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Johanna von Wild

Der Getreue des Herzogs

Ein historischer Roman aus Württemberg

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Impressum

Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag
(unter dem Namen Biggi Rist gemeinsam mit Liliane Skalecki):

Elitewahn (2018), Frostkalt (2017), Ausgerottet (2017),
Rabenfraß (2016), Mordsgrimm (2014), Rotglut (2013),
Schwanensterben (2012)

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Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2020

Lektorat: Sven Lang

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung der Bilder: © https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Woodcut_coat_of_arms_of_Ulrich,_Duke_of_W%C3%BCrttemberg._Used_by_Ulrich_Morhart_of_T%C3%BCbingen_(6698543545).jpg und

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Destruction_of_Jerusalem_-_Google_Art_Project.jpg https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wappen_W%C3%BCrttemberg_1596_Seehbuch_Ramminger.jpg

ISBN 978-3-8392-6634-2

Widmung

Für Ralf. Meine Inspiration.

Für meine Mutter. Ich wünschte, jedem Kind würde eine solch liebevolle Mutter zuteil.

Für meinen Vater. Ich weiß, du wärst stolz auf mich, könntest du dies noch erleben.

Zitate

»Was Gott an für sich ist, wissen wir so wenig, als ein Käfer weiß, was ein Mensch ist.«

Huldrych Zwingli, Theologe, Humanist und Reformator

*

»Der Glaube bringt die Menschen zu Gott, die Liebe bringt ihn zu den Menschen.«

Martin Luther, Theologe und Reformator

Personenverzeichnis

Die wichtigsten Personen – historische Personen sind mit * gekennzeichnet

Johannes Greiner: Arzt

Damian: sein Sohn

Konrad Breuning*: Stadtvogt von Tübingen

Sophie Breuning: seine Enkeltochter

Ulrich*: Herzog von Württemberg

Sabina von Bayern*: seine Frau

Christoph von Württemberg*: ihr Sohn

Hans von Hutten*: Ulrichs Stallmeister

Ursula von Hutten*: seine Frau und Ulrichs Geliebte

Konrad Thumb von Neuburg* Erbmarschall und Ursulas Vater

Ambrosius Volland*: Herzoglicher Rat

Reinhard Gaißer*: Pfarrer von Grüningen

Graf Eberhard im Barte*: Ulrichs Onkel

Maximilian I.*: Kaiser im Heiligen Römischen Reich, Sabinas Onkel

Karl V.*: Maximilians Nachfolger

Ferdinand I.*: Erzherzog von Österreich, Karls Bruder

Philipp I., genannt der Großmütige*: Landgraf von Hessen

Teil I
1493 bis 1519

»Du, komm her!«

Der sechsjährige Grafensohn Ulrich war auf der Suche nach einem Spielgefährten. Ihm war sterbenslangweilig auf Schloss Hohentübingen, wohin ihn sein Onkel, Graf Eberhard, mitgenommen hatte. Ulrich hatte seiner Kinderfrau Oda eine lange Nase gedreht und war fortgerannt. Im Schlosshof war ihm ein dunkelhaariger Junge aufgefallen, der Gemüse putzte. Der Küchenjunge war etwas älter als Ulrich, sein Gesicht trug einen verträumten Ausdruck und er fühlte sich auf sein Rufen hin nicht angesprochen, ja, er sah nicht einmal auf. Ulrich überquerte den Hof und stellte sich vor den Jungen.

»Spielst du mit mir Murmeln?«

Der Dunkelhaarige hob den Kopf und blinzelte gegen die Sonne. Der Junge vor ihm trug ein Wams aus dunkelgrünem Samt über einem hellen Hemd, dazu enge Hosen und eine Schaube. Durchdringende graue Augen blickten ihn an. Der Neffe des Grafen, stellte der Küchenjunge verwundert fest.

»Meint Ihr mich? Ich muss arbeiten, sonst zieht mir der Koch die Ohren lang.«

»Das lass mal meine Sorge sein. Komm schon … wie auch immer dein Name lautet«, forderte Ulrich nachdrücklich. Seine Stimme duldete keinen Widerspruch.

»Johannes, mein Name ist Johannes.« Er legte das Messer beiseite und stand von seinem Hocker auf.

»Ulrich.«

Der junge rotblonde Prinz streckte Johannes seine Rechte entgegen und dieser schlug ein. Die beiden Jungen grinsten sich an, dann eilten sie an den verblüfften Wachen vorbei durch das Schlosstor und fanden in dem angrenzenden kleinen Schlossgarten eine ruhige Ecke für ihr Murmelspiel.

Hoch oben über der Stadt thronte das Schloss, sah hinab auf das glitzernde Band des Neckars, der seine ruhigen Gewässer in großen Schleifen vorbei an üppigen Wiesen und goldgelben Feldern führte.

Ulrich verteilte die Murmeln. Rot gefärbte für ihn, die Blauen bekam Johannes, der mit der Fußspitze einen Kreis im Gras zog.

»Ich habe den ersten Wurf«, bestimmte Ulrich und rieb sich mit dem Handrücken über die verschwitzte Stirn.

Er war viel zu warm angezogen. Flink entledigte er sich der Schaube und ließ sie achtlos fallen. Dann kniete er sich ins Gras und schnippte die erste Murmel. Sie landete knapp außerhalb der Linie.

Johannes legte sich bäuchlings auf den Boden, krümmte den rechten Zeigefinger, presste den Daumen dagegen, platzierte eine blaue Murmel auf den Daumennagel und zielte. Treffsicher landete die Murmel im Kreis. Am Ende gewann Johannes mit einer Kugel Vorsprung. Ulrich zog ein mürrisches Gesicht.

»Noch mal, aber jetzt gewinne ich.«

Doch auch bei dieser Runde verlor er, und seine Wangen röteten sich vor Zorn. Sie trugen drei weitere Runden aus, und Johannes achtete dieses Mal darauf, den Grafensohn gewinnen zu lassen, ohne dass Ulrich es bemerkte. Nachdem Ulrich auf diese Weise dreimal den Sieg davongetragen hatte, strahlte er über das ganze Gesicht. Die Jungen setzten sich in den Schatten einer alten Linde.

»Hast du Geschwister?«, fragte Ulrich und lehnte sich an den Stamm.

»Ja, neun. Sechs Schwestern und drei Brüder«, antwortete Johannes. »Ihr seid Graf Eberhards Neffe, nicht wahr?«

Ulrich nickte.

»Was ist mit Euren Eltern?«

»Lass die höfische Anrede sein. Meine Mutter ist tot, sie starb kurz nach meiner Geburt. Und mein Vater befindet sich auf Hohenurach. Das ist eine Burg, die weniger als einen halben Tagesritt von hier entfernt ist«, fügte Ulrich erklärend hinzu.

»Warum bist du nicht bei deinem Vater?«, wollte Johannes wissen.

