TEICH, FLUSS UND SEE

Gewässer sind das Salz in der ornithologischen Suppe. Vogelgucker zieht es erfahrungsgemäß in die vom Wasser dominierten Lebensräume, da es hier viel zu entdecken gibt. Viele große Seen, Altarme von Flüssen, Rieselfelder oder Feuchtwiesen sind wahre Eldorados. Denn es gibt jede Menge Vogelarten – und eben oft besondere, die du nur dort sehen kannst. Viele von ihnen leben ausschließlich an Gewässern, sind also vom Wasser abhängig, sodass du sie nirgendwo anders aufspüren kannst. Zu einer ganzen Palette von exklusiven Brutvögeln kommen noch viele Durchzügler und Wintergäste hinzu. Es ist also immer was los an Teich, Fluss und See.

ANGELEGT

Die meisten Gewässer in der Stadt, im Dorf und in der Umgebung sind künstlich. Sie wurden vom Menschen geschaffen. Es sind Kiesgruben, Stauseen, Feuerlöschweiher, Fischteiche, Parkgewässer, Rieselfelder, Eisweiher (hier wurde in früheren Jahren das Eis für Brauereien gewonnen) oder Rückhaltebecken. Und selbst die von Natur aus vorhandenen Gewässer hat der Mensch oftmals nach seinen Bedürfnissen gestaltet und verändert. Oft auch massiv misshandelt, sodass die ökologischen Funktionen häufig weitgehend verloren gingen. Man denke an die Begradigungen oder gar Kanalisierungen der Fließgewässer, die oft in ein Korsett aus Beton gezwungen wurden. Jetzt ist man dabei, die Sünden der Vergangenheit wiedergutzumachen, also zu renaturieren. So kehrt sukzessive wieder ein bisschen Natur an unsere Gewässer zurück. Kurzum: Zum Teil hat man neue Habitate geschaffen, zum Teil auch entwertet. Die Bilanz dürfte mehr oder weniger ausgeglichen sein.

FLUSS UND BACH

In fast jeder Stadt und in vielen Dörfern triffst du irgendwo auf ein Fließgewässer, einen kleinen Bach, ein Flüsschen oder gleich einen Strom. Je größer das Gewässer ist, desto größer wird in der Regel auch die Artenvielfalt unter den Vögeln sein. Am Graben oder Bach wirst du vielleicht lediglich eine Gebirgsstelze, einen Graureiher oder Stockenten entdecken können, am Flüsschen, je nach dem, wo du lebst, neben den gerade genannten Arten auch Eisvogel, Teichhuhn oder Wasseramsel. Und am großen Fluss oder Strom kommen verschiedene Taucher, Enten, Rallen, Möwen und Seeschwalben (diese meist nur auf dem Durchzug) hinzu.

Höckerschwäne
© Frank Hecker

TEICH UND SEE

Die Vielfalt an Stillgewässern ist riesig. Vom kleinen, ringsherum mit Beton eingefassten Wasserbassin ohne jegliches Grün bis hin zum naturnahen See mit Inseln, Flachwasserzonen und schilfgesäumten Ufern gibt es alle Abstufungen. Und selbst in einem Wasserbecken kannst du auf Stockenten und im Winter auf Lachmöwen oder Gebirgsstelzen treffen. Je größer das Gewässer wird und je mehr Strukturen es bietet, desto mehr Arten finden hier einen Lebensraum. Ein größerer Parkteich mit einigen Gebüschen am Ufer und einer kleinen Schilfinsel – und schon bestehen Chancen, dass Teich- und Blässhühner, Stockenten und vielleicht Höckerschwäne und Graugänse als Brutvögel vorkommen. Mit Glück sogar Zwergtaucher und Teichrohrsänger. Als Gastvögel erfreuen uns weitere Enten, Graureiher, Möwen und möglicherweise auch einmal ein Eisvogel. Daneben ist immer auch mit eingesetzten oder ausgebüxten Arten zu rechnen. Auf den Seiten 204 bis 207 findest du eine kleine Auswahl solcher Exoten. Am großen See am Stadtrand können, wenn dieser einigermaßen naturnahe Bereiche aufweist, an brütenden Arten Haubentaucher, Kormoran, Graureiher, weitere Entenvögel und einige weitere Vogelarten hinzukommen, die Vielfalt an durchziehenden oder rastenden Arten kann sehr groß werden.

Landshuter Lachmöwen
© Philipp Herrmann

IM JAHRESVERLAUF

An Gewässern ist es das gesamte Jahr über spannend. Nur wenn es zufriert, kann es schlagartig zu Ende sein mit der Pracht. Sollte der See jedoch eisfrei bleiben oder zumindest ein eisfreies „Loch“ besitzen, so ist gerade im Winter sehr viel geboten. Vielfalt auf engstem Raum. Wenn im Umfeld die Gewässer zufrieren, treibt es viele Wasservögel in die urbanen Bereiche, da dort oft gefüttert wird und Teile des Gewässers eisfrei gehalten werden. Jede Menge verschiedener Enten, Säger, Möwen und unterschiedlicher Taucher sorgen für willkommene Abwechslung. Oft mischt sich sogar die eine oder andere Rarität unter die „üblichen Verdächtigen“. Viele Arten kann man super beobachten, da sie frei auf der Wasserfläche schwimmen oder darüberfliegen. Keine störenden Äste, kein Laub, einzig vielleicht mal ein bisschen Schilf, aber da kann ja auch was Aufregendes drinsitzen.

