Der_Tod_kam_z_Dessert_RLY_cover-image.png

Christof A. Niedermeier

Der Tod kam zum Dessert

Kriminalroman

390453.png

Zum Buch

Hinterhältiger Giftmord Jo Weidinger hat sein Restaurant „Waidhaus“ noch nicht lange eröffnet, da bekommt er einen prestigeträchtigen Auftrag: Er soll das Festbankett für den Geburtstag eines bekannten Frankfurter Unternehmers ausrichten. Kurz nach dem Dessert ist der Firmenchef tot. Die Festgesellschaft ist geschockt. Alle Anzeichen deuten auf Mord. Gift in seinem Essen? Das kann Jo unmöglich auf sich sitzen lassen! Als auch noch sein Lehrling Philipp unter Mordverdacht verhaftet wird, bleibt Jo keine andere Wahl: Er muss den hinterhältigen Mörder auf eigene Faust aufspüren! Schnell findet er heraus, dass sich hinter der Maske des erfolgreichen Unternehmers ein skrupelloser Despot verbarg. Unerschrocken stürzt Jo sich in die Ermittlungen und kommt einem tödlichen Komplott auf die Spur. Doch der Mörder ist ihm immer einen Zug voraus und lauert schon auf ihn. Jo bleibt keine andere Wahl – um Philipps Unschuld zu beweisen, muss er alles auf eine Karte setzen …

Christof A. Niedermeier stammt aus der Nähe von Regensburg. Er studierte Kulturwissenschaften in Passau und Norwich/England. Seit über 20 Jahren lebt und arbeitet er in Frankfurt. Neben seiner Arbeit in einem internationalen Großkonzern schreibt er seit vielen Jahren Kriminalromane. Besonders fasziniert ihn an seiner Arbeit als Krimiautor die Psychologie seiner Figuren. Was bringt einen Menschen dazu, einen anderen zu ermorden? Wo liegt die Wurzel des Bösen? Bei seinen Recherchen taucht der Autor regelmäßig in andere Welten ein, wie beispielsweise ins Milieu von Spielcasinos oder in die Megametropole Tokio. Der Autor reist gern, wobei seine besondere Liebe der Sonne Italiens und der leckeren Mittelmeerküche gilt.

Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:

Der Tod kam zum Dessert (2020)

Der Tote im Weinberg (2019)

Tödliches Sushi (2018)

Impressum

Immer informiert

Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie

regelmäßig über Wissenswertes aus unserer Bücherwelt.

Gefällt mir!

398561.png  Instagram_Logo_sw.psd  Twitter_Logo_sw.jpg 

Facebook: @Gmeiner.Verlag

Instagram: @gmeinerverlag

Twitter: @GmeinerVerlag

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2020 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

info@gmeiner-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2020

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © helmutvogler / stock.adobe.com

ISBN 978-3-8392-6650-2

Haftungsausschluss

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog

Den ganzen Tag über hatte er auf diesen Moment gewartet. Er wollte ihn auskosten, ihn genießen, ihn bis ins letzte Detail in sich aufnehmen und damit eine Erinnerung schaffen, die ihn für den Rest seines Lebens begleiten würde.

Er hatte so viele Jahre auf seine Rache warten müssen. So viele Gedanken, so viele Ideen, was er ihm antun würde. Was hatte er nicht alles für Pläne geschmiedet, sie sich bis ins Detail ausgemalt, nur um sie dann doch wieder zu verwerfen. Er hatte sich so machtlos, so ohnmächtig gefühlt. Aber damit war es nun vorbei. Endlich war die Zeit gekommen, ihn bezahlen zu lassen – für den unsagbaren Verlust, den er erlitten hatte. Für die endlosen Schmerzen, für die er verantwortlich war, und für all das Unglück und Leid, das er über ihn und seine Familie gebracht hatte.

Er hatte ihn beobachtet, über Wochen, Monate, hatte geduldig auf seine Chance gewartet, auf den richtigen Zeitpunkt. Es musste perfekt sein. Er wollte ihm nah sein, ihm in die Augen sehen, seine Angst spüren, seine Ohnmacht fühlen, weil er nicht wissen würde, wie und aus welcher Ecke der Schlag kommen würde.

Oh ja, er würde jede Sekunde seiner Rache genießen.

Er dimmte das Licht.

Es durfte nicht zu hell im Raum sein. Er wollte sich fühlen wie ein Jäger im Schatten. Der sein Opfer aus der Dunkelheit beobachtete. Kühl, abwägend, jederzeit bereit zuzuschlagen. So sah er sich: als einen erbarmungslosen Rächer, ohne Gnade, ohne Mitgefühl, nur seinem Ziel verpflichtet.

Er zündete Kerzen an, obwohl er wusste, dass er das nicht durfte. Das alte Holz des Fachwerks konnte jederzeit Feuer fangen, wenn er unachtsam war und eine der Kerzen umstieß. Aber er mochte den Geruch des Feuers, mochte es, mit der Gefahr zu spielen. Im Hintergrund lief leise Musik. Das beruhigte ihn. Half ihm, sich zu konzentrieren und seine Gedanken zu fokussieren. Er musste einen kühlen Kopf bewahren. Durfte auf den letzten Metern keine Fehler machen. Nicht auszudenken, wenn er vorher entdeckt würde!

Er nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse. Der bittere Geschmack der Kaffeebohnen passte zu seiner Stimmung. Er griff nach der Schere, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag und im flackernden Licht der Kerzen matt glänzte. Sie fühlte sich kalt an. Ein Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Er griff nach dem Wetzeisen und begann sie zu schärfen. Nicht, dass sie stumpf gewesen wäre – im Gegenteil. Aber er wollte, dass sie so scharf war wie eine Rasierklinge, wollte, dass die Schnitte so hart und präzise ausfielen, als wären sie mit einem Lineal gezogen worden. Das klirrende Geräusch, als Stahl auf Stahl traf, erfüllte ihn mit tiefer Genugtuung. Sorgsam zog er den Wetzstahl an der scharfen Seite der Schere entlang, wieder und wieder. Zwischendurch prüfte er die Schärfe, so lange, bis er zufrieden war.

Er öffnete die Schublade und nahm ein paar Gummihandschuhe heraus, die er sich vorsichtig über die Hände zog. Keine Spuren! Er durfte keine Spuren hinterlassen! Er nahm eine der vielen Zeitungen vom Stapel neben sich und blätterte sie durch. Die Mischung musste stimmen. Er konnte nicht willkürlich beliebige Buchstaben aneinanderreihen. Es sollte ein Kunstwerk sein. Ein Unikat. Voller Kraft und Stärke. Er nahm eine zweite Zeitung in die Hand, dann eine dritte. Nicht nur die Schrifttype musste stimmen, nein, es musste auch die richtige Farbe sein. Schwarz war gut, natürlich, und Rot. Aber es mussten andere Farben dazukommen – ein giftiges Grün – dunkles Blau – strahlendes Gelb. Er lächelte zufrieden, als er schließlich fündig wurde. Es war für ihn jedes Mal ein besonderes Gefühl, wenn er den ersten Buchstaben ausschnitt. Das kalte Metall der Schere fuhr an dem Papier entlang, schnitt präzise wie ein Skalpell. Wieder lief ihm ein Schauer den Rücken hinunter. Er nahm den Kleber in die Hand, träufelte einen winzigen Tropfen auf das Papier und drückte den ersten Buchstaben fest – sorgsam darauf bedacht, dass der Klebstoff nicht das Papier durchtränkte und einen unschönen Fleck hinterließ.

