Schmutztitel
Titel

Ein Fall mit Herz und Huf

Kirsten Vogel

KOSMOS

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Sabine Reddig

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© 2020, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-50054-5

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Große Sprünge

Mit roten Wangen lief Franzi neben ihrem Pony Tinka über die Pferdekoppel. Franzi hüpfte über einen Heuballen, den sie mitten auf der Koppel aufgestellt hatte, und das Pferd sprang hinter ihr her. Tinka wurde langsamer und blieb stehen. Franzi saß auf und zusammen drehten sie noch eine Runde im Galopp, ehe sie zu Kim und Marie trabten, die am Holzzaun standen und klatschten.

»Brrrr, Tinka, gut gemacht.« Lächelnd schwang Franzi sich aus dem Sattel und hielt ihrem Pony einen Haferkeks hin, den es sich sofort schnappte.

»Hast du die Kekse selbst gebacken?«, fragte Kim.

Franzi nickte. »Ein Rezept aus meinem neuen Pferdebuch.«

Skeptisch kniff Kim die Augen zusammen. »Schmecken die?«

Franzi schüttelte den Kopf. »Ziemlich krümelig und fad, aber Tinka liebt sie. Hast du Hunger, Kim?«

»Ein wenig.« Kim legte Franzi einen selbst geflochtenen Blumenkranz auf den Kopf. »Super, ihr zwei.«

»Danke.« Franzi pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich habe mir überlegt, dass es schön ist, wenn Tinka und ich etwas gemeinsam machen, also wenn nicht nur sie springen muss.«

»Aber beim Springreiten betätigt sich der Jockey doch auch sportlich und nicht nur das Pferd«, wandte Marie ein und legte einen kleinen Kranz aus Löwenzahn auf Tinkas Kopf.

Das Pony schüttelte sich schnaubend, dabei fiel der Löwenzahn wieder herunter. Schnell schnappte Tinka sich die Blätter und fraß sie auf.

»Das stimmt. Jockeys brauchen sehr viel Feingefühl und Balance. Ich finde nur, dass Tinka nicht allein springen soll. Wir machen das als Team.« Liebevoll strich Franzi über die goldbraune Mähne ihres Ponys.

Tinka schnaubte.

»Süß, ihr zwei!« Marie seufzte. »Ich will mit Holger auch mal wieder was im Team machen. Aber er hat nie Zeit. Er beschäftigt sich immer nur mit Mathe, Mathe, Mathe.«

»Du musst ihn aber auch verstehen«, sagte Kim. »Er ist nur ganz knapp versetzt worden, das will er bestimmt nicht noch mal erleben.«

»Außerdem ist es bewundernswert, dass er sich da so reinhängt«, meinte Franzi.

»Du könntest mit ihm zusammen lernen«, schlug Kim vor.

»Deine Ideen waren aber auch schon mal besser, Kim.« Marie pflückte eine Brombeere vom Strauch neben dem Zaun.

Kim schnappte die Beere aus Maries Hand und steckte sie in den Mund. »Dann würdet ihr wenigstens Zeit miteinander verbringen. David und ich sitzen ja auch nicht die ganze Zeit nur verliebt rum und halten Händchen, sondern schreiben an unserem Roman.«

»Das ist etwas anderes!«, schnaubte Marie. »Ihr brennt für das Schreiben. Beide. Holger und ich brennen nicht für Mathe. Ganz im Gegenteil. Es gibt noch nicht mal einen Funken.«

»Einen Funken Hoffnung gibt es vielleicht. Organisiere Holger doch Nachhilfe«, sagte Kim. »Dann ginge das Lernen vielleicht schneller und ihr könntet den Rest der Zeit gemeinsam verbringen?«

Marie strahlte. »Die Idee gefällt mir ganz gut. Aber wo bekommen wir die Nachhilfe her?«

»Ich frage meine Mutter. Wenn sie mal zu Hause ist.« Kims Mutter war Lehrerin. Die Sommerferien waren vorbei und die Schule war seit einigen Wochen wieder in vollem Gange, da hatte Frau Jülich alle Hände voll zu tun.

