Prolog. 


»Sie sind eine im Sessel vor dem Kamin sitzende Bibliotheksgärtnerin.« 
Eine Leserin über Vita Sackville-West

Frauen und ihre Gärten

„Frauen und ihre Gärten“ – dieses Begriffspaar beflügelt unsere Fantasie. Wir denken an die hängenden Gärten der sagenhaften Königin Semiramis und Hildegard von Bingen, wie sie hinter Klostermauern Heilkräuter pflanzt, um daraus Medizin zu gewinnen. Rosendüfte erinnern manche Gartenfreunde an Kaiserin Joséphine de Beauharnais, die ihre Leidenschaft für Rosen legendär werden ließ – und sie fast ruinierte. Unvergessen sind jene britischen Lady Gardeners, die in Anzug, Knickerbockern und Mütze Gartenträume lebten und ihr Wissen in Gartenfachschulen weitergaben. Bemerkenswert, wie lehrreich und amüsant die Gartenkolumnen von Vita Sackville-West aus der Mitte des 20. Jahrhunderts klingen und wie zeitlos Gertrude Jekylls im späten 19. Jahrhundert entwickelten Kompositionen aus Wollziest und Lavendel, aus Scheinsalbei und Katzenminze noch heute den Garten schmücken.

Garten und Gärtnerin sind nicht voneinander zu trennen. Manchmal ist die Gärtnerin sogar interessanter als der Garten. Zumal wenn der Garten längst verschwunden ist und sich in Schriften und Gemälden mehr über seine Besitzerin erfahren lässt als über ihr Werk. Ein Garten ist vielmehr als ein Landschaftsraum mit Pflanzen und Wegen, Brunnen und Hecken. Der Zauber eines Gartens liegt in seiner Stimmung, dem, was zwischen blühenden Rosen und plätscherndem Wasser in der Luft liegt. Mit etwas Glück lassen sich Kreativität und Schönheitssinn seiner Schöpferin erkennen.

Gärten von Frauen finden sich fast überall. Ob hinter einem Amsterdamer Stadthaus, einer Florentiner Villa, in einem bayerischen Bauerndorf oder hinter einem Deich an der Elbe. Gartenreisen führen zu den Schlössern an der Loire, nach Südengland oder nach Bayreuth. Mancherorts ist es Gartenenthusiasten und Historikern gelungen, Klostergärten und Residenzgärten zu rekonstruieren. Diese Arbeit stützt sich auf alte Beschreibungen, Pläne und Kupferstiche, erfordert zugleich viel Fantasie und lädt zum Träumen ein. Bekanntlich kann der Spaziergang durch einen Schlossgarten Erinnerungen an seine früheren Besitzerinnen erwecken. Malerische Szenen von weiß gekleideten, unter riesigen Sonnenschirmen wandelnden Aristokratinnen tauchen vor dem inneren Auge auf, ganz wie sie in den Sälen der großen Galerien zu finden sind. Gerne imaginieren Betrachter sie als Spaziergängerinnen, was den Verhaltensgeboten für ihren hohen gesellschaftlichen Stand entspricht. Gewiss, sie haben nicht selbst gegraben und gepflanzt. Doch in ihrem Auftrag gestalteten Architekten und Gärtner grüne Kunstwerke, die ohne die Gartenliebe vieler Fürstinnen nicht erschaffen worden wären.

In Mecklenburg existieren bis heute Schlossgärten, die von der Gartenbegeisterung mecklenburgischer Herzoginnen und Prinzessinnen zeugen. Viele dieser Frauen nahmen Einfluss auf die Gartengestaltung und erfreuten sich an der Schönheit der Ensembles. Durch Geburt und Stand hatten sie wichtige Positionen im europäischen Netzwerk des Adels inne. Der Austausch zwischen Verwandten gestaltete sich so zum Kulturtransfer. Ihre Eheschließungen brachten sie an entfernt gelegene Höfe, wo sie neue Kontakte knüpften und über Briefe wie Besuche Neuheiten aus Malerei, Musik, Stil oder eben Gartenkunst austauschten. Auch in Mecklenburg erfüllten viele Fürstinnen diese Funktion und hatten ihren Anteil daran, alle Gartenstile von Renaissance über Barock bis zum Englischen Landschaftsgarten und dem gemischten Stil des 19. Jahrhunderts im Land südlich der Ostsee einzuführen.

