Cover

Peter Littger

«Hello in
the round!»

Der Trouble mit unserem Englisch
und wie man ihn shootet

C.H.Beck


Zum Buch

Kein Tag vergeht ohne Englisch: gesprochen, gelesen, gerührt und geschüttelt. Der Cocktail, den wir uns und dem Rest der Welt zusammenrühren, ist nicht selten Ausdruck akuter Sprachverwirrung und chronischer Anglizitis. Egal ob small talk oder private talk, job interview oder business negotiation: Immer wieder treffen uns Blicke voller Verwunderung und Mitleid, weil sport nun einmal nicht dasselbe ist wie «Sport», flirt nicht dasselbe wie «Flirt», der «Dienstwagen» nicht service car bedeutet, «skrupellos» nicht scrupulous und «eklatant mankos» in Wahrheit major shortcomings in our language skills sind.

«Hello in round!» ist eine Sammlung alltäglicher Hürden, die im Weg sind, wenn wir Englisch sprechen. Dass der Autor seine eigenen sprachlichen Unzulänglichkeiten nicht ausklammert, hat ihn bei Leserinnen und Lesern als «Der Denglische Patient» bekannt und beliebt gemacht. Sein übergeordneter Blick gilt dem Problem, dass Englisch längst keine Fremdsprache mehr ist, sondern eine Art zweite Muttersprache, in den meisten Fällen allerdings ohne Mutter. Oder Vater.

Über den Autor

Peter Littger ist Journalist und Speaker-Textwriter mit einer Leidenschaft für Sprachkultur. Er hält Gastvorträge und schreibt Kolumnen, zum Beispiel in der «Wirtschaftswoche» («Mehr Erfolg mit Englisch») oder für ntv.de («Der Denglische Patient»). Sein Buch «The devil lies in the detail. Lustiges und Lehrreiches über unsere Lieblingsfremdsprache» führte viele Wochen die «Spiegel-Bestsellerliste» an. Mit dem RBB Sender Radioeins produziert er seit Herbst 2021 den Podcast «Dear Ladies and Germans!» über deutsche Eigen- und Unarten. Peter Littger wurde 1973 in Aachen geboren, studierte in Berlin und London, war u.a. Redakteur der «Zeit», Gründungsredakteur des «Cicero» und ist Juror im «Bundeswettbewerb Fremdsprachen».

Der Autor freut sich über Anregung, Interesse und followers unter:

Inhalt

«Hello together!» – Bühne frei für den Denglischen Patienten mit seinen typischen Symptomen

Gebrauchsanleitung für dieses Buch

«We have acoustic problems» – Tipps fürs nächste webinar, den nächsten video call und überhaupt für jedes team meeting

I feel so English – Nur keine Hemmungen! Sprechen Sie ruhig über Ihre Gefühle

Too much information! – Passen Sie auf, dass Sie nicht private und personal verwechseln

Bekennt endlich Farbe – know your true colours! – Wie man «rot sieht» und «das Blaue vom Himmel lügt»

Helmut me home! – Über einen Clown aus Dresden, der in einem New Yorker Taxi die geniale verbification lehrt

«We have a grandios Saison gespielt» – Fußballsprache, erste Halbzeit: Denglische Stolperfallen von A bis Z

Let’s talk footy! – Fußballsprache, zweite Halbzeit: Kommentieren wie die englischen pros

So, let’s talk footy!

Is your boss moving the goalposts? – Fußballsprache, Verlängerung: Jetzt noch schnell 10 Phrasen fürs business English

German gender – Deutsch hat es, Englisch nicht: der, die, das Problem

I don’t want your buddy wash! – Manchmal kommt es (doch) auf die Aussprache an

«I can’t get no desinfection!» – Was uns die Coronakrise sprachlich gebracht hat

Unser Mann in L. A. – Wenn Sie nach einer Übersetzung für «spießig» suchen, hilft Ihnen Larry David

The wurst case scenarioFoosball, energiewende, currywurst … Im Notfall wurschteln wir uns mit Deutsch durch

Eine Dienstwagenaffäre – Wie gut können Sie job perks verhandeln? Die Rockstars machen vor, wie es geht

Segway to heaven – Beherrschen Sie den «Sprung ins kalte Wasser» und andere Übergänge im Leben?