»Danke, das wäre toll.« Marie lächelte Kim an. »Und wie weit seid ihr mit eurem Fantasy-Krimi? Können wir den bald in der Buchhandlung kaufen?«

Kim und ihr Freund David hatten gemeinsam ein Schreibprojekt gewagt: Sie schrieben zusammen einen Fantasy-Krimi, ein noch junges Genre. Weil beide sehr unterschiedliche Vorstellungen in Bezug auf den Fortgang der Geschichte gehabt hatten, musste das Projekt zwischenzeitlich auf Eis gelegt werden.

Kim war sauer auf David gewesen, weil er die von Kim entwickelte und lieb gewonnene Hauptfigur Junos durch den Stich einer außerirdischen Biene sterben lassen wollte. Sie hätte das Projekt fast an den Nagel gehängt. Zum Glück hatten die beiden dann doch noch einen gemeinsamen Weg gefunden: Der weiblichen Hauptfigur Laurina war es gelungen, ein Gegengift zu besorgen und Junos’ Leben zu retten.

»Uns fehlt noch das letzte Kapitel«, berichtete Kim aufgeregt. »Wir haben gestern Ideen dafür gesammelt. Ich darf es schreiben. Natürlich soll es ein Happy End geben. Junos und Laurina finden das entführte Einhorn, bringen es zurück in seinen Wald und endlich wachsen dort auch wieder Blumen. Und Bäume.«

»Das klingt schöööön«, schwärmte Franzi. »Wer sind eigentlich die Entführer?«

»Außerirdische, die den Planeten Erde in Beschlag nehmen wollen«, erklärte Kim.

»Indem sie dafür sorgen, dass keine Pflanzen mehr auf der Erde wachsen?« Marie schüttelte sich. »Das ist ja oberfies!«

»Kommen in dem Buch eigentlich auch drei coole Detektivinnen vor, die alles aufdecken?«, fragte Franzi.

»Ein neuer Fall wäre für uns auch mal wieder ganz gut, oder?«, warf Marie ein.

Kim Jülich, Franziska Winkler und Marie Grevenbroich waren Detektivinnen. Sie nannten sich Die drei !!! und hatten schon mehr als achtzig Fälle erfolgreich gelöst. Ihr letzter Fall lag bereits einige Wochen zurück.

»Das würde auch das Warten auf Blake verkürzen.« Franzi blinzelte in den blauen Himmel.

»Ach ja, nächste Woche kommt er ja schon.« Kim schnupperte. »Täusche ich mich oder duftet es hier nach Kuchen?«

»Die einen freuen sich auf Kuchen, die anderen auf Blake.« Marie lachte.

Franzi seufzte.

»Was ist?«, fragte Kim. »Freust du dich etwa nicht?«

Gedankenverloren strich Franzi durch Tinkas Mähne. »Ich weiß nicht. Jetzt war er so lange weg. Was ist, wenn wir uns nichts mehr zu sagen haben?«

Franzis Freund Blake hatte ein Highschool-Jahr in Fontana absolviert. Seit einem Reitunfall saß Blake im Rollstuhl. Er war sehr sportlich und machte WCMX, was die Abkürzung für Wheelchair Motocross war. Weil es in Amerika bessere Möglichkeiten gab, diese Sportart zu trainieren, hatte er sich für das Auslandsjahr entschieden. In wenigen Tagen würde er zurückkommen. Franzi hatte von Anfang an auf diesen Tag hingefiebert, aber je näher er rückte, desto unsicherer wurde sie.

»Ach, wenn du ihn siehst, wird dein Herz mindestens einen so großen Hüpfer machen wie Tinka.« Kim zeigte zu Franzis Pony, das losgaloppiert war und über den Heuballen sprang.

»Es ist so viel passiert, seit Blake …«, setzte Franzi an, doch sie wurde von lautem Gackern unterbrochen.

