Cover

Navaz Habib

AKTIVIEREN SIE
IHREN VAGUSNERV

So stärken Sie Ihren Selbstheilungsnerv bei
Darmproblemen, Entzündungen,
Autoimmunerkrankungen, Ängsten,
Depressionen und innerer Unruhe

VAK Verlags GmbH
Kirchzarten bei Freiburg

 

 

 

 

INHALT

Vorwort

Einführung

TEIL 1
DIE WISSENSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN

Kapitel 1 | Was ist der Vagusnerv?

Kapitel 2 | Wo liegt der Vagus?

Kapitel 3 | Die Aufgaben des Vagusnervs

Kapitel 4 | Wie der Vagusnerv das alles schafft

TEIL 2
WELCHE FUNKTIONSSTÖRUNGEN KÖNNEN BEIM VAGUSNERV AUFTRETEN?

Kapitel 5 | Funktionsstörung der Atmung

Kapitel 6 | Verdauungs störungen

Kapitel 7 | Ein funktions gestörtes Mikrobiom

Kapitel 8 | Chronische Entzündungs herde und Aktivierung des Immunsystems

Kapitel 9 | Die funktionsgestörte Herzfrequenz

Kapitel 10 | Gestörte Leberfunktion

Kapitel 11 | Chronischer Stress

Kapitel 12 | Schlafprobleme und Störungen des zirkadianen Rhythmus

Kapitel 13 | Fehlende Sozialkontakte

TEIL 3
AKTIVIEREN SIE IHREN VAGUSNERV

Kapitel 14 | Die Funktion des Vagusnervs messen

Kapitel 15 | Übungen zur Aktivierung des Vagusnervs

Kapitel 16 | Passive Methoden zur Aktivierung des Vagusnervs

Schlussfolgerung

ANHANG

Danksagungen

Literatur

Stichwortverzeichnis

Über den Autor

 

Hinweise des Verlags

Dieses Buch dient der Information über Möglichkeiten der Gesundheitsvorsorge. Wer diese Informationen anwendet, tut dies in eigener Verantwortung. Autor und Verlag beabsichtigen nicht, Diagnosen zu stellen oder Therapieempfehlungen zu geben. Die vorgestellten Vorgehensweisen sind nicht als Ersatz für professionelle Behandlung bei ernsthaften Beschwerden zu verstehen.

VORWORT

Ich trage ein Mantra in meinem Herzen: Das Beste haben wir noch vor uns. Diese Aussage trifft ganz besonders auf dieses erstaunliche Buch zu, ein Buch, das Ihnen ein Geschenk erschließt, mit dem Sie im Augenblick Ihrer Zeugung bedacht wurden – strahlende Gesundheit.

Ich kann nur darüber staunen, wie großartig der menschliche Körper ist. Das Universum hat hier wirklich Außerordentliches geleistet. Im Zentrum all dessen befindet sich Ihre kosmische Schnittstelle, das Nervensystem. Es ermöglicht uns, mit der uns umgebenden wunderbaren Welt zusammenzuwirken sowie gesund und innerlich ausgeglichen zu bleiben. Diesen Schatz müssen wir in Ehren halten und uns zunutze machen, um unser Leben bestmöglich zu gestalten. Das Gehirn verbindet und steuert unsere Körperfunktionen über das Rückenmark, die peripheren Nerven und eine hervorragende „Datenautobahn“, den sogenannten Vagusnerv.

Es ist eine beachtliche Leistung, die Funktion von mehr als 60 Billionen Zellen an 365 Tagen rund um die Uhr zu steuern, doch irgendwie geschieht das genau jetzt, in diesem Augenblick. Millionen von Signalen nehmen ihren Weg zum Gehirn und von ihm aus zu allen Organen und Systemen im Körper; sie halten diese Systeme und Ihr Leben im Gleichgewicht. Sie sorgen dafür, dass Sie atmen, verdauen, sich erholen, sie sorgen für Reparaturarbeiten, für die Zellreplikation und für die Regulierung. Und all das ist dem Vagusnerv zu verdanken.

Während wir die Geheimnisse des Universums über uns und des Universums in uns selbst entschlüsseln, können wir uns dem beständigen Staunen über das menschliche Potenzial kaum entziehen. Daher freue ich mich sehr darüber, dass Sie dieses Buch lesen wollen. Aktivieren Sie Ihren Vagusnerv wird Sie sicherlich dem Ziel näherbringen, Ihr Potenzial freizusetzen, damit Sie bestmöglich leben können!

Navaz Habib vermittelt Ihnen, wie Sie mithilfe Ihrer Selbstheilungskräfte ein dynamisches Leben führen können. Wenn Sie dieses Wissen beim Lesen direkt anwenden, werden Sie feststellen, welche kraftvollen Fähigkeiten Sie besitzen.