«Our English is very confusing, or?» – Die kleinsten Wörter sind eh die gemeinsten, auch auf Englisch

Fuck off for beginners – Eine verflucht lange, aber verdammt nützliche Gebrauchsanweisung

Baby, are you hangry? – Ein Lob auf den englischen Trend zum Schachtelwort!

The land of broilers and dispatchers – «English made in GDR»: Wie es entstand, bekämpft wurde und was davon geblieben ist

Make your English great again! – Donald Trump war eine sprachliche Katastrophe, von der wir lernen können

Neues aus der Anglosphere – Über den Sinn (und Unsinn) von Anglizismen Mit einem Glossar von 20 Begriffen, die Sie kennen sollten: von ageism bis Zoomer

Rudolf Eyestones Erben – Verschwurbeltes Englisch hat beim «Spiegel» Tradition

To shoot or not to shoot – Wann stellen unsere Medien ihre Massenschießereien ein?

Souverän geht anders – Wer sich nach Einfluss und Gelassenheit sehnt, muss ein Wort vermeiden: sovereign!

«Let’s become concrete!» – Konkrete Tipps zum Umgang mit dem Verb to become

The trouble with BILD – Ein deutsch-englisches interview, das (mal wieder) in die Hose ging

The art of Schweinkram – Wann sind unsere dreckigen Ausrutscher harmlos und wann nicht?

Wer sich konzentriert, verliert! – Verben auf «-ieren», die im Englischen (etwas) anders funktionieren

Dank – Acknowledgements

Für meine Mutter – to my mother

«Hello together!»

Bühne frei für den Denglischen Patienten mit seinen typischen Symptomen

Let’s kick off with the good news – lassen Sie mich mit der guten Nachricht beginnen: Our English is getting better! Wir steigern uns, jedenfalls wenn man den Deutschen glauben mag, die sich Bestnoten für ihre language skills geben. Rund 35 Millionen sind es laut Hochrechnung des Allensbach Instituts im Jahr 2021 gewesen. Zwei Drittel davon bewerteten ihr Englisch als «ziemlich gut», ein Drittel sogar als «sehr gut». Das waren 2 Millionen mehr als noch im Jahr 2015.

Damals, vor sechs Jahren, habe ich mein erstes Buch über unsere Lieblingsfremdsprache und den trouble mit ihr geschrieben. Seitdem ist mir bewusst, dass sich ein tiefer Sprachgraben durch unsere Gesellschaft zieht – a colossal language divide runs across Germany. Auch weiterhin erklärt eine Mehrheit von 36 Millionen Menschen im Alter über 14 Jahren, «wenig bis gar kein Englisch» zu können. Obwohl es diese Kluft mit Sicherheit noch lange geben wird, schließt sie sich stetig.

Die Ursachen für diesen trend sind vielfältig. Einen wichtigen Faktor bildet die Schulzeit mit vielen englischsprachigen Einflüssen, die über den Unterricht hinausgehen. Wer zum Beispiel bei Fridays for Future mitmarschieren will, kommt irgendwann mit Deutsch nicht mehr weiter. Dasselbe gilt für andere Betätigungsfelder der Jugend, egal ob politisch oder hedonistisch: Die einen «gamen» oder «coden», die anderen sind influencers und followers bei TikTok oder Instagram. Darüber hinaus werden englischsprachige Medien in allen Altersgruppen und sozialen Schichten genutzt wie nie zuvor. Selbst einem Viertel der über 80-Jährigen sollen sie mittlerweile zur Information, Unterhaltung oder Lebensgestaltung dienen. Überhaupt ist Englisch längst die Weltsprache der Wahl für viele öffentliche Themen wie technology, business und economy, healthcare, fashion, media und entertainment, unsere gesamte Selbstinszenierung eingeschlossen. Außerdem wächst die Zahl mehrsprachiger Beziehungen, in denen Englisch wenigstens als Drittsprache zum Einsatz kommt. Und es ergeben sich ständig neue englischsprachige Arbeitsverhältnisse.

… which brings me to the bad news – was mich zur schlechten Nachricht führt. Sie ist wirklich ernüchternd – a real downer! Denn ganz egal auf welcher Seite des Sprachgrabens wir stehen: Wir alle fabrizieren eine enorme Menge englischen nonsense.