Ihr Huhn Polly kam mit einem Regenwurm im Schnabel angehinkt, gefolgt von der kleinen Eule Mathilda. Franzi hatte ein großes Herz für Tiere und Polly lebte schon lange auf dem Winklerhof. Eule Mathilda war erst vor ein paar Wochen bei ihnen eingezogen. Franzi hatte Mathilda gemeinsam mit dem Freund ihrer Schwester Chrissie bei einem Waldbrand gerettet und dann mit Paul, dem Praktikanten ihres Vaters, gepflegt.

Polly wurde langsamer. Das war Mathildas Chance. Sie schnappte sich den Regenwurm aus Pollys Schnabel und verschlang ihn. Polly gackerte laut.

Kim musste lachen. »Warum teilt ihr nicht? So wie wir?« Sie pflückte eine Brombeere und wollte sie gerade essen, als Marie sie ihr wegschnappte und sie sich in den Mund steckte.

»Na, ihr, gibt’s schon wieder Futterkämpfe?« Paul kam auf sie zu und grinste. »Franzi, ich hab gesehen, wie du mit Tinka Springen geübt hast. Starke Leistung.« Paul hielt den Daumen hoch.

Franzi wurde rot. »Danke.« Sie merkte, dass ihre beiden Freundinnen sie von der Seite ansahen, und streckte ihnen heimlich die Zunge raus. Seit Franzi bei einem ihrer letzten Fälle gemeinsam mit Paul eine Nacht um das Leben des kleinen Rehs Goldie gebangt hatte, war sie durcheinander. Und obwohl sie wusste, dass Paul zu alt für sie war, kribbelte es jedes Mal in ihrem Bauch, wenn er in ihrer Nähe war.

»Franzi! Kim! Marie!«, rief Frau Winkler über den Hof. »Es gibt frischen Kirschkuchen.«

In ihrer Backküche, die sich auf dem Winklerhof befand, zauberte Franzis Mutter die leckersten Kuchen und Torten. Franzi und ihre Freundinnen waren die größten Fans des köstlichen Backwerks.

»Ha! Meine Spürnase hat sich nicht getäuscht!«, rief Kim.

»Super, Mama! Wir kommen.« Franzi wollte ihrem Pony eine Kusshand zuwerfen, aber Paul trat genau in dem Moment zwischen die beiden. Franzi merkte, wie sie schon wieder rot wurde.

»Oh, danke.« Paul grinste. »Das war bestimmt nachträglich zu meinem Geburtstag.«

»Du hattest Geburtstag?«, schaltete Marie sich ein.

»Ja, ich bin achtzehn geworden.«

»Alles Gute!« Marie umarmte Paul.

»Von mir auch!«, sagte Kim.

»Herzlichen Glückwunsch«, stammelte Franzi. Sie zögerte kurz, aber dann umarmte sie ihn ebenfalls. »Lasst uns Geburtstagskirschkuchen essen.« Bevor sie gleich so rot wie eine Sauerkirsche werden würde, lief sie los.

Frau Winkler hatte den dampfenden Kirschkuchen auf eine Picknickdecke gestellt, dazu Gläser mit Himbeerlimonade.

Marie pflückte schnell ein paar Blüten und legte sie in Form einer Achtzehn auf den duftenden Kuchen. Dann stimmte sie ein Geburtstagslied an. Kim und Franzi fielen mit ein. Franzi gab sich größte Mühe, aber die Töne waren etwas schräg. Sie sang trotzdem weiter, aber es wurde nicht besser, denn Kim hatte den Text vergessen und sang etwas ganz anderes.

»Danke, ihr seid echt vielseitig.« Paul lachte. »Ihr könnt springen und singen.«

Franzi verteilte die Kuchenstücke. »Danke. Und du kannst sehr gut Komplimente machen.«

Paul steckte sich als Erster ein Stück Kirschkuchen in den Mund. »Mmhhh, der ist ja richtig gut.«

Kim probierte auch. »Die perfekte Mischung aus süß und säuerlich.«

»Übrigens: Meine Cousine Isa hat mich gefragt, ob ich mir mal eines ihrer Pferde angucken kann. Sie möchte damit für die Olympischen Spiele trainieren und die Futtermischung optimieren.« Paul goss die Himbeerlimonade in Gläser.