Absolute Präzision.

Keine Fehler.

Er hätte schneller arbeiten können. Aber das wollte er nicht. Er wollte jede Sekunde davon genießen, zögerte es hinaus, versuchte es in die Länge zu ziehen. Aber schließlich war jeder Buchstabe genau am richtigen Platz.

Zufrieden betrachtete er das Ergebnis seiner Arbeit. Ein Lächeln glitt über seine Gesichtszüge. Die bunten Buchstaben schienen fast über das weiße Papier zu tanzen, strahlten eine Fröhlichkeit und Lebenslust aus, die in auffälligem Kontrast zu der Botschaft standen, die sie übermittelten.

Die Nachricht bestand nur aus einer einzigen Zeile, nur aus einem einzigen Satz:

 

Morgen wirst Du sterben!

Kapitel 1

Jo Weidinger wischte sich den Schweiß von der Stirn und atmete tief durch. Der Duft des herannahenden Sommers lag in der Luft. Gott sei Dank hatte sich das Wetter gehalten, dachte er und blinzelte in die Sonne. Für einen Moment fühlte er sich an die Sommertage seiner Kindheit erinnert. Schnell schob er den Gedanken beiseite. Sein Blick wanderte zu der festlich eingedeckten Tafel. Der letzte Gang war abgeräumt, und alles wartete gespannt auf das Dessert.

Jo gab dem Chef de Service ein Zeichen, und fast augenblicklich setzte sich die Servicemannschaft in Bewegung. Die Männer in ihren dunklen Anzügen und die Frauen in ihren strahlend weißen Blusen flitzten unauffällig zwischen den Gästen hin und her. Jo liebte es, den Service bei der Arbeit zu beobachten, die präzisen Handgriffe, das gekonnte Balancieren mit den Tellern – es war fast wie ein Ballett.

Gerne hätte er ihnen länger zugesehen, aber im Nu stand vor jedem der Gäste ein runder Pokal auf dem Tisch. Der samtig-weiche Karamellton der Crème brulée schimmerte verführerisch durch das geschliffene Kristall und ließ einem beim bloßen Hinsehen das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Um die Nachspeise hatte Jo sich die meisten Sorgen gemacht. Die Crème brulée durfte nicht zu weich sein, aber auch nicht zu steif werden. Sie draußen unter freiem Himmel und bei steigenden Temperaturen auf den Punkt genau hinzubekommen, stellte eine große Herausforderung für die Kochmannschaft dar. Doch Jo hatte vorgesorgt. Die Crème war in Kühlboxen gelagert worden und kam bei der Zubereitung in Formen, die mit Eiswürfeln ausgelegt waren. So blieb sie kalt, als sie über den offenen Gaskochern mit Zucker karamellisiert wurde. Ein enormer Aufwand. Aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen.

Jetzt fehlte nur noch die Nachspeise für das »Geburtstagskind«. Jo blickte hinüber zu Philipp, der ungeduldig am Ausgang zum großen Innenhof stand, in dem sich die Tischreihen des Festbanketts entlang zogen.

Der Junge wirkte blass und angespannt. Neben ihm stand einer der Kellner mit einem Feuerzeug in der Hand und wartete auf Jos Zeichen. Der junge Küchenchef nickte den beiden zu. Hastig zündete der Kellner die Wunderkerzen an. Philipp trat hinaus in den Garten und setzte sich vorsichtig in Bewegung. Die Eistorte war der krönende Abschluss. Fast wie die Parade beim Galadiner auf einem Kreuzfahrtschiff.

Es wollte so gar nicht zu Philipps sommersprossigem Lausbubengesicht und seiner schlaksigen Figur passen, wie er sich bemühte, würdevoll wie ein englischer Butler an der Festtafel entlang zu schreiten. Jo konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Philipp konnte von Glück reden, dass seine Kollegen aus dem »Waidhaus« ihn nicht sahen. Ein Raunen begleitete den Jungen, als er mit seiner Eistorte und den funkensprühenden Wunderkerzen an den Gästen vorbeimarschierte. Noch eine gekonnte Drehung, und er setzte sein Kunstwerk behutsam ab.

Die Gäste applaudierten, einige riefen sogar Bravo. Philipp machte eine Verbeugung und brachte ein verlegenes Grinsen zustande. Auch wenn er sonst nicht auf den Mund gefallen war, schien die große Kulisse ihn beeindruckt zu haben. Jo nickte seinem Lehrling aufmunternd zu. Die Wunderkerzen brannten aus, und mit zwei, drei schnellen Handgriffen zog Philipp sie heraus. Geschafft!

Jo sah hinüber zu Hans Kronlechner. Der Unternehmer war eine beeindruckende Persönlichkeit. Seine markant geschnittenen Gesichtszüge, sein ausgeprägtes Kinn und die durchdringenden blauen Augen strahlten eine natürliche Autorität aus. Trotz seiner grauen Schläfen hätte Jo ihn jünger geschätzt. Aber wie die geschwungene Zahl auf der Torte bewies, war heute sein 50. Geburtstag.

Kronlechner erhob sich.

»Ich freue mich, dass Sie heute so zahlreich gekommen sind«, sagte er und ließ den Blick die Tafel entlang gleiten. »Wo könnte ich meinen Geburtstag besser feiern als hier? Zum Glück hat Petrus es gut mit mir gemeint. Jedenfalls hat er uns zu meinem Ehrentag feinstes Geburtstagswetter beschert.«

Obwohl der Satz selbstironisch klingen sollte, schwang dabei ein gutes Stück Selbstgefälligkeit mit. Der Unternehmer warf einen Blick auf die junge Frau, die neben ihm saß.

»Der Dank für dieses kulinarische Ereignis gebührt allerdings meiner Frau.«

Er hielt einen Moment inne. Die Gäste applaudierten.

»Sie hat ein besonderes Händchen für solche Anlässe.«

Die junge Frau schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Kronlechner zwinkerte ihr zu und wandte sich wieder an die Geburtstagsgäste.

»Dabei hat sie mich völlig im Dunklen darüber gelassen, was mich heute erwartet. Ich wusste nicht einmal, ob wir Gäste haben würden.«

Ein ungläubiges Raunen ging durch die Reihen. Kronlechner lächelte zufrieden.

»Lassen Sie uns auf unsere charmante Gastgeberin anstoßen.«

Die Geburtstagsgäste erhoben ihre Gläser in Richtung Silvia Kronlechner und prosteten ihr zu. Der Unternehmer beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuss.