Gesundheit im Überfluss ist nicht selbstverständlich, wir müssen selbst dafür sorgen! Aktivieren Sie Ihren Vagusnerv zeigt Ihnen genau, wie das auf leicht umsetzbare und messbare Weise geht, doch lassen Sie sich von der Einfachheit der Übungen nicht täuschen. Leonardo da Vinci drückte es so aus: „Einfachheit ist das größte Zeichen von Raffinesse.“ Ich kann Ihnen versichern, es gibt nichts Raffinierteres als Ihren Körper – und nichts ist einfacher, als sich darum zu kümmern. Ist es nicht das, wonach wir alle streben?

Die Vorstellung, dass wir uns der Komplexität des Körpers anpassen müssen, um ihn zu heilen, ist nicht nur falsch, sondern unrealistisch. Wir alle sind Zeugen, dass dieses Paradigma bei unserem allopathischen Gesundheitsmodell versagt. Bruce Lipton, der Autor von The Biology of Belief (nur in englischer Sprache erhältlich), nennt das einen „kosmischen Scherz“. Eine wahre Lösung für gesundheitliche Probleme muss einfach sein … so verlangen es die kosmischen Gesetze.

Auf den folgenden Seiten finden Sie machtvolle Informationen, die Ihr Leben verändern, Informationen, die Sie sofort nutzen und mit anderen teilen können. Ich verrate Ihnen jetzt ein kleines Geheimnis: Wenn Patienten ins Living Proof Institute kommen (eine Poliklinik für funktionelle Medizin), ist unser Hauptanliegen, mit den Informationen zu arbeiten, die Sie in diesem Buch finden, und dafür zu sorgen, dass ihr Vagusnerv beidseitig wieder richtig arbeitet, denn dann wirkt alles, was wir sonst noch tun, hundertmal besser! Wir nennen dieses Konzept „autonome Kopplung“. Bei Patienten, deren Nervensystem gesund ist, verläuft der Heilungsprozess schneller und vollständiger und sie benötigen weniger Zusatzbehandlungen.

Sie werden überrascht sein, wie sehr sich Ihre Schlafqualität, die Verdauung, das Immunsystem, der Blutzuckerspiegel, die Stimmung, die Entgiftung und andere Körperfunktionen verbessern, ohne dass Sie eine einzige Tablette oder einen einzigen Tropfen einnehmen müssen. Ihr Schlüssel zu einer strahlenden Gesundheit ist nur ein paar einfache Schritte entfernt. Vertrauen sie mir, meine Kollegen und ich haben Tausenden von Menschen geholfen, indem wir ihnen zeigten, wie sie sich selbst helfen können – ohne Medikamente, ohne Tabletten und Tropfen, ohne Nebenwirkungen – und auch ohne weitere Kosten!

In Zeiten, in denen die Ausgaben im Gesundheitswesen unaufhörlich steigen, sind die in diesem Buch beschriebenen Methoden der Selbstbehandlung nicht nur kostenlos, sondern erfordern auch nur wenige Minuten Zeit am Tag. Ich weiß, das klingt fast zu schön, um wahr zu sein, doch es stimmt. Denken Sie an meine Worte!

Wie Sie erfahren werden, wird dieses Wissen seit Tausenden von Jahren bei jeder Art von östlicher Medizin angewandt. Sie wundern sich vielleicht, dass Sie von den in diesem Buch dargestellten Lösungen bislang nicht gehört haben. Der Grund mag Sie zuerst schockieren, aber er wird Ihnen schnell klar, wenn Sie beginnen, auf all die Hinweise um sich herum zu achten.

Die Grundlage des allopathischen Gesundheitsmodells ist nämlich das Paradigma, dass Ihr Körper Fehler macht, dass er sich nicht selbst regulieren kann, dass es nichts gibt, was Sie tun können. Durch die mithilfe dieses Systems (und auch durch geschickte Marketingstrategien) gesteuerte Überzeugung, dass dem tatsächlich so sei, sind Millionen Menschen dazu verleitet worden, verschreibungspflichtige Medikamente zu nehmen, die ihren erstaunlichen Körper und ihre Denkweise stören. Das führte zu explodierenden Kosten, vermehrter Abhängigkeit von Medikamenten und Misserfolgen. Der Körper des Patienten wird nicht als Partner auf dem Weg zur Heilung betrachtet, sondern lediglich als die Ursache von Krankheit. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.

Im vitalistischen Gesundheitsmodell arbeiten wir mit einem völlig anderen Bezugssystem. Wir glauben, dass Sie Ihren gesamten Körper brauchen, dass sich Ihr Körper selbst regulieren kann und dass Sie nur dann gesund sein können, wenn Sie die Gesetze der Natur beachten. Wir glauben, dass Sie als Mensch ein angeborenes Heilungspotenzial haben, das stärker ist als alle uns bekannten Maßnahmen. Wie glauben, dass nichts Ihren Körper besser heilen kann als er selbst.