Franzi nahm einen Schluck. »Echt? In welcher Disziplin?«

»Springreiten. Feuerherz und Isas große Schwester Alexandra, meine andere Cousine, haben vor ein paar Jahren bereits olympisches Gold geholt«, erklärte Paul. »Vielleicht hast du ein paar Tipps für die Futtermischung, Franzi?«

Franzi verschluckte sich an der Limonade und begann zu husten. Marie klopfte ihr auf den Rücken.

»Danke.« Franzi räusperte sich. Sie fühlte sich geehrt, dass Paul sie nach einer Futtermischung für ein Turnierpferd fragte. »Ich habe eine ganz tolle Futtermischung für Tinka, aber so was muss natürlich mit einem Tierarzt abgestimmt werden. Vor allem bei Turnierpferden.«

»Gut, das sage ich ihr. Das müsste sie ja eigentlich auch wissen. Ich fahre gleich mal hin«, meinte Paul.

Franzi trank ihr Glas in einem Zug aus. »Können wir mitkommen?«

Ihre Freundinnen sahen sie überrascht an.

»Wollt ihr denn nicht den berühmten Hengst Feuerherz sehen?«

»Kennst du den etwa?«, fragte Kim überrascht.

»Na klar.« Franzi zeigte auf das Auto ihres großen Bruders Stefan, das auf dem Hof neben einem grauen Wagen parkte. »Ich kann Stefan fragen, ob er uns fährt?«

Paul zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche und wedelte mit einer Karte vor Franzis Gesicht herum. »Brauchst du nicht, ich habe diese Woche endlich meinen Führerschein bestanden und das Auto meiner Mutter ausgeliehen. Er deutete auf den grauen Wagen. »Ich kann euch auch alle mitnehmen.«

Franzi sprang auf und wollte Paul umarmen, hielt aber in der Bewegung inne und zog stattdessen Kim, die sich gerade ein zweites Stück Kirschkuchen nehmen wollte, hoch. »Los, worauf warten wir noch.«

Franzi saß auf dem Beifahrersitz und sah sich die Landschaft an, die an ihnen vorbeirauschte. Auf einer Wiese grasten Kühe. Sie fuhren auf einer kurvigen Landstraße, nur wenige Autos kamen ihnen entgegen.

»So schön ruhig und entspannt ist es hier auf dem Land«, sagte Franzi. Im Autoradio lief der neue Sommerhit von den Boyzzzz. Kim und Marie auf der Rückbank sangen aus voller Kehle mit. Durch die offenen Fenster wehte der Duft von gemähtem Heu. Kurz dachte Franzi an Blake und stellte sich vor, wie es sein würde, ihn in wenigen Tagen wiederzusehen. Die Zeit vor Blakes Auslandsjahr kam ihr sehr weit weg vor. Sie blinzelte zu Paul, der konzentriert auf die Fahrbahn starrte.

Franzi schloss die Augen und wünschte sich, dass diese Fahrt ewig dauern würde.

Paul fuhr eine Linkskurve. »Da seht ihr das Gestüt!«

Franzi machte die Augen wieder auf und blickte auf ein herrschaftliches Haus. Doch ehe sie es genauer betrachten konnte, sah sie aus dem Augenwinkel einen großen Schatten, der direkt auf sie zugerast kam. Sie riss den Kopf zur Seite: Ein schwarzes Pferd galoppierte über die Weide auf sie zu und setzte einige Meter neben ihnen zum Sprung über den Koppelzaun an.

»Stopp!«, schrie Franzi aus Leibeskräften.