Ulrich rollte mit den Augen. »Er ist nicht gesund, sein Geist sei verwirrt, wurde mir gesagt. Wollen wir morgen wieder spielen? Ich werde wohl einige Zeit hierbleiben.«

»Ich gehe zur Schule, und danach muss ich arbeiten. Als Kind armer Eltern ist das Leben nicht so einfach. Du hast es gut, als Grafensohn musst du dir keine Sorgen machen, ob du am nächsten Tag zu essen hast oder …«

»Johannes! Du nichtsnutziger Tagedieb, wo steckst du?«, brüllte jemand.

Johannes verzog das Gesicht. »Der Küchenmeister scheint mich zu vermissen. Eine Ohrfeige ist mir sicher, aber das war es wert«, grinste er schief und kam auf die Füße. Er winkte dem Grafensohn zu und rannte los.

Ulrich hob seine Schaube auf, sammelte die Murmeln ein und folgte ihm gemächlich. Im Schlosshof hörte er Johannes aufschreien. Er beschleunigte seine Schritte, und als er um die Ecke bog, sah er, wie der Küchenmeister Johannes windelweich prügelte.

»Lass ihn zufrieden!«, brüllte Ulrich.

Mitten in der Bewegung hielt der Küchenmeister inne, wandte seinen kahlen Kopf und ließ den Arm sinken. »Verzeiht, junger Herr, aber dieser Nichtsnutz hat sich aus dem Staub gemacht, anstatt seiner Arbeit nachzukommen.«

Ulrich trat näher und sah den dicken Mann böse an, die Hände in die Seiten gestemmt. »Ich habe Johannes dazu gebracht, seine Arbeit liegen zu lassen, und nun lass ihn los. Auf der Stelle!«

Der Küchenmeister verzog verächtlich die Lippen.

»Johannes hätte seine Arbeit nicht vernachlässigen dürfen, ganz gleich, ob Ihr einen Gefährten suchtet oder nicht. Und du«, zischte er Johannes an und gab ihm eine schallende Ohrfeige, sodass dessen Kopf zur Seite flog, »scher dich in die Küche.«

»Das wird dir noch leidtun. Johannes kommt mit mir! Schäl das Gemüse doch selbst«, versetzte Ulrich hochmütig. »Komm, lass uns gehen«, forderte er seinen neuen Freund auf, der sich mit schmerzverzerrter Miene die linke Wange rieb.

»Sei bedankt, Ulrich, aber ich glaube, es ist besser …«

»Nichts da! Wir gehen zu meinem Onkel.« Er fasste Johannes bei der Hand und zog ihn mit sich.

Doch der dicke Mann hielt Johannes am Ärmel fest. »Du bleibst hier.«

Ulrich, der es nicht leiden konnte, wenn er seinen Willen nicht bekam, trat dem Küchenmeister mit aller Kraft gegen das Schienbein. Der verblüffte Mann jaulte auf und rieb sich den schmerzenden Knochen.

»Ich bin Prinz Ulrich von Württemberg, und wenn ich sage, Johannes kommt mit mir, dann hast du das hinzunehmen. Und wag es nicht noch einmal, meinem Freund wehzutun!« Er zerrte Johannes über den Schlosshof in die große Halle, kümmerte sich nicht um die fragenden Blicke und stürmte auf seinen dünnen Beinchen weiter zu Graf Eberhards Gemach. Ohne anzuklopfen, stieß Ulrich die Tür auf.

»Ulrich«, tadelte Graf Eberhard, der an einem großen Tisch mit kunstvoll geschnitzten Beinen saß, »was erlaubst du dir, einfach so hereinzustürmen! Deine Kinderfrau ist übrigens außer sich.«

»Verzeiht, Onkel. Ich hatte genug vom Herumsitzen. Seht her, das ist mein neuer Freund Johannes, wir haben Murmeln gespielt und ich habe gewonnen«, entgegnete Ulrich stolz.

Johannes zog die Schultern hoch, neigte den Kopf und sah zu Boden. Er hatte keine Ahnung, was er tun oder sagen sollte.

»Soso, Johannes. Du bist aber kaum auf Hohentübingen, um Murmeln zu spielen, nicht wahr?«

Johannes dachte, es könnte nicht schaden, auf die Knie zu fallen.

»Nein, Erlaucht. Ich bin einer der Küchenjungen. Vergebt mir, aber bitte lasst mich nicht auspeitschen.«

Graf Eberhard lachte herzhaft. »Wie deine Wange mir verrät, hast du deine Strafe schon erhalten. Nun geh wieder an deine Arbeit.«

»Aber, Onkel«, begehrte Ulrich auf, »kann Johannes nicht mein Gefährte sein, solange wir in Tübingen sind? Ich habe niemanden, der mit mir spielt. Und die dicke Oda eignet sich nicht für das Murmelspiel. Außerdem lässt des Küchenmeisters Achtung vor mir zu wünschen übrig, das könnt Ihr nicht gutheißen. Auch wenn ich noch ein Kind bin, stehe ich doch im Rang weit über ihm. Ihr solltet ihn dafür bestrafen. Überhaupt ist es nicht gerecht, dass Johannes arbeiten muss. Jeder Mann sollte so viel mit seiner Arbeit verdienen, damit seine Kinder nicht hungern und selbst arbeiten müssen.«

Graf Eberhard seufzte. Dieser Junge würde ihn noch einmal ins Grab bringen. Ulrich hatte es sicher nicht leicht, und er, Eberhard, tat sein Bestes, um dem Jungen ein guter Vaterersatz zu sein. Doch Ulrich hatte ein aufbrausendes Wesen, und nicht selten wurde er handgreiflich. Der Knabe musste lernen, seinen Willen nicht mit Gewalt durchzusetzen. Trotzdem tat ihm sein Neffe leid, weil er ohne Eltern und Geschwister aufwachsen musste und er sich oft einsam fühlte.

Eberhard erinnerte sich noch gut an seine eigene Kindheit. Er war ein ungezügelter Junge gewesen und hatte manche Dummheit begangen. Doch seine geliebte Mutter, Mechthild, Erzherzogin von Österreich und Gräfin von Württemberg, hatte ihm vieles durchgehen lassen und ihn immer unterstützt. Sein Vater, Ludwig, Graf von Württemberg, war verstorben, als Eberhard fünf Jahre alt gewesen war, und die wenigen Erinnerungen an ihn waren über die Jahre fast vollständig verblasst. Zu seinen Schwestern hatte er ein gutes Verhältnis. Auch wenn die Geschwister sich schon lange nicht mehr gesehen hatten, unterhielten sie doch einen regen Briefwechsel, um in Verbindung zu bleiben. Elisabeth lebte im Harz, und seine ältere Schwester, die nach ihrer Mutter benannt worden war, verbrachte ihren Lebensabend auf Schloss Rotenburg an der Fulda.

Es konnte bestimmt nicht schaden, wenn Ulrich sich gemeinsam mit einem anderen Jungen austobte. Und insgeheim gab er seinem kleinen Neffen recht, die dicke Oda war nun wirklich nicht dafür geschaffen, Murmeln zu schnipsen.

»Gut, Johannes ist von seinen Aufgaben für die Dauer unseres Hierseins befreit«, entschied er nach reiflicher Überlegung. »Außer, du möchtest lieber in der Küche arbeiten«, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.

