich zu kleben scheint. Die starken Klauen seiner Füße werden hierbei selbstverständlich auch mit angewendet, um sich soviel als möglich zu befestigen.

Ueber die Fortpflanzung des Thieres ist noch höchst wenig bekannt. Das Weibchen soll im December mehrere Junge werfen und sie längere Zeit säugen, wie man annehmen muß, in ganz absonderlicher Weise. wir werden bei Schilderung des Schnabelthieres sehen, wie.

Das Schnabelthier (Ornithorhynchus paradoxus) [Heute: Ornithorhynchus anatinus], ist der einzige bekannte Vertreter der zweiten Familie unserer Ordnung. Wir verdanken dem englischen Naturforscher Bennett die beste Schilderung dieses in der That »auffallenden« Geschöpfes, welches noch lange nach seiner Entdeckung Forscher und Laien in Erstaunen setzte. Gestalt und Lebensweise erschienen so seltsam, daß Bennett einzig und allein zu dem Zwecke nach Neuholland reiste, um dieses Thier kennen zu lernen. Bis dahin waren bloß unbestimmte Nachrichten zu uns gekommen. Man erfuhr eben nur, daß das Schnabelthier im Wasser lebe und von den Eingebornen eifrig gejagt werde, weil es einen schmackhaften Braten liefere.

Nun entstanden allerlei Fabeln, welche zum Theile den Berichten der Eingeborenen ihre Entstehung verdankten. Man sagte, daß das Schnabelthier Eier lege und diese nach Entenart ausbrüte, wußte aber im übrigen so gut als nichts mitzutheilen: und so hatte jener englische Naturforscher Ursache genug, durch eigene Anschauung die Sache aufzuklären. Er reiste also zuerst im Jahre 1832 und dann noch einmal 1858 nach Australien, und theilte seine Erfahrungen zuerst in einer gelehrten englischen Zeitschrift und später (1860) in einem besondern

Werke sehr ausführlich mit. Seine Arbeit ist bis jetzt die einzige sichere Quelle über die Lebensweise des Schnabelthieres.

Das Schnabelthier ist nicht größer als der Ameisenigel. Die Männchen sind regelmäßig größer als die Weibchen. Der platt gedrückte Leib ähnelt in gewisser Beziehung dem des Bibers oder des Fischotters. Die Beine sind sehr kurz, alle Füße fünfzehig und mit Schwimmhäuten versehen. An den Vorderfüßen, welche die größte Muskelkraft besitzen und ebensowohl zum Schwimmen wie zum Graben dienen, erstreckt sich die Schwimmhaut etwas über die Krallen, ist dort sehr biegsam und dehnbar und schiebt sich, wenn das Thier gräbt, zurück. Der Kopf ist ziemlich flach, klein und durch seinen breiten Entenschnabel so ausgezeichnet, daß er unter den Säugethieren einzig in seiner Art dasteht. Beide Kinnladen strecken sich und werden in ihrer ganzen Ausdehnung von einer hornigen Haut umgeben, welche sich noch nach hinten in einem eigenthümlichen Schilde fortsetzt.

Der Pelz des Schnabelthieres besteht aus dichten, groben Grannen von dunkelbrauner Färbung mit silberweißer Schattirung; darunter liegt ein sehr weiches, dem des Seehundes und des Seeotters ähnliches Wollhaar von graulicher Färbung. An der Kehle, der Brust und dem untern Leibe sind Pelz und Haar viel feiner und seidenartiger.

Am liebsten bewohnt das Schnabelthier ruhige Stellen der Flüsse, in denen zahlreiche Wasserpflanzen stehen, und deren Ufer laubige Bäume beschatten. Hier legt es sich am Uferrande einen mehr oder weniger künstlichen Bau an. Ein etwa sechs Meter langer, vielfach gewundener Gang mündet in einen geräumigeren Kessel, welcher wie der Gang mit trocknen Wasserpflanzen bestreut war.