Und das ist das Entscheidende: Nur Sie können die auf diesen Seiten dargestellte Aufgabe übernehmen. Sie ganz allein!

Ihnen wurde dieses wunderbare Leben geschenkt, und dieses Buch wird Ihnen dabei helfen, es auch tatsächlich zu leben.

Ein Nervensystem, das gesund ist, richtig funktioniert und die korrekten Signale sendet, ist für alle, die eine wirkliche, lebenslange Gesundheit anstreben, von primärer Bedeutung. Wo immer Sie also bei Ihrer Suche nach Gesundheit stehen, ich freue mich, dass Sie das Wissen anwenden möchten, das Navaz Habib Ihnen auf den folgenden Seiten präsentiert.

Aktivieren Sie Ihren Vagusnerv, aktivieren Sie Ihr Leben!

Sachin Patel
Gründer von The Living Proof Institute

EINFÜHRUNG

Ganz selbstverständlich schlägt Ihr Herz 100 000 Mal am Tag. Sie machen 23 000 Atemzüge. Ihr Blut fließt dreimal pro Minute durch den Körper und Ihre Leber reinigt und entgiftet dieses Blut ununterbrochen. Die ständig wechselnde Bakterienpopulation im Darm arbeitet in Symbiose mit dem Verdauungstrakt, um Ihre Nahrung aufzuspalten und die Nährstoffe zu resorbieren, die jede Ihrer Zellen braucht, um zu funktionieren. Haben Sie sich jemals gefragt, wie als das ohne bewusste Kontrolle geschehen kann, wie all diese Systeme zusammenarbeiten?

Die Antwort ist Ihr autonomes Nervensystem. Dieses System ist ein Wunder der Evolution. Es ist der Teil des Nervensystems, der – einfach ausgedrückt – für die Kontrolle der Körperfunktionen verantwortlich ist, die nicht bewusst gesteuert werden.

Unser Körper ist so konzipiert, dass er ohne die Notwendigkeit bewusster Denkvorgänge leben und überleben kann. Im Laufe der Entwicklung des Menschen wuchs die Fähigkeit des bewussten Denkens exponentiell. Das war nur möglich, weil die zum Überleben notwendigen Systeme einer bewussten Steuerung entzogen bzw. automatisiert wurden. Unser Vorderhirn wurde größer und ermöglichte uns, zu denken, zu überlegen und uns mit unserer Umgebung zu verbinden. Währenddessen sorgte der Hirnstamm dafür, dass wir am Leben blieben und uns weiterentwickeln konnten.

Der Hirnstamm ist die dickste und am höchsten gelegen Stelle des Rückenmarks. Dort befinden sich zahlreiche Informationskontrollzentren, die sogenannten Kerne, von denen jeder einzelne für eine Reihe spezifischer Funktionen verantwortlich ist und Signale von dort sendet oder selbst welche erhält.

Manche dieser Systeme warnen uns vor inneren Stressoren sowie Risiken, die unser Überleben bedrohen. Ob es sich dabei um eine Infektion handelt, die sich im Körper auszubreiten beginnt, um belastende Gedanken in Bezug auf Aufgaben, die zu erledigen sind, oder ob ein Tiger vor uns steht – die automatischen Steuerungsfunktionen dieses Systems ermöglichen uns das Überleben. Diese Mechanismen werden durch einen Ast des autonomen Nervensystems, den sogenannten sympathischen Ast (oder der Einfachheit halber: das sympathische Nervensystem, der Sympathikus) reguliert. Das sympathische Nervensystem ist dafür bekannt, dass es die Herz- und die Atemfrequenz erhöht, die Atemtiefe senkt, den Blutstrom von der Leber und vom Verdauungstrakt weg in die Arm- und Beinmuskulatur umleitet und die Pupillen erweitert. Damit ermöglicht uns dieses System, gegen Stressoren zu kämpfen oder „die Flucht zu ergreifen“, um vor ihnen wegzulaufen, wenn sie sich zeigen. Ein aktives sympathisches Nervensystem wird auch als „Kampf-oder-Flucht“-Zustand bezeichnet.

