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ZANIB MIAN
Illustriert von Nasaya Mafaridik
Aus dem Englischen übersetzt von Ann Lecker
BAND 3
Dieses Buch ist allen Kindern gewidmet,
die das Richtige tun, sogar wenn niemand hinsieht.
MRS MILLER
MRS MILLER
Beste Lehrerin im ganzen Universum
Mit ihr
wird immer
alles gut
100
Ich kenne
keine andere
Person, deren
Haar genauso
viel aus-
drücken
kann wie
ihr Gesicht
Super-
freundlich
ELLIE SARAH
Spricht Französisch
und natürlich
Englisch!
Bonjour!
Neugierige
Spinatwachtel
Ihr fällt zu allem
ein Reim ein
Lass dich blo
ß
nicht
von ihrem Engels-
gesicht täuschen
Beste
Freundinnen
ELLIE SARAH
OMAR
Beim ersten Flug
für Touristen zum
Mars möchte ich
dabei sein
Ich kann mit
der Zunge
meinen Ellen-
bogen berühren
(du auch?)
Tauben sind mir
nicht geheuer
Ich habe eine geheime Knopfsammlung,
von der keiner wei
ß
(au
ß
er dir
natürlich, weil du es gerade hier
gelesen hast)
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P!
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KAPITEL 1
B
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P,
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I
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E
P!
Das war mein nerviger Wecker, der mich am ersten
Schultag nach den Ferien
aus dem Schlaf riss. Ich
wollte nicht aufstehen.
Nachdem ich in den
letzten zwei Wochen
mindestens bis neun
geschlafen hatte, fühlte
sich sieben Uhr morgens
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wie mitten in
der Nacht an!
Besonders nervte mich, dass Mama ihn auf die
andere Seite des Zimmers statt auf meinen Nacht-
tisch gestellt hatte und ich aufstehen MUSSTE, um
das Gepiepse auszuschalten. Natürlich versuchte
ich, schlau zu sein und warf mein Kissen drauf.
Doch es war wohl zu schwer und dick und flog
nicht sehr weit. Ich kramte in meiner Nachttisch-
schublade nach einem anderen Wurfgeschoss und
fand einen Knautschball, den ich behalten hatte,
weil er
wie
fruchtiger
KAUGUMMI
duftete.
Mit zusammengekniffenen Augen nahm ich den
Wecker ins Visier, hob den Ball an …
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AUF DIE PLÄTZE,
ZIELEN,
WURF!
Jep, du hast es
erraten. Der Ball traf
sie mitten ins Ge-
sicht. Zum Glück war
er weich, sonst hätte
ich ORDENTLICH
Ärger bekommen.
Natürlich verlief
auch der restliche
*
J
A
P
S
*
Huch. Genau in dem Moment kam meine Schwes-
ter Maryam ins Zimmer und schimpfte:
„Mach endlich dieses „Mach endlich dieses
Ding aus, du faules Ei!“Ding aus, du faules Ei!“
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Morgen alles andere als reibungslos. Mama und
Papa waren ganz und gar nicht begeistert. Maryam
machte ein Riesentheater und erklärte, dass sie nie
wieder mit mir reden würde. Und dann weigerte
sich mein kleiner Bruder Esa, seinen Mantel anzu-
ziehen, weshalb wir uns verspäteten und alle noch
grummeliger wurden. Ich hatte als Einziger gute
Laune, weil ich mich auf das Wiedersehen mit
meinen Freunden Charlie und Daniel freute.
Kurz darauf rannten die beiden auf dem Pausen-
hof auf mich zu und gaben mir einen Klaps auf den
Rücken. Ein Klaps auf den Rücken bedeutet so viel
wie:
„Hi! Ich bin so froh, dich    u sehen.
Ich habe dich ech   vermiss   .“
Das ist nicht ganz so kitschig, wie es tatsächlich
zu sagen,
IST DOCH KLAR.