Und natürlich sind auch beide Zugzeiten sehr spannend. Was sich da alles vor deinem Fernglas oder Spektiv abspielen kann, sprengt den Rahmen dieser kurzen Einleitung. Und alte Devise: je mehr Vielfalt bei den Habitaten, desto mehr zu erwartende Arten. Im Frühjahr und Sommer ist Brutzeit, die auch viel Abwechslung bietet. Vielleicht entdeckst du eine neue Brutvogelart an deinem Stammgewässer oder erfreust dich einfach an den putzig aussehenden Jungvögeln von Teich- und Blässhuhn und beobachtest sie genauer! Notiere dir, wie viele Brutpaare du von welcher Art feststellst und wie viele Junge sie haben. Das können wichtige Daten für den Naturschutz sein.

Das war nun ein Parforceritt durch die wichtigsten Lebensräume, die in diesem Buch behandelt werden. Natürlich weder vollständig, was die verschiedenen Lebensräume und Habitate, noch was die Arten betrifft. Ich konnte hier immer nur einige Beispielarten nennen. Und wie schon so oft geschrieben: Es kann eben alles überall passieren. Und jetzt viel Spaß mit den Arten!

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STRASSENTAUBE

Columba livia f. domestica

Größe: ca. 30–35 cm Gewicht: ca. 180–370 g Bei uns: ganzjährig Stimme: beim Auffliegen Klatschgeräusche, eigenartiges Surren; Gesang: tiefes Gurren 

DER STADTVOGEL SCHLECHTHIN Diejenigen von euch, die in den Innenstädten wohnen, werden die Straßentaube vielleicht bereits vom Bett aus erleben können: ein Gurren vom Balkon oder vom Fenstersims. Spätestens nach Öffnen des Rollladens sieht man auch eine. Wenn eine Vogelart für den Lebensraum Stadt steht, dann ist es wohl die Straßentaube. Auch der weitere gebräuchliche Name „Stadttaube“ deutet auf diesen Umstand hin. Ihr begegnet man wirklich fast überall, sogar oder gerade in der „tiefsten“ City. Bereits am Bahnhof begrüßt sie uns in der Regel – auch wenn dieser Gruß manchmal ein feuchter ist, der auf Ärmel oder Brille landet.

RESPEKT Zugegeben, dieser Vogel löst etwas widersprüchliche Gefühle aus, denn viele Individuen sind nicht gerade besonders hübsch und wirken manchmal etwas „verratzt“. Hinzu kommen gelegentlich Geschwüre und Klumpfüße oder sonstige unansehnliche Verletzungen. Sie haben es auch wirklich nicht leicht. Auch die Tatsache, dass ihr Kot Gebäude schädigt, trägt nicht gerade zu ihrer Popularität bei. Du musst die Straßentauben ja auch nicht lieben – obwohl das durchaus auch etliche Mitmenschen tun – aber du darfst, oder solltest, ihnen zumindest Respekt entgegenbringen. Es ist schon bewundernswert, wie sie auch im Winter ihre Jungen großziehen und selbst die kleinste Nische für die Anlage eines Nests nutzen können. Aber geradezu phänomenal ist ihr Orientierungssinn. Jeder Taubenzüchter weiß das. An irgendeine x-beliebige Stelle verfrachtet, finden diese erstaunlichen Vögel wieder zielsicher in ihren Schlag zurück. Eine Eigenschaft, die man früher – in Zeiten ohne Smartphone – auch zur schnellen Überbringung von Nachrichten genutzt hat. Stichwort Brieftaube. Und diese gute Orientierung versetzt die Tauben auch in die Lage, sich selbst im städtischen Underground, oft ein Labyrinth aus Aufgängen und Rolltreppen, zurechtzufinden. Ich staune immer wieder, wie sie zum Beispiel in Stuttgart bis zu zwei Etagen in den Untergrund fliegen, um an den S-Bahn-Gleisen – also im U2 – nach Krümeln der schwäbischen Brezel zu suchen. Wahre Feinschmecker!

NACHTSCHWÄRMER Eine weitere sehr bemerkenswerte Tatsache ist, dass die Straßentaube mittlerweile auch mitten in der Nacht aktiv ist, wenn ihre Verwandten längst schlafen. Dass diejenigen Individuen, die unterirdisch in S-Bahnhöfen oder Fußgängerpassagen leben, ein derartiges Verhalten zeigen, wundert eigentlich nicht. Hier herrscht ja schließlich fast ständig künstliches Licht. Doch auch die Tauben, die auf den Straßen und Plätzen leben, zeigen, begünstigt durch Straßenbeleuchtung und hell erleuchtete Schaufenster, dieses Verhalten und trippeln auch noch nachts um zwölf zwischen den Nachtschwärmern umher.

MERKMALE Mittelgroßer Vogel von eher gedrungener Gestalt, mit relativ kleinem Kopf und kurzem zierlichen Schnabel. Sehr variabel gefärbt. Die der Wildform – Straßentauben stammen von der Felsentaube ab – nahekommenden Individuen sind überwiegend grau gefärbt, Rücken und Flügel von hellerem Grau, während Kopf, Brust und der Nacken dunkler sind. Im Sitzen fallen die zwei kräftigen schwarzen Flügelbinden auf, die aus dem schwarzen Flügelhinterrand und einer ebenso gefärbten Flügelbinde gebildet werden. Eine weitere schwarze Binde ziert den dunkelgrauen Schwanz. Ein echter Hingucker sind die metallisch grün und rosa schillernden Halsseiten.

ÄHNLICHE ARTEN Die Ringeltaube (siehe hier) ist größer und hat je ein weißes Abzeichen am Hals und auf den Flügeln. Die Hohltaube (siehe hier) ist etwas kleiner und von mehr hellbläulichem Grau. Mehr Rosé an der Brust und leuchtenderes Grün an den Halsseiten. Besonders auf die Flügel achten! Nur schwach ausgeprägte schwarze Flügelbinde.

