V_d_Elbe_i_d_Neue_Welt_RLY_cover-image.png

Antje Windgassen

Von der Elbe in die Neue Welt

Historischer Roman

288565.png

Zum Buch

Die Hexen sollen brennen Catarina lebt glücklich mit der Familie ihres Mannes auf Gut Warmenau in Schiplage und freut sich auf den Besuch ihrer Mutter. Nachdem Anneke eingetroffen ist, wird jedoch bekannt, dass sowohl sie als auch ihre Tochter einst als Hexen verfolgt wurden. Als dann auch noch die Schwester des Gutsherrn auftaucht und sich herausstellt, dass sie eine gesuchte Hexe und Mörderin ist, schlägt die Sorge der Bevölkerung in blanke Angst um. Für viele Schiplager gibt es nur noch eine Lösung: Die Hexen müssen brennen. Sie senden daher einen Hilferuf an den Bischof von Osnabrück, der sie unterstützen soll. Währenddessen müssen sich die belagerten Bewohner Warmenaus auf ihrem Anwesen verschanzen. Zwar können Anneke und Catarina ihre Unschuld mithilfe des Wiegezertifikats aus Oudewater nachweisen, aber beide haben bereits am eigenen Leibe erfahren müssen, dass man der Obrigkeit nicht trauen darf. In den Verdächtigen reift nun der Entschluss, dieses Land des Hexenwahns zu verlassen und in die Neue Welt zu gehen. Eine gefährliche Reise beginnt.

Antje Windgassen ist in Hamburg geboren und aufgewachsen. Nach einem 14-jährigen Abstecher ins Nordrhein-Westfälische lebt die Historikerin heute mit ihrer Tochter in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein. Seit 1986 schreibt sie vorrangig als freie Autorin und Fachjournalistin für Magazin- und Zeitschriftenverlage. Schwerpunktthemen ihrer bisher publizierten Bücher sind historische Frauenfiguren. Als echtes »Nordlicht« liebt Windgassen das Meer und dann und wann auch eine »steife Brise«. Ein scharfer Ostwind, so behauptet sie, ist wie geschaffen dafür, einem die nötige Standfestigkeit um die Ohren zu pfeifen.

Impressum

Die Veröffentlichung dieses Werkes erfolgt auf Vermittlung von

BookaBook, der Lit. Agentur Elmar Klupsch, Stuttgart.

Immer informiert

Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie

regelmäßig über Wissenswertes aus unserer Bücherwelt.

Gefällt mir!

289579.png Instagram_Logo_sw.psd Twitter_Logo_sw.jpg 

Facebook: @Gmeiner.Verlag

Instagram: @gmeinerverlag

Twitter: @GmeinerVerlag

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2020 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

info@gmeiner-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2020

Lektorat: Sven Lang

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung der Bilder von: © https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Map_of_Virginia_-_Travels_through_Virginia_(1618),_ff.14v-15_-_BL_Sloane_MS_1622.jpg

und https://commons.wikimedia.org/wiki/File:PPN612294064_Hambourg_(1730).jpg

ISBN 978-3-8392-6672-4

Vorwort
oder
Was bisher geschah

Man schrieb das Jahr des Herrn 1622 und es war finster in Europa, finster und kalt. Das siebzehnte Jahrhundert brachte den Menschen nicht nur Hungersnöte und Seuchen, sondern auch den Krieg der Kriege, der dreißig lange Jahre währen sollte.

Feldherren wie Wallenstein, Tilly und Schwedenkönig Gustav II. Adolf führten riesige Armeen durch das Land, die ständig auf der Suche nach Nahrung wogende Felder zermalmten und nichts als verheerten Boden und erschlagene Bauern zurückließen. Millionen Menschen mussten ihr Leben lassen, unzählige wurden gefoltert, vergewaltigt und vertrieben. Die Spirale der Gewalt und der Verrohung drehte sich immer schneller.

Eine der wenigen Städte, die von den Schrecken des Krieges unbehelligt blieben, war die Freie Reichs- und Hansestadt Hamburg. Mit vierzigtausend Einwohnern galt sie als die größte Stadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen – und als die reichste. Der Handel blühte und der Wohlstand war groß.

Um ihn zu schützen, hatten die Hamburger beschlossen, ihre Stadt zur stärksten Festung Deutschlands auszubauen. Sechs Jahre dauerten die Arbeiten unter der Leitung des niederländischen Baumeisters Johan van Valckenburgh bereits an – und noch war ein Ende nicht absehbar.

Auf dieser gigantischen Baustelle – in einem der großen Häuser der Hamburger Deichstraße, die Wohnung, Kontor und Lager unter einem Dach vereinten – lebte die siebzehnjährige Anneke Claen mit ihrer Familie: mit Großvater Ludwig Claen, der das erfolgreiche Handelshaus aufgebaut hatte, Vater Leopold, der die Geschäfte führte, Mutter Elisabeth und den beiden älteren Brüdern Friedrich und Philipp.

Infolge der historisch belegten Explosion einer spanischen Galeone am zweiten Juni 1622 vor dem Dorf Neumühlen, bei der es sich, wie sich herausstellte, um ein Schmugglerschiff handelte, veränderte sich das Leben der angesehenen Familie Claen von Grund auf.

Der leichtlebige und leichtsinnige Philipp, der in die missglückten Schmuggelgeschäfte der Spanier involviert war und durch die Explosion viel Geld verloren hatte, musste nun vor seinen Gläubigern fliehen. Um sich nicht auch noch vor seiner Familie verantworten zu müssen, täuschte er seinen Tod vor und heuerte unter anderem Namen auf einem Handelsschiff an, das ihn in den Mittelmeerraum bringen sollte. Der Segler wurde jedoch von Piraten gekapert, die Ladung geraubt und die Mannschaft, einschließlich Philipp, in die Sklaverei verkauft.

In Hamburg trauerte die Familie Claen um den verlorenen Sohn, ohne zu wissen, dass sie die sterblichen Überreste eines Fremden zu Grabe trug.

Nach der Beisetzung kamen drei der Gläubiger Philipps, die Brüder Stolten, in die Deichstraße und verlangten von seinem Vater das ihnen zustehende Geld. Leopold Claen glaubte jedoch nicht an die kriminellen Geschäfte seines Sohnes, verweigerte die Zahlung und wies den Herren die Tür. Dass er damit seine ganze Familie und vor allem seine Tochter in Gefahr brachte, ahnte er nicht einmal.

Aus Rache zeigten die zwielichtigen Partner seines Sohnes Anneke nun als Hexe an.

Ein teuflisches Amulett sollte sie in ihrem Besitz haben und damit alle Menschen in ihrem Umkreis in Gefahr bringen. Tatsächlich kam es in der folgenden Zeit zu mehreren unerklärlichen Todesfällen in der Umgebung Annekes, und alle Toten hatten ein seltsames Brandmal an ihrer Hand.

Als bei der Durchsuchung ihrer Schlafkammer das dubiose Amulett tatsächlich gefunden wurde, schützte selbst die vornehme Herkunft die Claen-Tochter nicht. Sie wurde gefangen gesetzt, in den Kerker geworfen und als Hexe hochnotpeinlich verhört. Allerdings war sie auch unter der Folter nicht bereit, die schrecklichen Verbrechen zu gestehen, die man ihr zur Last legte.