Besondere Mühe gab sich Bennett, um die Fortpflanzung des Schnabelthieres kennen zu lernen. Erließ viele Baue aufgraben, in der Hoffnung eines trächtigen Weibchens oder einer Mutter mit säugenden Jungen habhaft zu werden. Dabei hatte er den Vortheil, mehrere Schnabelthiere in der Gefangenschaft zu beobachten. Die Meinungen der Eingebornen über die Fortpflanzung des Thieres sind getheilt. In der einen Gegend behauptet man, daß das Schnabelthier Eier lege, in der andern bezeichnet man es als lebendig gebärend. Bennett verschaffte sich mit großer Mühe mehrere Weibchen, ehe er hierüber ins Klare kam. »Ich ließ«, sagt er, »einen Bau aufgraben, trotz allen Abredens eines trägen Eingebornen, welcher mir versicherte, daß vom Weibchen noch ›keine Jungen gepurzelt‹ wären, und welcher gar nicht begreifen konnte, wie ich bei allem Ueberflusse an Rindern und Schafen doch Schnabelthiere zu haben wünsche. Der Eingang oder die Vorhalle des Baues war groß im Verhältnisse zur Breite des fernem Ganges; denn dieser wurde um so enger, je weiter wir vorrückten, bis er zuletzt der Stärke des Thieres entsprach. Wir verfolgten ihn bis auf drei Meter Tiefe. Plötzlich tauchte der Kopf eines Schnabelthieres aus dem Grunde hervor, just, als wenn es eben im Schlafe gestört worden, und herunter gekommen wäre, um zu sehen, was wir wünschten. Doch schien es der Ueberzeugung zu leben, daß unsere lärmende Arbeit nicht zu seinem Besten gemeint sei; denn es zog sich eiligst wieder zurück. Beim Umdrehen wurde es am Hinterfuße ergriffen und herausgezogen.«


Schnabelthier

Auf einer neuen Reise gelang es Bennett, sich wieder ein Weibchen zu beschaffen, welches er noch genauer untersuchen konnte. Er fand, daß die Brustdrüsen kaum zu bemerken waren, obgleich das Thier in der linken Gebärmutter deutlich entwickelte Eier hatte, konnte aber wiederum nichts genaues entdecken. Einige Zeit später erhielt er nach langer Mühe ein anderes Weibchen, fand aber bei der Untersuchung, daß es eben geworfen hatte. Hier waren die Brustdrüsen sehr groß; doch ließ sich aus ihnen keine Milch mehr ausdrücken. Eine hervorragende Saugwarze war noch nicht zu bemerken, und selbst das Pelzwerk an der Stelle, wo die Drüsen sind, nicht mehr abgerieben als sonst wo anders. Endlich gelang es dem unermüdlichen Forscher, einen Bau mit drei Jungen zu entdecken, welche etwa 5 Centim. lang waren. Nirgends fand man etwas auf, was auf die Vermuthung hätte führen können, daß die Jungen aus Eiern gekommen, und die Eier von.den Alten weggetragen worden wären. Man konnte nicht mehr im Zweifel sein, daß das Schnabelthier lebendige Jungen gebiert.

Finnwal

Der Finnwal oder Finnfisch (Physalus antiquorum) [Heute: Balaenoptera physalus] verhältnismäßig der schlankeste aller Wale und das längste aller bekannten Thiere, kann eine Länge von mehr als 30 Meter erreichen. Die Länge der Brustfinnen beträgt den zehnten, die Breite derselben den fünfzigsten, die Breite der Rückenflosse den fünften Theil der Gesammtlänge. Der Leib erreicht seine größte Dikke unmittelbar hinter den Brustfinnen, nimmt nach dem Kopfe zu wenig, nach hinten bedeutend ab und ist am Schwanztheile seitlich so stark zusammengedrückt, daß seine Höhe hier die Breite fast um das Doppelte übertrifft, setzt sich auch als deutlich hervortretender Kiel über den größten Theil der Schwanzflosse fort. Die Brustflossen sind platt, vorn aus-, hinten eingebogen; die senkrecht stehende, höchstens 60 Centim. hohe Rückenfinne hat sichelförmige Gestalt. Die Augen liegen unmittelbar hinter und über dem Winkel der fast geraden Schnauze, die außerordentlich kleinen Ohröffnungen zwischen Auge und Brustflossen, die durch eine Scheidewand getheilten und schräg gerichteten Spritzlöcher in zwei gleich gekrümmten Oeffnungen, welche von einer erhabenen, rundlichen Leiste umgeben werden. Der Leib ist, mit alleiniger Ausnahme einiger wenigen Haare oder richtiger grober, büschelweise vertheilter, an der Spitze in sehr feine Theile zerschlissenen Hornfäden, welche am oberen Ende des Oberkiefers sich befinden und manchmal einen Meter lang werden, sich aber auch gänzlich abschleifen können, vollkommen nackt, die glänzende Haut oberseits tiefschwarz, unten porzellanartig reinweiß, in den tieferen Furchen bläulichschwarz. Diese Furchen beginnen am Rande des Unterkiefers und verlaufen von da aus längs der ganzen Unterseite bis gegen den Nabel hin, d. h. bis über den halben Leib weg. Die zahnlosen Kiefern tragen jederseits etwa dreihundertundfünfzig bis dreihundertfünfundsiebzig Bartenreihen, welche vorn am engsten zusammenliegen und hinten am weitesten von einander entfernt stehen. Der Seitenrand des Oberkiefers ist unten sanft ausgeschweift und bogenförmig nach dem Auge hin gerichtet, der Unterkiefer wenig gebogen, weshalb die Kiefern etwas auseinander klappen.