Das Buch stellt repräsentative Schlossgärten vor und führt auf Lesespaziergängen zu Pavillons, Statuen und Tempeln, die an jene Damen erinnern. Immer wieder wird der Spaziergang zur Spurensuche. So sind der Renaissancegarten Herzogin Elisabeths in Güstrow und der Mirower Schlossgarten aus den Kindertagen der Prinzessin Sophie Charlotte, der späteren Königin von Großbritannien mit dem Ehrentitel „Queen of Botany“, längst überbaut. Der Schlossgarten von Ludwigslust, einer Schloss- und Stadtanlage, die Besucher einst und jetzt als mecklenburgisches Versailles und spätbarockes Kleinod feiern, erzählt auf unterschiedlichen Ebenen von Liebe und Tod, von Mann und Frau im Zeitalter zwischen Absolutismus und Empfindsamkeit. Die Wege und Wasserläufe öffnen sich hinter dem Schloss großzügig, führen jedoch nur ausdauernde Spaziergänger an die Orte der Erinnerung. Die Ebenmäßigkeit und Symmetrie verliert sich unmerklich wie das Zeitalter von Marie Antoinette. Neues entsteht.

Im östlichen Landesteil überrascht der Englische Landschaftsgarten von Schloss Hohenzieritz in nahezu originaler Konzeption. Königin Luise von Preußen, eine geborene Prinzessin zu Mecklenburg-Strelitz, flanierte hier noch wenige Tage vor ihrem Tode. Die Trauer um ihren Verlust erfasste das ganze Land und verwandelte das Schloss Hohenzieritz und den Schlossgarten von Neustrelitz in Gedenkstätten des Mythos Luise. Den Gartenräumen von Luises Tochter, der schönen Großherzogin Alexandrine, können die Spaziergänger gleich zweimal begegnen. Die Schlossgärten von Ludwigslust und Schwerin präsentieren sich als Gärten von Jugend und Alter der Fürstin im Wandel von Stil, Geschmack und Moden.

Zweifelsohne verkörpern die Schlossgärten Mecklenburgs die Entwicklung der europäischen Gartenkunst. Deutlich ist der Einfluss jener großen Gestalter wie André Le Nôtre, Lancelot „Capability“ Brown und Peter Joseph Lenné erkennbar. Wer diese Schlossgärten besucht, dort auf den Wegen wandelt und sich Zeit für die Betrachtung nimmt, kann den einstigen Herrinnen der Schlossgärten begegnen und erfahren, wie diese Frauen Gartenträume mit Leben erfüllten und farbenfrohe Erinnerungsorte hinterließen. 

Vom verlorenen Garten Elisabeths von Dänemark in Güstrow. Oder: Wer vererbte die Gartenlust an Friedrich den Großen?

»Gartenkunst ist Raumkunst.«
Alfred Lichtwark


Zwischen Pracht und Herrlichkeit

 Am Anfang der Gartenreise durch Mecklenburg stehen eine alte Burg und der selbstbewusste Anspruch eines fünfundzwanzigjährigen Fürsten auf Herrschaft. Der zweitgeborene Herzogssohn Ulrich zu Mecklenburg (1527–1603) erstritt gegenüber seinem älteren Bruder, dem regierenden Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg (1525–1576), die Teilhabe an der Landesherrschaft. Auf diese Weise konnte ein Krieg vermieden werden. Die Brüder einigten sich darauf, die Herrschaft aufzuteilen. Während der Ältere das westliche Mecklenburg von der Residenz Schwerin aus regierte, gebot Ulrich ab 1556 von der Residenz Güstrow aus über das östliche Territorium. Kirchenregiment, Universität, Schulen und Hospitäler verwalteten die Brüder gemeinschaftlich. Herzog Ulrich verließ den alten Bischofssitz Bützow, wo er als Administrator des Bistums residiert hatte, und zog in die alte Burg Güstrow.