Der junge Utrechter Maarten van Aelst, Assistent Baumeister van Valckenburghs und aufrichtig in Anneke verliebt, setzte nun alles daran, ihre Unschuld zu beweisen. Dafür gab es jedoch nur einen Weg: Er musste das Mädchen aus den Fängen der Gerichtsbarkeit befreien und mit ihr nach Oudewater fliehen, in jene kleine holländische Stadt, die mit kaiserlichem Privileg eine Hexenwaage betrieb. Nur die Wiegeprobe konnte beweisen, dass Anneke keine Hexe war. Und die Stadt Hamburg, dem Kaiser direkt untergeben, musste das Ergebnis dieser Probe anerkennen.

Doch die Reise nach Holland war weit und voller Gefahren. Als sie von Wegelagerern überfallen wurden, fand Maarten den Tod. Anneke überlebte schwer verletzt und bewusstlos. Durch Zufall wurde sie von den Nonnen eines nahen Klosters gefunden, die sie mit sich nahmen und gesund pflegten.

Letztendlich wurde Anneke von einem eigenwilligen Schicksal in die süditalienische Stadt Strongoli verschlagen.

Was sie nicht wusste: Ihr abenteuerlicher Lebensweg war damit noch lange nicht beendet …

Die Geschichte der »Hexe von Hamburg« beruht auf einer alten Handschrift aus dem 17. Jahrhundert.

»Aufgeschrieben von Philipp Claen, Kaufmann zu Hamburg. Anno Domini Nostri Iesu Christi 1664«, heißt es dort und setzt sich fort: »Alles, was ich selbst erlebt habe, im Großen Krieg, mit meinem Geschlecht und Stamm, meinen Eltern, meinen Geschwistern und Freunden.«

Das Original des handschriftlichen Familienbuchs des Philipp Claen ist vermutlich nicht erhalten geblieben, wurde jedoch von einer Frau namens Gretje Petersen im 19. Jahrhundert kopiert. Und eben diese Abschrift fand sich 1923 im Keller eines Gebäudes am Hamburger Holzdamm wieder an, das dem Kloster St. Johannis gehörte und als Mädchenschule und Lehrerinnenseminar genutzt wurde.

Um die alte Handschrift so lange wie möglich zu erhalten, wurde sie sorgfältig verpackt, ging während des Zweiten Weltkrieges jedoch endgültig verloren.

Was blieb, waren mündliche Überlieferungen.

Nach ihnen wurde der erste Teil »Die Hexe von Hamburg« geschrieben.

Mit »Die Hexe von Hamburg und der König der Diebe« fand die Geschichte ihre Fortsetzung:

Ein glückliches Geschick war Anneke zuteil geworden. Dreiundzwanzig Jahre lebte Donna Crisopulli-Claen nun in der kalabresischen Stadt Strongoli – erfüllte Jahre an der Seite ihres Gemahls Don Luigi.

Sie war in Kalabrien völlig heimisch geworden, hatte drei gesunden Kindern das Leben geschenkt und sie aufgezogen – Elisabetta, Giuseppe und Catarina, mit ihren fünfzehn Jahren die Jüngste der Geschwister.

Anneke lebte in einem prächtigen Haus, bewegte sich in den ersten Kreisen der Stadt und konnte sogar Francesco Campitelli, Prinz von Strongoli II. und Graf von Melissa, zu ihren Freunden zählen.

An die schrecklichen Erlebnisse ihrer Vergangenheit erinnerte nichts mehr – außer dem Wiegezertifikat der Stadt Oudewater, mit dem sie einst ihre Unschuld bewiesen hatte, einigen verblassten Narben an Händen und Füßen und das liebevolle Andenken an ihren Retter Maarten van Aelst.

Ihr Leben änderte sich jedoch von Grund auf, als ihr Gemahl im Kampf gegen Piraten ums Leben kam. Ihre Verzweiflung war groß und ihre Zukunftsängste brachten sie in die Abhängigkeit einer Opiumtinktur. Schließlich besann sie sich jedoch ihrer Stärke und es gelang ihr, mithilfe ihrer Freundin Donna Bianca, sich von der Sucht zu befreien. Einen Vorschlag ihrer Kinder aufgreifend ging Anneke noch während ihrer Genesungszeit auf Reisen. Hamburg war ihr Ziel, die alte Heimat, in der sie die Familie wiedersehen wollte. Ihre jüngste Tochter Catarina begleitete sie in dieses neue, gefährliche Abenteuer, in dem sie die größte Überraschung ihres Lebens erleben sollte.

Die Geschichte um Anneke Claen und ihre Familie setzt sich nun in diesem dritten Band fort. Er ist zugleich das Ende der Trilogie der Hexe von Hamburg.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihre

Antje Windgassen

Erstes Kapitel

Es war ein sonniger Septembermorgen im Jahr des Herrn 1651 und von der Chiesa di Santa Maria della Sanità schlug es zur neunten Stunde. Die Hitze hatte die Stadt Strongoli noch nicht erreicht. Die Luft war klar und duftete würzig nach wilden Kräutern und Feigen.

Im Hof der Crisopulli-Villa in der Via Vallone wartete eine Kutsche, abfahrbereit, mit eingespannten Pferden. Unten, im Hafen von Strongoli, sollte heute die kleine Kapelle geweiht werden, die Anneke anlässlich des dritten Todestages ihres Gemahls gestiftet hatte. Anschließend würde darin ein Gedenkgottesdienst zu ehren Don Luigis abgehalten werden – ein Liebesdienst, den die Witwe ihrem verstorbenen Gemahl erwies.

Anneke und ihre Kinder verließen die Villa und bestiegen die Kalesche. Maarten van Aelst folgte ihnen, doch bevor auch er im Inneren des Gefährts verschwinden konnte, bemerkte er einen Mann am Tor des Anwesens, der ihn zu sich heranwinkte.

Verwundert ging er zu ihm hinüber. Was mochte der Bursche von ihm wollen? Er hatte ihn noch nie gesehen und kannte auch sonst, außer den Menschen, die zum Haushalt der Crisopulli gehörten, kaum jemanden in dieser Stadt.

»Ich habe gestern gesehen, dass auf der Poststation ein Brief liegt, der aus dem Reich kommt«, sagte der Fremde. »Er ist zwar an Donazella Catarina adressiert, aber es heißt, dass dieses Dokument auch von Euch dringend erwartet wird. Ich dachte, diese Nachricht wäre von Interesse für Euch. Zumal in wenigen Minuten der Postreiter eintrifft, der die Station öffnen und Euch den Brief aushändigen könnte.« Der Kerl lächelte, ließ dabei sein schadhaftes Gebiss sehen und hielt vorsorglich schon einmal die Hand auf.

Maarten wunderte sich nicht über die Auskunft. Er war viel zu froh und erleichtert, dass Jakob sich endlich gemeldet hatte, als zu hinterfragen, woher der Fremde sein Wissen hatte. Schließlich warteten sie seit zwei Wochen auf eine Nachricht des Freundes und hatten sich bereits Sorgen gemacht.