Finnwal

Der nördlichste Theil des Atlantischen Weltmeeres und das Eismeer bilden den Aufenthalt des Finnwales. Besonders häufig zeigt er sich in der Nähe der Bäreninsel, Nowaja Semljas und Spitzbergens; aber auch in der Nähe des Nordkaps ist er nicht selten. Nach Browns Beobachtungen geht er im Norden des Eismeeres nicht über die Breite von Südgrönland hinauf. Mit Beginn des Herbstes wandert er in südlichere Gewässer herab, und somit begegnet man ihm auch in den Meeren des gemäßigten und heißen Gürtels, soll ihn sogar im südlichen Eismeere angetroffen haben.

Er gilt als einer der schnellsten aller Bartenwale; denn er läßt, wenn er mit voller Kraft durch die Wogen schießt, jedes Dampfschiff hinter sich. Bei ruhigem Schwimmen zieht er in gerader Richtung daher und kommt sehr oft, nach eigenen Beobachtungen durchschnittlich alle neunzig Sekunden, an die Oberfläche, um zu athmen. Das brausende Geräusch beim Ausathmen und bezüglich Auswerfen des Wassers vernahm ich schon in einer Entfernung von einer Seemeile; von dem widrigen Geruche dagegen, welcher dem ausgestoßenen Wasser anhaften soll, habe ich nichts verspürt. Das beim Blasen hörbare Geräusch ist kurz und scharf, der bis zu vier Meter Höhe ansteigende Strahl doppelt. Weniger scheu als andere Ordnungsverwandte, erscheint der Finnwal nicht selten in unmittelbarer Nähe segelnder Schiffe, umschwimmt dieselben oder folgt ihnen längere Zeit, manchmal stundenlang, getreulich nach. Bisweilen legt er sich auf der Oberfläche des Wassers auf die Seite und schlägt mit den Brustfinnen auf die Wellen, dreht und wendet sich, wirft sich auf den Rücken, taucht unter und scherzt überhaupt lustig im Wasser umher, schleudert auch den gewaltigen Leib durch einen mächtigen Schlag der Schwanzflosse über die Oberfläche empor und versinkt dann mit donnerähnlichem Gepolter in der Tiefe. Er bekundet unter Umständen außerordentlichen Muth und soll, übereinstimmenden Berichten zufolge, wenn er gereizt wurde, an Wildheit und Kühnheit kaum hinter dem bösartigsten aller Wale zurückstehen. Nicht bloß Mutterliebe, sondern auch Anhänglichkeit an seine Genossen, welche er bei Gefahr nach Kräften zu vertheidigen sucht, zeichnen ihn aus; kurz, man darf ihn wohl als den edelsten aller Bartenwale ansehen.

Seine Beute besteht größtentheils aus Fischen, welche er oft scharenweise vor sich hertreibt und in den weiten Rachen schockweise auf einmal fängt. Hierbei leisten ihm wahrscheinlich die Furchen auf der Unterseite wesentliche Dienste, indem sie eine erhebliche Erweiterung seines natürlichen Hamens ermöglichen. Der schlanke Finnwal wird beim Schwimmen nicht durch einen weit herabhängenden Kehlsack behindert und verunstaltet. Er wird aber, da er zur Ernährung seines großen Leibes reichlicher Nahrung bedarf, wenn er einem Schwarme von Fischen begegnet, die günstige Gelegenheit benutzen und möglichst viele derselben sich sichern müssen. Er erhebt dann den Kopf, senkt den Unterkiefer, dreht auch vielleicht die einzelnen Hälften desselben, welche nicht fest miteinander verwachsen sind, etwas nach außen, um den Rachen noch mehr zu erweitern. Der schon an und für sich weite Sack, welcher an dem Unterkiefer hängt, erweitert sich noch um fast die Hälfte seines Umfanges, und das gewaltsam von allen Seiten hereinstürzende Wasser reißt hunderte von unglücklichen Häringen und Dorschen in die Tiefe. Nun klappt der Oberkopf als Deckel auf den Bügel des Sackes, und es beginnt die gewaltige Fleischmasse der Zunge ihre Arbeit, die gefangenen Fische allmählich zwischen die beiden Bartenreihen und gegen den vorspringenden Kamm des harten Gaumens zu drücken, um sie dem Schlunde zuzuführen.