Johannes konnte kaum glauben, was er da gerade gehört hatte.

»Seid bedankt, Graf, nur, ich gehe zur Schule, und die paar Heller, die ich in der Küche verdiene, möchte ich zur Seite legen.«

Graf Eberhard war beeindruckt und forderte die beiden Jungen auf, sich zu ihm zu setzen. »Wie alt bist du, Johannes?«

»Acht, Erlaucht.«

»Und wofür sollen die Heller sein, die du sparst?«

»Wenn ich alt genug bin, will ich studieren«, antwortete Johannes mit fester Stimme. »Und das kostet einen Haufen Geld. Wahrscheinlich mehr, als ich je zusammensparen kann«, setzte er seufzend hinzu.

»Weißt du, was ein Stipendium ist, Johannes?«

Der Junge schüttelte bedauernd den Kopf.

»Menschen, denen es besser geht und die über viel Geld verfügen, stiften eine gewisse Summe, um ärmere Menschen zu unterstützen. Ich erzähle euch beiden jetzt von Helena.«

Aufmerksam sahen die Jungen den Grafen an.

»Obwohl sie nur als Tochter eines Tagelöhners zur Welt kam, stieg sie in die Kreise des Adels auf, denn das Schicksal führte sie und meine Mutter zusammen. Mechthild, meine Mutter, also deine Großtante, mein lieber Ulrich, war sehr belesen, und an ihrem Hof tummelten sich Gelehrte aus nah und fern. Helena erkannte, welche Möglichkeiten ihr dies bot, und wurde zu einer klugen und gebildeten Frau. Noch im hohen Alter gründete sie eine Schule. Und Johannes, was denkst du wohl, wo sich diese Schule befindet?«

Ein kleines Lächeln umspielte die Mundwinkel des Jungen. »In Tübingen?«

»Ganz recht, in Tübingen. Die Schule öffnete übrigens nur wenige Jahre, nachdem die Universität ihre Arbeit aufgenommen hatte. Helena hatte keine Erben und rief wenige Jahre vor ihrem Tod eine Stiftung ins Leben und hat dieser ihr nicht unbeträchtliches Vermögen hinterlassen. Das Helenianum, wie die Stiftung getauft wurde, unterstützt arme Studenten. Wer Stipendiat wird, dem bezahlt das Helenianum Unterkunft und Verpflegung. Wenn du dich in der Schule anstrengst und für gut genug befunden wirst, um zu studieren, Johannes, könntest du Stipendiat werden. Und die paar Heller, auf die du nun zugunsten meines Neffen verzichtest, bekommst du von mir. Was hältst du davon?«

Johannes war sprachlos, dafür antwortete Ulrich für ihn.

»Ein großartiger Einfall, Onkel! Johannes, nun sag doch was!«

»Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll, ich …«, stammelte er mit den Tränen kämpfend, »Gott segne Euch, Graf Eberhard.«

1498

Der erst elfjährige Ulrich fühlte sich überfordert. Er kam sich vor wie ein Blatt im Wind, seitdem Eberhard im Barte, den der König etwas mehr als ein halbes Jahr vor dessen Tod in den Herzogstand erhoben hatte, gestorben war.

Nach Eberhards Ableben war der Bruder von Ulrichs Vater Württembergs Regent geworden. Auch er hörte auf den Namen Eberhard, allerdings war er ein schwacher Herrscher gewesen, der sich gegen den starken Regierungsrat nicht hatte behaupten können. Nach nur zwei Jahren war er von König Maximilian entmachtet und abgesetzt worden. Seither lenkten die herzoglichen Räte die Geschicke des Landes.

Und heute würde er, Ulrich, in Stuttgart unter der Vormundschaft der Landstände als Herzog eingesetzt. Herumgereicht wurde er wie ein Krug teuren Weins, und seine Erzieher wechselten manchmal schneller, als er sich ihrer Namen zu entsinnen vermochte. Dicklich war er vom vielen Herumsitzen geworden und vermisste die Zeiten, in denen er mit seinem ungleichen Freund, Johannes Greiner, herumgetobt war und als Eberhard im Barte dafür gesorgt hatte, dass dieser ein besseres Leben führen konnte als jedes Kind anderer armer Leute.

Ulrichs Erziehung hatte einen Richtungswechsel eingeschlagen. Wie gerne hatte er den Klängen der Musikanten gelauscht, ja selbst gesungen und eigene Lieder ersonnen und begonnen, Latein zu lernen. Doch plötzlich hieß es, ein künftiger Fürst brauche kein Latein, sondern solle lieber die Kunst der Kriegsführung erlernen. Man hatte ihn in Uniformen gezwängt, und seitdem wurde er gedrillt.

Wie er sie alle hasste. Nur weil er noch nicht mündig war, glaubten sie, sie könnten ihn herumschubsen. Sogar eine zukünftige Gemahlin hatten sie bereits für ihn auserkoren. Sabina von Bayern, die Nichte des Königs. Politisches Kalkül, um ein starkes Bündnis zwischen Österreich und Württemberg gegen Frankreich und die nahe Schweiz zu schaffen.

Einzig und allein in der Anwesenheit der Familie von Thumb von Neuburg fühlte Ulrich sich wohl. Erbmarschall Konrad von Thumb hatte die Leitung der Vormundschaft der Stände übernommen, und seine Gattin war eine enge Freundin Barbara Gonzagas, die Gemahlin Eberhards im Barte und somit Ulrichs Tante. Vor allem die kleine Tochter des Erbmarschalls, Ursula, mochte er von Herzen gern.

Ulrich hatte Johannes Greiner, der seit einem Jahr Student der Universität Tübingen war, zu den Feierlichkeiten anlässlich seiner Einsetzung eingeladen. Johannes sollte stolz auf ihn sein, sollte sehen, dass er, Ulrich, kein Kind mehr war.

Das Bankett begann mit allerlei Lobhudeleien auf den zukünftigen Regenten, die Ulrich wohlwollend zur Kenntnis nahm. Sogar ein Lied hatte man ihm zu Ehren dichten lassen, das seine Klugheit pries und ihm eine glanzvolle Zeit als Herrscher Württembergs vorhersagte.

Endlich wurde das Essen aufgetragen. Platten mit dampfendem Geflügel, Wildbret, Lamm und Fisch, Gemüse und Körbe mit frischem Brot, kandierte Früchte, Marzipankuchen und mit Rosinen und Mandeln gefüllte Krapfen. Tiefdunkler Rotwein wurde von Dienern in silberne Pokale gefüllt. Als die Spielmänner später ihre Instrumente erklingen ließen, sandte Ulrich einen Bediensteten zu Johannes, der am unteren Ende der hufeisenförmigen Tafel saß.

»Herzog Ulrich wünscht Euch zu sprechen. Ihr sollt Euch im Schlosshof beim Brunnen einfinden.«

Johannes schob seinen Teller von sich und verließ die große Halle. An den Brunnenrand gelehnt, wartete er auf seinen Freund. Als Ulrich im Licht der Fackeln auf ihn zukam, verbarg der junge Student sein Erschrecken. Es war lange her, seit sie sich zuletzt gesehen hatten. Der zwei Jahre jüngere Ulrich schien eine unendliche Last auf seinen Schultern zu tragen.