Der sonst so misstrauische Utrechter dankte dem Burschen herzlich, drückte ihm eine Münze in die ausgestreckte Hand und lief zurück zur Kutsche. Auf dem Weg rief er einem Diener zu, dass dieser Wotan satteln möge, einen der Friesen, die Anneke und er aus den Niederlanden mit nach Strongoli gebracht hatten. Zu den Wartenden sagte er hingegen: »Ich habe noch etwas zu erledigen. Fahrt schon zum Hafen hinunter. Ich komme gleich nach. Es wird gewiss schnell gehen und ich hole euch noch auf dem Weg ein.«

Auf die erstaunten Fragen antwortete er mit einem geheimnisvollen Lächeln.

»Lasst euch überraschen.«

Gleich darauf rollte die Kalesche vom Hof, während Maarten seinen Friesen bestieg und den Weg zur Poststation einschlug.

Ausgerechnet heute war der Postreiter, der normalerweise so rechtzeitig eintraf, dass man nach ihm die Uhr hätte stellen können, nicht pünktlich.

Unruhig ging Maarten auf dem Platz vor der Station auf und ab. Wenn der Mann noch lange auf sich warten ließ, würde er sich am Ende noch zur Einweihung der Hafenkapelle verspäten. Das würde Anneke ihm gewiss übel nehmen. Warum nur hatte er nicht mehr Geduld bewiesen und den Brief erst nach dem Gedenkgottesdienst abgeholt?

Nervös ging er zur Straße zurück, um Ausschau nach dem Säumigen zu halten. Die auf einem Felsplateau gelegene Stadt bot weite Ausblicke auf das Umland, und von seinem Standort aus konnte Maarten daher nicht nur das Nordtor sehen, sondern darüber hinaus auch die serpentinenreiche Straße, die sich zur Stadt hinauf schlängelte. Ein paar Eselfuhrwerke waren auszumachen, doch von dem Postreiter fehlte jede Spur.

Der Utrechter blickte ungeduldig auf die Straße hinab und bemerkte dabei nicht, dass der Mann, der ihm die Nachricht von Jakobs Brief überbracht hatte, auf den Platz vor der Poststation getreten war. So weit wie möglich den Sichtschutz einiger Pinien nutzend, näherte er sich dem Friesen. Noch einmal vergewisserte er sich, dass Maarten abgelenkt war, und machte sich dann an dem Sattel des Tieres zu schaffen. Anschließend verschwand er wieder. Genauso unauffällig, wie er gekommen war.

Wotan wieherte unwillig und scharrte nervös mit dem Vorderhuf. Sofort sah der Utrechter sich nach ihm um. Und obwohl er keinen Grund für das abwehrende Verhalten seines Pferdes entdecken konnte, kehrte er doch zu ihm zurück.

»Was ist mit dir, mein Freund?«, murmelte er leise und strich mit der Hand über Stirn und Nüstern des Hengstes. »Ist dir langweilig oder …?«

In diesem Augenblick ertönte das Posthornsignal. Endlich! Wenig später erreichte der Reiter die Poststation. Er war sichtlich schlechter Laune.

»Eine Horde Witzbolde hatte die Straße versperrt und sich geweigert, mich durchzulassen«, beschwerte er sich lautstark, während er das Felleisen vom Sattel schnallte. »So eine Dreistigkeit. Als wenn ich zu meinem Vergnügen unterwegs wäre.« Mit dem ledernen Postsack unter dem Arm ging er zu dem Gebäude hinüber und schloss die Tür auf.

Hinter ihm drängte Maarten. »Schon gestern soll hier ein Brief an Donazella Catarina Crisopulli eingetroffen sein«, erklärte er ungeduldig. »Den würd ich gerne abholen.«

Indessen betraten weitere Strongolesen, durch das Hornsignal angelockt, die Station. Der Reiter ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen, sondern begann umständlich das Felleisen zu öffnen und die Sendungen zu sortieren.

»Hier geht alles der Reihe nach«, sagte er in vollem Bewusstsein seiner Wichtigkeit.

Auf einen Stapel legte er die Briefe, die von Strongoli aus weitergeleitet wurden – ein zweiter Reiter würde sie gleich abholen. Auf einen anderen Stapel kam die Post für Strongoli, die anschließend alphabetisch in Holzfächer eingeordnet wurde. Es kostete Maarten noch einige Minuten Wartezeit, bis er den Brief Jakobs entgegennehmen durfte.

Als er endlich wieder zu seinem Pferd trat, schnaubte Wotan entrüstet. Abwehrend schüttelte er den Kopf mit der langen, gewellten Mähne und scharrte mit den Hufen. Es war offensichtlich, dass der schwarze Friese sich nicht wohlfühlte. Doch Maarten reagierte nicht. Normalerweise achtete er stets auf die Befindlichkeiten seines Pferdes, aber gerade hatte er keine Zeit dafür. Eines stand schon jetzt fest. Er würde sich zur Weihe der Kapelle verspäten. Wenn er sich eilte, kam er noch rechtzeitig zu dem Gedenkgottesdienst. Immerhin galt es, sieben Kilometer über eine steile und serpentinenreiche Straße, die von der Stadt Strongoli zum Hafen am Meer hinabführte, zu überwinden.

Der Utrechter schwang sich in den Sattel.

Wotan wieherte erschrocken auf, beruhigte sich dann aber wieder und folgte gehorsam dem Zügel.

Die engen Gassen Strongolis mussten sie im Schritt zurücklegen. So wollte es das Gesetz, weil es mit galoppierenden Pferden bereits zu viele Unfälle gegeben hatte. Auch auf dem ersten Stück des Weges, gleich hinter dem Südtor, konnten sie nicht beschleunigen, weil die Straße hier sehr steil abfiel. Erst als sie eine etwas ebenere Passage erreichten, trieb Maarten seinen Hengst zur Eile an.

Wotan schnaubte, fiel aber gehorsam in Trab und dort, wo die Straße nicht ganz so steil abfiel, sogar in Galopp. Er war ein starkes Tier, dabei gutmütig und seinem Herrn treu ergeben.

Doch als Maarten ihn ein wenig harsch zügelte, weil der Weg wieder steiler wurde, wieherte er erschrocken und bäumte sich auf. Damit hatte der Utrechter nicht gerechnet. Er wurde aus dem Sattel geschleudert, schlug am Rande der Straße hart auf und rollte auf den steilen Abhang zu. Instinktiv klammerte er sich an eine Baumwurzel, war jedoch zu benommen, um sein Gewicht lange halten zu können. Er biss die Zähne zusammen und suchte mit seinen Füßen fieberhaft nach einem Halt und glitt dabei aber immer wieder ab. Seine Hände begannen zu zittern, er spürte noch den heißen Scirocco, der an seinen Haaren und seiner Brokatjacke zerrte. Dann gaben seine Finger entkräftet nach.

Unten im Hafen begannen feierlich die Glocken zu läuten. Zuerst die kleinere, mit glasklarem Ton. Dann setzte die zweite Glocke ein. Ihr Klang war tiefer, voller. Im Duett läutete sie mit der ersten, mal gleichzeitig, mal im Wechsel mit ihr. Die Töne zogen durch die Straßen.