Die Jagd des Finnfisches ist wegen der großen Schnelligkeit und Heftigkeit des Thieres schwieriger und der Nutzen, welchen das erlegte Thier gewährt, weit weniger als bei dem Nord- oder Grönlandswale. Deshalb stellt man ihm auch nicht regelmäßig nach wie diesen. Man sucht zwar auch jedes Finnfisches, den man bemerkt, habhaft zu werden, aber doch nur dann, wenn keine Walfische in der Nähe sind. Letzteren gegenüber gilt er in den Augen der Speckjäger beinahe als werthlos. »Ein Leichnam dieses Wales«, erzählt Brown, »welcher in der Davisstraße auf den Wellen trieb, wurde von unseren Walfängern zwar untersucht, weil man ihn für den Grönlandswal hielt, jedoch ohne weiteres im Stiche gelassen, als man ihn erkannt hatte.«

Die vierte Familie der Zahnwale vertritt der Potwal oder Pottfisch (Physeter macrocephalus), Urbild der gleichnamigen Sippe, unzweifelhaft das ungeschlachteste und abenteuerlichste Mitglied der ganzen Ordnung, ausgezeichnet durch den ungemein großen, am Schnauzenende hoch aufgetriebenen und gerade abgestutzten Kopf, die getrennten, oft ungleichen, längsgerichteten Spritzlöcher sowie die absonderliche Bildung seines Unterkiefers, dessen Aeste im größten Theile ihrer Länge sich aneinander legen und mit einer Reihe kegelförmiger, unter sich fast gleich langer Zähne besetzt sind, wogegen die Zahngebilde des Oberkiefers kaum noch den Namen von Zähnen verdienen.

Der Pottfisch steht beziehentlich seiner Größe keinem anderen Wale nach: erwachsene Männchen sollen 20 bis 30 Meter an Länge und einen Leibesumfang von 12 Meter erreichen; die Weibchen dagegen höchstens halb so groß werden. Im Verhältnis zu dieser Größe ist die Brustfinne sehr klein. Bei einem 20 Meter langen Männchen war sie nur 1 Meter lang und 60 Centim. breit; die Schwanzfinne dagegen hatte eine Breite von 6 Meter. Beide Geschlechter ähneln sich; doch wollen einige Walfischfänger einen Unterschied in der Form der Schnauze gefunden haben, welche, wie sie behaupten, bei weiblichen Thieren gerade abgestutzt, bei männlichen aber mehr gewölbt sein soll. Der überaus lange, breite, fast viereckige, vorn gerade abgestutzte Kopf hat dieselbe Höhe und Breite wie der Leib und geht ohne merkliche Abgrenzung in diesen über. Der Leib ist, von vorn gesehen, also im Querschnitte, auf der Rückenmitte etwas eingesenkt, oben seitlich fast gerade abfallend und von der Mitte an stark ausgebaucht, längs der Bauchmitte aber kielartig verschmächtigt, in den beiden vorderen Dritteln sehr dick, von da an bis zum Schwanze verschmächtigt. Im letzten Drittel erhebt sich eine niedere, höckerartige, schwielige, unbewegliche Fettflosse, welche hinten wie abgeschnitten erscheint und nach vorn zu allmählich in den Leib übergeht. Die kurzen, breiten, dicken Brustflossen stehen unmittelbar hinter dem Auge und zeigen auf ihrer Oberseite fünf Längsfalten, welche den Fingern entsprechen, während sie auf der Unterseite glatt sind. Die Schwanzfinne ist tief eingeschnitten und zweilappig, in der Jugend am Rande gekerbt, im Alter glatt. Kleine, höckerartige Erhöhungen laufen vom Ende der Fettflosse an bis zur Schwanzfinne herab. Das Spritzloch, eine S-förmig gebogene Spalte von 20 bis 30 Centim. Länge, liegt, abweichend von anderen Walen, am Schnauzenrande, entsprechend der Nase der meisten übrigen Säugethiere, das kleine Auge weit nach rückwärts, das Ohr, eine kleine Längsspalte, etwas unterhalb des Auges. Der Mund ist groß; der Kiefer öffnet sich beinahe bis zum Auge. Der Unterkiefer ist beträchtlich schmäler und kürzer als der Oberkiefer, von welchem er bei geschlossenem Munde umfaßt wird, und wie dieser mit wurzellosen, kegelförmigen Zähnen besetzt, deren Anzahl beträchtlich schwankt, weil im Alter manche ausfallen und andere von dem Zahnfleische fast ganz überdeckt werden. Verhältnismäßig groß sind nur die Zähne im Unterkiefer, neununddreißig bis fünfzig an der Zahl, in dem einem Kiefer mehr als in dem anderen, wogegen die des Oberkiefers meist gänzlich verkümmern und von Zahnfleische überdeckt werden. Bei jungen 'Mieren sind jene scharfspitzig, mit zunehmendem Alter stumpfen sie sich ab, und bei ganz alten Thieren erscheinen sie als ausgehöhlte Kegel aus Elfenbeinmasse, deren Höhlung mit Knochen ausgefüllt ist. Der Schädel selbst fällt wegen seiner Ungleichmäßigkeit, der Kopf wegen seiner Massigkeit und sich gleich bleibenden Dicke auf. Unter der mehrere Centimeter dicken Specklage breiten sich Sehnenlagen aus, welche einem großen Raume zur Decke dienen. Derselbe ist durch eine wagerechte Wand in zwei, durch mehrere Oeffnungen verbundene Kammern getheilt. Der ganze Raum wird von einer öligen, hellen Masse, dem Walrat, ausgefüllt, welches außerdem noch in einer vom Kopfe bis zum Schwanze verlaufenden Röhre und in vielen kleinen, im Fleische und Fette zerstreuten Säckchen sich findet.


