WAS STEHT DENN DRIN?

SELBSTGESPRÄCHE UND ANDERE WUNDERSAME BEGEBENHEITEN

DIGITAL NAIVE

WETTER GEHT IMMER

ABENTEUER ZWISCHEN BOHRLOCH UND ABWASCHBERG

DER KLEINE KONSUMENT

GRUß AUS DER KÜCHE

VERREIST & VERIRRT

UNTER BEOBACHTUNG ODER: SELTSAM SIND IMMER NUR DIE ANDEREN

MAN MÜSSTE MAL WIEDER SPORT MACHEN

DAS HAB’ ICH NICHT BESTELLT

NUR KEINE HEKTIK

AUF DER GOLDWAAGE

DIE CORONA-CHRONIKEN

BONUS-HÄPPCHEN

Vorwort. NUN IST ES AUF, DAS BUCH ...

„Was macht die Kunst? Wie geht‘s, wie steht‘s?“

So fragt‘ man einst, doch heute tut

man traulich flöten: „Alles guuut??“

Nun folglich die Befragte zagt,

ob sie schlicht ja sagt oder klagt,

ob sie erklärend sich bemüht,

was in ihr vorgeht, in ihr glüht,

gleich still den Zweifel formulieret,

ob wirklich alles interessieret,

und was denn resultieren tut,

wenn eben alles nicht ganz gut.

Kurz, sie entschließt sich, zu berichten,

nicht nur Frohes, nein, mitnichten,

ganz offen und ganz unumwunden,

doch ach: Der Frager ist verschwunden ...

Weil es trotzdem einiges zu erzählen gibt über die Welt da draußen, aber auch die in einem drinnen, hat sich die Zeilenfabrikantin ins stille Kämmerlein zurückgezogen und dem illustren, aber schwer auszusprechenden Erstlingswerk („Ey, Mann, du Arsch, pass doch auf!“, 2013) einen Nachfolger zur Seite gestellt, der jeden Höflichkeitstest sofort bestehen würde. Auch hierin finden sich teils veränderte, teils erweiterte Kolumnen wieder, die seither in der Tageszeitung „Stendaler Volksstimme“ erschienen sind. Hinzu gesellen sich Texte, die es bisher nur auf lose Blätter geschafft hatten. Jetzt endlich können sie alle zusammen ausrufen: „Wir sind ein Buch!“

Dieses Buch übrigens lärmt nicht, bellt nicht, beißt nicht, fährt niemanden tot und braucht nur ganz, ganz wenig Platz. Putzen, ölen oder füttern müssen Sie es auch nicht. Nur liebevoll behandeln. Und natürlich lesen. Und weiterempfehlen. Oder verschenken.

Das einzige Risiko: Am Ende ist es zu Ende.

Aber bis dahin sind es ja noch ein paar Seiten.

Viel Vergnügen und wohldosiertes Sinnieren, wünscht Ihnen

Nora Knappe, Stendal anno 2020

SELBSTGESPRÄCHE UND ANDERE WUNDERSAME BEGEBENHEITEN

Handliches

Der Mensch und seine Hände ... Was einst Felle gerbte, Beeren pflückte und kunstvolle Gegenstände schuf, ist heute oft nur noch ein lästiges Anhängsel, dem versucht wird, zu Sinn und Geltung zu verhelfen, indem man permanent elektronische Flachgeräte wie ein Kellnertablett vor sich her trägt. Dieses, vermutlich als vorübergehend zu betrachtende Extremitäten-Tuning dürfte sich jedoch kaum genetisch durchsetzen. Sodass der Mensch dereinst so wie heute vor dem Problem steht: Wohin mit den Händen? Manch einer greift zu Flasche oder Verbundstoffbecher und trägt ein Getränk spazieren. Manch anderer behilft sich mit einer Zigarette, wenngleich auch die schon nicht mehr allein genügt, sondern oft nur noch in Gesellschaft eines telekommunikativen Geräts in der Zweithand ausgehalten wird.

Besonders schwierig ist es stets beim Fotografiertwerden. Sicher würde auch die Kanzlerin beim Politfototermin gern mal einen Hasenohren-Spaß machen, behilft sich nun aber zur Wahrung der Souveränität mit geometrischen Fingerfiguren. Einfallslosere Zeitgenossen lassen die Hände einfach in den Hosentaschen verschwinden. Das soll sehr staatsmännisch wirken, steht aber oft auf der Kippe zum Model-Gehabe.