Ein ungewohnter Laut.

Denn wenn es auch oben in der Stadt viele Kirchen gab und zahlreiche Glocken zu den unterschiedlichsten Anlässen läuteten, so war es doch hier unten, im Hafen, ein neuer Ton.

Die Menschen horchten auf. Gewiss, sie wussten, dass Donna Anneke Crisopulli einen Andachtsort gestiftet hatte, aber es war dennoch etwas Besonderes, die Glocken dieses neuen Gotteshauses das erste Mal zu hören.

Die kleine Hafenkapelle sollte Sankt Nikolaus von Myra, dem Schutzheiligen der Seefahrer, geweiht werden. Sie war voll besetzt, als Bischof Carlo Diotallevi seines Amtes waltete. Er besprengte die Außen- und Innenwände mit Weihwasser, salbte das Portal und den kleinen Altar.

Dann verstummten die Glocken und eine Orgel begann ihr Spiel. Eigentlich hatte Anneke auf ein derart kostspieliges Instrument verzichten wollen, bis ihr Bruder Philipp eine Kabinettorgel bei dem berühmten Orgelbauer Friedrich Stellwagen in Lübeck entdeckte und sie kurzerhand gekauft und nach Strongoli geschickt hatte.

»Zu Ehren meines guten Freundes Cryso«, hatte er dazugeschrieben und mit der Erwähnung von Luigis altem Spitznamen auf die Zeit angespielt, in der sie gemeinsam als Sklaven des Sultans in Konstantinopel gewesen waren.

Anneke hatte sich sehr über Philipps Geschenk gefreut. Und als die Orgeltöne nun durch die Kapelle brausten, war sie mit ihrem Werk wirklich zufrieden. Dieses Gotteshaus war Luigis würdig.

Alle waren gekommen. Ihre Tochter Elisabetta, die die Firma Crisopulli und Claen dank eines Sondererlasses des Fürsten von Strongoli leitete. Ihr Sohn Giuseppe, der den Beruf des Seefahrers erlernte und nur selten daheim war. Und ihre Jüngste, Catarina, die mit ihrem Wissen über Heilkräuter und ihrer prophetischen Gabe auf dem besten Wege war, eine Weise Frau zu werden.

Zu Annekes Rechten hatte sich Francesco Campitelli, Fürst von Strongoli II. und Graf von Melissa, eingefunden, der beste Freund ihres Mannes, der auch ihr in den fast dreißig Jahren, die sie inzwischen in Kalabrien lebte, ein guter und stets hilfsbereiter Kamerad geworden war.

Hinter ihnen saßen Zia Lorena, ebenso wie Donna Bianca, die Weise Frau Strongolis, die Bediensteten der Familie Crisopulli und natürlich die Honoratioren der Stadt. Nur der für Maarten reservierte Platz war frei geblieben.

»Wo bleibt er denn nur? Was kann ihn aufgehalten haben?« Auch Catarina vermisste den Utrechter. Er war doch sonst so verlässlich. Und ausgerechnet zu diesem Anlass ließ er auf sich warten? Das passte nicht zu ihm. Zumal er wusste, wie wichtig es ihrer Mutter war, dass er ihr in dieser Stunde zur Seite stand, ihr Trost und Kraft gab.

»Ich verstehe es auch nicht«, gab Anneke zurück. Und obwohl sie flüsterte, war ihre Besorgnis deutlich zu vernehmen. »Ich hoffe, ihm ist nichts geschehen.«

Auch Catarina war unruhig. Und das nicht ohne Grund. Schließlich war Maarten erst kürzlich auf dem Weg von der Stadt in den Hafen von einem Maskierten überfallen worden. Zwar hatte der in den Waffen geübte Utrechter den Angreifer in die Flucht schlagen können, aber was konnte er ausrichten, wenn sein Widersacher sich Verstärkung geholt hatte?

Bischof Carlo Diotallevi sprach inzwischen das Weihegebet. Es folgte die Schlussansprache und dann der Gedenkgottesdienst für Don Luigi Crisopulli.

Anneke war nicht ganz bei der Sache.

Natürlich, sie hatte den Verstorbenen sehr geliebt und schmerzlich um ihn getrauert, damals, vor drei Jahren, als er im Kampf gegen die Piraten ums Leben gekommen war. Doch dann war sie vor etwa einem halben Jahr Maarten wiederbegegnet, ihrer großen Jugendliebe. Die alten Gefühle waren schnell zurückgekehrt, gar aufgeblüht und so stark und innig wie einst geworden.

Bischof Carlo Diotallevi sprach das Paternoster.

»Pater noster, qui es in caelis.«

Sofort fiel die Gemeinde ein:»Sanctificetur nomen tuum …«

Anneke konzentrierte sich auf das Gebet: »Adveniat regnum tuum. Fiat voluntas tua, sicut in caelo, et in terra«, erklärte sie im Chor mit den Gläubigen. Schließlich war es ein Gebet für Luigi. Und einerlei, was Maarten widerfahren war – diese Stunde gehörte dem Verstorbenen.

»Panem nostrum cantidianum da nobis hodie.

Et dimitte nobis debita nostra,

sicut et nos dimittimus debitoribus nostris.

Et ne nos inducas in tentationem,

sed libera nos a malo.

Quia tuum est regnum et potestas et gloria

in saecula.

Amen.«

Nach einer Schlussansprache des Bischofs fanden die Weihe und der Gedenkgottesdienst ein Ende. Die Menschen strömten aus der Kapelle.

Anneke dankte jedem persönlich für sein Kommen. Als sie jedoch Catarina bemerkte, wurde auch sie wieder zunehmend nervöser. Ihre Tochter blickte unruhig zur Stadt hinauf und ließ die Straße nicht aus den Augen, auf der Maarten seinen Weg in den Hafen hätte finden müssen.

Hastig verabschiedete sie sich und ging zu der bereits wartenden Kutsche hinüber. Es war wirklich an der Zeit, zur Stadt hinaufzufahren und nach Maarten zu sehen. Ihre Kinder begleiteten sie.

Zweites Kapitel

Auf dem großen Platz vor der Kirche, dort, wo die alten Linden mit ihren ausladenden Kronen angenehmen Schatten spendeten, standen acht oder zehn Frauen im aufgeregten Gespräch. Frauen des westfälischen Städtchens Spenge, das den heiligen Sankt Martin gut dreihundertfünfzig Jahre zuvor zu seinem Schutz- und Kirchenpatron erwählt hatte.

Den aufgebrachten Bäuerinnen auf dem Kirchplatz ging es heute aber keineswegs um diesen Heiligen und erst recht nicht um die Nächstenliebe, die er gepredigt hatte, sondern im Gegenteil um Barbara Hoier, ein Weibsbild, das in der Schenke arbeitete und das mit Schönheit und Sittenlosigkeit die Männerwelt des Dorfes schier verrückt machte. Es gab wohl kaum einen Mann in Spenge, so behaupteten es zumindest die zornigen Frauen, der nicht mindestens eine Nacht in der Schlafkammer dieser Dirne verbracht hatte. Und darum, da waren sie sich alle einig, musste Barbara das Dorf verlassen – lieber heute als morgen.