»Ich bin froh, dass du gekommen bist, Johannes«, begrüßte ihn der frisch gebackene Herzog.

»Das wollte ich mir nicht entgehen lassen, Durchlaucht«, erwiderte dieser, unsicher, wie er seinen Freund nun ansprechen sollte.

Ulrich grinste schief. »Wenn wir unter uns sind, bleibt alles beim Alten«, entgegnete er. »Lass uns ein Stück durch den Schlossgarten gehen.«

Johannes nickte erleichtert und stieß sich vom Brunnenrand ab. Es war bedauerlich, dass es schon dunkel war, denn der Schlossgarten war wunderschön. Ulrichs Vorfahrin Antonia Visconti hatte ihn anlegen und Wurzeln und Pflanzen aus ihrer Heimat, dem Herzogtum Mailand, nach Stuttgart bringen lassen. Und die ihr nachfolgenden Gräfinnen ließen den Garten hegen und pflegen.

»Wie fühlst du dich?«, fragte Johannes. »Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es dir nicht besonders gut geht.«

»Allein, sehr allein. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Dieses Regiment scheint eine wahre Schlangengrube zu sein. Der König hat auf Betreiben der Landstände meinen Onkel einfach abgesetzt und ihn des Landes verwiesen, wie du sicherlich weißt. Das ist entgegen Gottes Ordnung. Ich fühle mich den Räten ausgeliefert. Und der König hat mir gar schon eine Braut ausgesucht. Seine Nichte, Sabina von Bayern«, klagte Ulrich. »König Maximilian wünscht mich nun öfter zu sehen. Das bedeutet wohl, dass ich künftig häufiger nach Bayern reisen werde.«

Johannes klopfte Ulrich mitfühlend auf die Schulter. »Ist sie wenigstens hübsch?«

»Woher soll ich das wissen?«, brauste Ulrich auf. »Ich hab sie ja noch nie gesehen. Ich will sie nicht, ganz gleich, ob sie Maximilians Nichte ist. Ich will Ursula. Außerdem ist Sabina erst sechs Jahre alt.«

Sie schlenderten zu einer Laube und ließen sich auf einer Bank nieder. Eindringlich sah Johannes seinen Freund an.

»Ulrich, hör mir zu. Du hast keine Wahl, was deine Zukünftige anbelangt. Wenn der König beschlossen hat, du sollst Sabina ehelichen, kannst du nichts dagegen tun. Oder willst du dich mit dem Habsburger anlegen? Maximilian wird Kaiser von Gottes Gnaden werden.«

Ulrich brummte, gab aber keine Widerworte.

»Und wer ist Ursula?«

»Die Tochter meines Erbmarschalls, Konrad Thumb von Neuburg. Er ist auch mein Vormund. Ich kenne die Familie schon lange, Konrad hat bereits meinem lieben Onkel Eberhard im Barte gedient. Und er ist der Einzige, dem ich aus dem Rat vertraue.«

»Und wie alt ist Ursula?«

»Sieben«, antwortete Ulrich und musste über sich selbst lachen, nachdem er sich zuvor beklagt hatte, Sabina von Bayern wäre erst sechs. »Und du, wie gefällt dir das Studieren?«, wollte er dann wissen und wischte sich die Lachtränen aus den Augen.

»Wo soll ich anfangen? Es öffnet den Geist und lehrt einen, die Dinge aus anderen Blickwinkeln zu sehen. Und man macht sich plötzlich Gedanken über Sachen, über die man nie nachgedacht hat, und beginnt, sie infrage zu stellen«, erzählte Johannes, der tatsächlich ein Stipendium des Helenianums erhalten hatte.

»Weißt du, als dein Onkel starb, hielt der damalige Rektor, Konrad Summenhart, eine Predigt an der Universität. Ich habe sie vor Kurzem gelesen. Summenhart hat den Herzog für sein weises und gerechtes Regieren gelobt. Und dass er, verglichen mit den Mönchen und Äbten, ein bescheidener Mann gewesen sei. Summenhart hat die Verfehlungen der Klöster angeprangert. Etwas, worüber ich mir nie Gedanken gemacht habe. Aber seit dieser Rede denke ich mehr und mehr, dieser kluge Mann hat recht. Die Mönche sind der Verschwendungssucht anheimgefallen. Anstatt die Heilige Schrift zu studieren, mischen sie sich in weltliche Belange ein, trinken und essen übermäßig, und mit dem Geld, das sie der Bevölkerung abpressen, schmücken sie ihre Kirchen mit teuren Gemälden und anderem Zierrat.«

Ulrich runzelte die Stirn. »Der Zehnte steht den Klöstern zu, da ist nichts Unrechtes dran.«

»Aber ist es denn nicht ungerecht, wenn Bauern und Handwerker so sehr geschröpft werden und deswegen sich und ihre Familien nicht mehr ernähren können?«

»Was für ein Unsinn, Johannes, ihnen bleibt immer noch genug. Gott hat die Weltordnung so geschaffen. Die Fürsten, die Geistlichen und die niederen Stände.« Er zuckte mit den Schultern. »Die Bauern ernähren die Fürsten und Geistlichen, während die einen sie beschützen und die anderen für ihr Seelenheil sorgen. Lass uns wieder hineingehen«, sagte er mit fester Stimme, die keinen Widerspruch duldete.

Auf der Rückreise nach Tübingen dachte Johannes über die Begegnung mit dem jungen Herzog nach. Ulrich hatte sich kaum verändert. Aber er war für sein Alter frühreif und sein aufbrausendes Wesen schien sich noch verstärkt zu haben. Nach dem Bankett war zum Tanz aufgespielt worden, und den Instrumenten der Musiker waren einige Misstöne entwichen. Kurzerhand hatte der junge Herzog die teuren Zwerchpfeifen und Flöten zerschlagen und die Spielleute hinauswerfen lassen. Ulrich liebte Musik. Falsche Töne ärgerten ihn über alle Maßen. Als einer der Räte versucht hatte, einzuschreiten, hatte nicht viel gefehlt, und Ulrich wäre ihm gegenüber handgreiflich geworden.

Der Student fragte sich, wohin dieser ungezügelte Zorn auf Dauer führen würde. Ulrich hatte ihm anvertraut, er fühle sich allein. Vielleicht waren Einsamkeit und Unsicherheit die Urheber der Wutausbrüche, um sich nach außen als unbeugsamer und harter Mann darzustellen? Oder hatte es damit zu tun, dass in Ulrichs Familie immer wieder die Geisteskrankheit an die Nachkommen weitergegeben wurde? Nicht nur sein Vater Heinrich, auch der abgesetzte Onkel Eberhard litt an einer Erkrankung des Geistes, wie es überall hieß, die die Mömpelgarder Linie vor langer Zeit in die Familie gebracht hatte. Hoffentlich hatte wenigstens seine zukünftige Braut einen guten Einfluss auf ihn, auch wenn Ulrich zum jetzigen Zeitpunkt nichts von ihr wissen wollte.