Um solchen Verlegenheiten zu entkommen, wurde der Sektempfang erfunden. Auch an einem längst leeren Glas kann man sich nämlich eine ganze Weile ganz prächtig festhalten.

Die Farbe des Dienstags

Kann man Geräusche sehen? Haben Töne Farben? Oder rufen Farben einen Klang im Ohr hervor? Es gibt Menschen, die würden auf diese Fragen mit ja antworten. Die Synästhesie ist ein erstaunliches Phänomen, und wer über sie verfügt, ist vielleicht sogar zu beneiden – erweitert sie doch das Empfindungs- und damit das Erlebnisspektrum gewaltig. Behaupte ich jetzt mal, ohne freilich zu wissen, ob es nicht auch ziemlich nervig sein kann, wenn einem im Wartezimmer nicht nur das Lila der Wand nicht gefällt, sondern das Ganze sich auch noch schrecklich anhört. Sich dessen durch gleichzeitiges Augenzukneifen und Ohrenzuhalten zu entziehen, sähe sicher merkwürdig aus und hätte womöglich gleich eine unverlangte Überweisung zum Spezialisten zur Folge. Das aber ist gewiss ein Nischenthema. Ganz im Gegensatz zu dem weitverbreiteten Phänomen, dass manche Menschen eine Farbe sehen, wenn sie an einen bestimmten Wochentag denken. Ich habe das seltsamerweise nur für den Dienstag – der ist vor meinem inneren Auge irgendwie orange. So ein gleißendes Feuerorange. Der Rest der Woche ist farblos. Rein synästhetisch betrachtet. Da ist es wahrscheinlicher, dass ich, wie neulich von jemandem empfohlen, „das Geräusch vor Augen“ habe, wenn man mit einem Messer über ein Holzbrett schabt. Das Experiment war schnell aufgebaut, und ich muss sagen: Ein tolles Geräusch! Und es sieht so ... so ... ja, wie denn nun aus?

Philosophie im toten Winkel

Wer bin ich? Wo im Leben stehe ich? Was ist meine Rolle in der Welt? Diese Fragen bewegten wohl nicht erst die recht löblichen Philosophen der Antike, nein, sie bewegten wahrscheinlich auch schon unsere fellbehangenen Vorfahren – nur dass die sich dazu weniger eloquent äußern konnten. Antworten auf solche Fragen sucht die Menschheit immer noch (ma ham ja sonst nüscht zu tun), aber zufriedenstellend sind die Ergebnisse nicht wirklich. Auch laue Rotweinabende, Phasen verdüstert-melancholischer Lebensfreude-Negierung oder Nach-Theater-Gesprächszusammenkünfte, anlässlich derer gern Fragen nach dem großen Ganzen ins Universum geworfen werden, tragen nur selten zur Erhellung bei.

Die Antwort auf die ganze Sinnduselei kann aber auch ganz brachial-banal ausfallen. So wie neulich. Mit einem Schlag war alles klar. Ohne viel Denktätigkeit. Es geschah auf dem Straßenpflaster der Tatsachen: Vorbeiradeln an parkenden Autos – ein Pick-up setzt zum Ausparken an. Ich fast dran vorbei, er fährt los. Kurz vor Kollision beiderseitiges Abbremsen – ein Fenster wird runtergekurbelt, ich sehe: ein Bekannter, lächelnd. Gespielte Entrüstung meinerseits. Er, wieder lächelnd, diesmal mit leicht süffisanter Note, aber dennoch entschuldigend schulterzuckend: „Tja, du warst im toten Winkel.“ Ja. Was gibt es mehr zu sagen? Ich war im toten Winkel. Eine Grenzerfahrung! Ich weiß jetzt Bescheid. Ich kenne meinen Platz. Und frag nicht mehr. Nur das „Tja“ gibt mir irgendwie noch zu denken.

Der lästerliche Makel

Da es naturgemäß schwierig ist, sich selbst mit ausreichend Abstand zu beobachten und zu bewerten, übernehmen das praktischerweise die Mitmenschen. So was nennt sich dann Klatsch und Tratsch oder auch: Lästerei. Wie gern wäre man da mal dabei, wenn über einen so dies und das gesprochen wird. Da erführe man bestimmt viel Neues über sich selbst. Geht ja aber nun mal nicht – denn sobald man den Raum beträte, würde sich das Gespräch so abrupt wie lässig um irgendwas anderes drehen. Also kriegt man es nie mit, was andere davon halten, wie man sich so benimmt.