»Wir könnten den Dorfschulzen um Unterstützung zu bitten«, schlug eine der Frauen vor. »Barbara bringt nur böses Blut ins Dorf, und es sollte doch auch in seinem Interesse sein, dass der Friede der Gemeinschaft erhalten bleibt.«

Die Idee gefiel den Frauen und sie wollten sich sofort auf den Weg machen, um beim Dorfschulzen Beschwerde zu führen, wurden aber von einer Kameradin zurückgehalten.

»Anna Hoier wird niemals zulassen, dass ihre Ziehtochter des Dorfes verwiesen wird. Zumindest nicht ohne einen triftigen Grund. Und Beweise für Barbaras Verfehlungen können wir keine erbringen.«

Die Frauen mussten ihr zähneknirschend recht geben. Die resolute Gastwirtin Anna Hoier war eine honorige Person in Spenge. Sie führte ihre Schenke allein und mit fester Hand. Zwar war sie verheiratet, aber ihren Mann hatte sie, wegen anhaltender Untreue und Faulheit, schon vor dreißig Jahren zum Teufel gejagt. Bald darauf hatte sie im Schilf des Flüsschens Warmenau einen schwer verletzten Säugling gefunden – ein kleines Mädchen, mehr tot als lebendig. Anna nahm es mit nach Hause. Sie pflegte es gesund, ließ es auf den Namen Barbara taufen und nahm es an Kindesstatt an.

Inzwischen waren fast dreißig Jahre vergangen und Barbara war eine schöne und intelligente Frau geworden. Vor etwa zehn Jahren hatte sie geheiratet – den Sohn eines wohlhabenden Bauern der Umgebung. Kurz nach der Hochzeit starb ihr Mann Andreas jedoch – plötzlich und völlig unerwartet. Er hatte eines Morgens einfach tot im Bett gelegen. Eine Todesursache konnte der herbeigerufene Medikus nicht verlässlich nennen. Er hielt eine Herzkrankheit aufgrund durcheinandergeratener Körpersäfte für möglich. Da der Tote jedoch noch einen Tag zuvor jung, kräftig und gesund gewesen war, wollte er auch Zauberei nicht ausschließen.

Sofort gaben böse Zungen Barbara die Schuld am Tod ihres Mannes – allen voran der Vater des Verstorbenen, der sie nun unter bösen Verwünschungen des Hofes verwies. Die Bewohner Spenges waren geneigt, sich auf seine Seite zu stellen – zumal man rein gar nichts über Barbaras Herkunft wusste.

Ohne zu zögern hatte sich Anna Hoier damals vor ihre Ziehtochter gestellt und sie wieder bei sich aufgenommen. Seitdem half Barbara ihr im Gasthaus, das nun auffallend häufig von den einheimischen Männern besucht wurde – unter anderem auch von ihrem Schwager Melchior, dem jüngeren Bruder ihres verstorbenen Mannes, der sie aufrichtig liebte.

Barbara war mit ihren langen dunklen Haaren zweifellos eine attraktive Frau, doch noch mehr war es ihre Ausstrahlung, die die Männer der Umgebung anziehend fanden. Ihr heiteres Naturell, ihre ruhige Freundlichkeit und ihre aufrichtige Anteilnahme an den Problemen ihrer Mitmenschen. Und eben dieses Entgegenkommen verstanden die eifernden Frauen Spenges völlig falsch und unterstellten Barbara die Unkeuschheit einer Dirne.

Anna Hoier, die wusste, dass ihre Ziehtochter keinen der zahlreichen Bewunderer in ihre Schlafkammer ließ, ärgerte sich immer wieder darüber.

»Die Weiber stehen schon wieder auf dem Kirchplatz und zerreißen sich die Mäuler über dich«, brummte sie, als sie vom Markt zurückkehrte. »Eine eifersüchtiger als die andere. Sie sind wirklich unbelehrbar.« Ächzend wollte sie den schweren Korb in die Küche tragen, aber Barbara sprang sofort herbei, um ihn ihr abzunehmen.

Sie lachte. »Und daran wird sich gewiss auch nichts ändern. Es sei denn, ich nehme jede Nacht eine von ihnen mit in meine Kammer als Aufpasserin.«

Anna schnaufte geringschätzig. »So weit kommt es noch. Meinetwegen können sie ja vor unserem Wirtshaus wachen. Herein kommen sie sicher nicht.«

Barbara leerte den Korb und versorgte die Lebensmittel, die Anna mitgebracht hatte, in Schränken und Kästen. Dabei grinste sie amüsiert. »Dann müssen sie aber zumindest zu zweit sein, damit eine an der Vordertür und die andere an der Hintertür aufpassen kann.«

»Zu viert«, berichtigte Anna und musste nun auch lächeln. »Für jede Hausseite eine. Sonst heißt es hinterher noch, dass deine Galane durchs Fenster eingestiegen sind.«

Beide kicherten.

Doch Anna wurde gleich wieder ernst. Sie öffnete noch einmal die Tür und schaute besorgt zum Himmel empor. »Der Wind hat aufgefrischt und der Himmel wird immer dunkler«, stellte sie fest. »Gewiss wird es noch ein schlimmes Unwetter geben. Ich spüre es schon seit heute Morgen in meinen Knochen.«

»Man kann es nicht ändern«, erwiderte Barbara gleichmütig und wandte sich ihrem Tagwerk zu. »Krautsuppe soll es heute geben?«

Anna nickte bestätigend und schloss sorgfältig die Tür. »Mit Speck und Graupen.« Sie bot in ihrem Gasthaus Zum weißen Hahn jeden Tag nur ein Gericht an, aber das wurde stets gerne angenommen, weil es gut, nahrhaft und preiswert war.

Barbara zog ein großes Messer hervor und begann, den ersten Kohlkopf in Streifen zu schneiden, während Anna den großen Kessel über das Feuer hängte und den Speck anbriet. Sie waren eine eingespielte Gemeinschaft.

Schweigend arbeiteten sie nebeneinander und hingen ihren Gedanken nach. Barbara war niedergeschlagen, auch wenn sie es sich, mit Rücksicht auf Anna, nicht anmerken ließ. Die ewigen Anfeindungen der Spenger Frauen verletzten sie tief. Dreißig Jahre lebte sie nun in diesem Dorf, war stets freundlich und hilfsbereit gewesen und hatte niemandem jemals ein böses Wort gesagt. Warum nur hassten diese Frauen sie so sehr?

»Na, jedenfalls werden sich die Weiber jetzt nicht mehr auf dem Kirchplatz herumdrücken«, grinste Anna.

Verständnislos sah Barbara auf. »Was meinst du?«

Bevor Anna antworten konnte, hörte sie es jedoch selbst. Es hatte zu regnen begonnen. In Strömen fielen die Tropfen vom Himmel. Und dann leuchtete plötzlich ein Blitz auf, so hell, dass die beiden Frauen von dem gleißenden Licht geblendet waren. Gleich darauf rollte der Donner heran, krachte, dass die Schüsseln in ihren Regalen vibrierten.