»So, und jetzt werde ich meine Eistorte kosten, bevor sie mir wegschmilzt«, sagte er und warf einen Blick auf Philipp, der neben ihm stand. »Das wollen wir dem jungen Mann nicht antun, wo er sich so viel Mühe gegeben hat! Meine Damen und Herren, das Dessert ist eröffnet!«

Kronlechner setzte sich. Die Geburtstagsgesellschaft applaudierte. Der Unternehmer lehnte sich hinüber zu seiner Frau und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Dann wandte er sich seinem Dessert zu. Er schluckte den ersten Bissen hinunter und verdrehte die Augen.

»Köstlich, ein Gedicht«, rief er aus und nickte Philipp anerkennend zu. »Sie haben sich selbst übertroffen, junger Mann!«

Jo blickte hinüber zu Philipp. Der Junge konnte stolz auf sich sein! Umso mehr erstaunte ihn die Reaktion seines Lehrlings. Statt sich zu freuen, machte er ein verschlossenes, fast feindseliges Gesicht. Jo schüttelte den Kopf. Aber vielleicht war Philipp auch nur nervös. Zum Glück merkte Kronlechner nichts davon. Er war viel zu sehr mit seinem Dessert beschäftigt. Gerade ließ er sich wieder einen Löffel auf der Zunge zergehen, als er auf einmal die Augen aufriss. Jeglicher Ausdruck wich aus seinen Zügen. Für den Bruchteil einer Sekunde saß er völlig regungslos, dann verzerrte sich sein Gesicht zu einer schrecklichen Grimasse. Sein Körper zuckte krampfartig, seine Augen wurden glasig. Ohne einen Laut fiel er nach vorne, schlug mit dem Kopf gegen die Tischplatte und rutschte seitlich vom Stuhl auf den Boden. Dort blieb er regungslos liegen. Die Gespräche am Tisch verstummten schlagartig. Jo lief ein eisiger Schauer den Rücken hinunter. Regungslos stand er da und sah, wie einzelne Gäste aufsprangen und auf den Unternehmer zustürzten.

Jemand schrie nach einem Rettungswagen. Eine Frau fiel in Ohnmacht. Silvia Kronlechner stand benommen auf und wollte zu ihrem Mann, doch ein Freund zog sie zur Seite. Ein stämmiger Mann, der als einer der Ersten bei Kronlechner gewesen war, beugte den Kopf hinunter zum Brustkorb des Unternehmers und lauschte nach dem Herzschlag. Er legte beide Hände auf Kronlechners Oberkörper und bemühte sich, mit kräftigen Stößen das Herz zum Schlagen zu bringen. Ein zweiter Mann, der sich ebenfalls hingekniet hatte, fühlte nach dem Puls. Jemand hatte den Kopf des Unternehmers angehoben und eine eilig herbeigeschaffte Decke daruntergelegt.

Der stämmige Mann drückte, ließ ab, drückte, fünf Mal, sechs Mal … zehn Mal …

Seine Bemühungen wurden immer verzweifelter. Wieder und wieder lauschte er nach dem Herzschlag. Schließlich setzte er sich auf. Ein drahtiger Mann, der jede seiner Bewegungen genau beobachtet hatte, stand auf einmal neben ihm.

»Machen Sie weiter!«, befahl er in scharfem Ton.

»Es hat keinen Sinn«, erklärte der Stämmige stockend. »Er ist tot.«

Der Drahtige verharrte regungslos. Es schien, als habe er nicht verstanden, was der andere Mann gesagt hatte. Dann fasste er sich.

»Herzinfarkt?«, wollte er wissen.

Die beiden Männer, die bei dem Toten knieten, warfen sich unsichere Blicke zu. Der stämmige Mann, offenbar ein Arzt, räusperte sich. Mit leiser Stimme sagte er:

»Sieht nach einer Vergiftung aus.«

In diesem Augenblick riss sich Silvia Kronlechner los und stürzte auf ihren am Boden liegenden Mann zu. Sie sah in seine glasigen Augen und schien nicht zu begreifen, was passiert war.

»Tut etwas!«, rief sie verzweifelt. »Mein Gott, ihr müsst doch etwas tun!«

Ihre Stimme erstarb. Keiner der Männer machte Anstalten, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Eine bleierne Stille legte sich über die Anwesenden. Der Arzt erhob sich. Hilflos blickte er sie an.

»Silvia, wir haben alles versucht. Hans ist tot.«

Die junge Frau sah ihn verständnislos an. Es war, als habe sie nicht gehört, was er gesagt hatte. Sie schien wie in Trance. Der stämmige Mann vermied es, ihr in die Augen zu sehen.

»Tot?«, fragte sie mit leerem Blick. Der Stämmige nickte und legte den Arm um ihre Schultern.

»Komm, Silvia, ich bringe dich ins Haus.« Widerstandslos ließ sich Silvia Kronlechner wegführen. Erst jetzt erwachte Jo aus der eigenartigen Starre, die ihn umfangen hatte. Er hätte nicht sagen können, weshalb, aber er hatte sofort gewusst, dass Kronlechner tot war, bevor er auf der Tischplatte aufgeschlagen war. Es war diese Leere in seinen Augen gewesen, diese schreckliche Leere. Es war, als habe er dem Tod selbst ins Antlitz gesehen. Jo schauderte. Um ihn herum herrschte Fassungslosigkeit. Der Drahtige hatte die ganze Zeit auf den Toten gestarrt. Mit einem Mal straffte er sich.

»Lassen Sie ihn liegen«, befahl er dem zweiten Mann, der weiter bei dem Toten kniete. »Wir müssen die Polizei verständigen. Dr. Becker, Sie kümmern sich um die Mitarbeiter. Keiner verlässt das Gelände, bevor die Polizei eingetroffen ist.«

Becker nickte. Dann drehte er sich um und verschwand in Richtung des großen Gebäudes. Der Drahtige warf einen Blick auf die Umstehenden.

»Mein Name ist Robert Mertens. Ich bin der Sicherheitschef von Pro Health Pharma«, sagte er. Er stockte kurz.

»Leider konnten die Ärzte Dr. Kronlechner nicht mehr helfen«, fuhr er mit rauer Stimme fort.

»Bitte verlassen Sie das Gelände nicht, bis die Polizei eingetroffen ist und Ihre Personalien aufgenommen hat. Lassen Sie alles an den Tischen so, wie es ist, und begeben Sie sich in die Halle.«

Die Gäste leisteten der Aufforderung stumm Folge. Mertens wandte sich an einen in der Nähe stehenden Mitarbeiter des Werkschutzes.

»Meier, rufen Sie die Polizei! Aber nicht die normale Streife. Wir brauchen die Kriminalpolizei. Und zwar schnell.«

Der Angesprochene nickte und zog ein Mobiltelefon aus der Tasche. Inzwischen hatten sich die übrigen Sicherheitsleute um ihren Chef versammelt. Erst jetzt fiel Jo auf, dass im Garten und am Eingang insgesamt fast zehn in die blaue Uniform des Werkschutzes gekleidete Männer gestanden hatten. Mertens gab knappe Anweisungen, wie sie sich auf dem Gelände verteilen sollten. Drei blieben im Garten und postierten sich so, dass sie alles überblicken konnten. Mertens sah sich um. Er entdeckte Jo, der noch immer in seiner Nähe stand.