Da es nach meinem Kenntnisstand keine Positivlästereien gibt, wäre das aber auch kein Vergnügen. Also, macht man es doch besser gleich selbst.

Die eigenen Schwächen und Makel zu benennen, soll ja sowieso sehr kathartisch sein. Nun denn, schaue ich dem Grauen tapfer ins Angesicht und übe mich im Selbstentweihräuchern:

Ich bin schweigsam-grüblerisch. Dauerskeptisch. Oft sehr negativ und nihilistisch. Auch brüsk. Spitzfindig, mokant und zynisch. Zuweilen spottend-erhaben. Eigenbrötlerisch und eigensinnig. Wenn nicht sogar starrköpfig. Mäkelig und wählerisch. Allergisch auf Gewese, Gehabe und Geschwätz. Bin sprachpenibel und weiß oft was besser. Bildungs- und Kulturignoranz setze ich gern eine entsprechende Arroganz entgegen. Man kann sagen: Ich bin schwierig.

So. Puh. Da ist bestimmt noch mehr. Und bestimmt war das jetzt alles noch ziemlich nett. Aber ich will den Lästerern ja nicht den ganzen Wind aus den Segeln nehmen. Außerdem muss ich mit so viel Unzulänglichkeit jetzt selber erst mal klarkommen.

Die Ästhetik des Schnöden

Man will ja gar nicht immerzu Schönes und Sinnfälliges schaffen. Zumal oft gerade das Absichtsvolle zum Scheitern oder vielmehr Nichtgelingen verurteilt ist. Aber manchmal passiert es einfach so. Da sieht die Mail, die man soeben prägnant kurzsätzig und zeilenspringend verfasst hat, doch plötzlich aus wie ein sondersam geformtes japanisches Gedicht. Ein Reim ist bei zeitgenössischer Poesie ja ohnehin nicht vonnöten, und so wundert man ins eigene Werk verliebt noch eine Weile vor sich hin, bevor man die heitere Überlegung ad acta legt, das hasardöse Profanpoem vielleicht bei einem bedeutsamen Wettbewerb einzureichen. In Japan hätten sie sicherlich Sinn dafür, dort hat man schließlich auch ein Wort erdacht für einen Befund, der im Deutschen recht unhandlich-unlyrisch mit „Bücher liegen in Stapeln auf dem Fußboden oder auf Regalen rum und warten darauf, gelesen zu werden“ beschrieben wäre. Die Japaner haben die Poesie dieses Zustandes erkannt und nennen ihn Tsundoku. Man muss sich also nicht für diese leichthin als bourgeois-intellektuell abgetane, vermeintlich arrangierte Unordnung schämen, sondern kann beim Rundgang durch die Wohnung demnächst ganz lässig sagen: „Und hier ist meine Tsundoku-Sammlung.“

Ein ganz normaler Vormittag

Ich weiß nicht, was zuerst da war: der Gedanke oder der Schreck. Jedenfalls ist es

6.35 Uhr, ich schrecke aus dem Schlaf hoch und denke zweierlei:

Die Soße steht ja noch aufm Herd!

Oder?

In schlaftrunkenem Alarmismus stolpere ich in die Küche und sehe nach. Und tatsächlich, ja, der Topf mit der gestern Abend gekochten Sahnesoße steht da noch. Zum Abkühlen eben. Ich hebe den Topfdeckel an, rieche vorsichtig am Soßenprodukt und befinde das Ganze für noch genießbar. Stelle den Topf also nach zehn Stunden Abkühlen in den Kühlschrank und lege mich wieder hin. Schlafen kann ich nach diesem aufregenden Erlebnis aber irgendwie nicht mehr so richtig. Zumal ich schon an das nächste Ungemach denken muss – den Zahnarzttermin.