Anna bekreuzigte sich. »Es scheint irgendwo eingeschlagen zu haben.«

Barbara nickte beklommen. »Und so laut, wie der Donner gegrollt hat, muss es ganz in der Nähe gewesen sein.«

Die beiden Frauen traten ans Fenster. Es war klein. Der Rauchabzug über der Feuerstelle brachte mehr Tageslicht in den Küchenraum. Außerdem war das Glas so dick, dass alles, was man draußen sehen konnte, sehr verzerrt war. Dennoch hatte Anna seinerzeit auf Glas bestanden, weil es Wind, Regen und Kälte besser abhielt als Häute oder Pergament.

Die beiden Frauen eilten zur Türe und blickten hinaus, konnten in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft jedoch keinen Einschlag ausmachen. Eine Weile beobachteten sie schweigend die ebenso faszinierende wie beängstigende entfesselte Natur.

Wieder blitzte es und wieder grollte der Donner. Dann kam auch noch Hagel hinzu – zahllose große Eisklumpen, die ohrenbetäubend auf das Dach prasselten.

Betroffen sahen sich die Frauen an. Bevor sie jedoch etwas sagen konnten, begann es von Sankt Martin her zu läuten. Der Kirchdiener brachte – einer alten Tradition nach – die geweihten Glocken zum klingen, um das Unwetter zu vertreiben.

Als Kinder ihrer Zeit glaubten auch Anna und Barbara daran, dass der Brauch erfolgreich sein konnte. Schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass die Glocken ein Unwetter dazu brachten, die Richtung zu wechseln. Und auch der Wettersegen, den der Geistliche vor der Kirche stehend in alle vier Himmelsrichtungen verteilte, war ihnen immer hilfreich erschienen. Doch heute schüttelte Anna nur missbilligend den Kopf.

»Es ist viel zu spät. Was sollen die Glocken und der Segen jetzt noch ausrichten? Der Hagel geht bereits auf die Felder nieder und wird einen Großteil der Ernte vernichten.«

Barbara stimmte ihr niedergeschlagen zu. »Das wird ein harter Winter für Spenge. Und auch der alte Paul Bahlow wird unter seinem Versäumnis leiden müssen. Die Gemeinde wird ihm sein Neujahrsgeschenk, das ihm als Kirchdiener zusteht, gewiss streichen und …« Sie verstummte und hielt unwillkürlich den Atem an. Wieder zuckte ein greller Blitz am Himmel über Sankt Martin. Und diesmal schlug er ein – mit lautem Krachen, direkt in die Spitze des vierunddreißig Meter hohen Kirchturms. Die Glocken verstummten. Gleich darauf stieg schwarzer Rauch auf.

Wie erstarrt blickten die beiden Frauen zur Kirche hinüber. Und es war Barbara, die die Lähmung als Erste abschüttelte.

»Geh ins Haus zurück und schließ die Tür«, ordnete sie an. »Ich laufe zum Kirchhof. Vielleicht ist dem alten Bahlow noch zu helfen.«

Ohne lange zu überlegen, griff sie sich den Deckel eines leeren Bierfasses, das für den Brauer zur Abholung neben der Wirtshaustür bereitstand, hielt ihn sich schützend über den Kopf und lief los, so schnell sie ihre Beine tragen konnten, zur Kirche hinüber.

Anna wollte sie noch zurückhalten. »Dem Kirchdiener wird gewiss nicht mehr zu helfen sein. Den hat ohne Frage der Blitz erschlagen und du bringst dich ganz unnötig selbst in Gefahr.«

Doch ihre Ziehtochter hörte nicht mehr. Sie war schon fort.

Die Schäden des Unwetters waren für Spenge eine Katastrophe. Auch wenn Gewitter und Hagel kurz nach dem Blitzeinschlag weiterzogen, war der Kirchturm von Sankt Martin zerstört und die Ernte weitgehend vernichtet. Die Halme mit den fast reifen Ähren von Roggen, Gerste und Weizen lagen umgeschlagen auf den Feldern.

Auch was den alten Kirchdiener anging, sollte Anna recht behalten. Da er sich zum Wetterläuten im Glockenturm befand, als der Blitz einschlug, hatte es auch ihn getroffen. Barbara fand lediglich seinen völlig verkohlten Leichnam vor.

Der Rest des Unglückstages verlief im Weißen Hahn ungewöhnlich ruhig. Draußen war alles friedlich, die Sonne brach durch die Wolkendecke und die Vögel sangen, als wäre nichts geschehen. Drinnen köchelte die Kohlsuppe im Kessel appetitlich duftend vor sich hin, fand heute jedoch keine Abnehmer, da die Gäste ausblieben.

Am Abend, als Anna gerade die Tür ihres Wirtshauses absperren wollte, kam doch noch ein später Besucher. Am liebsten hätte sie ihn fortgeschickt, aber er bat dringend darum, mit Barbara sprechen zu dürfen. Missbilligend runzelte Anna die Stirn und ließ ihn zögernd herein. Dann ging sie in die Küche, um ihrer Ziehtochter Bescheid zu geben.

»Dein Schwager will mit dir reden«, brummte sie.

»Der Melchior?« Erstaunt sah Barbara, die gerade dabei war, die Kupfertiegel zu reinigen, auf. »Ja, was will er denn? Er weiß doch, dass sein Vater es nicht leiden kann, wenn er mit mir spricht.«

Anna zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen? Er wartet in der Gaststube. Aber lass ihn später durch die Hintertür hinaus. Nicht dass es wieder Gerede gibt.«

Barbara betrat den Schankraum und begriff sofort, als sie Melchiors ansichtig wurde, dass etwas passiert sein musste. Er hatte sich an einen der Tische gesetzt, die Ellenbogen aufgestützt und den Kopf in seinen Händen vergraben.

»Was ist geschehen?«

Er sah auf. »Der Vater ist tot«, erwiderte er mit tonloser Stimme. »Er hat am Fenster gestanden und in das Unwetter hinausgeschaut, das unsere Felder vernichtete. Und dann ist er plötzlich umgekippt. Wie ein gefällter Baum.«

Barbara erschrak und setzte sich. Sie wusste, dass der alte Bauer sie nicht hatte leiden können und gegen die Heirat seines Sohnes gewesen war. Von daher konnte sie ihn keinen Freund nennen. Aber seinen Tod bedauerte sie natürlich dennoch – schon um Melchiors willen.

»Hast du den Medikus gerufen?«

Er fuhr sich mit der Hand über die Augen, so, als wollte er die dunklen Schatten, die sich vor ihm auftaten, fortwischen. »Ja natürlich«, seufzte er. »Aber er konnte nichts mehr machen. Da war der Vater schon tot. Und einen Grund für sein plötzliches Dahinscheiden wusste er nicht zu nennen. Wie schon seinerzeit bei Andreas hält er eine Erkrankung des Herzens für möglich, wegen einer Störung des natürlichen Säftegleichgewichts. Möglicherweise hatte er zu viel Blut und gelbe Galle. Da Vater jedoch gestern noch vollkommen gesund gewesen war, wollte er auch …« Melchior verstummte, doch Barbara wusste auch so, was er sagen wollte.