»Sind Sie der Küchenchef?«

Jo nickte.

»Schalten Sie die offenen Feuer aus und begeben Sie sich mit Ihren Leuten in die Halle.«

Jo nickte wieder. Er drehte sich um und ging hinüber zu den Köchen, die an den Gasbrennern und Grills ausgeharrt hatten. Er wies sie an, der Aufforderung von Mertens Folge zu leisten. Danach suchte er nach Philipp. Der Junge hatte sich in die Nähe des Eingangs verkrochen.

»Komm, Philipp, lass uns ins Haus gehen«, sagte er und legte dem Jungen beruhigend die Hand auf die Schulter. Philipp war blass und machte einen fahrigen Eindruck. Der plötzliche Tod des Unternehmers schien ihn sehr mitgenommen zu haben. Schweigend folgten sie den anderen in das gesichtslose, graue Betongebäude, in dem sich die Kantine von Pro Health Pharma befand.

In der Ferne konnte Jo das Geheul von Martinshörnern hören. Wahrscheinlich der Krankenwagen, dachte er und warf einen Blick auf seine Uhr. Zu seiner Überraschung war kaum eine Viertelstunde vergangen, seit sie das Dessert serviert hatten. Als sie in der Halle ankamen, führte ein Sicherheitsmann gerade zwei Polizeibeamte in Uniform in den Garten. Die meisten Gäste standen in Gruppen zusammen und unterhielten sich mit gedämpfter Stimme. Jo setzte sich auf einen freien Stuhl etwas abseits von den anderen. Er sah sich nach Philipp um. Der Junge hatte sich in einer Ecke auf den Boden gesetzt und die Arme um seine Knie geschlungen. Sein Kopf war gesenkt. Jo brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen. Am liebsten wäre er jetzt allein gewesen. Unwillkürlich schüttelte er den Kopf. Wochenlang beschäftigte man sich mit Tausend Einzelheiten und fragte sich, ob die Crème brulée zu Fisch als Hauptgericht passte. Und mit einem Mal spielte das alles keine Rolle mehr. Er dachte an seinen eigenen Tod. Ob es ihn auch so plötzlich treffen würde? Schnell schob er den Gedanken beiseite. Stattdessen versuchte er sich auf die Menüfolge für den Abend zu konzentrieren.

Nach einer Weile blickte er hinüber zu Philipp. Der Junge saß zusammengekauert auf dem Boden. Sein rotblonder Haarschopf wirkte noch ungestümer als sonst. In den letzten zweieinhalb Jahren war Philipp ihm richtig ans Herz gewachsen. Er war der erste Lehrling, den er im »Waidhaus« ausbildete. Jo überlegte, ob er aufstehen und zu Philipp hinübergehen sollte. Doch was konnte er ihm sagen? Das Ganze hatte ihn selbst mehr mitgenommen, als er es sich eingestehen wollte.

Unter den Gästen machte sich Unruhe breit. Sie hatten mittlerweile fast eine Stunde gewartet, ohne dass sich etwas getan hätte. Ein Mann im Smoking fragte die beiden Wachleute aufgebracht, wie lange man hier sinnlos herumsitzen müsse. Das sei wirklich eine Zumutung. Die beiden Wachmänner warfen sich ratlose Blicke zu. Einer zuckte mit den Schultern. Auf einmal kam Bewegung in den Saal. Ein etwa 55-jähriger Mann betrat den Raum, in seinem Schlepptau zwei uniformierte Polizisten und ein jüngerer Mann in Zivil. Der Ältere warf einen prüfenden Blick auf die Gäste.

»Ich bin Hauptkommissar Milde. Ich leite die Ermittlungen in diesem Fall.«

Seine Stimme klang müde. Trotzdem sprach er laut und verständlich.

»Sie alle haben den tragischen Tod von Dr. Kronlechner miterlebt.«

Milde machte eine Pause.

»Die genaue Todesursache steht nicht fest. Bis zum Ergebnis der Obduktion müssen wir daher routinemäßig alle Möglichkeiten prüfen.«

Er machte wieder eine Pause.

»Wir werden nun Ihre Personalien aufnehmen.«

Ein Murmeln ging durch den Saal.

»Was soll das?«, fragte der Mann im Smoking. »Es handelt sich um einen Herzinfarkt, wozu benötigen Sie da unsere Personalien?«

Milde warf ihm einen abschätzigen Blick zu.

»Kriminalwachtmeister Ebling«, er nickte in Richtung des jungen Mannes, »und seine Kollegen werden der Reihe nach zu Ihnen kommen und Ihre Personalien aufnehmen. Sollte Ihnen etwas Besonderes aufgefallen sein, teilen Sie das bitte einem der Kollegen mit.«

Die Beamten machten sich an die Arbeit. Der Hauptkommissar blickte sich suchend um und kam dann zielstrebig auf die Ecke zu, in der sich das Gros der Kochmannschaft versammelt hatte.

»Wer von Ihnen ist Jo Weidinger?«, wollte er wissen.

»Das bin ich.«

»Sie hatten die Gesamtleitung über die Küche?«, fragte Milde und musterte ihn aufmerksam.

Jo nickte.

»Gut«, antwortete der Hauptkommissar. »Ich brauche eine Liste aller Mitarbeiter, die heute im Einsatz waren. Haben Sie so etwas?«

»Ja, die Dispositionsliste. Ich glaube, sie ist in der Küche, bei meinen Sachen.«

Milde überlegte kurz.

»Gut, kommen Sie mit.«

Wortlos folgte Jo dem Kommissar zur Küche, wo zwei Männer in weißen Overalls gerade dabei waren, die Küchenutensilien zu untersuchen.

»Was soll das?«, fragte Jo aufgebracht. Köche waren, was ihr Arbeitsgerät anging, sehr eigen. Die beiden Beamten unterbrachen ihre Arbeit. Ihre Blicke gingen fragend in Richtung Milde.

»Hier hat niemand etwas verloren!«, rief Jo und vergaß in der Aufregung, dass es sich gar nicht um seine eigene Küche handelte.

»Die Kollegen von der Spurensicherung machen nur ihre Arbeit«, erklärte der Hauptkommissar in ruhigem Ton. »Solange wir eine Vergiftung nicht ausschließen können, müssen wir alle Spuren sichern.«

Als vorhin das Wort »Gift« gefallen war, hatte Jo nicht realisiert, was es bedeutete. Erst jetzt dämmerte es ihm.

»Sie denken, dass etwas in meinem Essen gewesen ist?«, fragte er ungläubig.

Milde räusperte sich.

»Niemand verdächtigt Sie oder einen Ihrer Mitarbeiter. Wir wollen nur sichergehen, dass wir nichts übersehen.«

Jo war fassungslos. Vergiftet! Von seinem Essen! Der Gedanke war ungeheuerlich. Die Männer von der Spurensicherung nutzten die Pause und machten sich an die Arbeit.