Beim Frühstück bereite ich mich auf dieses über einen Bonusheft-Eintrag hinausgehende Event vor, indem ich statt der Tageszeitung den Beipackzettel eines Serums lese, das mir nachher gespritzt werden soll. Die Rubriken „Überdosierung“ und „Nebenwirkungen“ beunruhigen mich leicht. Und da, wird mir nicht auch schon irgendwie komisch ... leichter Schwindel, beschleunigter Puls? Schaue vom Beipackzettel zum Frühstückstisch und drossele meinen hypochondrischen Anfall mithilfe der Erkenntnis: Ach, nee, wird wohl vom Kaffee sein.

Im Wartezimmer bahne ich mir meinen Weg an Bauklötzern, Bauklötzern und einem giftgrünen Zahnzeige-Plastekrokodil vorbei zu einem Sitzplatz. Die Wartezeit will ich mir mit der Lektüre eines Büchleins vertreiben, das den vielversprechenden Titel trägt: „Zahnärzte sind auch Menschen“ ... Doch dazu kommt es nicht, ich werde schon aufgerufen.

Die angekündigte Spritze wird vorbereitet, währenddessen ich gestehe, den Beipackzettel des Präparats gelesen zu haben und vor dem Termin heute ein bisschen Angst gehabt zu haben. Zahnärztin und Assistentin schauen halb belustigt, halb erstaunt: „Ach was? Den Zettel haben wir ja noch nicht mal gelesen!“ Schieben jedoch gleich beruhigend nach: „Aber wir machen das mit dem Serum schon seit Jahrzehnten.“

Auf seltsame Nebenwirkungen eingestellt und entsprechende Symptome erwartend, gehe ich anschließend noch rasch in den Supermarkt nebenan. Suche Nudeln, stehe im Gang, auf einmal kreuzen in Schlappen und Bademantel schlurfende Gestalten mein Blickfeld. Ich schaue noch mal genauer hin: Nein, keine Halluzination. Ich entsinne mich, dass Abi-Mottowoche ist. Seltsame Erfindung, hatten wir damals nicht, denke ich noch, aber da ist die gymnasiale Karawane schon meinem Blick entschwunden ... ich höre sie nur noch leise schlurfen.

Will dann noch in die an die Kaufhalle angebaute Bäckereifiliale, was nicht ganz einfach ist. In der geöffneten Eingangstür steht ein Hund und blockiert den Durchgang. Das Tier ist ungefähr 15 Zentimeter hoch. Am Ende der Leine, im Laden drin, sein Frauchen. Draußen, vor Tür und Hund, ratlos eine junge Frau, die das Blockadetier trotz verhinderten Zugangs zur Backwarenauswahl aber offenbar doch toll findet: „Ooooooch, ist der aber süüüüß!“ Flugs bekommt sie das Leinenende in die Hand gedrückt, während Frauchen in Ruhe Kuchen aussucht. Der Hund vergisst erstaunlich schnell, zu wem er gehört, die Leine als Anhaltspunkt reicht ihm offenbar, er hechelt die neue Leinenhalterin erwartungsfroh an. Auch die junge Dame hat offenbar Nähebedarf und knuddelt den Vierbeiner zu sich heran. Mir soll‘s recht sein, immerhin ist der Eingang nun wieder frei.

Im Erledigungsrausch steuere ich nun gleich noch die Drogerie an. Ich brauche ein Fensterwischdings mit Gummileiste vorne dran. Also, eigentlich nicht brauchen, aber haben wollen. Der Kauf ist erfolgreich und versetzt mich in aufgeräumte Stimmung. Zu Hause, beim zufriedenen Betrachten des Einkaufs, also des Gummifensterwischdings, kommt mir auch der Kassenbon zu Gesicht. Ich studiere ihn mit einer Mischung aus Langeweile und halbherzigem Interesse und lerne dabei nicht nur, dass das Fensterwischdings offiziell und wegen Platzmangel auf dem Bon „Duschkabinenabz.“ heißt, sondern erfahre auch, von wem ich an der Kasse bedient wurde: „Aushilfe ISS“ steht da. Was mich nun nachträglich ein wenig wundert. Denn einen Raumanzug hatte die Frau jedenfalls nicht an. Okay, dass Raumfahrtmissionen nicht billig sind, weiß ich. Und ein bisschen Bodenhaftung hat sicher noch niemandem geschadet. Aber dass Astronauten jetzt schon als Aushilfskräfte bei Rossmann an der Kasse sitzen ... Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Forschung voranbringt – hingegen müsste die Analyse und Evaluierung der Konsistenz einer übernächtigten Soße im Kontext zunehmender Alltagsuntauglichkeit überforderter hominider Individuen ein interessantes Promotionsthema sein.