»Zauberei nicht ausschließen?«

Der Schwager nickte. »Genau. So sind die Menschen halt, wenn sie sich etwas nicht erklären können, muss es Hexerei gewesen sein.«

»Ja, ich weiß«, gab Barbara leise zurück. »Vermutlich werden mir die Spenger, wie schon beim Andreas auch, nun die Schuld am Tode deines Vaters geben.«

»Es ist ihnen zuzutrauen«, entgegnete Melchior und fuhr nach kurzem Zögern fort: »Nun, ich bin allerdings nicht nur hier, um dich von Vaters Tod zu unterrichten. Ich möchte dir auch sagen, dass du nun wieder nach Hause kommen kannst.«

Erstaunt sah Barbara ihn an. »Nach Hause?«

»Ja, gewiss. Der Riet-Hof ist schließlich auch dein Heim. Zwar hat dir mein Vater das Recht abgesprochen, aber nun bin ich der Bauer auf dem Hof. Und als solcher wollte ich dir sagen, dass du immer willkommen bist.«

Barbara war gerührt, wusste aber, dass sie das hochherzige Angebot nicht annehmen konnte. Die Leute würden sich schon mächtig die Mäuler zerreißen, wenn sie gemeinsam mit Melchior auf dem Riet-Hof lebte. Abgesehen davon wollte sie Anna nicht allein lassen. Die Gute wurde schließlich auch nicht jünger und benötigte von Jahr zu Jahr mehr Hilfe. Und obwohl sie ihre Bedenken nicht ausgesprochen hatte, verstand der Schwager.

»Es muss ja nicht gleich morgen sein«, sagte er. »Ich wollte nur, dass du weißt, dass du jederzeit zurückkommen kannst. Denk einfach darüber nach. Einverstanden?«

Sie nickte. »Das werde ich, Melchior. Ganz gewiss.«

Barbara erzählte ihrer Ziehmutter am nächsten Morgen zwar von dem Tod des Riet-Bauern, nicht aber von Melchiors Angebot, auf den Hof zurückzukehren. Überhaupt sprachen sie wenig an diesem Tag. Schon früh war Anna aufgebrochen, um auf den Markt zu gehen. Und nach ihrer Rückkehr war sie ungewohnt schweigsam. Sie schien sich über irgendetwas Sorgen zu machen. Aus Erfahrung wusste Barbara, dass es keinen Sinn hatte, nachzufragen. Probleme regelte Anna immer mit sich selbst und war erst bereit, darüber zu sprechen, wenn sie eine Lösung gefunden hatte.

Auch an diesem Tage kamen kaum Gäste ins Wirtshaus. Der Krautsuppe wurde nur von ein paar Durchreisenden zugesprochen. Von den Spengern ließ sich keiner blicken. Erst am Abend – es dunkelte bereits – betrat der Dorfschulze mit ernstem Gesicht die Schankstube. Er setzte sich an einen Tisch, doch als Barbara nach seinem Begehr fragte, bestellte er lediglich einen Krug Bier und verlangte ansonsten Anna zu sprechen.

Sie ging in die Küche, um ihre Ziehmutter zu benachrichtigen. Diese zögerte jedoch, den Gastraum zu betreten. Wie es schien, suchte sie nach einer Ausrede, um nicht mit dem Dorfschulzen reden zu müssen. Doch nach kurzer Zeit stellte sie sich dem Unvermeidlichen, holte tief Luft und richtete sich gerade auf.

»Guten Abend. Ich habe mit Eurem Kommen gerechnet.«

Der Bürgermeister Spenges nickte. »Dann könnt Ihr Euch auch vorstellen, wie ungern ich diesen Weg genommen habe.«

Anna zuckte mit den Schultern und setzte sich zu ihm. »Ob gern oder ungern – Ihr seid hier und habt mir etwas zu sagen, nehme ich an.«

Da die Schankwirtin die Küchentür nicht richtig geschlossen hatte, konnte Barbara die Unterredung verfolgen. Sie wunderte sich sehr über den merkwürdigen Dialog, sollte aber sogleich eine Erklärung dafür bekommen.

»Zwei Spenger Bürger werden sich morgen früh auf den Weg nach Herford machen. Sie werden den Fall dem Schöffenstuhl vortragen und um Prüfung bitten. Ich dachte, das solltet Ihr wissen.«

Anna begehrte bitter auf. »Welchen Fall überhaupt? Was wird meiner Tochter vorgeworfen? Heute Morgen habe ich auf dem Markt die haarsträubendsten Gerüchte gehört, aber ich kann nicht glauben, dass irgendjemand diese lächerlichen Anschuldigungen wirklich ernst meint.«

Der Dorfschulze wiegte den Kopf. »So närrisch sind die Vorwürfe überhaupt nicht. Immerhin hat man die Barbara während des Unwetters auf dem Kirchplatz gesehen. Sie trug einen merkwürdigen Hexenhut und hat einen verdächtigen Tanz aufgeführt, gerade zu der Zeit, als der Hagelschlag am stärksten war.«

»So ein Unsinn. Wir haben von unserer Tür aus gesehen, wie der Blitz in Sankt Martin einschlug. Barbara ist sofort losgelaufen, um zu sehen, ob man dem Kirchdiener noch helfen kann. Und dabei hat sie keinen Hut getragen, sondern sich lediglich, zum Schutze gegen die Hagelkörner, den Deckel eines Bierfasses über den Kopf gehalten.«

Der Dorfschulze schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Diese Erklärung muss Euch doch selbst unglaubwürdig erscheinen, Gevatterin. Aber der Wetterzauber ist ja nicht das Einzige, was man Eurer Ziehtochter vorwirft. Habt Ihr gehört, dass der Riet-Bauer verstorben ist? Und zwar unter genauso mysteriösen Umständen wie sein Sohn, der Andreas. Bei seinem Tod hat der Medikus bereits die Möglichkeit erwogen, dass Hexerei im Spiel gewesen sein könnte. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit – nach diesem zweiten Todesfall –, dass die Riets eines natürlichen Todes gestorben sind? Sagt selbst.«

»Ich habe keine Ahnung«, musste Anna zugeben. »Ich bin kein Heilkundiger. Wie soll ich wissen, ob es sich um Zufall handelt oder um eine Familienkrankheit? Vielleicht sogar um Hexerei. Doch Barbara hat damit ganz gewiss nichts zu tun.«

Der Dorfschulze erhob sich. »Ich sehe, Ihr seid unbelehrbar. Aber ich bin nicht hergekommen, um mit Euch zu streiten. Ihr sollt lediglich wissen, dass man Eure Ziehtochter in den nächsten Tagen abholen und zur Befragung nach Herford bringen wird. Und ich möchte Euch raten, sich dieses Mal nicht schützend vor sie zu stellen. Die Schergen des Schöffenhofes würden kein langes Federlesen machen, Euch gleichfalls in Eisen legen und mit nach Herford nehmen. Damit gerietet Ihr in Gefahr, die Gehilfin einer Person zu sein, die sich der Zauberei verdächtig gemacht hat.«

»Und wenn schon«, widersprach Anna zornig. »Zweifellos wird die Untersuchung des Schöffenstuhls ergeben, dass Barbara unschuldig ist. Und somit auch ich.«

»Verlasst Euch nicht zu sehr darauf«, entgegnete der Dorfschulze seufzend. »Bisher haben die Herforder noch keine gemeldete Hexe als unschuldig erachtet. Und selbst wenn man Barbara verurteilen und Euch gehen lassen würde, seid gewiss, dass Ihr Eure Schankkonzession hier in Spenge verliert. Niemand will ein Wirtshaus, in dem eine Hexe großgezogen und geschützt wurde.« Der Dorfschulze erhob sich, um zu gehen.