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RINGELTAUBE

Columba palumbus

Größe: ca. 38–43 cm Gewicht: ca. 300–600 g Bei uns: ganzjährig Stimme: Gesang: tief „huuuh-hu-hu-HUUH-huuuuh-hu- - hu-hu“ (mit unterschiedlichen Betonungen)

DER ERSTE VOGEL Egal, wo man wohnt, eine Ringeltaube gehört wohl zu einer der ersten Arten, die man zu Gesicht oder Gehör bekommt. Denn im Frühjahr und Sommer balzen sie ständig, im Winter sitzen sie in größeren Trupps im Park und im Herbst kannst du oft große Schwärme am Himmel entlangziehen sehen. Also meistens ziemlich auffällig. Entweder siehst du sie fliegen, auf einer Laterne sitzen oder wie sie im Vorgarten bedächtig schreitend nach Nahrung suchen. Auf meinem Weg zur Arbeit sehe ich eigentlich immer irgendwo Ringeltauben.

STARK IM KOMMEN Das war nicht immer so. Vor etwa einer Generation (also vor rund 30 Jahren) war die Ringeltaube in meiner Heimat – Stuttgart – ein Vogel der Wälder, der Ende September abzog und im April wiederkam. Schon das hat sich geändert. Sie ist bei uns mittlerweile ganzjährig zu sehen. Aber viel dramatischer ist Folgendes: Als ich Ende der 1990er-Jahre einmal in Köln war, traute ich meinen Augen kaum: Aus jeder zweiten Hecke, jedem zweiten Baum – selbst in der Innenstadt – flog eine Ringeltaube auf. „Was ist denn hier los?“, fragte ich mich. Seit einigen Jahren beobachte ich das auch in Süddeutschland. Mittlerweile beherbergt bald jedes größere Gehölz, ob im Hinterhof, im Park, auf der Feldflur oder im Abstandsgrün, ein Ringeltaubenpärchen. Betrachtet man nur die schiere Biomasse – das habe ich mir mal für Rheinland-Pfalz ausgerechnet – handelt es sich bei der Ringeltaube um die zweithäufigste Vogelart, nur getoppt von der Amsel. Wahrhaftig aber steht sie in Rheinland-Pfalz auf dem zwölften Platz, als erster Nicht-Singvogel. Alle Ringeltauben bringen in diesem Bundesland übrigens etwa 127 Tonnen auf die Waage.

ANPASSUNGSFÄHIG Wer so häufig ist, darf oder kann keine großen Ansprüche haben – weder an den Neststandort noch an die Nahrung. Und so ist es: Gefressen werden Sämereien aller Art, im Winter auch Beeren – die Ringeltaube ist quasi Veganerin. Selbst ihre Jungen füttert sie mit einer Kropfmilch, die aus aufbereiteten Sämereien besteht. Mit dem Nestbau nimmt sie es nicht so genau: Ihr wirklich liederliches Nest legt sie in der erstbesten Hecke oder in einem Bäumchen im Straßenbegleitgrün an. Neuerdings beobachte ich sogar Bruten an Gebäuden, wo sie in der Manier einer Straßentaube ihr Nest auf Simsen baut. Hier sind noch ein paar Zweige – mehr pro forma und weil es eben zum „guten Ton“ gehört – aufeinandergeschichtet, vor allem wohl deshalb, damit die Eier nicht herausrollen können. Auch in Bäumen ist die „Behausung“ nur unmotiviert aus einigen Zweigen zusammengesteckt und wirkt viel zu klein für den stattlichen Vogel. Außerdem kann man sich oft nur wundern, dass da die Eier nicht hindurchfallen. Und noch mehr wundert man sich, dass dieses nicht sofort von einem Beutegreifer ausgenommen wird – so leicht wie es zu entdecken ist. Aber irgendwie scheint es ja zu funktionieren, sonst gäbe es ja nicht so viele Ringeltauben.

MERKMALE Stattliche Taube und größer als die bekannte Straßentaube. Insgesamt sehr massig, aber mit kleinem Kopf und relativ langem Schwanz. Durch das Fehlen von schwarzen Flügelbinden wirkt die Ringeltaube recht einfarbig grau. Sie hat allerdings eine schöne blassweinrote Brust und vor allem weiße Flecken an den Halsseiten, die sehr charakteristisch sind. Im Flug sind die Flügel sehr kontrastreich: schwarze Spitzen, weißes Band und graue Basis. Auch der graue Schwanz kann mit einer schwarzen Binde aufwarten. Herausstechendes, hellgelbes Auge mit schwarzer Pupille.

ÄHNLICHE ARTEN Die Straßentaube (siehe hier) ist kleiner. Die typische Erscheinungsform hat schwarze Flügelbinden und insgesamt kontrastreicheres Gefieder. Die Hohltaube (siehe hier) ist deutlich kleiner und ohne weiße Halsseitenflecken. Schwach angedeutete Flügelbinde und aufgehellter grauer Bereich im Flügel. Dunkles Auge. Etwas kürzerer Schwanz.