„Wisst ihr, was?“, fragte Daniel. „Meine
Eltern haben mir endlich ein neues Fahrrad
besorgt! Es ist so cool. Ich muss es euch
un bedingt zeigen!“
„Ah. Hast du ein Glück!“, antwortete Charlie.
„Ja, bei meinem springt immer noch ständig
die Kette raus“, sagte ich.
„Aber dein Papa kann doch richtig gut
Sachen reparieren“, meinte Daniel.
„Ja, stimmt – ich sollte ihn mal fragen.
Das Einzige, das er nicht
reparieren kann, ist die
Schraube, die bei Maryam
locker ist“,
witzelte ich. Und wir lachten alle, weil wir uns
darüber einig waren. Wir quatschten die ganze
Zeit, während wir uns im Pausenhof auf-
stellten, wo Mrs Miller uns ab holen würde.
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Ich hatte ihr einen der
mitgebracht, die unsere Nachbarin Mrs Rogers
tags zuvor vorbeigebracht hatte. Mrs Miller ist
vermutlich die netteste Lehrerin aller Zeiten. Ich
meine, komm schon, wer würde einen von Mrs
Rogers’ Cupcakes freiwillig an jemanden verschen-
ken, den er nicht mag. Meiner Meinung nach ver-
diente Mrs Miller einen, weil sie uns immer im
richtigen Moment zuzwinkerte, bei einem Streit
zwischen zwei Kindern immer fair war und weil
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ihr Un  errich
immer S   a   mach   e.
Vor den Ferien hatten wir das
Universum mit ihr durchgenom-
men und Mrs Miller hatte uns
erklärt, dass manche Wissen-
schaftler glauben, es gäbe Leben
auf anderen Planeten –
also Außer irdische. Als Auf-
gabe sollten wir uns vor-
stellen, wie die aussehen
könnten. Es war überhaupt
nicht wie eine normale, lang-
weilige Schulstunde!
„Aber Vorsicht“, hatte sie uns gewarnt.
Vielleicht beobachten sie uns. Lasst
sie bloß nicht wissen, dass wir ihnen
auf der Spur sind.“
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Doch als eine Lehrerin kam, um uns reinzubrin-
gen, war es nicht Mrs Miller.
Diese Lehrerin war
g
ß
er
und
dünner
und ihr Haar
war gar NICHT lustig.
Die Runzeln in ihrem Gesicht verrieten mir, dass
sie den Großteil ihres Lebens damit verbracht hatte,
böse zu gucken und die Augenbrauen streng zu
kräuseln. Ihre Kleider waren grau und ihre Schuhe
SPITZ
. Ihr gar-nicht-so-lustiges Haar war in
einen so festen und ordentlichen Dutt zusammen-
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gebunden, dass
ich mir vorstellte,
wie sie jede ab-
stehende Strähne
mit einem High-
tech-Laser auf-
spürte und nieder-
zappte.
Daniel und
Charlie sahen
mich mit Frage-
zeichenaugen-
brauen an. Ist
dir schon mal
aufgefallen,
dass die Augen-
brauen einem am
meisten verraten,
wie sich jemand
fühlt?
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Hier ein paar Beispiele, was Charlies Augen-
brauen so alles ausdrücken:
HÄ? WAS
IST LOS?
Meistens dann, wenn
er Textaufgaben lösen
muss.
WOW, DAS MACHT
SO VIEL SPASS!
Meistens dann, wenn
wir ein neues Spiel
entdeckt haben.
OH MEIN GOTT, ICH
WERDE STERBEN.
Meistens dann, wenn
eine Spinne die Wand
hochkrabbelt.
Wie auch immer, zurück zur seltsamen Lehrerin.
„Folgt mir“ war das Einzige, das sie zu uns
sagte – so gruselig. Dann wirbelte sie auf dem
spitzesten Absatz herum, den ich je gesehen habe,
und marschierte auf das Schulgebäude zu.