»Die Dispositionsliste, bitte«, sagte der Hauptkommissar.

Ach ja, die Liste. Jo ging hinüber in die Ecke, in der er seine Kiste abgestellt hatte. Milde war mitgekommen und ließ ihn nicht aus den Augen. Der Dispositionsordner lag obenauf. Jo reichte ihn dem Beamten.

»Da finden Sie alles drin. Personal, Menüfolge, den Serviceplan, die Einkaufsliste und die Rechnungen.«

Milde schlug den Ordner auf und blätterte darin.

»Sehr gut, kann ich das mitnehmen?«

»Sicher. Brauche ich aber später wieder. Ich muss noch die Rechnungen für die Lieferanten bezahlen. Außerdem benötige ich die Unterlagen für meine Buchführung.«

Milde nickte.

»Ist das die Liste der eingesetzten Mitarbeiter?«, fragte er. Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete Milde den Ordner und nahm die Liste heraus. Er drehte sich zu einem Streifenbeamten um, der ihnen gefolgt war, und gab ihm die Anweisung, die Liste zu kopieren und in die Halle zu bringen.

»Ich hätte einige weitere Fragen an Sie«, meinte der Hauptkommissar beiläufig.

Jo nickte stumm.

»Wir gehen am besten nach oben, dort haben wir mehr Ruhe«, schlug er vor.

Jo folgte dem Kriminalbeamten die Treppe hinauf in den ersten Stock. Hier gab es einen separaten Empfang, der allerdings nicht besetzt war. Sie gingen den Gang entlang und kamen zu mehreren Büros, die durch große Milchglasscheiben voneinander getrennt waren. Der Kommissar öffnete eine der Türen und betrat den Raum. In der Mitte standen ein großer Tisch und ein paar Bürostühle.

Der Hauptkommissar hatte dunkles, ein wenig schütteres Haar, das an einigen Stellen grau zu werden begann. Er schien gutem Essen gegenüber nicht abgeneigt zu sein. Jedenfalls neigte er zu Fülle. Trotz des warmen Wetters trug er ein kariertes Jackett und eine unauffällig gemusterte Krawatte. Einen Kriminalkommissar hätte sich Jo anders vorgestellt: jünger und dynamischer. Milde lehnte sich zurück und zog ein Notizbuch aus seinem Jackett hervor.

»Es stört Sie hoffentlich nicht, wenn ich mir Notizen mache?«, fragte er und zückte einen Stift. Jo schüttelte den Kopf.

»Sie hatten die Gesamtaufsicht über das Bankett, ist das richtig?«

»Ja.«

»Da war sicher einiges an Planung nötig, oder?«

»Wir haben für 300 Gäste gekocht. Die meisten Leute machen sich keine Vorstellung, was das für eine Arbeit ist«, erwiderte Jo.

»Wie viele Köche waren heute im Einsatz?«, wollte Milde wissen.

»25.«

»Sie eingerechnet?«

Jo nickte.

»Arbeiten diese Leute fest für Sie? Haben Sie auch Aushilfen engagiert?«

»Von meiner eigenen Küchenmannschaft war nur Philipp Meissner, unser Auszubildender, dabei. Mein Restaurant ist nicht sehr groß. Veranstaltungen in so einer Dimension übernehmen wir normalerweise nicht.«

Milde machte sich einen Vermerk in sein Notizbuch.

»Sie kannten also viele der Köche gar nicht?«

»Der größte Teil der Mannschaft ist bei Feinkost Gräfe beschäftigt. Das müssen so 15 Leute gewesen sein. Der Rest kam von der Werkskantine.«

Milde dachte an die dürftige Qualität des Essens im Polizeipräsidium und war ernsthaft erstaunt.

»Kommt es oft vor, dass Sie mit einer zusammengewürfelten Mannschaft arbeiten?«

Jo zuckte mit den Schultern.

»Natürlich hat es Vorteile, wenn die Küchenbrigade aufeinander eingespielt ist. Aber bei so einer großen Veranstaltung muss man meist mit verschiedenen Teams arbeiten. Oft hat man gar nicht die freie Auswahl, sondern muss sich nach den Wünschen des Auftraggebers richten.«

»Hat Dr. Kronlechner Sie persönlich engagiert?«, fragte Milde weiter.

»Nein, der Auftrag kam von seiner Frau. Es sollte eine Überraschung für ihn sein.«

»Wie kam Frau Kronlechner gerade auf Sie?«

»Keine Ahnung. Sie und ihr Mann sind ein paar Mal bei uns im ›Waidhaus‹ zum Essen gewesen. Muss ihr wohl geschmeckt haben.«

Jo war selbst überrascht gewesen, als Silvia Kronlechner ihn vor einem halben Jahr mit dem Festbankett beauftragt hatte. Jo war damals unschlüssig, ob er den Auftrag überhaupt annehmen sollte. Es war eine große Verantwortung. Zudem hatte er mit der Arbeit im Restaurant mehr als genug um die Ohren. Am Ende hatte ihn die Herausforderung gereizt.

»War es Ihre Idee, auch mit Köchen aus der Kantine zu arbeiten?«

»Nein. Mir wäre es lieber gewesen, wenn ich nur mit Köchen von Gräfe gearbeitet hätte. Aber Frau Kronlechner wollte wohl Geld sparen.«

»Tatsächlich?«

Milde sah ihn überrascht an.

»Mein ehemaliger Chef pflegte immer zu sagen: Von den Reichen kann man das Sparen lernen.«

»Da haben Sie wahrscheinlich recht«, erwiderte der Hauptkommissar und lachte. Er wurde aber gleich wieder ernst.

»Gab es Abstimmungsprobleme?«

Jo wunderte sich, dass der Hauptkommissar sich für solche Details interessierte.

»Keine größeren. Funktioniert wie beim Militär. Jede Teileinheit wird von einem Sous-Chef geführt. Als Chef de Cuisine gibt man seine Anweisungen an die Sous-Chefs, die selbstständig ihre Leute einteilen. Die gesamte Mannschaft sieht man nur bei der Einteilung am Morgen, und am Ende, wenn man Manöverkritik macht.«

Milde nickte. Er schien zu überlegen, ob er alles gefragt hatte.

»Wieso haben Sie nicht drinnen gekocht? Wäre das nicht einfacher gewesen?«

»Kundenwunsch«, erklärte Jo lakonisch. »Frau Kronlechner wollte ihrem Mann etwas Besonderes bieten. Deswegen mussten wir das Bankett als eine Art Kochshow im Freien inszenieren. Hat unsere Arbeit nicht leichter gemacht. Aber Sie wissen ja, wenn eine Frau sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat …«

Milde, der über 25 Jahre verheiratet war, nickte verständnisvoll.

»Gab das nicht Probleme mit den Lebensmitteln?«, fragte der Hauptkommissar. »Es ist heute ziemlich warm.«

Ein heikler Punkt, der Jo im Vorfeld einiges Kopfzerbrechen bereitet hatte. Bei Fisch und Geflügel musste man höllisch aufpassen.