Weder Herzog Ulrich noch seine Ehefrau Elisabeth (1524–1586) mögen Gefallen an diesem alten düsteren Haus in Güstrow gefunden haben. Als ein Teil der mittelalterlichen Burg abbrannte, während das Herzogspaar auf einer Reise nach Sachsen unterwegs war, bot sich Gelegenheit, den Wiederaufbau im Zeitgeschmack umzusetzen. Die Legitimität seiner Herrschaft wünschte Herzog Ulrich aller Welt durch eine glanzvolle Residenz vor Augen zu führen. Das neue Schloss sollte ein sichtbares Zeichen seiner Macht sein. Zweifelsohne stand er in Konkurrenz zu seinem Bruder, der in Schwerin und Wismar ebenso ehrgeizig bauen ließ. Das neue Güstrower Schloss sollte schöner und strahlender werden, sich stilistisch von den Schöpfungen Johann Albrechts unterscheiden. Architektur ist immer mehr gewesen als ein Ort zum Wohnen. Türme und Erker, geschwungene Bögen und aufragende Giebel verkörperten Herrschaft und Stärke. Herzog Ulrich hatte gewiss die Renaissancebauten im Kopf, die er während seiner Zeit in süddeutschen Städten gesehen hatte. Das prägte seine Ideen von Machtdarstellung und seine Auffassung von Bauten. Der Nachwelt präsentiert sich dieser Mann auf Gemälden sowie in Schriften als kunstsinniger und gebildeter Renaissancefürst. Erzogen im katholischen Umfeld am Hof des bayerischen Herzogs Wilhelm IV., studierte er Rechte und Theologie an der Hohen Schule in Ingolstadt und arbeitete als regierender Herzog im Geiste des Luthertums an einer neuen Kirchenordnung für Mecklenburg mit.

Ulrichs Repräsentationswillen übersetzten ab 1558 der italienischstämmige Franz Parr und ab 1582 der Niederländer Philipp Brandin in steinerne Formen. Elemente französischer, italienischer, niederländischer und deutscher Baukunst vereinigten beide Baumeister kongenial. Französisch betonte Außentürme und steile Dächer, verspielte Schornsteine, italienische Arkaden, niederländische Giebel und nach deutschem Muster asymmetrisch angelegte Erker verzaubern trotz der Verluste an Bausubstanz bis in unsere Tage. Etwas Filigranes, südlich Leichtes strahlt dieser Bau aus. Das Ensemble durchbricht die umschließende Stadtmauer und kennzeichnet Güstrow schon aus der Ferne als Residenzort. Diese Wirkung entfaltet sich noch heute besonders bei einer Anfahrt von Westen. Der Ausbau der Residenz zog Veränderungen nach sich. Die Einwohnerschaft war von 2500 Menschen um 1500 auf etwa 4000 bis 4500 Menschen um 1600 angewachsen. Um 1600 präsentierte sich der Güstrower Hof künstlerisch und kulturell auf der Höhe der Zeit und war anderen mitteleuropäischen Höfen ebenbürtig. Zur neuesten Mode gehörte es, neben Kräuter-, Nutz- und Obstgärten einen prachtvollen Lustgarten anzulegen. Ein Lustgarten mit Blumen und duftenden Kräutern war dazu da, „die Augen zu erfreuen, die Nase zu erfrischen, den Geist zu erneuern“, wie 1518 der Humanist Erasmus von Rotterdam schreibt.

Herzogin Elisabeth hatte bedeutenden Anteil an der Verwirklichung der Umgestaltungen, wie verschiedene Schriftstücke belegen. Mit großer Freude genoss sie ihren Schlossgarten, betont der Gelehrte Johannes Caselius in seiner anlässlich ihres Todes 1586 verfassten Leichenpredigt De laudibus Elisabethae: „Auch hier rings um die Burg des Herzogs künden die [Gärten] Geschmack und Mühewaltung der Königin, wenn man die Kräuter aller Art betrachtet, die heimischen und ausländischen Bäume, die dem Vergnügen und der Gesundheit und dem Nutzen dienen.“ Als gebildet und selbstbewusst, fromm und engagiert beschreiben sie die Zeitgenossen. Die drei Jahre ältere Tochter des dänischen Königs Friedrich I. hatte 1556 in zweiter Ehe Ulrich zu Mecklenburg geheiratet. Da war die dänische Prinzessin bereits eine verwitwete, kinderlose mecklenburgische Herzogin. Ihr erster Gemahl Herzog Magnus III. zu Mecklenburg, ein Cousin ihres zweiten Ehemannes, verstarb bereits 1550. Elisabeths reiche Mitgift war eine wichtige Grundlage für die aufwendigen Umbauten. Als Landesmutter unterstand ihr die Hauswirtschaft des Schlosses. Was im Garten angebaut, verarbeitet und im Keller gelagert wurde, beaufsichtigte sie. Persönlich verwaltete die Fürstin die Güter Grabow und Grevesmühlen, die ihr als Leibgedinge und somit zur materiellen Versorgung im Falle einer Witwenschaft übereignet wurden. Sie wirtschaftete umsichtig, plante für die Zukunft. Elisabeth ließ Bäume, wie beispielsweise in den Heidbergen, pflanzen, einem wenige Kilometer von Güstrow entfernt gelegenem Gebiet, das nach jahrhundertelangem Holzeinschlag verödet dalag. Das ehemalige Zisterzienserinnenkloster in Rühn lag ihr sehr am Herzen. Herzog Ulrich hatte es ihr 1557 übergeben. In ihrem Auftrag erfolgten die Renovierung und die Einrichtung einer Schule für adelige Mädchen. Auf ihren Wunsch hin wurden auch die Hospitäler in Güstrow, Bützow, Burg Stargard, Stavenhagen und Grabow renoviert, ausgebaut und mit höheren finanziellen Mitteln ausgestattet.