Barbara hörte seine Schritte und gleich darauf das Zufallen der Gasthaustür. Er war fort. Rasch beugte sie sich wieder über den Spültiegel. Wenn Anna gleich in die Küche zurückkehrte, durfte sie auf keinen Fall erfahren, dass sie das Gespräch belauscht hatte. So bald wie möglich wollte sie sich in ihre Kammer zurückziehen und überlegen, was nun zu tun sei. Im Augenblick wusste sie nur zweierlei: Ganz gewiss würde sie nicht warten, bis die Schergen des berüchtigten Herforder Schöffenstuhls sie holten. Und ebenso gewiss wollte sie Anna nicht in Schwierigkeiten bringen.

Also musste sie schnell handeln.

Es war mitten in der Nacht, als Barbara das Wirtshaus verließ. Um mit der Dunkelheit besser verschmelzen zu können, hatte sie einen schwarzen Umhang umgelegt. Ansonsten trug sie ein kleines Bündel bei sich, in dem sie Kleider, ein paar Lebensmittel und ihre wenigen Ersparnisse verstaut hatte. In ihren Augen standen Tränen. Wie gern hätte sie sich von ihrer Ziehmutter verabschiedet und ihr für alles gedankt, was sie ihr Gutes getan hatte. Aber Anna hätte sie nur aufgehalten und sie hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Gewiss würden die berittenen Häscher des Schöffenstuhls gegen Mittag eintreffen. Und bis dahin musste sie einen ausreichenden Vorsprung haben.

Einen Augenblick überlegte sie noch, sich an Melchior zu wenden und ihn um Hilfe zu bitten. Ebenso wie Anna würde er wissen, dass sie unschuldig war, und ihr gewiss ein Pferd zur Verfügung stellen. Doch dann entschied sie sich dagegen. Falls irgendjemand sie auf dem Riet-Hof sah, würde auch der Schwager in Schwierigkeiten geraten. Das Risiko durfte sie auf keinen Fall eingehen.

Da Herford im Osten Spenges lag, schlug Barbara den Weg in westliche Richtung ein. Wenn sie zügig ausschritt, würde sie in einer guten Stunde das Flüsschen Warmenau erreicht haben. Es bildete die Grenze zum Osnabrücker Land. Hatte sie es überquert, wäre sie außerhalb der Herforder Gerichtsbarkeit. Wirkliche Sicherheit bedeutete das allerdings nicht. Wenn man herausbrachte, dass sie sich auf Osnabrücker Gebiet geflüchtet hatte, kostete es die Herforder nur eine Depesche und sie würde die Schergen beider Städte auf den Fersen haben. Sie durfte sich also auf keinen Fall sehen lassen.

Als Barbara die Warmenau erreicht hatte, ergab sich schon die nächste Schwierigkeit. Das sonst so ruhig dahinfließende Bächlein hatte sich aufgrund des Unwetters zu einem Hochwasser tragenden Fluss gewandelt. Er war zu tief und zu reißend, um einfach durchwatet zu werden. Und Barbara war des Schwimmens nicht kundig.

Drittes Kapitel

Es war Catarina, die Wotan als Erste entdeckte. Der Friese stand im Schatten eines Olivenbaums.

Anneke hieß den Kutscher sofort anhalten. Sollten sich ihre finsteren Vorahnungen bewahrheiten? War Maarten tatsächlich etwas zugestoßen?

Sie ergriff den herabhängenden Zügel des Pferdes und sah sich suchend um, konnte den Utrechter aber nirgends entdecken.

»Sieh nur, er blutet«, stellte Catarina bestürzt fest.

Auch Giuseppe trat nun näher und fuhr dem Friesen mit der Hand über das dichte, feuchte Fell. Anschließend waren seine Finger tatsächlich blutverschmiert.

Catarina suchte sofort nach einer Wunde.

»Warte«, meinte ihr Bruder. »Die Verletzung muss höher liegen. Wir müssen ihm den Sattel abnehmen.« Rasch löste er den Gurt und hob den ledernen Reitsitz vom Rücken des Tieres.

Wotan schnaubte vor Schmerz. Den Grund dafür erkannten sie sofort. Eine scharfe Glasscherbe hatte sich in den Rücken des Friesen gebohrt. Entsetzt sahen sie einander an.

»Wer macht denn so was?«, brummte Giuseppe böse. »Und vor allen Dingen, warum?«

Vorsichtig entfernte er die Scherbe. Der Hengst hielt still, als wüsste er, dass ihm geholfen werde.

»Ich sehe mir die Wunde daheim an«, erklärte Catarina. »Dort kann ich eine entzündungshemmende Salbe …« Sie unterbrach sich, als sie den schwarzen Krempenhut mit den Reiherfedern entdeckte, der an dem Ast einer Pinie hing, die unterhalb der Straße am Abhang stand. »Das ist doch – Maartens Hut.« Die letzten Worte flüsterte sie fast.

Anneke folgte ihrem Blick und wurde kreidebleich. »Also ist ihm etwas geschehen«, sagte sie. Es war eine Feststellung, keine Frage.

»Es muss wohl so sein«, entgegnete Giuseppe und trat an den Abgrund, um hinabzublicken.

Catarina ging zu ihm und sah sich gleichfalls um. Selbst wenn Maarten abgestürzt war, musste er ja irgendwo sein.

Anneke war wie gelähmt vor Sorge. »Natürlich«, murmelte sie. »Der Hut und der verletzte Wotan lassen keinen Zweifel mehr zu. Irgendjemand muss Maarten die Scherbe unter den Sattel geschoben haben, jemand, der wusste, dass er zum Hafen hinunterwollte, und der damit genau diesen Absturz bezweckt hat.«

Giuseppe schüttelte verwirrt den Kopf. »Wer sollte Maarten so etwas antun? Er ist doch erst kurze Zeit in Strongoli und kennt kaum jemanden.«

»Das stimmt«, entgegnete Catarina bitter. »Er kennt hier noch nicht viele Menschen, aber ganz Strongoli kennt ihn. Und sie zerreißen sich das Maul, weil er in unserem Haus …«

»Da ist er. Ich sehe ihn!«, rief Giuseppe aus. »Bei Gott. Der Mann hat wirklich ein verdammtes Glück gehabt.«

Unter normalen Umständen hätte Anneke ihren Sohn wegen des Fluchs getadelt, heute bemerkte sie ihn nicht einmal.