Potwal
 

Der Pottfisch ist Weltbürger. Alle Meere der Erde beherbergen ihn, und wenn er sich auch in den Meeren rings um die Pole südlich und nördlich des 60. Grades der Breite nur selten findet, so darf man doch annehmen, daß er hier ebenfalls zuweilen sich einstellt. Als seine eigentliche Heimat betrachtet man die zwischen dem 40. Grade nördlicher und südlicher Breite gelegenen Meere, von denen aus, warmen Strömungen folgend, er nach Norden und Süden hin unregelmäßig wandert.

Nach Art der Delfine zieht der riesige Wal in enggeschlossenen »Schulen« oder Scharen von beträchtlich abändernder Stärke durch das Meer, die tiefsten Stellen desselben auswählend. Gern treibt er sich in der Nähe der steilen Küsten umher, ängstlich aber vermeidet er die ihm so gefährlichen Seichten. Die Walfänger berichten, daß jeder Schule immer ein großes, altes Männchen, der »Schulmeister«, vorstehe, welches den Zug leite und die Weibchen und Jungen, aus denen die übrige Herde bestehe, vor den Angriffen feindlicher Thiere schütze. Alte männliche Potwale durchschweifen wohl auch einzeln die Flut oder scharen sich wenigstens nur in kleine Gesellschaften. Die Schulen bestehen meist aus zwanzig bis dreißig Mitgliedern; zu gewissen Zeiten sollen sich aber auch mehrere Herden vereinigen und dann zu hunderten gemeinschaftlich ziehen. Scammon bestätigt im wesentlichen diese Angaben. Nach seinen Erfahrungen sieht man oft Herden von fünfzehn, zwanzig bis zu hunderten beieinander. In das Führeramt der aus männlichen, weiblichen und jungen Thieren zusammengesetzten Herden theilen sich in der Regel mehrere alte Männchen, vielleicht schon aus dem Grunde, als die Weibchen, welche Junge haben, sich um nichts anderes als um diese bekümmern. Die jungen Männchen bilden zeitweilig besondere Herden, welche sich möglicherweise bis zur Mannbarkeit nicht trennen.