Schreckmomente

Paul trat auf die Bremse, die Reifen quietschten. Kim und Marie kreischten auf der Rückbank und Franzi hielt sich die Augen zu. Auf der Gegenfahrbahn kam der Wagen seitlich zum Stehen. Vorsichtig öffnete Franzi die Augen wieder. Haarscharf sprang das Pferd in einem hohen Bogen an der Windschutzscheibe vorbei und galoppierte auf der Gegenfahrbahn weiter.

Franzi drehte sich nach hinten. »Alles klar bei euch?«

Kim und Marie nickten mit schreckgeweiteten Augen.

»Und bei dir, Paul?«

Paul hielt das Lenkrad mit beiden Händen fest und starrte auf die Straße. »Das war knapp.«

Das Pferd entfernte sich immer weiter von ihnen.

Franzi öffnete die Beifahrertür und stieg mit zitternden Beinen aus. Sie atmete tief durch und rannte los. Mit fliegender Mähne galoppierte das Pferd weiter in die Richtung, aus der sie gekommen waren. In seiner Bewegung lag so viel Kraft. Franzi wusste, dass sie das Tier nicht einholen konnte, aber sie lief weiter. Vielleicht würde es ja stehen bleiben. Kurz darauf wurde Franzi von einer Reiterin auf einem dunkelbraunen Pferd überholt. In sehr schnellem Galopp folgte sie dem schwarzen Pferd und hatte es bald eingeholt. Außer Atem blieb Franzi stehen und sah zu, wie die Reiterin beruhigend auf das Pferd einredete. Es hatte angehalten. Franzi lief wieder los. Als sie näher kam, drosselte sie ihr Tempo. Das ausgebüxte Pferd scharrte unruhig mit den Hufen.

Franzi lächelte die junge Frau mit den dunklen Locken an. »Hallo, ich bin Franzi.«

»Ich bin Isa.« Sie schwang sich aus dem Sattel.

Franzi hielt kurz die Luft an. Das Pferd, auf dem Isa unterwegs war, musste der berühmte Hengst Feuerherz sein. Auf der Stirn hatte er einen weißen Fleck, die sogenannte Blesse. Sie hatte die Form einer Flamme.

»Ist das Feuerherz?«

Isa nickte. »Genau, du kennst dich aber gut aus.«

»Ich war mit deinem Cousin auf dem Weg hierher.« Franzi zeigte auf das Auto, das Paul am Straßenrand geparkt hatte. Paul, Kim und Marie standen daneben und beobachteten sie besorgt. Franzi hielt den Daumen hoch, da hörte sie ein Motorengeräusch. »Da kommt ein Auto.«

»Mist!« Isa zog Feuerherz am Halfter an den Straßenrand. »Bella muss von der Straße runter.«

Um auf sich aufmerksam zu machen, ruderte Franzi mit den Armen und gab dem Autofahrer ein Zeichen, dass er langsamer fahren sollte. Das entgegenkommende schwarze Auto bremste ab und fuhr im Schritttempo an ihnen vorbei. Franzi nickte dem Fahrer dankend zu und drehte sich dann wieder zu Bella. Das schwarze Pferd riss schnaubend den Kopf herum und wieherte nervös.

»Ganz ruhig, Bella«, sagte Franzi mit gedämpfter Stimme. »Wir helfen dir nur, damit du wieder nach Hause kannst.« Sie rupfte ein Grasbüschel vom Rand und hielt es der Stute mit der flachen Hand hin. Die streckte den Kopf nach vorne und lief dann langsam auf Franzi zu. Ihre weichen Pferdelippen berührten Franzis Hand, bevor das Grasbüschel in ihrem Maul verschwand.

»Gut so.« Franzi lächelte und griff nach dem Halfter.

»Das hast du toll gemacht, Franzi«, sagte Isa anerkennend. »Kannst du reiten?«

Franzi nickte. »Ich habe ein Pony, es heißt Tinka.«

»Bella ist ein sehr sanftmütiges Pferd. Ich weiß nicht, wie sie aus dem Stall abhauen konnte. Eigentlich wollte ich gleich nach meinem Training mit Feuerherz einen Ausritt mit ihr machen.« Isa klopfte Bella auf den Hals. »Kann Franzi dich wieder nach Hause reiten?«

Das Pferd schnaubte.