Noch etwas beunruhigte Johannes. Als er Ulrich von den Ansichten des Tübinger Professors erzählt hatte, hatte der junge Herzog das Gespräch abgebrochen. Noch vor ein paar Jahren, als sie beide im Tübinger Schloss Murmeln gespielt hatten, war auch Ulrich der Ansicht gewesen, es sollte mehr Gerechtigkeit geben. Davon schien er jetzt nichts mehr wissen zu wollen. Johannes versuchte erst gar nicht zu schätzen, wie viel Geld allein das Bankett verschlungen hatte. Geld, das man der hart arbeitenden Bevölkerung abgenommen hatte.

Erst neulich hatte er sich mit den Schriften des vor einigen Jahren verstorbenen Gabriel Biel beschäftigt. Biel war Rektor und Mitgründer der Universität gewesen und vertrat die Ansicht, Konzile hätten durchaus die Berechtigung, den Papst abzusetzen. Auch hatte er im Handel nichts Schlechtes gesehen. Im Gegensatz zur Kirche, der die Kaufleute im Grunde ein Dorn im Auge waren, weil diese mit den edlen Stoffen für die Kleidung der Gottesmänner, mit Weihrauch und mit Kunst Geld an der Kirche verdienen wollten. Deshalb wurde ein Wucherverbot angeordnet: Christen durften sich untereinander kein Geld gegen Zinsen leihen. Das war nur den Juden gestattet, woraufhin diese in den Städten nicht mehr wohlgelitten waren.

Biel hingegen sah es als gerechtfertigt an, dass ein Kaufmann Geld für den Handel bekam, den er trieb. Schließlich kaufte er Waren ein, hatte dadurch Ausgaben und lebte zudem mit der Ungewissheit, sollten die Handelsgüter nicht den errechneten Gewinn einbringen, viel Geld verlieren zu können. Auch Kaufleute mussten leben und ihre Kinder ernähren. Die Kirche und der Staat zogen doch wahrlich ihre Vorteile aus dem Handel. Gäbe es keine Kaufleute, hätten die Köche keine fremdländischen Gewürze und die Schneider keine edlen Stoffe. Und wer würde dann Herzöge und Päpste in Samt und Seide kleiden?

In einem seiner Werke beschrieb Biel Missstände, die manche Fürsten hervorriefen: Steuererhöhungen, Einschränkungen der Allmendrechte, Zinsverbot. Und das natürlich zum Nachteil der ärmeren Menschen, die unter den neuen Belastungen ächzten, während sich der Adel vergnügte. Seit Jahren kam es immer wieder zu Aufständen unter den Bauern und Bergarbeitern, weil sie das Joch nicht mehr ertrugen und bessere Bedingungen forderten. Johannes Greiner betete, Ulrich möge ein besserer Herrscher werden als all die Fürsten, die ihr Volk ausbluten ließen.

1504

Herzog Ulrichs Augen leuchteten, als sein Blick über das riesige Heer schweifte, das sich in Stuttgart versammelt hatte. Sechstausend Bogenschützen, fünfzehnhundert Berittene, mehr als dreitausend Fußsoldaten und zwölftausend Söldner unterstanden seinem Befehl. Er brannte darauf, sich als ruhmreicher Heerführer zu beweisen und seinem Herzogtum weitere Städte und Ländereien hinzuzufügen. Mit einem solch gewaltigen Heer und den schweren Geschützen sollte es ein Leichtes sein, den Sieg über die Pfälzer zu erringen. Allein um das größte Geschütz, die Wurfel, zu ziehen, wurden vierzehn starke Pferde benötigt. Ihm, dem jungen Herzog, sollte es nicht so ergehen wie seinem Großvater Ulrich, den das Volk den »Vielgeliebten« genannt hatte. Dieser hatte die Schlacht bei Seckenheim gegen Kurfürst Friedrich von der Pfalz vor mehr als vierzig Jahren verloren und war gefangen genommen worden.

Georg der Reiche, Herzog von Bayern-Landshut, hatte den bevorstehenden Krieg mit der Pfalz heraufbeschworen. Entgegen den Wittelsbacher Hausverträgen hatte er kurz vor seinem Tode seine Tochter Elisabeth und deren Gemahl Ruprecht von der Pfalz als seine Erben eingesetzt. Nach geltendem Recht hätte jedoch sein Vetter Albrecht, Herzog von Bayern-München, seine Nachfolge antreten sollen. Albrecht hatte sein Erbe eingefordert, doch Ruprecht hatte sich schlichtweg geweigert. Selbst dann, als der König den Pfälzer deswegen mit der Reichsacht belegt und Albrecht auch Bayern-Landshut als Lehen gegeben hatte.

Der junge Ulrich hatte auf den Feldzügen mit König Maximilian gegen die Schweizer viel gelernt und sich hervorgetan. Er war ein mutiger Junge gewesen, der bereits mit dreizehn Jahren sein erstes Wildschwein erlegt hatte. Aus dem dicklichen Knaben von einst war ein drahtiger junger Mann geworden. Der König hatte ihn wohlwollend beobachtet und Ulrich vergangenes Jahr frühzeitig mit sechzehn Jahren für volljährig erklärt.

Den jetzigen Krieg gegen die Pfalz bestritt Württemberg allerdings nicht im Alleingang. An seiner Seite standen König Maximilian und der Schwäbische Bund. Das Heer sollte sich bei Worms mit demjenigen des hessischen Landgrafen Wilhelm vereinen, um gemeinsam gegen die Pfalz zu ziehen. Wilhelm war seit jeher ein guter Freund des Königs und Ulrichs Vetter. Der Hesse war doppelt so alt wie Ulrich und ein kampferprobter Feldherr. Und nicht nur das. Ihm war es auch gelungen, die Grafschaften Ober- und Unterhessen unter seiner Herrschaft zu vereinen.

Obwohl Kriegszüge sehr teure Unterfangen waren, jubelte das Volk seinem jungen Herzog zu, als Ulrich sich auf seinem muskelbepackten schwarzen Schlachtross an die Spitze des Heeres setzte. Ihm folgten sein Ratgeber Konrad Thumb von Neuburg und weitere Kommandanten. Der größte Feldzug, den Württemberg je erlebt hatte, hatte begonnen. Schon Wochen zuvor hatte Ulrich Landsknechte für den Feldzug anwerben lassen. Sein Kammermeister hatte ihm vorgerechnet, dass jeder Monat, den das Heer im Feld stand, mehr als einhundertdreißigtausend Gulden kostete. Eine gewaltige Summe. Als Ulrichs zukünftiger Schwiegervater, Herzog Albrecht, zugesagt hatte, einhundertfünfundzwanzigtausend Gulden beisteuern zu wollen, war der Krieg beschlossene Sache gewesen.

Die gewaltige Streitmacht zog bis Vaihingen an der Enz, wo sie ihr Lager aufschlug. Von dort sollte der erste Angriff dem Kloster Maulbronn und den dazugehörigen Dörfern gelten, denn das Kloster stand unter dem Schutz der Pfalz, und Ulrich wollte die Gelegenheit nutzen, weiteres Land für sein Herzogtum zu erobern.