Im Gegensatz dazu gibt es einen weiteren Ast des autonomen Nervensystems, der es uns ermöglicht, uns zu entspannen und von der Härte und den Aufgaben des Tages zu erholen. Durch ihn bleiben wir ruhig, unsere Herzfrequenz und unsere Atemfrequenz sinken, wir können tiefere und vollere Atemzüge nehmen, und das Blut wird von den Gliedmaßen zu den inneren Organen geleitet, sodass unser Körper sich beruhigen und erholen kann und wir sogar in der Lage sind, uns fortzupflanzen. Dieser Teil des autonomen Nervensystems wird parasympathischer Ast (oder der Einfachheit halber: parasympathisches Nervensystem, Parasympathikus) genannt. Ein aktives parasympathisches Nervensystem wird als Zustand des „Ruhens und Verdauens“ bezeichnet.

Die Steuerungsprozesse durch das parasympathische Nervensystem laufen überwiegend über ein bestimmtes Nervenpaar im Körper ab – den Vagusnerv, der im Mittelpunkt dieses Buches steht. Er ist der einzige Nerv, der im Hirnstamm entspringt und durch den ganzen Körper zieht. Der Vagusnerv (genau genommen die Vagusnerven, denn er ist [wie jeder Hirnnerv; Anm. d. Übers.] eine paarig angelegte Struktur, das heißt jede Körperseite besitzt einen Vagus) ist verantwortlich für die regulatorische Kontrolle des Herzens, der Lunge, der Muskeln von Rachen und Atemwegen, der Leber, des Magens, der Bauchspeicheldrüse (Pankreas), der Gallenblase, der Milz, der Nieren, des Dünndarms und eines Teils des Dickdarms. Die Gesundheit wird in hohem Maße vom Grad der Funktionsfähigkeit des Vagus bestimmt; eine Funktionsstörung dieses Nervs ist eng mit Krankheit verbunden.

Früher glaubten wir, dass die grundsätzliche Aufgabe von Nerven darin bestehe, Signale rasch von einem Gebiet in ein anderes zu übertragen. Wir sind nun dabei zu lernen, dass das Ausmaß der vom Vagus übertragenen Botschaften und Signale weitaus umfangreicher und wichtiger ist, als wir es anfänglich erkannten; er ist in der Tat die direkte Verbindung zwischen dem Gehirn und der Darmflora, dem Mikrobiom. Der Vagusnerv ist der wichtigste Kommunikationsweg in Bezug auf die Verdauung, den Nährstoffstatus und die ständig wechselnden Bakterienpopulationen, Viren, Hefen, Parasiten und Würmer, die unser Verdauungstrakt beherbergt.

Das Gleichgewicht zwischen den beiden Ästen des autonomen Nervensystems – des sympathischen und des parasympathischen – ist entscheidend, damit man ein Leben in vollem Umfang führen kann. Ist ein Ast übermäßig aktiviert, kann das zu einem deutlichen Funktionsverlust im anderen Ast führen. Ein dauerhaftes Ungleichgewicht zieht Krankheiten und Funktionsstörungen nach sich. Bleibt der Stresspegel zu lange zu hoch, verliert das parasympathische Nervensystem seine Regulationsfähigkeit. Durchblutung und Funktion konzentrieren sich auf den sympathischen Ast, die Durchblutung des parasympathischen Astes wird also eingeschränkt und dadurch lässt seine Funktion mit der Zeit nach. Das gilt auch umgekehrt, da eine übermäßige Aktivierung des parasympathischen Systems den Umgang mit potenziellen Stressoren (der die Aufgabe des sympathischen Systems ist) verlangsamen kann und somit Risiken für das Überleben entstehen.

Ein sehr häufiges Problem in der heutigen Zeit, sind der erhebliche Stress und der enorme Druck, denen wir ausgesetzt sind. Unserem Körper fehlt noch die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Arten von Stressfaktoren zu unterscheiden, daher rufen mentale und emotionale Stressoren dieselbe Reaktion hervor, wie das ein leibhaftiger Löwe, Tiger oder Bär tun würde – also etwas, das unser Leben bedroht.

Das heißt, wir reagieren auf eine unmittelbar bevorstehende physische Gefahr genauso wie auf den von einem Lehrer nicht angekündigten schriftlichen Kurztest oder die strenge Aufforderung vom Chef, „sofort“ in sein Büro zu kommen.

Unter gleichbleibend hohem Stress kommt es zu vermehrten Entzündungen im Körper, der keine Gelegenheit bekommt, sich zu erholen und zur Ruhe zu kommen, was aber zur Erhaltung einer optimalen Funktion erforderlich ist. Darum erleiden wir viel leichter und häufiger einen Zusammenbruch als früher. Es kommt zu viel mehr Fällen von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Hashimoto-Thyreoiditis und Multiple Sklerose, als unser Gesundheitssystem bewältigen kann. Wir entwickeln alle Arten von Krebs und Herzerkrankungen, die Zahlen der diagnostizierten Krankheiten wie Adipositas (krankhafte Fettleibigkeit) und Diabetes sind alarmierend hoch, und insgesamt war unsere Verdauung noch nie in einem schlechteren Zustand. Bekommt der Körper die Gelegenheit, sich zu erholen, kann er sich wehren und die Aufgaben erfüllen, für die seine Zellen vorgesehen sind, wodurch wir die Möglichkeit erhalten, viele dieser Leiden zu überwinden. Das Problem ist, dass viele von uns dem Körper diese Gelegenheit nicht geben.