»Möchtest du?«, fragte Isa.

»Sehr gerne!« Franzi freute sich riesig.

Isa nahm ihren Helm ab und setzte ihn Franzi auf. Die redete beruhigend auf Bella ein, stellte ihren linken Fuß in den Steigbügel und saß langsam auf.

Paul, Kim und Marie stiegen nun wieder ins Auto und fuhren Richtung Gestüt.

Behutsam ritt Franzi im Schritt los. Bellas schwarze Mähne glänzte in der Sonne.

Isa und Feuerherz waren vor ihr. Jede Bewegung von Feuerherz sah unglaublich anmutig aus.

Als sie durch ein Tor geritten waren und sich aus dem Sattel geschwungen hatten, entdeckte Franzi zuerst Paul, der ihnen zusammen mit einer Frau und einem Mann entgegenging.

Kim und Marie stürzten auf Franzi zu und umarmten sie. »Alles gut, Mädels«, sagte Franzi und warf einen Seitenblick zu Paul, der den Daumen nach oben hielt.

»Toll, Franzi, wie du Bella beruhigt hast! Das sind mein Onkel Viktor Frankenberg und seine Frau Stefanie.« Paul deutete auf Franzi. »Und das ist Franziska Winkler. Sie ist die Tochter von dem Tierarzt, bei dem ich mein Praktikum mache.«

»Hallo, Franziska, danke, dass du zusammen mit meiner Isi unsere Bella wieder eingefangen hast.« Viktor Frankenberg war ein großer Mann mit dunklen Locken, den Franzi auf Ende fünfzig schätzte. Er trug Gummistiefel und eine Reithose.

»Isa, alles okay bei dir?«, fragte Frau Frankenberg, die Franzi ebenfalls auf Ende fünfzig schätzte. Sie trug eine graue Strickjacke und hatte kinnlange dunkelblonde Haare.

»Alles gut, Mama, mach dir keine Sorgen.«

Franzi blickte sich um. Auf der Treppe zum Eingang des Gutshauses standen jede Menge bunte Blumen. In der Mitte des Hofes wuchs eine große Linde. Darunter befand sich eine weiß gestrichene Holzbank. Die grüne Tür des Pferdestalls war weit geöffnet. Schräg hinter dem Stall gab es eine Pferdekoppel und mehrere Wiesen.

Durch eine Holztür verließ eine dunkelhaarige Frau in Reiterhose die Koppel. »Papa, was ist jetzt mit dem Training?«

»Das ist Alexandra«, flüsterte Paul hinter vorgehaltener Hand. »Sie hat vor ein paar Jahren mit Feuerherz olympisches Gold geholt.«

»Und jetzt will Isa das auch schaffen?«, wisperte Franzi.

»Sie wollte es schon immer«, erwiderte Paul.

»Alexandra, warte mal kurz.« Viktor Frankenberg fuhr sich durch die Haare. »Wie konnte es passieren, dass Bella abhaut? Wer hat den Stall offen gelassen?«

»Der Stall war zu. Das habe ich vorhin überprüft«, erklärte Alexandra und nickte Kim, Franzi und Marie zu. »Hallo!«

Die drei Freundinnen grüßten zurück.

»Wo ist denn eigentlich Benjamin?«, fragte Frau Frankenberg.

»Er besorgt Salbe für Feuerherz«, erklärte Isa.

»Was denn für eine Salbe?«, wollte Paul wissen.

»Für sein Kniegelenk«, erklärte Isa. »Das hat er sich bei seinem letzten Sprung gestoßen.«

»Willst du mich jetzt etwa dafür verantwortlich machen, Isa?«, fragte Alexandra.

Isa schüttelte den Kopf. »So ein Quatsch!«