Ich möchte dafür zunächst das Englische im Deutschen betrachten, also den alltäglichen mix beider Sprachen, den wir pflegen, wenn wir unter uns sind. Hier kommt «Denglisch» ins Spiel, eine spezifisch deutschsprachige Aneignung und Verfremdung. Ich unterscheide «Funny», «Fake» und «Fancy»:

1. «Funny»: scherzhaft in englische Wörter gekleidete deutsche Phrasen wie «Now we have the salad» oder «Again what learned». Der Spaß ist verbreitet und nicht zuletzt eine Geheimsprache, da er sich ohne Deutschkenntnisse kaum erschließt. Hört ein Engländer den Klassiker «This is not the yellow from the egg», mag er erstaunt fragen: What the egg does that mean? (Mehr dazu im Kapitel «Bekennt endlich Farbe – know your true colours!».) Und wo ich das «Ei» erwähne: Im Herbst 2020 war ich am Deutschen Eck in Koblenz und hörte, wie ein Reiseführer einer Gruppe ausländischer Touristen was vom «German Egg» erzählte. Ein Witz? Ich weiß es nicht. An diesem Punkt wird das Komische problematisch – at this point funny haha turns into funny peculiar! Weil nicht mehr klar ist, ob der Quatsch noch Quatsch ist, wenn etwa auf dem Münchner Oktoberfest der Kaiserschmarrn todernst als «Emperor’s Nonsense» verkauft wird. Auch halten nicht wenige deutschsprachige Menschen «Hello together!» oder «Hello in the round!» für anschlussfähiges Englisch. Es sind typische Begrüßungen in video calls oder auf Konferenzen. (Mehr dazu lesen Sie im nächsten Kapitel «We have acoustic problems».)

2. «Fake»: vermeintlich entlehnte englische Wörter und Wendungen, also scheinbare loan words, die wir aber gar nicht geliehen, sondern frei erfunden oder umgedeutet haben. Sprachwissenschaftler nennen es «Pseudoenglisch», ich bevorzuge das label ‹English made in Germany›. Nachrichten, Regierungserklärungen, die Werbung und nicht zuletzt unser privater und beruflicher Alltag sind voll davon: «Happy End» – statt happy ending. «Flirt» – statt flirtation. «Shakehands» – statt handshake. «Pony» – statt fringes oder bangs. «Box» statt loudspeaker, «Joker» statt wild card oder trump card, «public aids» statt public aid, «Partnerlook» statt matching outfits. Immerhin ist es den mächtigen Supermarktketten Lidl und Aldi gelungen, eine Erfindung zu exportieren: 2018 wurde discounter mit der Bedeutung discount shop/store ins ‹Oxford English Dictionary› (OED) aufgenommen. Ob es auch anderen gelingt, zum Beispiel der «Bio Company»? (Mehr über Pseudoenglisch im Kapitel «Neues aus der Anglosphere».)

3. «Fancy»: das hemmungslose Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch oder Deutsch und Pseudoenglisch. Mal ist es originell wie das Leipziger Freiluftfestival «Klassik airleben» oder der Spruch der Berliner Stadtreinigung «We kehr for you». Mal ist es schrecklich wie «Back Factory», «Ehegattensplitting», «Baby Shootings» oder gleich ganze «Familien Shootings» (siehe Kapitel ‹To shoot or not to shoot›). Auch in vollständigen Sätzen ist die Mixtur zuweilen unheimlich gewagt, wenn der Kollege «für ein Schnitzel geht» oder die Kollegin «fein ist mit einem Kaffee». Doch selbst davon gibt es noch eine Steigerung, etwa wenn mir ein Hotel in Lüneburg «mit fancyigen Grüßen» schreibt, wenn ein Consultant «die Brain Capacity nicht enough skaliert» oder eine Schülerin mit neuen «Sneakern flext», die sie «ercampt» hat, während sie die anderen total «cringy» finden. Eine Untersuchung deutschsprachiger Werbetexte verschiedener Automobilhersteller ergab 2018 einen Anteil englischer und scheinenglischer Wörter und Wendungen bis zu 30 Prozent. Also beinahe jedes dritte Wort!