Nachdem ihre einzige Tochter Sophie (1557–1631) 1572, kurz vor ihrem 15. Geburtstag, mit ihrem Cousin, dem siebenundreißigjährigen dänischen König Friedrich II. verheiratet wurde, reiste das mecklenburgische Herzogspaar wiederholt nach Dänemark. Elisabeth war fast immer zugegen, wenn ihre Tochter in den Wehen lag. Wissend und helfend konnte sie ihr zur Seite stehen. Das war ungewöhnlich für ihre Zeit und ihren Stand. Elisabeths eigene Schwiegermutter Herzogin Anna suchte etwa angesichts ihres kranken Sohnes hilflos und verzweifelt Zuflucht bei Gott. Unter der Regierung ihres Vaters hatte Herzogin Elisabeth die Durchsetzung der lutherischen Reformation in Dänemark erlebt. In Güstrow setzte sie sich für den Umbau des Domes zur evangelischen Hofkirche ein. Der nach der Reformation von den Chorherren verlassene Bau wäre bald zum Steinbruch geworden. Die Herzogin förderte gleichfalls die Ausgestaltung der neuen Hofkirche, in der die fürstlichen Grabdenkmäler ihren Platz fanden. Der Umbau rettete den Dom. Das im nördlichen Chorraum aufgestellte Ulrich-Monument zählt zu den bedeutendsten fürstlichen Erinnerungsgrabmälern der Renaissance. Ein fast architektonischer, an antiker Formensprache orientierter Rahmen zeigt drei hintereinander kniende Figuren: Herzog Ulrich und seine zwei Ehefrauen Elisabeth von Dänemark und Anna von Pommern (1554–1626). Elisabeth im Kleid aus weißem Marmor mit goldenen Borten, graziösen Puffärmeln und weitem, vielfaltigem Kragen. Eine zierliche Haube, einer Krone gleich, schmückt den Kopf. Das Gesicht blass, seltsam starr. Weich lagern die Knie auf einem prächtigen Kissen.

Während das steinerne Denkmal an die Herzogin erinnert, ist von ihrem Garten keine Abbildung überliefert. Allein Beschreibungen und Archivalien geben vage Auskunft über sein Aussehen. Doch die Schlossarchitektur lässt erahnen, wie glanzvoll dieser Garten einst gewesen sein mag. Vor den Toren der mecklenburgischen Landstadt Güstrow, durchzogen vom kleinen Fluss Nebel und an der Kreuzung wichtiger Handelsstraßen gelegen, entstand in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Residenzgarten unter dem Einfluss der Renaissance. Als ein nordisches Pendant zur südlich inspirierten Gartenkultur hinterlässt er Spuren in alten Aufzeichnungen, erzeugt Erwartungen, regt zu Deutungen an und bleibt doch schemenhaft. Dabei ist der Rahmen dieses Gartenkunstwerkes erhalten geblieben.

Dem Weg durch das barocke Torhaus des Güstrower Schlosses folgend, zeigt sich der Spaziergängerin von der Schlossbrücke mit einem Blick nach rechts das große Gartenparterre vor dem Südflügel. Etwa ein Hektar groß ist die rechteckige Gartenfläche, die von einem Laubengang aus Hainbuchen und einem Wassergraben eingerahmt wird. In neun Beetquartieren, acht in rechteckiger, das mittig gelegene in Herzform eingefasst, stehen Lavendel, zierliche Bäume und im jahreszeitlichen Wechsel gepflanzte Blumen. Zur sommerlichen Blüte ist der Gartenraum von Duft erfüllt. Besucher schwärmen, schauen, riechen. Die Illusion barocker Feststimmung lebt auf. Was für Träume ein Garten wecken kann!