Wir setzen uns selbst unter Stress, indem wir stark verarbeitete Nahrungsmittel zu uns nehmen (die uns von einer mehr auf hohe Erträge und Zweckmäßigkeit als auf den Nährwert ausgerichteten Landwirtschaft beschert wurden), während wir mehr Zeit im Haus, abseits der Natur verbringen, uns um unsere Angehörigen sorgen und dabei vergessen, uns um uns selbst zu kümmern. Gleichzeitig erwarten wir von Ärzten und Therapeuten, dass sie mit dem aufreibenden Tempo der Veränderungen in unserem Leben Schritt halten.

Für diese Probleme gibt es eine Lösung: Übernehmen Sie die Verantwortung für Ihre eigene Gesundheit wieder selbst.

Anstatt sich in dieser Hinsicht nur auf Ihre Ärzte zu verlassen, übernehmen Sie selbst die Kontrolle und lassen sich von ihnen Ihre eigenen Überlegungen bestätigen. Forschen Sie selbst nach, lernen Sie, mit Ihren Stressfaktoren umzugehen, und finden Sie heraus, welche Auslöser bei Ihnen zu einem Stresszustand führen. Ihr Hausarzt ist eine Wissensquelle, die Sie nutzen können und sollten, doch wenn Sie einem System die alleinige Verantwortung übertragen, dessen Möglichkeiten immer geringer werden und das Hunderte und Tausende von Patienten betreuen muss, dann ist Ihre eigene Gesundheit unweigerlich zum Scheitern verurteilt.

Mithilfe dieses Buchs erlangen Sie die Fähigkeit, die Verantwortung für Ihre Gesundheit wieder selbst zu übernehmen. Sie lernen die übersehenen grundlegenden Ursachen vieler Krankheitszustände kennen, die schulmedizinisch leider noch nicht als die wahren Gründe einer schlechten Gesundheit anerkannt werden. Tatsächlich gibt es jedoch in der funktionellen Medizin bereits Laboruntersuchungen, die diese Schwachpunkte aufdecken können. Ich gebe Ihnen tägliche, wöchentliche und monatliche Instrumentarien zur Funktionsverbesserung Ihres Vagusnervs und des parasympathischen Nervensystems an die Hand, damit Sie sich von Ihren alltäglichen Stressfaktoren besser erholen können.

Der Aufbau dieses Buches

Dieses Buch ist in drei Teile gegliedert:

Teil 1 konzentriert sich auf die wissenschaftlichen Grundlagen, insbesondere auf die Anatomie, die Neuroanatomie, die Biochemie und die spezifischen Funktionen des Vagusnervs und der Systeme, die er steuert. Wenn Sie eher der praktische Typ sind, können sie diesen Abschnitt einfach nur überfliegen. Dennoch ist er wichtig und Sie sollten ihn lesen, wenn Sie ein vertieftes Verständnis für die Besonderheiten des Vagusnervs und seiner Aufgaben gewinnen möchten.

Teil 2 befasst sich mit der Funktionsstörung des Vagus – den Anzeichen, Symptomen und zugrunde liegenden Ursachen – sowie damit, wie Sie seine Funktion mit einem Instrumentarium bestimmen, das Sie täglich nutzen können. Dies ist ein wichtiges Kapitel für all jene, die unter verschiedenen gesundheitlichen Problemen leiden und gerne ein wenig tiefer schürfen und herausfinden möchten, warum diese Probleme hauptsächlich auftreten können.

Teil 3 ist der Verbesserung und Optimierung der Vagusfunktion gewidmet. Ich erläutere bestimmte Strategien und Programme, die meine Kollegen und Patienten nutzen, wenn sie an der Funktionsverbesserung dieses Nervs arbeiten, um wieder gesund zu werden und um die ihren gesundheitlichen Problemen zugrunde liegenden Ursachen zu überwinden.

Wenn Sie bereit sind, die Verantwortung für Ihre Gesundheit wieder in Ihre eigenen Hände zu nehmen, dann schnallen Sie sich gut an. Wir starten unverzüglich!

TEIL 1

DIE WISSEN­SCHAFT­LICHEN GRUND­LAGEN

KAPITEL 1

WAS IST DER VAGUSNERV?

Wenn das Gehirn des Menschen so einfach wäre,
dass wir es verstehen könnten, dann wären wir so
dumm, dass wir es doch nicht verstehen würden.