Schon von fern erkennt man den Pottfisch an seinen Bewegungen. Bei ruhigem Schwimmen gleitet er leicht unter der Wasserfläche dahin, bei schnellerem schlägt er so heftig mit dem Schwanze auf und nieder, daß sein Kopf bald tief untersinkt, bald wieder hoch emportaucht. Gar nicht selten stellt er sich senkrecht in das Wasser, entweder den Kopf oder aber die Schwanzfinne hoch über den Spiegel emporhaltend und hierdurch von den meisten anderen Walen sich unterscheidend; ja es kommt auch vor, daß er plötzlich mit großer Wucht über das Wasser emporschnellt, zwei-dreimal hintereinander, und sich dann für längere Zeit tief in die Fluten versenkt. Erschreckt läßt er sich in fast wagerechter Stellung zu Boden fallen; wiederholt gestört und belästigt, nimmt er ebenfalls eine senkrechte Stellung an, hebt den Kopf hoch über das Wasser, um zu sichern und zu lauschen, oder dreht sich, wenn er auf der Oberfläche liegt, zu gleichem Zwecke um sich selbst herum. Beim Spielen reckt er bald die eine, bald die andere Brustflosse in die Luft, schlägt hierauf mit großer Kraft gegen das Wasser und bringt die Wellen zum Schäumen, oder aber sinkt einige Faden tief unter die Oberfläche, wirft sich im mächtigen Schusse unter einem Winkel von etwa fünfundvierzig Graden über das Wasser heraus, fällt auf die Seite, daß man ihn weithin klatschen hört und bis zur Höhe einer Mastspitze ein Schwall emporsteigt, welcher an klaren Tagen zehn Seemeilen weit gesehen werden kann und erfahrenen Walfängern als erfreuliches Zeichen dient. Selten sind die Thiere ruhig; bloß wenn sie schlafen, liegen sie fast bewegungslos auf der Oberfläche des Wassers und lassen sich von der Dünung wiegen oder stekken den riesigen Kopf weit über die Wellen heraus, so daß man glauben möchte, »die Enden gewaltiger Baumstämme oder die Hälse ungeheuerer Flaschen zu sehen, welche in der hebenden Flut leise auf und nieder schaukeln«.

Unter den Sinnen des Thieres glaubt man dem Gefühl den ersten Rang einräumen zu dürfen. Die mit zarten Nervenwarzen besetzte Haut scheint befähigt zu sein, den geringsten Eindruck zur Wahrnehmung zu bringen. Das Gesicht ist ziemlich gut, das Gehör dagegen schlecht. Hinsichtlich seiner geistigen Fähigkeiten ähnelt der Pottfisch mehr den Delfinen als den Bartenwalen. Doch meidet er die Nähe des Menschen ungleich ängstlicher als der den Schiffern so befreundete Delfin, vorausgesetzt, daß er sich nicht verfolgt oder angegriffen sieht; denn dann tritt an die Stelle der Furchtsamkeit unbändiger Muth und eine Kampflust, wie wir sie bei anderen Walen nicht wiederfinden. Man hat beobachtet, daß ein Rudel von Delfinen im Stande ist, eine ganze Herde von Pottfischen überaus zu ängstigen und zu eiligster Flucht zu veranlassen, weiß aus Erfahrung, daß alte Bullen bei Annäherung eines Schiffes so schnell wie möglich entfliehen, und kennt Beispiele, daß eine Herde durch plötzliche Annäherung ihrer Feinde vor Schrecken bewegungslos, am ganzen Leibe bebend, an einer Stelle blieb, ganz ungeschickte, ja geradezu verwirrte Anstrengungen machte und dem Menschen hierdurch Gelegenheit gab, mehrere Stücke zu bewältigen. Die Walfänger wollen wissen, daß dies gewöhnlich der Fall ist, wenn zuerst ein Weibchen verwundet wurde, wogegen die ganze Herde die Flucht ergreift, wenn das leitende Männchen seinen Tod fand. Nach Scammons Erfahrungen bethätigen verschiedene Weibchen hingebende Anhänglichkeit an einander, sammeln sich, wenn eins von ihnen angegriffen wird, um das betreffende Boot und verweilen in der Regel geraume Zeit bei ihrem sterbenden Gefährten, obwohl auch ihnen unter solchen Umständen sicheres Verderben droht. Unterjungen Männchen bemerkt man ein so inniges Zusammenhalten nicht: sie verlassen feige den durch einen Wurfspeer verwundeten Genossen.

Verschiedene Arten von Kopffüßlern bilden die hauptsächlichste Nahrung des Pottfisches. Kleine Fische, welche zufällig in seinen großen Rachen sich verirren, werden natürlich auch mit verschluckt; auf sie aber jagt unser Wal eigentlich nicht. Aeltere Seefahrer erzählten, daß er sich auch an Haifische, Robben, Delfine und selbst an Bartenwale wage, die neueren sorgsamen Beobachter haben jedoch hiervon nichts bemerkt. Von ihnen erfahren wir dagegen, daß der Pottfisch zuweilen pflanzliche Nahrung genießt, wenigstens verschiedene Baumfrüchte, welche durch die Flüsse in die See geführt worden waren, verschlingt. Dank seiner Begabung, länger als jeder andere Wal unter dem Wasser verweilen und dabei auch anderen Ordnungsgenossen unzugängliche Höhlen oder doch Unebenheiten des Bodens untersuchen zu können, fehlt es ihm niemals an genügender Nahrung.