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HAUSSPERLING

Passer domesticus

Größe: ca. 14–16 cm Gewicht: ca. 24–38 g Bei uns: ganzjährig Stimme: „tschilp“; Gesang: Aneinanderreihung von Tschilptönen mit Variation

BEKANNT UND BELIEBT? Den Namen „Spatz“ kennt jeder. „Haussperling“, seine korrekte Bezeichnung, ist hingegen viel weniger bekannt. Man kennt diesen sympathischen und beliebten Allerweltsvogel eher unter seiner volkstümlichen Bezeichnung. Noch-Allerweltsvogel muss man sagen, denn die Bestände gehen seit vielen Jahren zurück, da die Städte für diese Art immer weniger Lebensraum bieten. Vor allem weniger Futter und weniger Nistplätze. So hat man ihn sogar auf die Rote Liste der gefährdeten Arten gesetzt. Und sympathisch? Ganz bestimmt! Beim Haussperling gefällt uns einfach seine umtriebige Art und irgendwie die Tatsache, dass er sich als Underdog durchs Leben schlägt. Aber beliebt war er nicht immer – wurde er doch früher als Ernteschädling sogar massiv verfolgt. Diese Zeiten sind vorbei und man muss sich nun auch um ihn Sorgen machen. Was für ein Verlust wäre es für unsere Städte und Dörfer, wenn wir keine Spatzen mehr hätten! Kein freundliches Tschilpen mehr in den Straßen und auch keine fröhliche Bagage, die vor den Passanten davonjagt.

WG-BEWOHNER Keine Frage also: Haussperlinge lieben die Geselligkeit. Im Trupp unter ihresgleichen fühlen sie sich wohl. Oft kannst du sie beobachten, wie sie im kleinen Schwarm zu einer Futterstelle fliegen, sich dann gewitzt das Futter holen und sich gelegentlich zeternd um besonders große Futterbrocken streiten – dabei aber stets auf Vorsicht bedacht, um bei der kleinsten Störung sofort in der nächsten Hecke zu verschwinden. Überhaupt sind dichte Hecken ein wichtiger Bestandteil in ihrem Lebensraum. Ausgewählte Gebüsche in einem Straßenzug oder „Kiez“ bilden sozusagen einen Sozialraum für eine ganze Spatzen-Clique. Das ist dann unüberhörbar. In diesen Wohngemeinschaften kommt die Nachbarschaft zusammen, um den Tag gemeinsam zu verbringen und von dort aus die Gegend unsicher zu machen. Auch irgendwie sympathisch.

DAS BAD IN DER MENGE Auf meinem Balkon erhalte ich sehr regelmäßig Besuch von Haussperlingen – oft in größerer Zahl, obwohl ich nicht füttere und sie hier auch nicht nisten. Was bewegt dann die Spatzen, zu mir auf den Balkon zu kommen? Als sparsamer Schwabe habe ich Blumenkästen, aber keine Pflanzen darin. Die lockere, immer trockene Erde darin ist wie geschaffen für ein herrliches Staubbad, das die reinlichen Tiere gerne nehmen, um Parasiten loszuwerden. So sitzen manchmal vier oder fünf Vögel in kleinen Kuhlen, drehen und schütteln sich, sodass die Erde nach allen Seiten spritzt. Wahrhaftig: Ein Bad in einer Menge Staub.

MERKMALE Kleiner Vogel von kompakter Gestalt und grau-bräunlichem Gesamteindruck. Bei genauerem Hinschauen entpuppen sich die Männchen (links) als durchaus ansprechend gezeichnete Vögel: Ein lebhaft braun-schwarz gemusterter Rücken, eine gräuliche Unterseite sowie braune Flügel mit weißen und schwärzlichen Abzeichen. Der Kopf weist hellgraue Wangen und einen grauen Scheitel auf. Schwarzer, kräftiger Schnabel und schwarzer, unterschiedlich ausgedehnter Brustlatz. Im Winter ist die ganze Pracht der Männchen etwas verflogen. Alles ist matter, vor allem der Scheitel ist nicht mehr auffällig und der Brustlatz nur angedeutet. Selbst der Schnabel ist nur noch hornfarben. Die Weibchen (rechts unten) sind während des ganzen Jahres gräulich braun mit gestreiftem Rücken.

ÄHNLICHE ARTEN Der Feldsperling (siehe hier) hat eine rein weiße Wange und einen schwarzen Fleck darauf. Außerdem eine komplett braune Kopfkappe. Die Weibchen haben grundsätzlich auch Ähnlichkeit mit Finken und Ammern, aber da sie meistens doch in Gesellschaft von Männchen auftreten, sollte die Zugehörigkeit dadurch klar sein. Da Italien ein beliebtes Reiseziel ist, verrate ich dir noch eine Spezialität. Dort kommt der Italiensperling (Passer italiae) vor, der unserem Spatz sehr ähnlich sieht, aber einen braunen Scheitel hat.

Vögel am Futterhaus

FETTFUTTER ist bei allen Arten beliebt und ist als Energielieferant sicherlich das wichtigste Futter. Da versucht selbst eine Amsel den Angriff auf einen Meisenknödel, um etwas vom Fett abzubekommen. Sonst muss sie sich mit dem begnügen, was herunterfällt. Grundlage zum Selbermachen von Fettfutter ist Rindertalg vom Metzger oder ungehärtetes Kokosfett. Weitere Zutaten sind alle möglichen Samen und Kleie.

GRÜNLING, GRÜNFINK

— Chloris chloris

© Frank Hecker

Streitsüchtiger Mitesser, Vorliebe für Körner, Fettfutter und Knödel (siehe hier).

KERNBEISSER

— Coccothraustes coccothraustes

© Frank Hecker

Sein kräftiger Spezialschnabel knackt selbst Kirsch- und Pflaumenkerne (siehe hier).

BUCHFINK

— Fringilla coelebs

© Frank Hecker

Regelmäßiger Besucher, pickt alles auf, was runterfällt: Körner, Samen, Haferflocken (siehe hier).

BERGFINK

— Fringilla montifringilla

© Frank Hecker

Gelegentlich, aber dann oft in Massen. Liebt größere Samen wie Sonnenblumenkerne (siehe hier).

GIMPEL

— Pyrrhula pyrrhula

© Frank Hecker

Knackt mit seinem starken Körnerfresserschnabel verschiedene Sämereien (siehe hier).