Emerson W. Pugh

Die Anatomen waren überfragt. Wie konnte ein einzelner Nerv, der vom Hirnstamm ausgeht, so lang sein und so viele verschiedene Organe miteinander verbinden? Welche Wirkungen könnte dieser Nerv möglicherweise haben? Was würde bei einer so breiten Palette potenzieller Funktionen passieren, wenn er verletzt oder durchtrennt würde?

Welche Aufgaben hat der Vagusnerv?

Der Vagusnerv (VN) hat seinen Ursprung im Stammhirn – im Wesentlichen in der Region des Gehirns, die die überwiegende Mehrheit der automatisch ablaufenden Funktionen des Körpers wahrnimmt, verarbeitet und steuert. Im Großen und Ganzen müssen wir uns diese Funktionen nicht bewusst machen, damit sie ablaufen können. Sie werden daher als autonom bezeichnet und werden von unserem autonomen Nervensystem gesteuert.

Woher hat der Vagus seinen Namen?

Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort vagari ab, das „umherschweifend“ und in begrenztem Umfang „unbestimmt, vage“ bedeutet. Da er sich bei der ersten Untersuchung als so weitläufig und unspezifisch erwies, wollten die Anatomen und Forscher eine beschreibende Bezeichnung, die genau das ausdrückte. Als sie bei dem Begriff Vagus landeten, gaben sie diesem Nerv daher den Namen „der Umherschweifende“.

Dies sind einige der vom autonomen Nervensystem gesteuerten Funktionen:

• Herzschlag

• Blinzeln der Augenlider

• Atemfrequenz und -tiefe

• Verengung und Erweiterung der Blutgefäße

• Entgiftung der Leber und der Nieren

• Verdauung

• Öffnen und Schließen der Schweißdrüsen

• Speichel- und Tränenbildung

• Pupillenerweiterung und -verengung

• Sexuelle Erregung

• Miktion (Blasenentleerung)

Im Hirnstamm befinden sich verschiedene Gruppen von Nervenzellkörpern, die Nuklei (Kerne) genannt werden. Hier nehmen Nervenzellen Informationen aus anderen Körperzellen auf. Diese Kerngebiete haben verschiedene Funktionen und werden mit Namen bezeichnet, die vom Lateinischen abgeleitet sind. Kerngebiete sind wie ein Router bei einer Internet-Netzwerk-Verbindung zu Hause. Manche Informationen gelangen über die Kabelverbindung oder die Telefonleitung in den Router, werden dort verarbeitet, und andere Informationen werden dann über den Router an Ihren Computer, den Fernseher oder jedes andere elektronische Gerät gesendet, das mit Ihrem Netzwerk verbunden ist.

Es gibt zwei Hauptarten von Neuronen (Nervenzellen) und sie senden Informationen in eine von zwei Richtungen. Die eine Art sind afferente Neuronen, die Informationen darüber erhalten, was in und um den Körper herum geschieht. Afferente Neuronen leiten Information aus dem Körper zum Gehirn, das sind die sogenannten afferenten Informationen. Die andere Art sind die sogenannten efferenten Neuronen, die Informationen mit regulatorischer oder motorischer Wirkung (sogenannte efferente Informationen) an verschiedene Organe und Strukturen im Körper leiten; efferente Informationen werden also vom Gehirn an den Körper übermittelt.

Der Vagusnerv ist mit vier verschiedenen Kerngebieten im Stammhirn verbunden. Ganze 80 Prozent der von ihm übertragenen Informationen sind afferent, das heißt, die häufigste Richtung, in der Informationen im Vagus fließen, ist die von den Organen des Körpers zum Gehirn. Die restlichen 20 Prozent der Neuronen im Vagusnerv leiten ein efferentes Signal aus dem Gehirn in den Körper und führen zu spezifischen Funktionen, die in jeder Zelle und jedem Organ stattfinden. Es ist eine interessante Erfahrung, dass die meisten Medizin studenten von der Tatsache überrascht sind, dass nur 20 Prozent der Vagus funktion efferent sind, da er so viele efferente Auswirkungen auf die Organe hat – stellen Sie sich nur die Mengen an Informationen vor, die dieser Nerv an das Gehirn zurückmeldet, mehr als viermal so viele wie er vom Gehirn aus weiterleitet.

Wie die Drähte Ihrer Netzwerkverbindung zu Hause, so schicken die Bündel von Neuronen in Ihren Nerven mittels elektrischer Signale Informationen entlang ihrer Bahnen, die, am Ziel angekommen, ein chemisches Signal, einen sogenannten Neurotransmitter, freisetzen. Diese Neurotransmitter binden an den dafür bestimmten Rezeptoren der Zielzellen und führen eine Wirkung in den Zellen am Ende der Verbindung herbei. Der Neurotransmitter, den der Vagusnerv hauptsächlich nutzt, ist Acetylcholin (kurz: ACh), das eine erhebliche entzündungshemmende Wirkung im Körper hat.