Die Jagd auf den Pottfisch ist mit weit größeren Gefahren verbunden als der Fang des Grönlandwales. Ausnahmsweise nur versucht ein Bartenwal seinem kühnen Feinde Schaden zuzufügen, während jener, wenn er angegriffen wird, sich vertheidigt, muthig auf seinen Gegner losstürmt und beim Angriffe nicht allein seines Schwanzes, sondern auch seines furchtbaren Gebisses sich bedient. Daß er so gut wie ausschließlich mit den Zähnen sich vertheidigt, geht aus verschiedenen Beobachtungen hervor: so erlegt man zuweilen einzelne alte Männchen mit gänzlich verstümmeltem Unterkiefer, welche offenbar vorher einen Kampf mit ihresgleichen oder einem noch unbekannten Leviathan der Tiefe ausgefochten haben mußten. Wie bestimmte Beobachtungen dargethan haben, ist er im Stande, seinen zähnestarrenden Unterkiefer fast bis zum rechten Winkel aus der gewöhnlichen Lage zu biegen, und mit einer Behendigkeit zu bewegen, welche geradezu in Erstaunen setzt. Wenn er nahe der Oberfläche schwimmt, kann man beobachten, wie er den Kiefer innerhalb eines einzigen Augenblickes öffnet und schließt; aber ebenso wie er ihn nach einer Richtung hin gelenkt, vermag er ihn auch seitlich überraschend weit zu bewegen. Gelingt es ihm dann, einen größeren Gegenstand aus dem Wasser zu fischen, so rollt er diesen sofort nach dem Schlunde zu oder zerfetzt ihn wenigstens bis zur Unkenntlichkeit.

In der Regel kämpft er verzweiflungsvoll um sein Leben und sucht keineswegs immer sein Heil in der Flucht, sondern erwidert die ihm angethane Unbill mit Wuth und Ingrimm. Alle erfahrenen Seeleute wissen von Unglücksfällen zu erzählen, welche durch ihn herbeigeführt wurden. Die Mannschaft des Schiffes Essex hatte einen Pottfisch verwundet, mußte aber zum Schiffe zurückkehren, weil ihr Boot durch einen Schwanzschlag des harpunirten Thieres stark beschädigt wurde. Während die Seeleute beschäftigt waren, das Boot auszubessern, erschien ein anderer Wal derselben Art in geringer Entfernung vom Schiffe, betrachtete es eine halbe Minute lang aufmerksam und verschwand in der Tiefe. Nach wenigen Augenblicken kam er wieder an die Oberfläche, eilte in voller Hast herbei und rannte mit dem Kopfe so gewaltig gegen das Schiff, daß die Seefahrer glaubten, ihr Fahrzeug wäre in vollem Laufe auf ein Riff gestoßen. Das wüthende Tier ging unter dem Schiffe weg, streifte den Kiel, drehte sich und schwamm von neuem herbei. Der zweite Stoß schlug den Bug ein und brachte das Fahrzeug zum Sinken.

Gewichtige Merkmale trennen den Narwal (Monodon monoceros), das »Seeeinhorn«, so weit von den übrigen Zahnwalen, daß man eine eigene Familie auf ihn begründet hat. Das Gebiß unterscheidet sich von dem aller übrigen Wale durch zwei mächtige, zwei bis drei Meter lange, verhältnismäßig aber schwache, von rechts nach links gewundene, innen hohle, wagerecht im Oberkiefer stehende Stoßzähne, von denen in der Regel einer, und zwar der rechtsseitige, verkümmert, und welche beim Weibchen nur ausnahmsweise zu einer beschränkten Entwicklung gelangen, kennzeichnet sich auch außerdem durch zwei kleine Vorderzähne und einen Backenzahn im Oberkiefer, welche jedoch nur bei jungen Thieren regelmäßig gefunden werden. Der Unterkiefer trägt niemals Zähne. Der walzige, vorn abgerundete Kopf nimmt etwa ein Siebentel der Gesammtlänge des langgestreckten, fast spindelfönmigen Leibes ein; die sehr kurze, breite und dicke, rechtsseitig etwas verkürzte Schnauze scheidet sich nicht von der flachen Stirne und fällt nach vorn hin fast senkrecht ab; das Auge liegt tief an den Kopfseiten, wenig höher als die Schnauzenspitze, das sehr kleine Ohr etwa 15 Centim. weiter nach hinten, das halbmondförmige Spritzloch auf der Stirnmitte zwischen den Augen. Eine Rückenfinne fehlt, wird aber durch eine Hautfalte angedeutet; die Brustflossen sind etwa im ersten Fünftel des Leibes eingelenkt, kurz, eiförmig und vorn dicker als hinten; die sehr große Schwanzfinne zerfällt, weil sie in der Mitte einen tiefen Einschnitt zeigt, in zwei große Lappen. Die Färbung der glänzenden und weichen, sammtartigen Haut scheint, je nach Geschlecht und Alter, nicht unerheblichen Veränderungen unterworfen zu sein. Beim Männchen heben sich von der weißen oder gelblichweißen Grundfärbung zahlreiche, unregelmäßig gestaltete, meist längliche, aber verhältnismäßig große dunkelbraune Flecken ab, welche auf dem Rücken am dichtesten, auf dem Bauche am dünnsten stehen und am Kopfe fast ineinander verfließen; beim Weibchen sind die Flecken kleiner und dichter gestellt als beim Männchen; junge Thiere endlich sehen noch dunkler aus als alte.