Im Morgengrauen rüsteten sich die Soldaten und machten auf ihrem Weg die Dörfer dem Erdboden gleich. Sie brandschatzten und plünderten und schlugen schließlich ihr zweites Lager vor dem Kloster Maulbronn auf. Die gewaltigen Geschütze schmetterten mächtige Steine gegen die Klostermauern, die Kirche und den Turm, der unter dem Beschuss einstürzte. Die Soldaten jubelten, und Herzog Ulrich ließ das Kloster belagern. Täglich wurden unablässig Steine geschleudert, und nach sieben Tagen gaben die Mönche auf. Verluste aufseiten der Württemberger hatte es nicht gegeben, und der Sieg bescherte Herzog Ulrich reiche Beute.

»Als Nächstes ziehen wir gen Knittlingen«, tat Ulrich seinen Kommandanten und seinem Ratgeber kund.

Sie hatten sich in Ulrichs Zelt versammelt. Zu Füßen des Herzogs lagen seine Hunde, die ihn nahezu ständig begleiteten. »Und von dort nach Bretten.«

»Bretten verfügt über eine starke Stadtmauer, die Stadt ist gut geschützt. Sie wird uns nicht so einfach in die Hände fallen wie Maulbronn«, gab Konrad Thumb von Neuburg zu bedenken.

Ulrich wischte den Einwand mit einer verächtlichen Handbewegung beiseite.

»Einer Belagerung wird auch Bretten nicht lange standhalten können. Was meint Ihr?«, wandte er sich an Graf von Fürstenberg und den Ritter Friedrich Kappler.

»Es wird sicher nicht leicht, aber angesichts unserer zahlenmäßigen Überlegenheit und der Geschütze, über die wir verfügen, sehe ich keine größeren Schwierigkeiten«, antwortete der Graf.

»Wenn uns der Proviant nicht ausgeht«, warf Kappler ein. »Eine Belagerung kann schnell zu Ende sein, wenn die Soldaten nicht mehr verpflegt werden können.«

Ulrich kraulte den Nacken seines dunkelbraunen Bluthundes, der aufgestanden war und den Kopf auf den Oberschenkeln seines Herrn abgelegt hatte.

»Geh und bring den Proviantmeister her«, befahl Ulrich seinem Knappen.

Wenig später erschien der drahtige Mann, dessen vorstechende Hakennase jedem ins Auge fiel.

»Durchlaucht, Ihr habt mich rufen lassen.«

»Sagt, sind genügend Marktbeschicker im Tross, die das Heer bis nach Bretten versorgen können?«

Ein Heer von solchen Ausmaßen hatte seine stetigen Begleiter aus allen unterschiedlichen Handwerksberufen bei sich. In diesem Tross fanden sich Sattler, Büchsenmacher, Bäcker, Metzger, Schmiede, Zimmerleute, Schneider, Schuster und viele andere, und es gehörten auch Händler dazu, die ihre Waren an die Soldaten verkauften. Der Profos überwachte den Handel, und ein altgedienter Hauptmann, der Weibel genannt, sorgte mit seinen Untergebenen für die Sicherheit der Händler und schützte die Soldaten vor Betrug durch ebendiese. Denn dem Weibel oblag es, die Maße und Gewichte zu beaufsichtigen.

»Das kommt darauf an, wie lange die Belagerung dauert. Ich habe heute weitere Bescheinigungen durch den Weibel ausstellen lassen, damit noch mehr Händler im Tross mitziehen können. Vor allem Viehhändler sind wichtig, um den Fleischnachschub zu sichern. Allein in den sieben Tagen, die wir Maulbronn belagert haben, wurden mehr als sechshundert Rinder und siebenhundert Schweine geschlachtet.«

Ulrich rieb sich das Kinn. In Knittlingen konnten sie sicher noch mehr Vorräte aufnehmen. Zudem hatten sie jede Menge Säcke voller Mehl und Getreide erbeutet, denn das Kloster Maulbronn war im Besitz einer Mühle. Auch fanden sie dort einen gewaltigen Backofen vor, in dem auf einen Schlag achthundert Pfünder gebacken werden konnten.

»Lasst die Bäcker nicht ruhen. Der Ofen muss Tag und Nacht befeuert werden, damit wir Brot haben. In zwei Tagen brechen wir auf«, lautete seine Entscheidung. »Von Maulbronn bis nach Bretten ist es nicht weit, lasst dafür sorgen, dass ständig genug Nachschub zu uns gelangen kann.«

Als Knittlingen des riesigen Heeres ansichtig wurde, ergaben sich seine Bewohner kampflos. Ulrich erließ daraufhin den Befehl, das kleine Städtchen nicht zu plündern und die Einwohner zu verschonen. Einige Soldaten jedoch widersetzten sich und schändeten mehrere Mädchen. Als der Herzog davon erfuhr, ließ er die Männer noch am selben Tag aufknüpfen. Für alle weithin sichtbar baumelten die Leichen der Rebellen sanft im Wind.

»Künftig werden es sich die Landsknechte überlegen, ob es ihnen ihr Leben wert ist, meine Befehle zu missachten, nur um ihre Triebe zu befriedigen. Es gibt genügend Dirnen im Tross, die für zwei, drei Pfennige zu haben sind.«

Herzhaft schlug der Herzog seine Zähne in einen gebratenen Hühnerschenkel und spülte den Bissen mit einem kräftigen Schluck Wein hinunter.

»Wohl gesprochen, Durchlaucht«, pflichtete Konrad Thumb von Neuburg ihm bei, der ihm gegenübersaß und ein Stück von einem Brotlaib abbrach. »Bei einem Sold von vier Gulden können es sich die Männer leisten, zu den Huren zu gehen.«

Die Zeltplane wurde zurückgeschlagen, und Graf von Fürstenberg trat ein, gefolgt von einem jungen Mann, gekleidet nach der neuesten Mode. Ein Barett auf dem Kopf, ein kragenloses Hemd mit Schlitzärmeln und ein kurzes Wams. Die Beine steckten in engen Hosen und endeten in breiten Lederschuhen.

»Durchlaucht, das ist Frieder, er kundschaftet den Feind für uns aus.«

Der Graf legte Frieder die Hand auf die Schulter und drückte fest zu, damit dieser vor dem Herzog das Knie beugte. Der junge Mann kniete sich in den Staub und zog seine Kopfbedeckung ab.

»Sag, was du zu sagen hast.«

»Tausend oder mehr Kriegsknechte ziehen nach Bretten, um der Stadt beizustehen.«

Ulrich runzelte die Stirn und bedeutete Frieder, sich zu erheben. »Woher kommen sie? Was führen sie an Kriegsgerät mit sich?«

»Aus den südwestlichen Reichsländern. Keine großen Geschütze. Nur Hellebarden und Spieße und wenige Handbüchsen.«

»Aus den Reichsländern? Das würde bedeuten, dass manch Habsburger Kriegsknecht die Seiten gewechselt hat. Bist du sicher?«

Frieder knetete das Barett in seinen Händen und nickte. »Ich habe so getan, als schließe ich mich ihnen an. Den Zungenschlag der Breisgauer kenne ich gut, denn ich habe einige Zeit in Freiburg verbracht. Vor zwei Nächten habe ich mich davongestohlen, um Euch die Kunde zu bringen.«

»Hab Dank, Frieder, es soll dein Schaden nicht sein.« Ulrich nickte Konrad zu, der aufstand und aus einer Truhe ein Geldsäckchen kramte und dem Spitzel zuwarf. Frieder bedankte sich und verschwand aus dem Zelt. Graf von Fürstenberg setzte sich zu den beiden Männern.