Die Handhabung des Entzündungssystems ist eine der wichtigsten Aufgaben des Vagusnervs, der das maßgebliche Entzündungskontrollsystem im Körper ist und weitreichende Auswirkungen auf Ihren individuellen Gesundheits- oder Krankheitszustand hat. Viele der gesundheitlichen Probleme meiner Patienten sind dem hohen Entzündungsniveau in bestimmten Organen und Systemen geschuldet, vom Verdauungstrakt über die Leber bis hin zum Gehirn.

Entzündungen sind eine wichtige Reaktion im Körper, um uns vor bakteriellen und viralen Eindringlingen, körperlichen Traumata und anderen Dingen zu schützen, die optimalerweise gar nicht in den Körper gelangen sollten. Wenn Entzündungen nicht in Schach gehalten werden und chronifizieren, kann es zu weitreichenden Auswirkungen und vielen verschiedenen Gesundheitsproblemen kommen. Einige davon, die mit hohen Entzündungswerten zusammenhängen, sind die auf der folgenden Seite genannten.

Die meisten davon betroffenen Organe werden vom Vagusnerv innerviert, sie haben also eine Verbindung zu ihm. Somit ist es nicht nur möglich, sondern äußerst wahrscheinlich, dass es durch einen suboptimal arbeitenden Vagus, der seine entzündungshemmende Wirkung auf diese Organe nicht ausübt, zu chronischen Entzündungen und Krankheiten kommt.

• Alzheimer

• Arthritis

• Asthma

• Bluthochdruck

• Colitis ulcerosa (und alle Krankheiten mit der Endung -itis, z. B. Colitis, die Dickdarmentzündung)

• Diabetes

• Erhöhter Cholesterinspiegel

• Herz-Kreislauf-Erkrankungen

• Krebs

• Morbus Crohn

• Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS, eine Störung des autonomen Nervensystems, bei der der Wechsel vom Liegen zum Stehen eine Tachykardie, eine anormal starke Erhöhung der Herzfrequenz, verursacht; Anm. d. Übers.)

Es muss darauf hingewiesen werden, dass diese Erkrankungen nicht isoliert auftreten und daher die Wahrscheinlichkeit einer weiteren besteht, wenn bereits eine Krankheit vorliegt. Über den Vagusnerv gelangen dieselben Signale zu fast jedem inneren Organ und gehen wieder von ihm aus; wenn also das Entzündungsniveau in einem dieser Organe nicht unter Kontrolle gehalten wird, tritt es wahrscheinlich auch in anderen Bereichen auf.

KAPITEL 2

WO LIEGT DER VAGUS?

Der Vagus ist der längste Nerv im Körper. Wo er beginnt, wie er verläuft und seine Zielorgane erreicht, zu denen er Informationen aus dem Gehirn und von denen aus er Informationen zum Gehirn schickt, möchte ich im Folgenden erklären, ohne dabei zu fachspezifisch zu werden.

Verbindungen vom Hirnstamm aus …

Die Neuronen, also die Nervenzellen, aus denen der Vagusnerv besteht, beginnen im Hirnstamm und stammen aus vier verschiedenen Kerngebieten (Nuclei, Singular: Nucleus). Diese bestehen aus dem dorsalen motorischen Kern, aus dem Nucleus solitarius, aus dem Spinalen Trigeminuskern und aus dem Nucleus ambiguus. (Es gibt leider nicht für jeden dieser Fachbegriffe eine deutsche Entsprechung; Anm. d. Übers.) Jeder dieser Kerne ist für bestimmte Anteile der Nervenfasern zuständig.

Sensorische Neuronen leiten Signale von der Haut, die der Vagus innerviert, zum spinalen Trigeminuskern. Dazu gehört ein bestimmter Hautabschnitt am Ohr, der wichtig ist, wenn es um die Aktivierung des Vagus mittels Akupunktur geht; darauf gehe ich später noch ein. Die Signale aus den inneren Organen werden über den Vagus zum Nucleus solitarius und ins Gehirn zur weiteren Verarbeitung geleitet. Zu diesen Signalen gehören jene aus dem Magen, dem Darmtrakt, der Lunge, dem Herzen, der Leber, der Gallenblase, der Bauchspeicheldrüse und der Milz. Wir können auch direkte Signale über den Vagus an diese Organe leiten, und zwar durch parasympathische Fasern, die aus dem hinteren motorischen Kern stammen. Diese Signale beruhigen und regulieren die Herz- und Lungenfunktion und erhöhen die Aktivität des Darms und des Verdauungstrakts, der Leber, der Bauchspeicheldrüse, der Gallenblase und der Milz.