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KAPITEL 2
Wir drängten uns ins Klassenzimmer und steuerten
auf unsere Plätze zu.
„Wer IST das?“, flüsterte Daniel.
„Mach dir keine Sorgen, wahrscheinlich niemand.
Mrs Miller ist bestimmt nur krank oder so was und
morgen wieder da“, antwortete ich.
Doch in dem Moment sagte die neue Lehrerin:
„Ich bin Mrs O’Malley.
Ich bin für den Rest
des Schuljahres eure Lehrerin.“
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Jedes Wort aus ihrem Mund traf mich wie ein
schwerer Metallgegenstand am Kopf.
Ich sah Charlie an. Seine Augenbrauen waren
voller Angst. Ich wollte den Arm um ihn legen.
Daniel zwickte mein Bein unterm Tisch.
„Daniel! Hör auf! Autsch! Was soll das?“
„Ich zwicke dich, um mich zu vergewissern,
dass ich nicht träume.“
Du musst dich
selbst zwicken,
du Dussel!“
„Ihr zwei in der hinteren Reihe. Lasst den Unfug“,
ermahnte uns Mrs O’Malley. „Das bringt mich zu
meiner ersten Aufgabe – euch allen neue Plätze
zuweisen. Von jetzt an sitzt ihr nicht mehr neben
euren geschwätzigen kleinen Freunden, sondern
dort, wo ich es sage.“
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h
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.
„Sie ist kein Niemand“, sagte Daniel.
„Nein“, stimmte ich ihm zu. Ich sah auf den
Cupcake hinunter. Auch er schaute traurig.
S
c
h
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c
k
.
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Unsere Fragen
und Gefühle
mussten wir alle
bis zur Pause für uns
behalten. Keiner von uns
traute sich, die Hand zu
heben und sich zu erkundigen,
was mit Mrs Miller passiert war. Vor
allem nicht, nachdem meine neue Tisch-
nachbarin Ellie gefragt hatte, ob sie so etwas
Harmloses wie aufstehen und ihre Bleistiftspäne in
den Mülleimer werfen dürfe. Dafür
fing sie sich von der
Lehrerin einen Blick ein,
bei dem sich sogar
Superman
in die Hose gemacht hätte.
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Als wir endlich in die Pause durften, gingen
Charlie, Daniel und ich superschnell auf den Aus-
gang zu – wir dürfen nämlich nicht rennen.
Wir pressten die Lippen aufeinander, bis wir
die frische kalte Luft draußen spürten, und dann
explodierte Daniel regelrecht.
„Wo ist Mrs Miller?“, jammerte er.
Charlie sah uns einfach nur schweigend an,
als stünde er unter Schock.
„Es ist also nicht nur für einen Tag, sie hat
gesagt, sie wäre für den Rest des Jahres unsere
Lehrerin!“, klagte ich.
„Aber was ist mit Mrs Miller passiert? Warum
würde sie uns einfach so verlassen?!“, wollte Daniel
wissen.
Keine Ahnung.
Aber wir müssen es herausfinden.“
Ich legte den Arm um Charlie, der immer noch
kein Wort gesagt hatte. Am gleichen Tag Mrs Miller
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zu verlieren UND Charlie so traurig zu sehen, war
kaum auszuhalten!
Endlich sagte mein Freund etwas. „Sollen wir
einen der anderen Lehrer fragen?“
„Gute Idee“, sagte ich und rannte sofort auf den
Lehrer zu, der Pausenaufsicht hatte. Charlie und
Daniel kamen hinterher.
Mr Henry war bereits von mehreren Kindern
umgeben und schimpfte gerade eins aus, während
ein anderes weinend dastand und der Rest zusah.
Wir warteten, bis er mit Schimpfen fertig war,
und fragten dann: „Mr Henry,
wo ist
Mrs Miller?“
Der Lehrer schaute in alle Richtungen, um he-
rauszufinden, woher die Frage kam. Da ihn noch
etwa sechs andere Kinder anstarrten, hatte er nicht
mitbekommen, dass ich sie gestellt hatte.