»Alles eine Frage der Logistik«, erwiderte er, »mit den modernen Kühlaggregaten bekommt man das hin.«

»Sie können also ausschließen, dass die Kühlkette unterbrochen wurde?«, fragte Milde.

»Soweit es uns betrifft, auf jeden Fall. Aber bei einer Lebensmittelvergiftung wäre sicher nicht nur eine Person betroffen gewesen«, fügte Jo spitz hinzu.

»Da haben Sie recht«, antwortete der Hauptkommissar und kratzte sich am Kinn.

»Eine Sache wollte ich Sie noch fragen. Ist Ihnen irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?«

Jo sah den Hauptkommissar verständnislos an.

»Hat sich einer Ihrer Leute auffällig benommen? War jemand besonders nervös?«

Jo runzelte die Stirn und dachte nach. Dann schüttelte er den Kopf.

»Es war zwischendurch hektisch. Aber das ist es in unserem Job immer. Es gab ein paar Reibereien, aber nichts Großes.«

Milde nickte und machte sich eine kurze Notiz. Schließlich klappte er sein Notizbuch zu.

Jo sah auf die Uhr. In dem Moment klopfte es an der Tür, ein Kriminalbeamter streckte den Kopf herein.

»Ich bräuchte dich mal kurz, Roland.«

Milde entschuldigte sich und stand auf. Der andere Mann hielt ihm die Tür auf.

Jo versuchte zu verstehen, was draußen gesprochen wurde, konnte aber nur leises Murmeln hören. Nach ein paar Minuten war der Hauptkommissar zurück.

»Jetzt hätte ich doch noch ein paar Fragen an Sie. Vorher muss ich allerdings eine andere Befragung durchführen. Dauert nicht lange.«

»Ich muss in mein Restaurant. Wir sind heute Abend ausgebucht«, protestierte Jo. Milde sah den anderen Beamten an.

»Wir werden uns bemühen, Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen.«

Jo nickte widerwillig. Milde bedankte sich und ließ ihn allein in dem kahlen Raum zurück. Jo rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Die Fragen des Hauptkommissars hatten ihn nachdenklich gemacht. Er war zwar absolut sicher, dass es unter seiner Leitung zu keinen Fehlern gekommen war, aber wenn einer der Lieferanten geschlampt hatte … Nicht auszudenken, wenn es am Essen gelegen hatte! Andererseits war Jo überzeugt, dass Kronlechner nicht an verdorbenen Lebensmitteln gestorben war. Eine Lebensmittelvergiftung verlief völlig anders. Die ersten Symptome traten meist erst Stunden später auf. Tote gab es fast nie. Und wenn, traf es meist ältere Menschen, deren Immunsystem ohnehin geschwächt war. Kronlechner hatte dagegen einen sehr fitten und gesunden Eindruck gemacht.

Jo fragte sich, wie der stämmige Arzt überhaupt sicher sein konnte, dass es sich nicht um einen Herzinfarkt gehandelt hatte. So etwas kam bei Unternehmern schließlich häufiger vor, gerade in diesem Alter. So oder so, falls Kronlechner tatsächlich vergiftet worden war, würde es für die Polizei bestimmt nicht einfach werden, den Täter zu finden. Je nach Art des verwendeten Gifts konnte er es Stunden vorher aufgenommen haben.

Jo wusste nicht, wie richtig er mit seiner Vermutung lag. Kriminalhauptkommissar Milde, 57 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, war alles andere als glücklich über diesen Fall. Als seine Dienststelle kurz nach dem Eintreffen der ersten Streife informiert worden war, hatte ihn der wachhabende Beamte zu Hause in Mainz in seinem Gemüsegarten aufgetrieben. Etwas säuerlich fuhr er nach Frankfurt hinüber. Bestimmt hatte ein übereifriger Hausarzt die Anzeichen eines Schlaganfalls oder Herzinfarkts falsch gedeutet. Aber der Rechtsmediziner, der eine halbe Stunde nach ihm am Tatort eingetroffen war, bestätigte den Verdacht. Dr. Peimann, ein Veteran mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung, galt als einer der besten Rechtsmediziner des Landes und wurde oft zu schwierigen Fällen hinzugezogen. Soweit Milde sich erinnern konnte, hatte er mit seiner ersten Einschätzung am Tatort bisher selten falsch gelegen.

Als der Hauptkommissar sich über den Toten beugte und in die Leere in seinen Augen blickte, hatte Dr. Peimann seine Untersuchung gerade abgeschlossen.

Der Rechtsmediziner ging von einer Vergiftung mit einem Insektizid oder einem ähnlichen Mittel aus. Seiner Meinung nach handelte es sich um ein sehr schnell wirkendes Gift, das der Unternehmer erst während des Banketts zu sich genommen haben musste – vermutlich sogar nur einige Minuten vor seinem Tod.

Hoch wirksame Insektizide waren nicht frei verkäuflich. Man konnte daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass es zufällig ins Essen geraten war. An die Möglichkeit eines Selbstmords glaubte der Hauptkommissar nicht eine Sekunde. Warum sollte sich ein erfolgreicher Unternehmer ausgerechnet beim Festbankett zu seinem 50. Geburtstag das Leben nehmen? Mildes Erfahrung nach suchten Selbstmörder die Einsamkeit.

Was nur eine Schlussfolgerung übrig ließ: Mord!

Milde hatte bereits an vielen Tatorten gestanden. Trotzdem gelang es ihm nicht, seine Fälle mit der kühlen Routine zu betrachten, die viele seiner Kollegen schon nach wenigen Dienstjahren an den Tag legten. Wenn er in die leeren, ausdruckslosen Augen der Toten blickte, fühlte er sich jedes Mal unbehaglich. Es war, als läge in diesen Augen ein stummer Vorwurf. Obwohl das Unsinn war, konnte er sich nie ganz davon freimachen.

Sein Stellvertreter, Oberkommissar Holger Arnold, zeigte ihm die Gästeliste, die inzwischen zusammengestellt worden war. Sie enthielt unter anderem den Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, mehrere Bundes- und Landtagsabgeordnete sowie die Wirtschaftsminister der hessischen und der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Dazu bekannte Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Das konnte heiter werden, wenn er die alle verhören musste, dachte Milde grimmig. Ein Mord an einem erfolgreichen Unternehmer vor mehr als 300 Gästen, die meisten davon aus der sogenannten besseren Gesellschaft. Das war für die Presse ein gefundenes Fressen. Milde stöhnte innerlich, als er nur daran dachte. Für einen Moment wünschte er, er hätte den Fall abgeben können. Aber das war natürlich Unsinn. Besser, wenn er sich auf die Ermittlungen konzentrierte. Und die waren erstaunlich schnell in Gang gekommen.