»Tausend. Selbst wenn es mehr sind, sind sie unserer Truppenstärke hoffnungslos unterlegen. Und sie haben keine Geschütze.«

»Dann auf nach Bretten.« Ulrich erhob seinen Trinkpokal, und seine grauen Augen funkelten vor Tatendrang.

Doch in Bretten stießen sie auf erbitterten Widerstand. Nicht nur die mehr als tausend Kriegsknechte, von denen Frieder berichtet hatte, stellten sich Herzog Ulrich und seinem Heer entgegen, sondern auch neuntausend Landsknechte, Bauern und Schweizer Söldner verteidigten die Stadt. Ulrich ließ das Lager vor Brettens Toren aufschlagen. Er würde die Stadt schon kleinkriegen, indem er sie aushungerte. Schanzen wurden rund um das Lager errichtet, und die Soldaten und Landsknechte schufteten unablässig. Müde und erschöpft schlurften sie am Abend zu den Feuerstellen, um sich Essen zu holen und einen Becher Wein oder Bier.

Je länger die Belagerung dauerte, desto mehr bekamen der Weibel und seine Untergebenen zu tun, denn die Landsknechte waren berüchtigt dafür, zu saufen und Unruhe zu stiften. Unmut und Langeweile machten sich breit, und Schlägereien waren an der Tagesordnung. Die Bauern und Landsknechte aus Brettens Umgebung schnitten den Versorgungsweg ab. Kein Laib Brot gelangte von Maulbronn nach Bretten. Sorgenvoll runzelte der Proviantmeister die Stirn, als er die innerhalb weniger Tage geschrumpften Viehherden sah. Bald würde es kein Stück Fleisch mehr geben. Er ordnete an, dass es nur noch einen Fleischtag in der Woche gab, anstatt derer drei.

In der darauffolgenden Nacht durchbrachen die Gegner die Schanzen und töteten die Wachen. Es gelang ihnen, die Geschütze zu vernageln, und jede Menge Waffen fielen ihnen in die Hände. Durch Herzog Ulrichs Zelt pfiff eine Kugel, als sein Knappe ihm eilig beim Anlegen der Rüstung half.

»Treibt sie zurück!«, brüllte der Herzog, als er aus dem Zelt stürzte, sein gezogenes Schwert in der rechten Hand.

Die Armee drängte die Pfälzer mit aller Macht zurück zu den Stadttoren. Doch die vielen Landsknechte und Soldaten, die auf des Herzogs Seite kämpften, behinderten sich gegenseitig, als sie durch die Tore der Stadtmauer drängten. Etliche starben einen qualvollen Tod, als sie eingequetscht und niedergetrampelt wurden. Andere, die es in die Stadt schafften, wurden gefangen genommen. Ulrich ordnete den Rückzug an.

Zurück im Lager ließ der Herzog eine Botschaft an König Maximilian aufsetzen und bat diesen um Hilfe. Keiner der Büchsenmacher hatte überlebt, und so war niemand mehr in der Lage, die Geschütze zu reparieren und abzufeuern. Der König solle Waffen und Büchsenmacher entsenden. Während der Herzog die Botschaft an seinen Schreiber diktierte, erschien Ludwig, der älteste Sohn des Pfälzer Kurfürsten.

»Ich bin gekommen, um mit Euch zu verhandeln«, sagte der Pfalzgrafensohn.

Ulrich schickte den Schreiber mit einem Wink hinaus und bedeutete dem Knappen, Wein in zwei Pokale zu gießen. »Was schlagt Ihr vor?«

Ulrich und Ludwig nahmen in Scherenstühlen Platz, jeder den anderen aufmerksam beobachtend.

»Einen Waffenstillstand.«

Der junge Herzog von Württemberg stützte das Kinn in die Hand und dachte nach. Sollte er Bretten weiter belagern und bekämpfen, würde das noch mehr Verluste bedeuten, und der Proviant war ohnehin schon knapp. Sollte er jedoch einem Waffenstillstand zustimmen, könnte er sich nicht mehr mit den Truppen des hessischen Landgrafen Wilhelm vereinigen, der sich von Nordwesten her dem Herz der Pfalz näherte. Allerdings erhielt Wilhelm bereits Unterstützung von den Herzögen von Braunschweig und von Mecklenburg. Insofern war der Hesse nicht unbedingt auf Ulrichs Heer angewiesen.

»Wir brechen die Belagerung ab, wenn Ihr die Gefangenen freilasst«, entschied der junge Herzog.

Ein kaum wahrnehmbares, erleichtertes Lächeln umspielte die Lippen des Pfälzers. Er hatte gehofft, dass Ulrich einem Waffenstillstand zustimmte. So konnten sein Vater Philipp und er sich mehr um die anderen Kriegsschauplätze kümmern, die die Pfalz bedrohten, denn König Maximilian rückte von Südwesten gegen die Kurpfalz. Dass nun kein Geld für die gefangenen Württemberger floss, war zweitrangig.

»Einverstanden.«

Prinz Ludwig und Herzog Ulrich tranken auf den Waffenstillstand, und Ludwig versprach, die Gefangenen kämen frei, sobald sich die Brettener Stadttore hinter ihm geschlossen hätten.

Kaum hatte der Kurfürstensohn das Zelt verlassen, schickte der Herzog nach seinen Kommandanten und seinen Ratgebern, um sie über den Waffenstillstand in Kenntnis zu setzen.

»Sobald die Gefangenen ins Lager zurückkehren, brechen wir die Belagerung ab und führen das Heer nach Osten.«

»Was habt Ihr vor?«, fragte Ritter Friedrich Kappler mit hochgezogenen Augenbrauen, der Befehlshaber der Reiterei.

»Der Herzog plant, nach Besigheim zu ziehen«, schmunzelte Konrad Thumb von Neuburg, bevor Ulrich noch eine Antwort geben konnte.

»Ihr kennt mich gar zu gut«, lachte Ulrich. »Besigheim ist tatsächlich unser nächstes Ziel. Und von dort weiter nach Löwenstein, Weinsberg, Möckmühl. Heilbronn muss uns freien Durchzug gewähren, nachdem der Stadt auf dem Esslinger Reichstag Neutralität in einem weiteren Krieg zwischen der Pfalz und dem Schwäbischen Bund zugesichert wurde.«

Graf von Fürstenberg war beeindruckt von Ulrichs Wissen. Trotz seiner jungen Jahre war der Herzog bestens unterrichtet.