Tach, Tristesse!

Man schleppt auf einmal so eine Laune mit sich herum. Irgendwie schlechte Laune. Oder nein, eher so eine Trübsal und Schwermut. Oder ist da doch irgendwo ein Frustpartikel? Man fühlt sich so missgestimmt – oder fehlgestimmt? Nicht wirklich übellaunig, mehr so melancholisch, gedrückt, beladen. Die herbeigesehnte Leichtigkeit macht angesichts von so viel Phlegma und Tristesse gleich wieder kehrt. Man hat sich das nicht ausgesucht. Leute, die immer schlechte Laune haben, täglich nörgeln, motzen, meckern, schimpfen, poltern – ja, die sind fein raus. Die fallen nicht negativ auf, wenn sie mal einen guten Tag haben. Kriegen eher noch wohlwollende Belobigung: Ach, guck mal, der kann auch nett sein! Leute aber, die sich für gewöhnlich ausgeglichen, freundlich oder sogar fröhlich-beschwingt durch die Öffentlichkeit bewegen, werden scheel angeschaut, wenn sie ausnahmsweise mal einen Tag erwischt haben, an dem ihnen die eigene Gleichmut und Zahmheit abhanden gekommen sind. Da ist man dann eben auch mal mürrisch, gnorzig, gniesgnaddelich und vergisst auch mal, ja, einmal!, dass die Tür ‘ne Klinke hat. Weil man unzufrieden ist mit sich und der Welt und das halt auch mal raus muss. Und was erntet man? Abschätzige Blicke und blöde Kommentare.

Ach, man wird es wohl aushalten müssen. Und sich noch ein bisschen in der eigenen Elegie suhlen. Morgen ist ja bestimmt alles wieder normal.

Das Leben der Fliegen

Gibt es eigentlich ein Regelwerk zur artgerechten Haltung von Stubenfliegen? Allein der Name suggeriert ja, dass diese Fliegensorte für eine inhäusige Unterbringung geeignet sein muss. Auch wenn die Nachfrage in der Zoohandlung eher zurückhaltend sein dürfte. Aber es bedarf ja auch gar keiner Nachfrage und keines Verschleppens unschuldiger, in Käfigen gefangener Stubenfliegen in menschliche Behausungen. Denn der Stubenfliege gelingt es auf wundersame Weise immer wieder von ganz allein, sich Zugang zu den von ihr favorisierten Räumlichkeiten zu verschaffen. Da kann man noch so viele Fliegen-müssen-draußen-bleiben-Netze an die Fensterrahmen kleben. Also gehen wir die Sache pro-aktiv an, wie man unternehmerisch-lässig so sagt, und fragen uns: Was können wir ihr Gutes tun, der lieben Stubenfliege?

Sie klebt ja immer nur stupide an der Deckenlampe oder donnert mit unvermindertem Elan gegen die Fensterscheibe. Das kann auf Dauer doch nicht gesund sein. Sollte sie es sich nicht lieber auf einer kleinen Stubenfliegencouch bequem machen, ein Schüsselchen Pferdemist und ein Glas Menschenschweiß mit Trinkröhrchen in Reichweite? Kann man beim Fernsehanbieter vielleicht einen Fliegenkanal abonnieren mit ordentlich Kadaver und Exkrement im Programm? Und natürlich muss immer ein Menschlein in der Nähe sein, dem sie lästig um die Ohren brummen und so auf die Nerven gehen kann.