Trotzig saß der junge Mann vor ihm. Wie alt mochte er sein – 16? 17? Milde hatte einen Sohn in ähnlichem Alter und konnte sich daher gut in ihn hineinversetzen. Dass ein so junger Mensch etwas mit dem Tod eines bekannten Unternehmers zu tun haben sollte, widersprach jeder Erfahrung. Dennoch gab es genau dafür Hinweise: Ein Mitarbeiter von Pro Health Pharma hatte sich gemeldet und zu Protokoll gegeben, dass er den Jungen ein paar Mal in der Nähe des Werksgeländes gesehen hatte. Er war ihm aufgefallen, weil er sich auffällig für die Vorgänge rund um das Verwaltungsgebäude interessierte.

Der Mitarbeiter hatte ihn wiedererkannt und nach einigem Zögern – schließlich wollte er keinen Unschuldigen belasten – der Polizei einen Hinweis gegeben. Sie hätten der Beobachtung wahrscheinlich keine größere Bedeutung beigemessen, wenn nicht ausgerechnet dieser junge Mann für die Zubereitung des Desserts von Kronlechner verantwortlich gewesen wäre. Wenn Dr. Peimann richtiglag, musste Kronlechner das Gift nur wenige Minuten vor seinem Tod zu sich genommen haben. Das passte zeitlich nur mit dem Dessert zusammen. Außerdem war die Eistorte die einzige Speise, von der ausschließlich der Unternehmer gegessen hatte.

Gut möglich, dass alles nur Zufall war. Trotzdem mussten sie dem Hinweis nachgehen. Die Spurensicherung hatte die Sachen des jungen Mannes durchsucht. In seiner Jacke, die in der Küche über einem Stuhl hing, fanden sie ein Fläschchen, das den Ermittlern verdächtig vorkam. Es war sorgfältig verpackt auf dem Weg ins Labor. Zudem waren sie auf einen Umstand gestoßen, der ein völlig neues Licht auf den Fall warf. Robert Mertens, der Sicherheitschef von Pro Health Pharma, hatte gegenüber Oberkommissar Arnold zu Protokoll gegeben, dass Kronlechner in den letzten Monaten vor seinem Tod eine Reihe von Drohbriefen erhalten hatte. Der letzte war am Vortag per Post gekommen.

Arnold konnte sich später, als er Milde die Geschichte erzählte, kaum beruhigen. In Arnolds Augen war es unglaublicher Leichtsinn, dass die Polizei nicht eingeschaltet worden war – zumal Mertens früher selbst als Polizist gearbeitet hatte.

Der Sicherheitschef des Unternehmens verteidigte sich damit, dass Kronlechner in der Vergangenheit häufig Drohbriefe erhalten hatte, es aber eine ausdrückliche Anweisung von ihm gab, die Polizei außen vor zu lassen.

Arnold hatte die Briefe sofort zusammen mit dem ominösen Fläschchen ins Labor nach Wiesbaden fahren lassen, wo sie kriminaltechnisch untersucht werden sollten.

Milde überlegte, wie er das Gespräch beginnen sollte. Solange sie nicht wussten, was in dem Fläschchen war, lag gegen den jungen Mann nichts vor.

»Wie heißen Sie?«, fragte er.

Der junge Mann schien sich unwohl zu fühlen und vermied es, dem Hauptkommissar in die Augen zu sehen. Trotzig hatte er die Arme vor dem Körper verschränkt.

»Philipp Meissner«, antwortete er knapp.

»Alter?«

»18.« Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.

Milde hätte ihn jünger geschätzt. Durch den strubbeligen Haarschopf und die vielen Sommersprossen sah er mehr wie ein großer Junge denn wie ein junger Erwachsener aus.

»Seit drei Wochen«, fügte er hinzu.

Milde musste sich ein Lächeln verkneifen. Sein Sohn hatte noch drei Monate bis zu seinem 18. Geburtstag, nervte aber schon jetzt alle damit, dass er bald »erwachsen« war, insbesondere seine jüngere Schwester.

»Wie lange arbeiten Sie schon bei Herrn Weidinger?«

Der Junge runzelte die Stirn und überlegte.

»Seit ungefähr zweieinhalb Jahren«, sagte er.

»Sie sind in der Ausbildung?«

»Ja. Ich mache in einem halben Jahr Prüfung.«

»Und trotzdem hat Herr Weidinger Sie zu so einem großen Bankett mitgenommen?«

»Was hat denn das damit zu tun?«, entgegnete Philipp und sah den Hauptkommissar mit abschätzigem Gesichtsausdruck an. »Dass ich in der Ausbildung bin, heißt nicht, dass ich nicht kochen kann!«

»Da haben Sie recht. Was war bei dem Bankett Ihre Aufgabe?«

»Ich habe mich um das Dessert gekümmert.«

»Eine ziemliche Verantwortung«, gab der Hauptkommissar zu bedenken.

»Ich hab nicht das ganze Dessert gemacht, sondern nur die Eistorte«, erwiderte Philipp, nun etwas ruhiger.

»Ah ja, die Eistorte. Die war speziell für Herrn Dr. Kronlechner bestimmt, nicht?«

»Ja.«

Philipp sah den Kommissar mit einem feindseligen Gesichtsausdruck an.

»Ich mache immer die Desserts, das ist mein Spezialgebiet. Da gab es nie Beschwerden!«, fügte er trotzig hinzu.

»Kannten Sie Herrn Kronlechner vorher?«, wechselte Milde das Thema.

Er achtete genau auf jede Gesichtsregung. Der junge Mann zögerte einen Moment.

»Er war mal mit seiner Frau bei uns im Restaurant. Unser Dessert hat ihm besonders gut geschmeckt. Jedenfalls wollte er sich bei der Küche dafür bedanken. Herr Weidinger hat mich dazugeholt, weil ich das Dessert zubereitet habe.«

»Und das war das einzige Mal, dass Sie Herrn Kronlechner begegnet sind?«

Der junge Mann zögerte wieder.

»Ja«, sagte er schließlich, wobei er dem prüfenden Blick des Hauptkommissars auswich. Milde spürte instinktiv, dass Philipp Meissner ihn belog.

Mit einem Mal war sein Jagdinstinkt geweckt. Er überlegte, ob er ihn mit der Beobachtung des Zeugen konfrontieren sollte, der ihn mehrmals in der Nähe des Werksgeländes gesehen hatte. Zu schade, dass die Laborergebnisse noch nicht vorlagen!

»Vielen Dank, Sie können gehen«, sagte er und erhob sich. Der junge Mann schien überrascht, dass das Gespräch so schnell beendet war. Seine Miene hellte sich auf, und im nächsten Moment war er aus dem Zimmer verschwunden. Er hatte sich nicht einmal von Milde verabschiedet. Der Hauptkommissar nahm sich ein paar Minuten Zeit und ließ sich durch den Kopf gehen, was sie bisher herausgefunden hatten. Danach rief er nach seinem Stellvertreter und besprach mit ihm das weitere Vorgehen. Arnold sollte die Arbeiten am Tatort abschließen und anschließend ins Büro zurückfahren. Er selbst wollte ein zweites Mal mit dem Chef des jungen Mannes sprechen, der nebenan wartete. Vielleicht konnte er so mehr über Philipp Meissner erfahren.