Es leuchtet ein, dass wir uns mit diesen eigenwilligen Vorleistungen nicht die besten Voraussetzungen für unmissverständliches English geschaffen haben. Es ist wie mit den slogans der FDP unter Christian Lindner: «Make in Germany», «Digital first, Bedenken second» oder «German Mut» – was übersetzt ein «deutscher Köter» ist, ein mutmaßlicher Juniorpartner des German shepherd. Dieser perfekte Mix aus «Funny», «Fake» und «Fancy» macht die FDP in meinen Augen zur «Freien Denglischen Partei», die der sprachlichen Realität immerhin ins Auge sieht, allerdings mit ihrem Kauderwelsch (das wohl ein angelsächsisch geprägtes mindset vortäuschen soll) niemandem weiterhilft. Vielmehr setzt sie damit bewusst unseren sprachlichen Anschluss an die Weltspitze aufs Spiel.

Unser deutsch-englischer freestyle fördert eine weitere Art von Denglisch, die aus internationaler Sicht auch Denglish genannt wird. Es ist das Deutsche im Englischen, das zu Verständigungsschwierigkeiten und Missverständnissen führt, sobald wir uns in die englischsprachige Welt vorwagen und dort auf sogenannte Muttersprachler treffen. In solchen Momenten entstehen die Probleme, denen ich dieses Buch widme: Sie sind der wahre trouble mit unserem Englisch!

Wie leicht wir sprachlich stolpern oder gar stürzen können, lässt sich ausgerechnet mit dem Wörtchen sport(s) vorturnen. Seitdem wir den Anglizismus vor vielen Generationen übernommen haben, beschreibt er alle Arten der körperlichen Ertüchtigung: Der deutsche Satz «Peter macht Sport» kann bedeuten, dass Peter Fußball spielt oder sich gymnastisch übt. In der englischen Originalsprache ist sport hingegen den Wettkampfsportarten vorbehalten, neben Fußball auch Basketball, Handball, Hockey, Cricket, Tennis, Squash oder der Formel Eins. Die englischen Sätze Peter is doing sports oder Peter likes sport/likes to do – niemals «to make» – sport(s) gelten also nicht dem Dauerlauf durch den Park oder Turnübungen auf der Matte. Diese sind, was sie sind: jogging, exercises, yoga, work out oder gymnastics: Peter is working out, Peter is exercising … Wenn englischsprachige Ärzte sportliche Betätigung empfehlen, raten sie deshalb zu ‹sport and exercises›.

Peinlich wird der trouble, wenn wir versehentlich anzüglich werden: «Peter is doing gym» – was klingt wie Peter is doing Jim, und was das bedeutet, können Sie sich denken! Deshalb rate ich zu Peter is in the gym – «Peter ist im Fitness-Studio». Ebenso unangenehm ist es, wenn wir fälschlicherweise auf das Sex- und Liebesleben schließen, obwohl ein total unverfängliches Thema angesprochen worden ist. Ich selbst bin in diese Falle getappt, als mich mein britischer Freund Joe fragte: Are you planning an outing? Da ich aus meiner Heterosexualität kein Geheimnis mache, war ich verblüfft. Bis mir klar wurde, dass er über einen «Ausflug» oder eine «Landpartie» sprach, nicht über ein öffentliches coming out auf der Pride Parade, die zufällig am selben Wochenende in Berlin stattfand. Am Rande sei bemerkt, dass sie nur im deutschsprachigen Raum als «Christopher Street Day» oder als «CSD» durchfährt.

Apropos of abbreviations – wo ich gerade eine Abkürzung erwähnt habe: Wissen Sie, was I wfh bedeutet? Es ist die kürzeste englische Form für das, was wir hartnäckig als «Home Office» bezeichnen. Die Abkürzung wfh steht für work from home. Auch ist häufig von remote work die Rede, aber niemals vom «Home Office», sofern nicht das britische Innenministerium gemeint ist!

Falls Sie sich jetzt die Frage stellen, woher man das alles wissen soll, wenn es einem niemand beigebracht hat: Diese Frage ist absolut berechtigt! Wir leben schon seit einiger Zeit mit dem Widerspruch, dass Englisch für uns genau genommen keine Fremdsprache mehr ist, aber eben auch keine Muttersprache. Es ist irgendetwas dazwischen: eine Art zweite Muttersprache – without the mother!