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„Keine Ahnung! Auf dem Klo wahrscheinlich!
Woher soll ich das wissen?“, blaffte er, während er
sich den Kopf rieb, als würden wir dann alle ver-
schwinden.
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Charlie zupfte mich am Ärmel. „Komm schon,
das bringt nichts.“
Wir liefen nicht sonderlich gesprächig auf dem
Pausenhof herum. Das störte mich nicht, weil ich
mir alles Mögliche ausdachte, was hätte passiert
sein können.
Vielleicht hatte Mrs Miller zu viele dieser super-
luftigen Käseflips zu Mittag gegessen und war
so federleicht geworden, dass sie hinauf in die
Wolken geschwebt war. Dann stellte ich mir vor,
sie wäre dort oben unsichtbar geworden und
würde jetzt versuchen, uns auf sich aufmerksam
zu machen, damit wir ihr halfen, zurück auf die
Erde zu kommen. Nur konnten wir sie einfach
nicht sehen.
Mrs Miller! Wenn Sie
da sind, werfen Sie
uns einen Wolkenball
zu!“, sagte ich laut.
„Was?“, fragten Charlie und Daniel im Chor.
„Bist du übergeschnappt?“
Ich kicherte.
War einen
Versuch wert
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KAPITEL 3
Auf dem Weg nach Hause erzählte ich Mama von
Mrs Millers schrecklichem Verschwinden.
„Dafür gibt es bestimmt eine vernünftige
Erklärung“, meinte Mama. „Wahrscheinlich schickt
die Schule uns einen Brief.“
Sie betrachtete das Ganze wie eine Erwachsene,
weil sie das ja auch ist, aber es half überhaupt nicht
und war
SUPER
ÖDE.
„Aber, Mama!“, erwiderte ich. „Was ist, wenn ihr
etwas zugestoßen ist und wir eine Rettungsaktion
starten müssen?“
Wann hören Kinder auf,
ständig zu übertreiben?
Bearbeiten
Das habe ich im Internet gefunden:
WEBSITES
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Mama verdrehte die Augen und sagte:
„Hallo, Siri, wann hören Kinder auf, ständig zu
übertreiben?“
Siri antwortete: „Das ist das Ergebnis meiner
Websuche.
Siri war in letzter Zeit Mamas beste Freundin.
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Diesmal verdreh   e
ich die Augen
und dachte mir, dass Maryam vermutlich eine
größere Hilfe wäre.
Als ich nach Hause kam, lag meine große
Schwester auf dem Bett und tippte auf ihrem Handy
he rum.
WOW!
Du hast nicht mal
vergessen anzuklopfen.
Bestimmt willst du irgendwas.“
„Mehr oder weniger. Mrs Miller ist nicht mehr
da und wir haben jetzt eine grauenhafte Lehrerin
namens Mrs O’Malley und Mama will nichts davon
hören.“
„Oh. Wo ist sie denn hin?“
„Na, das ist es ja. Keiner weiß es.“
„Stimmt nicht, Omar.
JEMAND WEISS ES.
Du musst nur diesen Jemand finden.
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„Wo finde ich diesen Jemand?“
„Im Lehrerzimmer wahrscheinlich. Das ist voller
Tratsch Tratsch undund Geheimnisse.
Darum dürfen Kinder da nicht rein.
„Wow. Echt?“
„Ja, echt.“
„Okay, danke!“
„Bitte schön,
Beim Rausgehen schnupperte ich hinter mir in
der Luft, nur um ganz sicherzugehen.
Ich malte mir das Lehrerzimmer aus. Keiner
meiner Freunde war jemals dort drin gewesen. Aber
es war bestimmt dunkel und voller verstaubter
Ordner, die mit lauter schrecklichen Geheimnissen
gefüllt waren. Ich stellte mir vor, wie die Lehrer
Biber-Pups.“