ERLENZEISIG

— Spinus spinus

© Frank Hecker

Turnt an aufgehängtem Fettfutter und pickt kleine Samen auf. Oft im wuseligen Trupp (siehe hier).

HAUSSPERLING

— Passer domesticus

© Frank Hecker

Öffnet mit seinem kräftigen Schnabel größere Sämereien und frisst Getreidekörner (siehe hier).

Feldsperling

— Passer montanus

© Frank Hecker

Frisst eher kleinere Körner, bedient sich auch an Knödeln und anderem Fettfutter (siehe hier).

STIEGLITZ

— Carduelis carduelis

© Frank Hecker

Frisst mit seinem langen, spitzen Schnabel gerne kleinere Sämereien, z.B. Hirse (siehe hier).

Elster

— Pica pica

© Frank Hecker

Wie die Straßentaube oft nicht gern gesehen, ihr Appetit ist groß, frisst alles, z. B. Äpfel und Samen (siehe hier).

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NEBELKRÄHE

Corvus cornix

Größe: ca. 44–51 cm Gewicht: ca. 410–590 g Bei uns: ganzjährig Stimme: siehe Rabenkrähe

Die „Ostkrähe“ Die Nebelkrähe ist das Pendant zur Rabenkrähe in weiten Teilen der östlichen Bundesländer. In Köln, Stuttgart oder München wirst du sie also vergeblich suchen – höchstens es verfliegt sich mal ein Individuum. In Berlin oder Rostock hingegen ist sie so allgegenwärtig wie die Rabenkrähe im Westen. Die beiden Arten schließen sich sonst weitgehend aus. Es gibt allerdings eine kleine Kontaktzone, die etwa an der Elbe liegt, wo auch Mischlinge (s. u.) vorkommen können.

Die Eiszeit war’s! Sie hat für die Auftrennung der zwei Arten, die früher oft auch nur als Unterarten betrachtet wurden, gesorgt. Ein mächtiger Gletscher, der sich bis nach Norddeutschland geschoben hat, trennte die „Urkrähe“. Nach dem Abschmelzen waren – vereinfacht gesagt – zwei Arten entstanden.

MERKMALE Größe und Habitus wie bei der Rabenkrähe, jedoch mit viel Grau am Körper. Eigentlich sind nur Flügel, Schwanz, Kopf und Brustlatz schwarz, der Rest ist in einem kontrastierenden Grau. Hybriden (kleines Foto unten) zeigen alle Variationen von „ein bisschen grau“ bis „ein bisschen schwarz“. So zeigen zum Beispiel Vögel vom Typ „Nebelkrähe“ zunächst mehr Schwarz an den Schultern und an den Unterschwanzdecken. Insgesamt aber recht knifflig.

ÄHNLICHE ARTEN Entfernt Dohle (siehe hier).

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AMSEL

Turdus merula

Größe: ca. 23,5–25 cm Gewicht: ca. 70–148 g Bei uns: ganzjährig Stimme: vielfältig, u. a. „djück“, „tix“, „tack“, oft gereiht; Gesang: laut, kräftig, melodisch, relativ langsam

BEKANNT FAST WIE COCA-COLA ist die Amsel! Bei einer kürzlich veröffentlichten Studie kannten fast 80 % der befragten Schülerinnen und Schüler diesen heimischen Singvogel und konnten ihn auf einem vorgelegten Foto richtig benennen. Auch von „meinen“ Studis (ich halte seit Jahren ein Seminar an einer pädagogischen Hochschule) konnten ihn fast 91 % bestimmen. Und das wundert auch nicht – ist die Amsel doch eine der allerhäufigsten und zudem auch auffälligsten Arten in Deutschland. Wahrscheinlich hat sie jede und jeder schon einmal im Garten oder einem Park gesehen. Und was wären unsere Städte ohne den wohlklingenden Gesang, den sie besonders gerne am frühen Morgen oder späten Abend von einer Antenne oder einem Dachfirst vorträgt? Gut, manchmal kann sie auch fast ein bisschen nerven, wenn sie minutenlang mit lauten, etwas metallisch klingenden „Kli-kli-kli“-Rufreihen vor einer Katze warnt. Oft hört man dieses „Konzert“ auch abends aus mehreren Kehlen bei fortgeschrittener Dämmerung, kurz bevor die Vögel ihre Schlafplätze aufsuchen.

NÄCHTLICHER ZUG Wie alle Drosselverwandten mag auch die Amsel die Nacht. Sie ist zwar üblicherweise nachts nicht aktiv, aber sie macht eine Ausnahme: zur Zugzeit. Mit guten Ohren und etwas Glück kann man vor allem im späten Herbst ihre zarten, leicht rollenden Zugrufe, die wie „srrri“ klingen, am nächtlichen Himmel verhören. Ich finde das faszinierend, wenn man sich überlegt, dass dieser Singvogel nun seine nächtliche Reise vor sich hat, wenn wir ans Schlafengehen denken. Du fragst dich jetzt: „Ziehen Amseln? Ich sehe sie doch das ganze Jahr!“ Ja, es ist sicherlich richtig, dass man sie bei uns immer antrifft. Aber sind es immer die gleichen Amseln? Wie bei vielen anderen Arten erhalten wir in Deutschland Zuzug aus anderen Regionen Europas. Es kann also sein, dass der Vogel, der im Winter an unser Vogelhäuschen kommt, gar nicht dasselbe Individuum ist, das im Sommer über den Rasen hüpfte. In der Regel können wir keinen Unterschied feststellen. Das kann man letztendlich nur dadurch herausfinden, indem man die Vögel individuell markiert, zum Beispiel klassisch mit einem Ring. Und das hat man natürlich schon gemacht und dabei festgestellt, dass ein Teil unserer Wintergäste aus Osteuropa stammt.