Jos Stimmung verschlechterte sich von Minute zu Minute. Es war eine Frechheit von der Polizei, ihn so lange warten zu lassen! Er war drauf und dran, seine Sachen zu packen, als der Hauptkommissar hereinkam. Er entschuldigte sich. Jo nickte widerwillig. Er war müde, verschwitzt und wollte endlich nach Hause.

»Ich wollte Sie etwas zum Dessert fragen«, erklärte Milde und schlug sein Notizbuch auf.

»Wieso, war damit etwas nicht in Ordnung?«, fragte Jo misstrauisch.

»Wir wissen bisher nicht, was den Tod von Herrn Kronlechner verursacht hat. Im Moment versuchen wir, uns ein möglichst vollständiges Bild der Abläufe zu machen«, wiegelte Milde ab.

Jo sah ihn zweifelnd an.

»Haben Sie die Zubereitung des Desserts selbst beaufsichtigt oder war dafür einer der Sous-Chefs verantwortlich?«

»Um die Crème brulée habe ich mich selbst gekümmert. Es war nicht einfach, sie draußen bei der Hitze auf den Punkt hinzubekommen.«

Der Hauptkommissar nickte.

»Und die Eistorte?«

»Die konnten wir schlecht draußen machen. Die wäre uns sofort weggeschmolzen. Philipp hat sie deswegen drinnen in der Küche zubereitet.«

»Allein?« Milde zog die Augenbraue fragend nach oben.

»Ja.«

»Sollte die Torte nicht der krönende Abschluss sein?«

»Ja.«

»Und da war es kein Risiko, es Ihren Lehrling allein machen zu lassen?«

Der Hauptkommissar berührte einen wunden Punkt. Ursprünglich waren für das Bankett 30 Köche vorgesehen gewesen, aber beim Morgenappell waren nur 25 aufgetaucht! Dadurch war Jos Planung völlig über den Haufen geworfen worden. Da sie so knapp besetzt waren, musste er selbst im Garten mit anpacken und hatte nicht einen Augenblick Zeit gefunden, sich um Philipp und die Eistorte zu kümmern.

»Philipp ist für sein Alter sehr weit. Vor allem, was die Zubereitung von Süßspeisen angeht. Die sind sein Spezialgebiet.«

Milde nickte.

»Seit wann arbeitet er bei Ihnen im Restaurant?«

»Seit er mit der Lehre begonnen hat, das heißt, seit ungefähr zweieinhalb Jahren.«

»Stammt er aus der Gegend?«

»Nein, er kommt aus Oberbayern, aus der Nähe von Rosenheim.«

Milde stutzte.

»Er wohnt nicht zu Hause bei seinen Eltern?«

»Nein. Er hat ein Zimmer bei einer meiner Mitarbeiterinnen.«

»Wieso hat er sich nicht bei sich zu Hause eine Lehrstelle gesucht?«

Jo hatte sich das auch gefragt. Da es in der Gastronomie nicht so einfach war, einen guten Lehrling zu bekommen, hatte er damals keine unnötigen Fragen gestellt.

»Ich glaube, er wollte auf eigenen Füßen stehen. Das ist manchmal einfacher, wenn man nicht mehr zu Hause wohnt. Aber wieso wollen Sie das alles wissen?«

Milde zögerte.

»Ich kann Ihnen im Moment dazu nichts Näheres sagen.«

Langsam dämmerte Jo, worauf Milde hinauswollte.

»Sie glauben, dass Philipp etwas mit dem Tod von Herrn Kronlechner zu tun hat?«, fragte er ungläubig.

An Mildes Gesichtsausdruck konnte er erkennen, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Er lachte laut.

»Sie wollen mich auf den Arm nehmen!«, rief er aus.

»Ich fürchte, nein«, antwortete Milde ernst.

Jo schüttelte den Kopf.

»Das ist absurd. Warum sollte Philipp Herrn Kronlechner vergiften? Er kannte den Mann doch kaum.«

»Ich kann Ihnen keine näheren Einzelheiten geben, aber wir haben ernst zu nehmende Hinweise, denen wir nachgehen müssen«, beharrte Milde. »Je schneller wir das Ganze klären können, umso besser. Das ist auch im Interesse des Jungen.«

Nach kurzem Überlegen setzte Jo sich auf und sah Milde mit festem Blick an.

»Da Sie offensichtlich einen meiner Mitarbeiter verdächtigen, bin ich davon ebenfalls betroffen. Zumindest indirekt. Wenn etwas mit den Lebensmitteln nicht gestimmt hat, bin letztendlich ich dafür verantwortlich. Deswegen werde ich aus Eigenschutz keine weiteren Fragen beantworten.«

Er stand abrupt auf.

Milde erhob sich und steckte sein Notizbuch ein.

»Das ist nicht hilfreich.« Milde konnte seine Verärgerung nicht verbergen. »Ich muss Sie dringend bitten, über den Inhalt unseres Gesprächs Stillschweigen zu bewahren.«

Jo zuckte achtlos mit den Schultern. Der Hauptkommissar hatte ihm gar nichts vorzuschreiben! Sie verließen das Büro und gingen schweigend nach unten. Als sie in der Halle ankamen, verabschiedeten sie sich wortlos. Jo ging zurück in die Küche, um seine Utensilien zu holen. Doch sie waren verschwunden. Er schüttelte den Kopf.

Unfassbar, was die Polizei sich hier erlaubte!

Ratlos starrte er auf die leere Küche. Dann machte er sich auf die Suche nach Philipp. Als er nach draußen kam, bemerkte er, dass der Motorroller des Jungen verschwunden war. Offensichtlich hatte er sich bereits auf den Heimweg gemacht.

Auf der Fahrt zurück zerbrach Jo sich den Kopf darüber, was der Hauptkommissar mit seiner merkwürdigen Andeutung gemeint haben könnte. Wenn wirklich eine Lebensmittelvergiftung vorlag, konnten sie es doch nicht Philipp in die Schuhe schieben! Jo hatte die Anlieferung des Eises am Morgen selbst beaufsichtigt. Es war direkt vom Kühlwagen in den Gefrierschrank in der Küche gebracht worden.

Danach war es erst wieder unmittelbar bei der Zubereitung herausgenommen worden. Wenn es Salmonellen oder eine andere Verunreinigung enthalten hatte, war es das Verschulden der Eisfirma.

So oder so ergab das alles keinen Sinn. Kronlechner hatte auf ihn einen kerngesunden Eindruck gemacht. Es war völlig ausgeschlossen, dass er ein paar Minuten nach dem Verzehr eines verdorbenen Desserts die Besinnung verlor und an Ort und Stelle verstarb. Es handelte sich schließlich nicht um Kugelfisch! Wie konnte die Polizei überhaupt so schnell wissen, woran Kronlechner gestorben war? Mussten sie dafür nicht erst eine Autopsie durchführen?

Er schüttelte wieder den Kopf. Wahrscheinlich handelte es sich alles nur um ein großes Missverständnis, versuchte er sich zu beruhigen.

Kapitel 2