Ich stelle mir vor, wie diese englische Scheinmuttersprache im Sprachzentrum unseres Gehirns einen permanenten Konkurrenzkampf mit der deutschen Standardmuttersprache führt. Da Deutsch tiefer und länger angelegt ist, gewinnt es immer, wenn Zweifel bestehen oder Wissenslücken klaffen. Dann kann es passieren, dass der Unternehmer zum «undertaker» wird – also zum «Bestatter» statt zum entrepreneur. Die Schleimhaut wird zur «slime skin», der Stuhlgang zur «stoolgang», der Zahnstein zum «tooth stone», das Trinkwasser zum «drinkwater», die Hausmusik zur «house music» oder die Streicheleinheit zur «stroke unit» – einer «Intensivstation für Schlaganfälle». Das alles erscheint möglich, weil es im Englischen schließlich auch shoemakers und bookbinders, barstools und water flasks, street lamps, wisdom teeth, beer gardens oder waterfalls gibt. Selbst right-handers und left-handers notiert das OED, auch wenn sie fast ausgestorben sind und Rechts- und Linkshänder heute als right-handed oder left-handed person beschrieben werden. Vor einigen Jahren warb die österreichische Raiffeisenbank mit dem Satz «I must to the bank». Wer sich für sprachkompetent hielt, wunderte sich über so viel Denglisch, ich eingeschlossen. Bis mich mein Freund Joe vorsichtig fragte, ob ich jemals William Shakespeare gelesen hätte. In germanischer Tradition ruft Hamlet: I must to England!

Anders gesagt: Der sprachhistorische Umstand, dass Deutsch und Englisch eng miteinander verwandt sind, fördert gleichermaßen die Treffer- wie die Fehlerquote – it’s a constant trail and error. Die gemeinsamen germanischen Wurzeln legen einem unweigerlich Sätze in den Mund, die entweder passen wie Can I sit? und Hang it up! oder die so schwachsinnig sind wie «Can I become a water?». (Lesen Sie mehr über dieses Problem im Kapitel «Let’s become concrete!».)

Doch auch auf Wörter mit antiken Wurzeln ist nicht immer Verlass: Jahrelang habe ich das gewohnte «ventil» bedient, obwohl es als englisches Wort überhaupt nicht existiert! Technisch spricht man von valve [AE wälf; BE wahlf] und im übertragen Sinn vielleicht von letting off steam, an outpouring of emotions oder an emotional outlet. Ein anderes Beispiel ist das «Stativ». Einmal konnte ich eine deutsche Fotografin in London beobachten, als sie vergeblich danach suchte. Am Ende fand sie ihr tripod.

Schon häufiger habe ich mich gefragt, wie wir wohl wirken, wenn wir mit unserer sprachlichen Prägung durch die Welt ziehen. Vielleicht kennen Sie die Anekdote von einem deutschsprachigen Passagier, der medizinische Hilfe benötigt und jemanden sucht, der seine Muttersprache versteht. Als er die Frage stellt: «Spricht hier jemand Deutsch?», meldet sich ein US-Amerikaner und ruft: «Ja! Mich!» Es ist die direkte Übersetzung der englischen Antwort auf dieselbe Frage: Me! Der Patzer ist weder eine Katastrophe noch total unverständlich. Aber flüssiges Deutsch klingt trotzdem anders.

Seitdem mich unser Umgang mit der englischen Sprache beschäftigt, beobachte ich immer wieder dasselbe Problem – I have observed the same issue again and again: Wir bleiben hinter den Erwartungen zurück – we fall short of/lag behind our own expectations and those of others. Es sind Erwartungen, die wir an uns selbst stellen und die wir in anderen wecken: dass wir jede Situation fließend beherrschen. Einen Verstärker dieser Erwartung sehe ich übrigens in der Herkunftsbezeichnung ‹Made in Germany›, die uns seit Jahrzehnten als unverwechselbares Markenzeichen – a national signature brand – anhaftet. Was kann man von Menschen erwarten, die freiwillig unter einem englischsprachigen Motto handeln und dafür in aller Welt berühmt sind?

Eine dritte Erwartung stellen wir gewissermaßen an die englischsprachige Außenwelt und an das Schicksal, um nicht zu sagen, an den Sprachgott: dass alles von alleine fließt! Der deutsche Fußballer Timo Werner, der seit 2020 in London für den Chelsea Football Club spielt, hat diese Erwartung in denglischer Bestform erklärt: «In the school, when I was in the lessons, I do nothing. I never hold my finger, I never say anything. And now I have to learn English, I have to speak it, and when you speak it a lot, and when you always hear a lot when everybody speaks you learn the words by their own.»

