Cover

Buch

Ich liege auf dem Dach und zähle meine Sterne,
manchmal strecke ich kurz die Arme aus.
Dann pflück ich mir ein paar,
greif einfach raus in sphärisch weite Ferne,
endlich hört das Warten wieder auf.

Gefühlvoll und berührend schreibt Bestsellerautorin Julia Engelmann in ihrem neuen Gedichtband über die Suche nach Glück, Liebe und Zuhause und die kleinen und großen Fragen, die unser Leben bestimmen: was uns glücklich macht, wo wir hingehören, welchen Weg wir gehen wollen, was wir loslassen, was bleibt. Ihre Texte versprühen Lebens­freude und machen Mut: Das Universum steckt voller Möglichkeiten, und »vielleicht sind wir ein bisschen für immer« …

Weitere Informationen zu Julia Engelmann
sowie zu lieferbaren Titeln der Autorin
finden Sie am Ende des Buches.

Julia Engelmann

Keine Ahnung,
was für immer ist

Poetry

Mit Illustrationen der Autorin

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Originalausgabe Oktober 2020

Copyright © 2020 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Umschlagillustrationen: Julia Engelmann

Autorenfoto: © Marta Urbanelis

KS · Herstellung: kw

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-26718-6
V002

www.goldmann-verlag.de

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Ich will dir so vieles sagen, aber ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Das ist der Grund, warum ich so oft noch nicht angefangen habe. Da sind so viele Dinge, die ich dir sagen will, so viele wie Tropfen in der Nordsee. Mindestens. Und wo fängt die Nordsee an? Und jeder Tropfen, der verdampft und dann eine Wolke und dann Regen und dann ein Schluck Wasser und dann eine Träne wird, gehört der dazu? (Das kannst du jetzt natürlich schlecht beantworten.)

Klar, ich schätze, man geht einfach irgendwo vom Strand mit den Füßen langsam zum Wasser. Und wenn eine Welle kurz über den Sand und über einen Fuß hinwegschwappt – und man kurz »Hui« macht, weil das zur Standardchoreografie der Sommerferien dazugehört, wie sich mit Sonnencremehänden Sonnencreme aus den Augen zu wischen und unter Zeugen zu beteuern, dass man Sonnencreme hasst –, dann fängt man an, die Tropfen, die da am rechten Fuß hängen geblieben sind, zu beschreiben. So mach ich das auch, okay?

Ich geh jetzt also mit dir zum Wasser. Ich höre die Wellen und fühle den sandigen Wind an meinen Knöcheln, und dann atme ich ein, halte meinen rechten Fuß ins Wasser. Und hier, hier fangen wir an.

Mein Paradies

Und ich höre dich noch:

»Ach, das passt nicht zu dir.

Was willst du denn in einer fremden Stadt?«

Und ich sag: »Was, wenn doch?

Ich will alles probieren!

Vielleicht bin ich da einfach gerne wach.«

Und ich höre dich noch:

»Ach, dein Leben ist hier.

Und läufst du nicht davon, wenn du jetzt gehst?«

Und ich denk wie so oft:

»Ich hab nichts zu verlieren.

Und vielleicht geht’s nicht darum, dass du’s verstehst.«

Denn wer weiß schon, was kommt

und wohin alles führt?

Und wir finden das alles schon irgendwann raus,

aber heute nicht.

Und ich lauf nicht davon,

ich folg meinem Gefühl.

Wir sind immer zu Hause,

wo Wachbleiben schöner als Träumen ist.

Cut to:

Wäscheberge in meinem Schrank

sind meine kleinen Rocky Mountains.

Alpen aus Papier bewahre ich auf.

Bücher sind mein Highway für den Fall,

dass ich hier doch noch rauswill.

Immer les ich nur geradeaus.

Und wenn ich meine Arme hebe,

komm ich fast an beide Wände.

Drei Bettkanten berühren bald den Rand.

Manchmal weht ein bisschen Staub wie Laub

herab in meine Hände.

Mit Fantasie wird jeder Raum ein Land.

Im Parkhaus gegenüber, das nie voll ist,

flackert nachts das Licht.

Die Bahn malt gerade Kurven in Asphalt.

Wenig ist mal wieder, wie ich’s wollte,

doch das macht mir nichts.

Die Eiszeit ist hier fast kein bisschen kalt.

Alles, was ich sehe, sind mein Palast

und tausend Möglichkeiten.

Nachts flüstert der Himmel hier »Hawaii«.

Alles, was ich sehe, sind meine Kraft

und meine schönsten Zeiten.

Alle alten Sachen strahlen wieder neu.

Ich wünschte, ich könnte dir zeigen,

was ich sehe, wenn ich »Wunder« sage.

Ich wünschte, du würdest verstehen, was ich dir zeig.

Doch du bist jetzt weit weg,

und ich bleib hier, vielleicht für hundert Jahre,

und führ ein kleines Leben, das mir reicht.

Und es stimmt:

Ich liebe es, wach zu sein,

gerade jetzt und gerade ich,

und ich tanze mit mir allein,

einfach weil mir danach ist.

Ich liege auf dem Dach von meinem Haus

und zähle meine Sterne,

manchmal strecke ich kurz die Arme aus.

Dann pflück ich mir ein paar,

greif einfach raus in sphärisch weite Ferne,

endlich hört das Warten wieder auf.

Orangenblauer Abend,

und da flackert dieser Stern im Norden.

Ist Rosa vielleicht schüchterneres Rot?

Ich schau auf die Plantagen,

meine Äcker, Feigen ernte ich morgen,

heute lasse ich noch ein bisschen los.

Als Hemd will ich für immer nur

ein wehendes goldenes Kornfeld tragen,

als Schmuck ein bisschen Sonne im Gesicht.

Und manchmal kämmen, flechten mir

hier leise Winde meine Haare,

der Stuck überm Balkon ist mildes Licht.

Und es stimmt:

Ich liebe es, wach zu sein,

gerade jetzt und gerade ich,

und ich tanze mit mir allein,

einfach weil mir danach ist.

Fade to:

Und wer weiß schon, was kommt

und wohin alles führt?

Und wir finden das alles schon irgendwann raus,

aber heute nicht.

Und ich lauf nicht davon,

ich folg meinem Gefühl.

Wir sind immer zu Hause,

wo Wachbleiben schöner als Träumen ist.

Und ich höre dich schon:

»Ich bin gerne bei dir.«

Dein Lächeln füllt bestimmt den ganzen Raum.

Ich: »Wie schön, dass du’s magst,

ich bin auch gern bei mir.

Und wach zu sein ist hier der schönste Traum.«

Und ich höre dich schon:

»Ich bin glücklich für dich.

So schön singt man ein Lied nur,

wenn man liebt.«

Und ich sag: »Ich bin froh,

das war wichtig für mich.

Jetzt weißt du, wo es liegt,

mein Paradies.«