Die Fachwelt, finde ich, sollte sich diesen Problemen langsam mal widmen. Denn ich glaube, dass wir Menschen den Fliegen gegenüber generell zu negativ eingestellt sind. Wie sonst ist es zu erklären, dass ich neulich eher mit auf widerwärtiges Empfinden hindeutenden Gesichtszügen und dennoch von einer unerklärlichen Faszination gepackt, zwei unglaublich hässlichen und stark behaarten Monsterfliegen dabei zuguckte, wie sie auf dem Außensims meines Küchenfensters sommerlichträge kopulierten ... Jaja, das taten sie. Er hockte bräsig auf ihr, hatte seine Vorderpfoten in ihr Gesicht gepatscht, sie wackelte alle paar Sekunden öde-lasziv mit den Flügeln. Das zog sich so hin. Ich konnte mich weder dezidiert vom Geschehen abwenden, noch mein Angewidertsein ob der wirklich hässlichen Gestalt dieser Wesen ablegen. Ich kochte mir derweil einen Tee, ohne zu versäumen, immer mal wieder nach dem Rechten zu schauen bei den beiden Turtelbrümmerchen. Und tatsächlich: Nach einer guten Viertelstunde kam Bewegung in die Sache. Er fing an (noch auf ihr sitzend!), sich die Hinterbeine zu putzen, und dann –flog er plötzlich davon. Donnerte noch kurz im letzten Liebestaumel gegen die Fensterscheibe, was seine Auserwählte ihm kurz darauf gleichtat. Fort waren sie. Und haben einen Menschen mit vielen, vielen Fragen zum Leben der Fliegen zurückgelassen.

Maulfaul

Manchmal, oder nein, eher oft rede ich nicht gern. Dann fehlt mir der Elan, die komplizierten Wirrungen der Gedanken mit all ihrem Für und Wider und Hin und Her auch nur ansatzweise in Worte zu fassen. Denn noch während ich den einen Gedanken denke, ahne ich ja, was man darauf entgegnen könnte, argumentiere also im Stillen so für mich hin, wäge noch ab und schubse allerlei Grauzellenballast durch die Hirnwindungen, entscheide mich dann so allmählich, vielleicht doch auch mal was zu sagen, doch da ist das Gesprächsthema entweder längst an einer anderen Stelle angelangt oder ganz vorbei.

Manchmal aber habe ich einfach keine Lust, etwas von mir zu geben. Es ist mir dann schlichtweg zu anstrengend, mich am Gespräch zu beteiligen. Manche Mitmenschen wissen das und nutzen die Gelegenheit entweder, um selbst auch nur mal vor sich hin zu schweigen – oder um mir ein Ohr abzukauen. Das ist dann okay. Das meiste, was man mir erzählt, vergesse ich sowieso.

Eine Kommunikationsform, mit der ich aber in jedem Fall ganz gut klarkomme, ist die des Selbstgesprächs. Die ist meist sehr überschaubar und zudem energiesparend. Neulich beim Radfahren drehten sich die Gedanken plötzlich um Essen. Da sagte ich: „Rote Zwiebel! Ja, genau!“ Darauf ich: „Und Feta.“ Gespräch beendet.

Zum Abendessen gab es, man ahnte es schon, Salat.

Geräuschliches

Unter den Geräuschen gibt es recht hässliche. Dazu gehört nicht nur das stumpfe Schluffquietschen ausgetrockneter Filzstifte auf Papier, sondern auch jegliches Hantieren mit Styropor. (Uuuuaaah ... Entschuldigung, ich musste mich kurz schütteln.) Auch das permanent schniefende Nasehochziehen des Sitznachbarn in öffentlichen Verkehrsmitteln ist äußerst unerfreulich.

Aber halten wir uns nicht lange beim Unschönen auf, sondern wechseln zu den angenehmen Geräuschen. Zum Beispiel das Knispeln von trockenem Laub, wenn es herbstgewirbelt von den Bäumen trudelt und sich die Blätter dabei gegenseitig berühren. Oder das leise Rauschrascheln der Getreideähren, wenn der Wind hindurchstreicht. Oder auch das melodiös-hohle Gluckgluckgluck beim Eingießen der ersten Schlucke aus einer Flasche Wein.

Woran es nun noch mangelt, ist ein zufriedenstellendes Vokabular zur Beschreibung von Geräuschen. Denn Piepen, Kratzen, Knistern, Rascheln, Summen, Blubbern, Kreischen, Rauschen, Wispern sind zwar schon ganz schön, aber es fehlt die sinnliche Verfeinerung. Geräusche riechen und schmecken halt nicht und sehen nicht aus wie irgendwas, was sich damit vergleichen ließe. Geräusche sind, wie sie sind.

Mit Staunen erfüllt es mich daher, wenn jemand Vogelstimmen lautmalerisch wiederzugeben oder dem passenden Tier zuzuordnen vermag. Was dem Kenner ein rhäab-rhääb-rääb-räb oder tiü-tiü-tiü, wiwiwiwi, twitt, zit, ist dem Laien letzlich bloß ein piep-piep oder tüdelüt.

Guck-Ohr