Der letzte Kern, der mit Fasern am Vagus beteiligt ist, ist der sogenannte Nucleus ambiguus. Seine Neuronen haben eine motorische Funktion und steuern insbesondere die meisten der Halsmuskeln und der Muskeln des oberen Teils der Luftröhre. Diese Muskeln sorgen dafür, dass die Luftröhre offenbleibt und ermöglichen die Tonbildung mithilfe der Stimmbänder, die für unsere Stimme verantwortlich sind.

Der rechte und der linke Vagus sind die einzigen Nerven im Körper mit vier unterschiedlichen Funktionen und vier verschiedenen Kernen, die gezielt Fasern beisteuern. Die meisten anderen Nerven im Körper übertragen einfache sensorische Informationen von der Haut und motorische Signale für die Bewegung von Muskeln. Dieser einfache Unterschied sollte uns bewusst machen, wie wichtig der Vagusnerv tatsächlich ist und welche umfassenden Funktionen er hat.

Folgen wir nun den Nervenbahnen vom Hirnstamm hinunter zum Hals, in den Thorax (Brustkorb) und das Abdomen (den Bauchbereich).

… zum Hals

Von dem als Medulla oblongata bekannten Gebiet des Hirnstamms aus, man spricht hier auch vom verlängerten Rückenmark, erstrecken sich Fasern des linken und rechten Vagus in die Schädelhöhle (das Schädelinnere) und laufen zusammen, um die Struktur zu bilden, die wir als Vagusnerv bezeichnen. Der Nerv tritt dann durch eine Öffnung an der Schädelbasis, das sogenannte Foramen jugulare („Drosselloch“) aus dem Schädel aus. Diese Öffnung bietet Raum für den Durchtritt des Nervs sowie von Blutgefäßen zwischen Hals und Schädel. Sobald der Vagus den Schädel verlässt, tritt er gleich hinter dem Ohr, zwischen der Vena jugularis interna, der inneren Halsvene, auch Drosselvene genannt, und der Arteria carotis interna, der inneren Halsschlagader, in den oberen Bereich des Halses ein. Über diese Gefäße wird dem Gehirn direkt Blut zugeführt und aus ihm abtransportiert; sie sind äußerst wichtig, um uns am Leben zu halten.

Die enge Nachbarschaft zu diesen speziellen Blutgefäßen ist ein Hinweis auf die Bedeutung des Vagus, da eine physische Schädigung einer dieser drei Strukturen irreparable Schäden verursachen kann. Sind die Blutgefäße betroffen, kann dies unmittelbar zum Tod führen; sind die Nerven betroffen, kann dies einen totalen Funktionsausfall in vielen Organen nach sich ziehen.

Direkt nach dem Durchtritt des Vagus durch das Foramen jugulare befindet sich eine Nervenverdickung, das sogenannte Ganglion superius oder jugulare, der obere Nervenknoten. Er wird durch eine Ansammlung von sensorischen Nervenzellkörpern gebildet, die sehr nahe beisammen liegen und aus denen ein dünnerer Nervenabschnitt hervorgeht, der den ersten Ast des Vagus bildet.

Der erste Vagus-Ast ist der aurikuläre, das Ohr betreffende Ast. Er verläuft durch ein feines, im Warzenfortsatz des Schläfenbeins gelegenes Knochenkanälchen wieder in den Schädel zurück und durch eine andere Öffnung, einen kleinen Spalt zwischen dem Paukenteil und dem Warzenfortsatz des Schläfenbeins, die sogenannte Fissura tympanomastoidea, beidseitig zum Ohr, wo er zur Haut zieht. Dort ist er verantwortlich für die Wahrnehmung von Berührung, Temperatur sowie Feuchtigkeit auf der Haut des Ohres, speziell am äußeren Gehörgang, am Tragus (dem Knorpelanteil der Ohrmuschel, der eine Erhebung vor dem Eingang des äußeren Gehörgangs bildet) und an der Ohrmuschel. Der aurikuläre Ast wird hauptsächlich behandelt, wenn man den Vagus bei einer Funktionsstörung mit Akupunktur (an den Akupunkturpunkten im Ohr) gezielt aktivieren will; darüber wird in späteren Kapiteln noch die Rede sein.

Zieht der Vagus vom oberen Nervenknoten nach unten, verdickt er sich nochmals und bildet den unteren Nervenknoten, das Ganglion inferius, das auch Ganglion nodosum (für lat. „knotig“) genannt wird. Dieses Ganglion beherbergt die Zellkörper der Neuronen, die an der Übermittlung von Informationen aus den inneren Organen beteiligt sind.