Dieses geordnete Gartenkunstwerk ist jedoch vom Renaissancegarten Herzogin Elisabeths zu unterscheiden. Der heutige Garten stellt eine Rekonstruktion nach grafischen Darstellungen aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert dar. Genauer betrachtet, ist er eine Neuschöpfung. Kunsthistoriker würdigen den Güstrower Schlossgarten als eine der wenigen in Mittel- und Nordeuropa existierenden Anlagen, die, am authentischen Ort wiederhergestellt, eine Vorstellung von dem vermittelt, wie ein Fürstengarten der Renaissance an der Schwelle zum Barock aussah. Elisabeths Garten sehen wir nicht. Nachweislich existierte der Garten in veränderter Form bis zum Erlöschen der Güstrower Linie im späten 17. Jahrhundert. Entsprechend dem Gestaltungswillen der mecklenburgischen Herzöge und des kaiserlichen Feldherrn Albrecht von Wallenstein, kurzzeitig im Besitz der Herzogswürde, war der Garten verändert worden. Diese Herzöge nutzten den Residenzgarten gleichfalls als ihre Bühne, auf der kostbare Pflanzen, stilvoll komponierte Beete und meisterhafte Brunnen Schönheit und Größe versinnbildlichten. Dieses Verhalten dokumentiert die zunehmende Bedeutung der Gartenkultur in ganz Europa. Dabei stand der Renaissancegarten am Beginn einer neuen, herrschaftliche Darstellungsformen in ungeahnten Dimensionen verkörpernden Entwicklung. Zu großen Teilen bestimmten Männer als Auftraggeber und Gestalter die grüne Kunstgattung. Umso wertvoller ist es, aus der Zeit des Entstehungsprozesses eines solchen Gartens über Quellen zu verfügen, die von weiblicher Beteiligung am Gestaltungsprozess berichten. 

Gelebte Gartenträume

Unbestreitbar ist, Frauen nahmen großen Einfluss auf die Gartenkultur. Anhand der überlieferten Quellen lässt sich das jedoch nur in geringerem Maße nachweisen. Ein Blick auf die Rahmenhandlung des Decamerone, dieses ersten Romans der europäischen Literatur, betont den weiblichen Einfluss. So lässt Giovanni Boccaccio junge Damen den Entschluss fassen, sich in eine Villa, zwei Meilen von Florenz entfernt, vor dem in der Stadt wütenden schwarzen Tod zu flüchten. Es war die Zeit der großen Pest von 1348. Sieben Damen schließen sich drei junge Herren an. Diese zehn Vertreter der guten Gesellschaft erzählen sich an zehn Tagen einhundert Novellen, ganz wunderbare Geschichten aus dem Leben dieser Zeit, und entfliehen damit ihrer furchterregenden Gegenwart. Das Werk ist ein amüsantes Mosaik der Frührenaissance, das mit Blick in einen ländlichen Garten erzählt wird. Angesichts der in der Stadt herrschenden Gefahr erscheint die Situation fast paradiesisch.

In der Tat suchten Menschen über den Wandel der Zeiten hinweg im Garten nach dem verlorenen Paradies. Die Begriffe Garten und Paradies besitzen eine gemeinsame Sprachwurzel. Das Wort Paradies ist aus dem Alt-Persischen abgeleitet und heißt so viel wie umzäunter Park oder Lustgarten des Königs. Das spätbabylonische Wort paradisu/pardisu ist eine weitere Wortvariante und auch das hebräische pardes und das griechische paradeisos bezeichnen den Lustgarten des Gelebte Gartenträume persischen Königs. Der indogermanische Wortstamm ghordho/ghordo-s kann Hof wie auch Gehege bedeuten. In diesen etymologischen Zusammenhang ist das lateinische Wort hortus einzuordnen. Vielleicht suchte das tief religiöse mecklenburgische Herzogspaar, dessen Garten noch ganz in der Tradition umfriedeter, nach außen abgeschlossener Burggärten stand, dort ebenso nach dem Paradies.