Narwal

Albertus Magnus erzählt von diesem Thiere und bezeichnet es als einen Fisch, welcher ein Horn an der Stirne trage, womit er Fische und gewisse Schiffe zu durchbohren vermöge, aber so faul sei daß diejenigen, welche er angreife, leicht entfliehen könnten. Ein späterer, unbenannter Schriftsteller versichert, daß gedachtes Meerungeheuer große Schiffe durchbohren, zerstören und dadurch viele Menschen zu Grunde richten könne; doch habe die Liebe des Schöpfers dieses Scheusal so langsam erschaffen, daß die Schiffer, wenn sie es sähen, Zeit hätten, zu entfliehen. Rochefort gibt die erste gute Abbildung und zuerst die Erzählung, laut welcher unser Wal sein Horn zum Kampfe gegen andere Walfische gebrauchen, damit aber auch das Eis zertrümmern soll, weshalb man viele mit abgebrochenen Zähnen finde. Erst Fabricius bezweifelt, daß der Narwal Schollen und andere Fische, welche seine Nahrung bilden, mit dem Zahne ansteche und denselben dann in die Höhe richte, bis seine Beute allmählich gegen das Maul rutsche, so daß er sie endlich mit der Zunge einziehen könne. Scoresby endlich stimmt mit denen überein, welche den Stoßzahn als nothwendiges Werkzeug zur Zertrümmerung des Eises ansehen. Wir unsererseits dürfen in diesem Zahne wohl nur eine Waffe sehen, wie sie das männliche Geschlecht so oft vor dem weiblichen voraus hat, wüßten es uns sonst wenigstens nicht zu erklären, wie das jener Meinung nach entschieden benachtheiligte, unbezahnte Weibchen sich helfen könnte, wenn die von den genannten Schriftstellern erdachten Nothfälle eintreten sollten.

Der Narwal, ein Bewohner der nördlichen Meere, wird am häufigsten zwischen dem 70. und 80. Grade der nördlichen Breite getroffen. In der Davisstraße, in der Baffinsbai, in der Prinzregenten-Einfahrt, im Eismeere zwischen Grönland und Island, um Nowaja Semlja und weiter in den nordsibirischen Meeren ist er häufig. Südlich des Polarkreises kommt er selten vor: an den Küsten Großbritanniens strandeten, so viel mir bekannt, in den letzten Jahrhunderten nur vier Narwale ; an den deutschen Küsten wurden nur im Jahre 1736, aber zweimal, solche beobachtet und erlegt. In seiner Heimat begegnet man ihm fast ausnahmslos in zahlreichen Herden; denn er steht an Geselligkeit hinter keinem einzigen seiner Verwandten zurück. »Gelegentlich seiner Wanderungen«, sagt Brown, »habe ich solche Herden gesehen, welche viele tausende zählten. Zahn an Zahn und Schwanzfinne an Schwanzfinne, so zogen sie nordwärts, einem Reiterregimente vergleichbar, anscheinend mit größter Regelmäßigkeit auf- und niedertauchend und in Wellenlinien ihre Straße verfolgend. Solche Herden werden nicht immer nur von einem und demselben Geschlechte gebildet, wie dies Scoresby annahm, bestehen vielmehr aus Männchen und Weibchen, bunt durcheinander gemischt.«