IM BLUMENBEET hingegen sind Amseln oft nicht so beliebt, da sie hier für eine gewisse Unordnung sorgen. Sie haben nämlich die Angewohnheit, unter Blättern und Rindenstückchen, im Rohhumus und dergleichen nach Fressbarem – vor allem nach Regenwürmern und Gliedertieren – zu suchen. Dazu befördern sie das „Material“ auch gerne auf den Weg oder sorgen für ansehnliche Löcher in den Rabatten. Übrigens: Schau dir mal den recht langen Stocherschnabel und die kräftigen Scharrbeine an: Wie geschaffen, um den heimischen Garten zu durchwühlen! Kleiner Trost: Amseln fressen auch Schnecken.

MERKMALE Mittelgroßer Singvogel mit relativ langem Schwanz. Erwachsene Männchen (linke Seite) mit typischem komplett schwarzem Gefieder und orangegelbem Schnabel sowie ebenso gefärbtem Augenring. Beides peppt den Vogel deutlich auf. Weibchen (oben) sind hingegen schlichter gefärbt: ein dunkles Braun mit schwach ausgeprägter Strichelung an Kehle und Brust sowie einem angedeuteten Bartstreif. Jungvögel (links) sind noch lebhafter gemustert mit gewölkter Brust. Jungen Männchen fehlen gelber Schnabel und Augenring, dadurch sehen sie recht düster aus.

ÄHNLICHE ARTEN Der Star (siehe hier) ist kleiner, hat ein metallisch glänzendes Gefieder mit kleinen weißen Tupfen, die im Winter auffälliger sind („Perlstar“). Oft in größeren bis großen Trupps. Außerdem schreitet ein Star und hüpft nicht wie eine Amsel.

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STAR

Sturnus vulgaris

Größe: ca. 19–22 cm Gewicht: ca. 64–107 g Bei uns: Feb. bis Mitte Okt., zunehmend im Winter Stimme: fauchend; Gesang: ein Feuerwerk mit vielen Nachahmungen 

EIN SHOWSTAR Ja, der Star ist ein echter Star. Mit seinem fancy Outfit mit Glanz und Glimmer sieht er nicht nur cool aus, sondern zieht in der Brutzeit auch eine echte Show ab. Dann sitzt er – damit ihn auch jeder sehen kann – auf einem Dachfirst oder einer Antenne und trägt hingebungsvoll seinen Song vor. Wenn er richtig in Fahrt ist, beginnt er auch noch, mit seinen Flügeln zu schlagen. Was man nicht alles macht, um die Mädels zu beeindrucken!

BRILLANTER IMITATOR Dabei ahmt er alles nach, was sich ihm akustisch in den Weg stellt. Natürlich die verschiedensten Vogelarten, aber auch Hundepfiffe, Signaltöne von Eisenbahnen und selbst Klingeltöne von Mobiltelefonen soll er schon treffend nachgemacht haben. Deswegen immer aufpassen: Wenn du irgendwo einmal einen Vogel hörst, der da überhaupt nicht hinpasst, und du ihn nicht zu Gesicht bekommst, dann schau dich um, ob du nicht einen singenden Star entdeckst. Der könnte dich nämlich „hinters Licht“ führen. Trotz der vielen Imitationen kann man einen Starengesang aber immer als solchen erkennen. Er hat also etwas typisch „Starisches“. Dies zu beschreiben ist aber extrem schwierig. Hör dir den Gesang einfach über die App an und genieße ihn!

MEDIENHYPE Der Star hat noch eine Eigenschaft, die ihn jedoch nicht überall beliebt macht. Er sucht die Geselligkeit und tut sich gerne mit seinesgleichen zusammen. So brüten Stare gerne in lockeren Kolonien und suchen auf Wiesen gemeinsam nach Nahrung. Wenn sie sich dann im Herbst zu riesigen Schwärmen zusammenschließen – zehntausend sind keine Seltenheit – und die Weinberge aufsuchen, dann haben sie es sich mit den Winzern verscherzt. Diese versuchen dann alles, um die beerenfressenden Gesellen von ihrem Ansinnen, sich im Weinberg den Bauch voll zu schlagen, abzuhalten. Mit unterschiedlichem Erfolg. Denn Stare sind ja nicht blöd und wissen schnell, wenn von regelmäßig abgefeuerten Schüssen keine Gefahr droht. Auch Autobesitzer, die ihren Wagen unter Schlafbäumen parken, sind nicht gut auf Stare zu sprechen, wenn sie morgens alles vollgekleckert vorfinden. Mein Tipp: sich einen anderen Parkplatz suchen oder in der Stadt aufs Fahrrad umsteigen. Alle, die nicht von den oben genannten Problemen betroffen sind, finden allerdings die Flugschau, die Stare am abendlichen Himmel vorführen, bevor sie an den Schlafplätzen einfallen, einfach nur faszinierend. Das führt schnell zum Medienhype, wo wir wieder beim Showstar wären.

MERKMALE Kleiner als eine Amsel und deutlich kurzschwänziger. Relativ kurzer, schlanker und leicht abwärts gebogener Schnabel, der oft gelblich ist. Beine leuchtend rötlich. Im Brutkleid (links) schwärzlich, aber mit metallischem bzw. irisierendem Glanz (v. a. dunkelgrünlich und purpurn). Auf dem Rücken kleine helle Punkte, die sonst am Körper nur angedeutet sind. Im Schlichtkleid sind diese Punkte, die durch weiße Federspitzen gebildet werden, am gesamten Körper noch deutlich ausgeprägt, sodass ein gesprenkelter Eindruck entsteht („Perlstar“, oben). Über den Winter werden die Spitzen abgeschilfert, sodass das schwärzlich glänzende Gefieder mehr zum Ausdruck kommt. Sehr geradliniger Flug, oft in großen bis riesigen Schwärmen (ganz oben).