Der Residenzgarten erfüllte vielerlei Ansprüche und Erwartungen. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts galten in den deutschen Territorien die Reichsstädte Nürnberg, Augsburg und Frankfurt als Orte, an denen Gartengestaltung nach Vorbildern italienischer Renaissancegärten zu bewundern waren. In bürgerlichen Kreisen fand die Renaissancekunst besonders durch die intensiven Handelsverbindungen der süddeutschen Kaufleute mit Italien rasch Aufnahme. Stolz präsentierten die wohlhabenden Patrizier in ihren Gärten Zitrusgewächse und andere mediterrane Raritäten. Der starke Einfluss Italiens stellte, wie in anderen Aspekten der Renaissancekultur, einen Rückbezug auf die Antike dar. Die durch Handel und Gewerbe reich gewordenen Bewohner der italienischen Stadtrepubliken besannen sich auf die klassischen Lebensformen der Reichen im antiken Rom. Sie strebten danach, wie ihre Vorbilder eine Villa auf dem Lande zu besitzen. So konnten sie zugleich den schlechten hygienischen Verhältnissen der Städte entfliehen, wie es Boccaccio im Decamerone beschreibt.

In den Hügeln um Florenz, an den Hängen in Rom, insbesondere also an den Orten, wo im gebirgigen Italien die mitteleuropäische Landschaft dem Mittelmeerraum begegnet, offenbarten Stadtbürger ihren Gestaltungswillen für Villen und Gärten. Dabei wandelten sich Villen zu Zentren der Kultur und Gärten zu Lebensräumen des Geistes und der Sinne. Allmählich formten sich aus den mittelalterlichen Nutzgärten die Gärten der Neuzeit. Neue gestalterische Normen formulierten neue Ansprüche an die Präsentation fürstlicher Macht. Diese Wiedergeburt orientierte sich an antiken Idealen und führte den Menschen mit all seinen Sinnen in die Natur. Im Garten zu sein, verhieß eine Einladung zu Musik, festlicher Unterhaltung und zum philosophischen Gespräch im intimen Kreis. Zugleich blieb der Garten dem Besitzer und seinen Gästen vorbehalten. Er war Rückzugsort, spendete Erholung und bot vielfältige Ablenkung. Den Garten umgebende Zäune oder Mauern sollten unsichtbar bleiben. Auf der Terrasse stehend konnte der Betrachter die umgebende Landschaft wahrnehmen, in eine geistige Beziehung zu dieser treten. Doch sie blieb vom privaten Gartenraum getrennt. Treppen luden den Besucher zur Selbstinszenierung ein, bildeten eine Bühne für die Kommunikation zwischen den Personen. Der Lustgarten entfaltete Pracht und vermittelte Botschaften, die der entziffern konnte, der in Mythologie, antiker Literatur und zeitgenössischer Politik bewandert war.

Von den Schönheiten und Verlockungen italienischer Gärten schwärmten bald junge Adlige und reisende Gelehrte. Sie verbreiteten die Nachrichten von den zauberhaften italienischen Gärten in ganz Europa. Auf den ersten Blick ist es ein Widerspruch, dass dies häufig durch Kriege geschah. Insbesondere Kriege, die die mächtigen italienischen Stadtstaaten abwechselnd mit den französischen Königen oder den Habsburgern führten. Nachdem etwa Karl VIII. von Frankreich 1494 Neapel erobert hatte, glaubten der König und sein ganzer Hof, in der über dem Golf thronenden Villa in Poggio Reale ein „irdisches Paradies“ entdeckt zu haben. Beladen mit italienischen Gobelins, Gemälden und Skulpturen und begleitet von italienischen Handwerkern kehrten der König und sein Heer nach Frankreich zurück. In die Schlösser an der Loire und nahe von Paris zog der italienische Stil ein. Natürlich auch in die Gärten. Der größte Teil dieser frühen Gartenkunstwerke ist längst verloren. Zahlreiche der ersten französischen Renaissancegärten wurden zu späterer Zeit im Parterre-Stil eines André Le Nôtre oder im englischen Landschaftsstil umgestaltet.

Was in Italien mühelos gelang, erwies sich in Frankreich als schwierig. Die Grundrisse der französischen Schlossanlagen waren unregelmäßig. Zudem fehlte der Komposition von Schloss und Garten der in Italien so favorisierte Ausblick des Betrachters in die Landschaft. Den Gärtnern und ihren Auftraggebern gelang es allmählich, die italienischen Vorgaben an die Landschaften nördlich der Alpen, ihre veränderten Wetterbedingungen und Architekturstile anzupassen. Voller Begeisterung ließ König Franz I. von Frankreich das südlich von Paris gelegene Fontainebleau nach der neuesten Mode ausstatten und dort einen Garten anlegen. Vermutlich fand sich hier eines der frühesten Beispiele, den italienischen Grottenstil nachzuahmen.