*

Johannes Greiner lauschte derweil den beeindruckenden Worten Reinhard Gaißers. Der dreißig Jahre alte Doktor der Theologie, und seit einigen Monaten auch Rektor der Universität Tübingen, hielt einen Vortrag. Wer konnte, war gekommen, um Gaißer zu hören. Der Saal in einem der Fachwerkgebäude in der Münzgasse war zum Bersten voll.

»Wer bezahlt die teuren Kriegszüge? Richtig! Wie immer das gemeine Volk. Vorwiegend die, die hart für ihr Dasein schuften und von den Adligen und vom Klerus geschröpft werden. Sind Missernten zu beklagen, so sind sie eine Strafe Gottes, heißt es. Eine Strafe wofür? Warum soll Gott diese Menschen strafen, die doch nur ihre Kinder ernähren wollen? Nennt mir einen vernünftigen Grund.«

Zustimmendes Gemurmel war zu hören.

»Doch der Klerus besteht auf den Zehnten, ganz gleich, ob die Ernte gut oder schlecht ausfällt. Statt selbst die Gürtel über ihren dicken Bäuchen enger zu schnallen, pressen die Diener Gottes das Volk aus. Einst musste der Zehnt nur für Korn und Vieh entrichtet werden. Doch dem Klerus und dem Adel ist das längst nicht mehr genug. Holz, Fleisch, Eier, Milch, Heu und Wein. Auf alles muss der Zehnte bezahlt werden. Auch das, was uns Mutter Erde schenkt, wenn nur tief genug gegraben wird, unterliegt dem Zehnt. Ebenso auf Rodungen, um neues Land zu erschließen, wird der Zehnt erhoben.«

Reinhard Gaißer wischte sich den Schweiß von der Stirn. Im Raum war es ob der vielen Menschen heiß und stickig.

»Was kommt als Nächstes? Der Zehnt auf jedes Kind, das geboren wird? Ich weiß es nicht. Eines jedoch ist gewiss: Je länger der Feldzug gegen die Kurpfalz dauert, desto mehr Geld wird er verschlingen. Und je mehr Geld gebraucht wird, um das Heer und die Waffen zu bezahlen, desto mehr wird aus den Bauern herausgepresst werden. Und dieser Krieg wird nicht der Letzte sein.«

Johannes stimmte dem Rektor im Stillen zu. Seit Ulrichs vorzeitig erklärter Volljährigkeit durch den König, die der Herzog gebührend gefeiert hatte, hatte Johannes ihn nur noch selten gesehen, doch sie unterhielten einen regen Briefwechsel. Stolz war Ulrich damals gewesen und hatte sich huldigen lassen. Aber obwohl sein Freund aus Kindertagen nun ein Landesfürst war, standen sie beide sich nahe. Ob dies wohl so blieb? Oder veränderte der Krieg den jungen Herzog?

»Wie gesagt, es sind nicht nur die Klöster, die das Geld verprassen, sondern auch der Adel und die reichen Bürger. Merkt Euch meine Worte! Der Tag wird kommen, an dem die Ehrbarkeit von Herzog Ulrich herangezogen wird, um seine leeren Kassen zu füllen. Doch die Oberschicht wird einen Weg finden, damit ihre Geldkassetten voll bleiben und die Arbeiter und Bauern die Zeche für sie bezahlen.«

1507

Herzog Ulrich hatte glorreiche Siege errungen und war mit reicher Kriegsbeute nach Stuttgart zurückgekehrt. Die Grafschaft Löwenstein, die Städte Besigheim, Möckmühl und Weinsberg gehörten nun zu Württemberg. Daneben hatte Ulrichs künftiger Schwiegervater, Herzog Albrecht, ihm für seine Dienste und Unterstützung im Krieg gegen die Pfalz die Stadt Heidenheim und Schloss Hellenstein überlassen. Ulrichs Herzogtum hatte sich erheblich vergrößert.

Das Volk verehrte seinen starken Landesvater, war stolz auf ihn und fühlte sich gut beschützt. Und auch der König zollte dem jungen Herzog Hochachtung und Anerkennung für seine Verdienste und hatte ihn vor zwei Jahren auf dem Reichstag in Köln mit Württemberg belehnt, was Ulrich zum alleinigen Herrscher über das Herzogtum machte und die im Krieg von Ulrich hinzugewonnenen Gebiete bestätigte. Selbst Reichsstädte wie Reutlingen begaben sich unter den Schutzschild des Herzogs und schlossen Verträge ab, die ihnen die Hilfe Württembergs im Falle eines Angriffs zusicherten.

Die neu erworbenen Ländereien spülten zwar mehr Steuergelder in Ulrichs Kasse, trotzdem hatte der Krieg seine Schulden in schwindelerregende Höhen getrieben. Aber Ulrich kümmerte das nicht. Stattdessen hatte er noch mehr Geld ausgegeben. Um auf dem Reichstag in Konstanz bei Maximilian Eindruck zu erwecken, war er mit dreihundert Reitern in seinem Gefolge angekommen, allesamt auf pechschwarzen Pferden. Außerdem hatte er zu seinem zwanzigsten Geburtstag eigens Württemberger Goldtaler prägen lassen.

»Ist er nicht prächtig?«

Mit stolzgeschwellter Brust wies Ulrich auf den dunkelbraunen Hengst, der mit erhobenem Kopf und geblähten Nüstern an der Hand des Stallburschen leichtfüßig und doch kraftvoll trabte.

Er hatte Johannes Greiner eingeladen, ihn zu besuchen. Sie hatten sich lange nicht gesehen, und die Briefe, die sie sich schrieben, waren kein Ersatz dafür, sich Auge in Auge gegenüberzustehen. Ulrich hatte öfter an seinen Freund gedacht, selbst als er im Krieg gewesen war, und ihn vermisst.

Greiner war überrascht gewesen, denn aus dem dickleibigen Jungen von einst war ein hochgewachsener Mann geworden. Seinen gestählten Körper bedeckte ein dunkelblaues samtenes Wams über einem schneeweißen Hemd, seine Beine steckten in glänzenden schwarzen Stiefeln. An seiner Seite saßen Statuen gleich zwei Hunde.

Sie standen am Rande der Sandbahn nahe dem herzoglichen Marstall und betrachteten Ulrichs Neuerwerb.

»Wahrhaftig, ein prachtvolles Pferd. Ich habe selten ein schöneres Tier gesehen«, pflichtete Johannes dem Herzog bei.

Ulrich strahlte und winkte den Stallburschen zu sich. Der rothaarige Junge atmete schwer, es war nicht einfach, mit dem Hengst Schritt zu halten.

»Wie heißt er?«, wollte Johannes wissen und strich dem Hengst über die samtweiche Nase.

»Antar. Er kommt aus dem Orient. Bring ihn zurück in den Stall, Bursche.«

Der Junge wollte das Pferd wegführen, doch Antar schien nicht die Absicht zu hegen, ihm zu folgen. Störrisch blieb er stehen. Ungeduldig ruckte der Stallbursche grob an der Führleine, doch der Hengst riss nur den Kopf hoch, wich zurück und zeigte das Weiße in seinen Augen.