ÄHNLICHE ARTEN Die Amsel (siehe hier) ist größer, langschwänziger und einfarbig mattschwarz. Auch vom Verhalten ist sie deutlich anders: Amseln hüpfen eher, während Stare schreiten. Und Amseln stelzen auch mal den Schwanz, was Stare nie machen. Amseln treten auch nie in großen Schwärmen auf. „Perlstare“ sind tatsächlich auch schon mit dem Tannenhäher (gut, der hat auch weiße Tropfen) verwechselt worden.

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KOHLMEISE

Parus major

Größe: ca. 13,5–15 cm Gewicht: ca. 16–21,5 g Bei uns: ganzjährig Stimme: vielfältig, z. B. „ping-ping“; Gesang: klares, lautes und fröhliches „Zizibä“ – auch das mit Variationen

EIN OPTIMISTISCHER VOGEL Wenn um Heiligabend herum – sehr zum Leidwesen aller Liebhaber weißer Weihnachten – wieder einmal eine milde Witterungsperiode einsetzt, macht sich das sofort in der Gesangsaktivität der Kohlmeise bemerkbar. Abgesehen von Arten, die – wie Rotkehlchen und Zaunkönig – das ganze Jahr singen, gehört die Kohlmeise zu den ersten Arten, die dann ihre Balzaktivitäten starten – also mitten im Winter, wenn die Nächte am längsten und die Tage am kürzesten sind. Und wenn der meiste Schnee oft erst noch kommt. Das nenne ich Optimismus, wenn man zu einem derartigen Zeitpunkt bereits an den Frühling denkt. Freilich erleben die Meisen noch den einen oder anderen Dämpfer, aber mit zunehmender Tageslänge hört man das „Zi-zi-bä – zi-zi-bä“ im-mer häufiger und es mündet dann im Februar und März in einen großen Chor aller Kohlmeisen am Platz. Dann ist der Lenz wirklich nicht mehr weit.

GANZ WEIT OBEN im Ranking der häufigsten Arten in Deutschland rangiert die Kohlmeise oft auf dem zweiten oder dritten Platz, getoppt meistens nur von Amsel oder Buchfink. Das liegt einfach daran, dass sie alle möglichen Lebensräume – vom Garten bis in den Wald – im gesamten Land und in fast allen Höhenlagen besiedelt. Ein paar Bäume und ein Nistkasten oder eine sonstige Höhle – und schon ist die Kohlmeise präsent. So genügsam und anspruchslos sind wirklich nur wenige Arten. Deswegen hast du fast überall gute Chancen, diesen hübschen und quirligen Vogel zu sehen oder zu hören. Und selbstverständlich ist die Kohlmeise auch an Futterstellen häufig anzutreffen, wo sie natürlich gerne am namensgebenden Knödel frisst.

KINDERSEGEN Oft erhalte ich im Frühjahr Anrufe von besorgten Mitbürgern, die eine vermeintlich verlassene Jungmeise gesichtet oder gar schon aufgesammelt haben. Meine erste Frage lautet immer: „Ist der Jungvogel nackt oder schon befiedert?“ In den allermeisten Fällen ist Letzteres der Fall. „Er sitzt hier so einsam rum, kann nicht richtig fliegen und fiepst die ganze Zeit“, lautet dann die Begründung, warum man den Vogel seiner Freiheit beraubt hat. „Er ist sehr wahrscheinlich nicht einsam und wird noch von seinen Eltern gefüttert, deswegen bettelt er die ganze Zeit. Und das Fliegen wird er bald noch lernen“, beschwichtige ich und bitte den Anrufer dann, den Jungvogel wieder dort hinzusetzen, wo er ihn herhat. „Und wenn er nicht überlebt?“ Dann erkläre ich, dass Meisen sehr viele Eier legen, aus denen viele Jungvögel schlüpfen und dass sie oft zweimal im Jahr brüten. Wenn alle überleben würden, hätten wir bald nur noch Meisen auf der Welt. Die Natur hat den Ausschuss also eingeplant. Einzelschicksale können aber hart sein.

MERKMALE Etwas kleiner als ein Spatz und von kräftiger Statur. Die Kombination aus moosgrüner Oberseite, schwarzem Kopf mit leuchtend weißen Wangen, gelber Unterseite und vor allem schwarzem Bruststreifen macht die Kohlmeise eigentlich unverwechselbar. Der markante Bauchstreif ist beim Männchen (links) besonders breit und zieht sich zwischen den Beinen hindurch bis zum Schwanz, während er beim Weibchen (oben) erheblich schmaler und nicht durchgängig ist. Bei den insgesamt matter gefärbten Jungvögeln ist dieser Streifen nur auf der Brust angedeutet und fehlt sonst. Während der Gesang sehr bestimmend ist, sind Rufe oft schwer von denen anderer Meisen auseinanderzuhalten, da sie sich auch gegenseitig nachahmen.

ÄHNLICHE ARTEN Eigentlich sehr eindeutig, aber bei flüchtiger Betrachtung kannst du sie mit weiteren Meisen verwechseln. Die deutlich kleinere Blaumeise (siehe hier) hat eine blaue Kopfkappe und eine feinere Gesichtszeichnung mit zartem Augenstreif. Außerdem hat sie keinen durchgehenden Mittelstreifen, sondern nur einen kurzen Strich in der Bauchmitte. Die ebenfalls sehr kleine Tannenmeise (siehe hier) hat keinerlei Gelb im Gefieder und auch keinen Mittelstreifen, aber dafür einen diagnostischen weißen Nackenfleck.

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BLAUMEISE

Cyanistes caeruleus

Größe: ca. 10,5–12 cm Gewicht: ca. 9,4–13,2 g Bei uns: ganzjährig Stimme: vielfältig, z. B. schnell, hell „si-si“ oder „si-si-düdu“; Gesang: hohes und recht kurzes „Zi-zi-zi-türrr“ mit hellem und klarem Triller am Schluss

„OH, IST DIE SÜSS!“ Das höre ich oft von Teilnehmern meiner Exkursionen, wenn ich eine Blaumeise im Spektiv eingestellt habe und sie dann richtig im Close-up zu sehen ist. Kein Zweifel: Die Kombination aus kurzem Schnabel, kleinen Knopfaugen, der schönen Gesichtszeichnung mit blauer Kopfplatte und der gedrungenen Gestalt verleiht der kleinen Meise ein niedliches Aussehen. Dass die Vögel in der Hand bei der Beringung zu kleinen Bestien werden können, traut man ihnen gar nicht zu: Da wird gehackt und gepickt – und das immer auf die Stellen, wo es besonders wehtut. Also ganz schön wehrhaft die kleinen Dinger. Aber sie haben ja auch recht: Wer will schon gerne gefangen sein?

BEGEGNUNG IM PARK Manchmal begeben sie sich aber auch freiwillig auf die Hand des Menschen. Beispielsweise im Park. Da Meisen von Natur aus keck und neugierig sind und durchaus sehr zutraulich werden können, kann man sie in den Grünanlagen der Städte so trainieren, dass sie sogar auf die Hand geflogen kommen. Irgendwann ist die Gier nach einem leckeren Futterbrocken eben doch größer als die Furcht vor dem Menschen. Dennoch war ich im Park des Schlosses Brühl bei Bonn sehr überrascht, als beim Flanieren durch die Gärten eine Blaumeise angeflogen kam und sich sehr für uns oder doch vielleicht mehr für unsere Äpfel, die wir gerade aßen, interessierte. Spontan hielten wir ihr einen Apfel hin – und schwups saß sie auch schon auf Hand und Apfel und pickte Stück um Stück heraus. Der Park muss ja ein richtiges Trainingslager für zutrauliche Meisen sein, denn sonst dauert es meistens schon seine Zeit, bis sie auf die Hand geflogen kommen. Aber hier hat die Meise sofort Zutrauen gefasst. Es sind eben auch diese kleinen, netten Begegnungen, die das Leben als Ornithologe so schön machen.

ZIEMLICH HÄUFIG Mit einem bei ADEBAR ermittelten Brutbestand von 2,85 bis 4,25 Mio. Brutpaaren in Deutschland ist die Blaumeise schon deutlich seltener als die Kohlmeise (5,2 bis 6,45 Mio. Brutpaare). Dennoch ist sie ein allgegenwärtiger Vogel, der besonders in Städten hohe Bestände erreicht. Auf der Dichtekarte im ADEBAR kannst du toll Städte und Ballungsräume als besonders rot (= dicht besiedelt) erkennen, während zum Beispiel die Alpen oder Mittelgebirge deutlich weniger dicht besiedelt sind. In den Städten findet sie eben alles, was sie braucht: Etwas Grün reicht ihr, und ansonsten gibt es jede Menge Futterstellen und Nistkästen. Und wenn sie keinen Nistkasten findet, brütet sie auch mal in einer Spalte einer Mauer oder in einem Briefkasten.

MERKMALE Deutlich kleiner als ein Spatz und auch kleiner als eine Kohlmeise. Eher untersetzt, manchmal geradezu halslos wirkend. Sehr kurzer, aber kräftiger Schnabel. Grau-bläuliche Oberseite, die zu den Schultern hin einen moosgrünlichen Überzug hat. Zu beiden Seiten des Nackens existiert ein Bereich intensiver kobaltblauer Färbung. Auf den überwiegend bläulichen Flügeln findest du eine kleine weiße Flügelbinde. Die Unterseite ist gelb mit einem schwärzlichen Strich auf dem Bauch. Sehr hübsches Gesicht: weiße Grundfärbung mit blauer Kappe, zartem schwarzem Augen- und Kinnstreif und einer dunkelblauen Einfassung. Am Schwanz keine weißen Außenkanten. Man kann sie aber oft schon aus einiger Entfernung ohne die Zuhilfenahme eines Fernglases an ihrem Verhalten erkennen: Wenn sie kopfüber an einem Zweig hängt und immer wieder mit den Flügeln zuckt. Das ist sehr charakteristisch.

ÄHNLICHE ARTEN So viel Blau wie die Blaumeise zeigt kein weiterer heimischer Vogel. Sehr oberflächlich betrachtet hat sie eine gewisse Ähnlichkeit mit der Kohlmeise (siehe hier), die aber einen viel auffälligeren Streifen auf Brust und Bauch hat und deutlich größer ist. Ihr Kopf ist schwarz mit weißen Wangen, der Rücken deutlich grünlicher. Im Jugendkleid zeigen beide Meisen die größte Ähnlichkeit, doch auch hier hat die Kohlmeise schon den dunkleren Kopf und vor allem einen dunklen Kinnfleck.

Innenstadt – siehst du bestimmt

MAUERSEGLER

Apus apus

Größe: ca. 17–18,5 cm Gewicht: ca. 16–21,5 g Bei uns: Ende Apr. bis Anf. Aug. Stimme: u. a. lautes und durchdringendes „Sriieeh-sriieeh“

SOMMER IN DER STADT