Sicherlich ist Werner schon durch sein Gehalt von mehr als 200.000 Euro pro Woche ein untypischer Auslandsdeutscher. Doch in einem Punkt deckt sich seine Einstellung mit der vieler anderer deutschsprachiger expats. Hier noch einmal der letzte Gedanke seines statements in flüssigem und unmissverständlichem Englisch: When you speak and hear a lot of English because it’s spoken by everyone else you will learn it by default and without help. Ist das wirklich so? Lernen wir wirklich automatisch, von alleine und ohne Hilfe? Meine Erfahrung ist eine andere: Help is needed, indeed! Längst nicht nur für Timo Werner.

Wenn ich nur daran denke, wie oft wir fun und funny verwechseln. People will think that when you say ‹the job is funny› you mean ‹the job is funny›. Sollte der Job hingegen Spaß machen, aber nicht irgendwie lustig oder seltsam sein, sagt man: The job is fun. Es ist ein Patzer, den ich häufig höre. Und ich habe nicht im geringsten den Eindruck, dass er automatisch, von alleine und ohne Hilfe verschwindet.

Selbst viel Bildung und Berufserfahrung sind keine Garantie gegen denglischen Humbug. Ein Chefarzt an der Universitätsklinik in Göttingen, dessen Englisch größte Erwartungen weckt, hat mir anvertraut, was er mehr als zwei Jahrzehnte lang zu englischsprachigen Patienten sagte: «Let’s go to the station!» Selbstverständlich wollte er sie nicht zum Bahnhof führen, sondern auf die Station. Die wird allerdings ward genannt. Bemerkt hat der Arzt den Quatsch erst, als er darauf angesprochen wurde. Es war eine dringend benötigte Hilfe! Der Patzer hat den Arzt selbst zum Patienten gemacht: zur Verkörperung und zum heimlichen Paten aller Denglischen Patientinnen und Patienten – the epitome and godfather of all Denglish patients. Sein Fall verdeutlicht unseren trouble und das troubleshooting. Er hat mir auch gezeigt, was mit unserem sprachlichen Ehrgeiz und der Überzeugung, «sehr gut» oder «ziemlich gut» Englisch zu sprechen, unbedingt einhergehen sollte: Selbstkritik, Freude am Lernen und am besten ein Schuss Selbstironie!

Wie Sie schon gemerkt haben, nehme ich mich von der Kritik nicht aus. Schließlich bin ich selbst der «Denglischer Patient»[1], zum Beispiel wenn ich (mal wieder) mit hochgestochenen deutschen Wörtern völlig daneben steche. Zum Glück habe ich den schon erwähnten Freund und Kollegen Joe, den ich anrufen kann und der mir auch meistens antwortet. Sie werden meinem «Telefonjoker» im Laufe des Buchs häufiger begegnen. Und da es ein weiterer Pseudoanglizismus ist – statt helpline oder phone-a-friend lifeline –, habe ich einfach meine eigene Version geschaffen und sie Joe aus Dank gewidmet: Er ist mein «Telefonjoeker»!

Wie aufgeschmissen ich manchmal bin, wenn Joe nicht erreichbar ist oder ich keine Hand frei habe, um zu telefonieren, merkte ich während eines Vortrags beim Unternehmen Buzzfeed in New York, den ich für ein paar Gedanken zur «self-inscenation» nutzen wollte. Niemand im Publikum kannte den Begriff! Im amerikanischen Wörterbuch ‹Merriam-Webster› ist unter «inscenation» sogar vermerkt: intended as translation of German ‹inszenierung›. Als ich fertig war, lachten meine Gastgeber über meine schlechte Selbstinszenierung und alberten über self-insemination – von wegen Selbstbesamung! (Mehr über tückische deutsche Wörter auf «-ieren» lesen Sie im Kapitel «Wer sich konzentriert, verliert!».)

Im Rückblick möchte ich aus der Verwendung von «station» statt ward und «self-inscenation» statt self-presentation, self-staging oder self-dramatisation zwei weitere Lehren ziehen:

1. Je besser unsere Englischkenntnisse, desto größer sind nicht nur die Erwartungen der anderen, sondern auch die Verwunderung, wenn wir patzen. Man gibt sich leicht der Lächerlichkeit preis, ohne es zu merken, weil die meisten Menschen schweigend über solche Situationen hinweggehen, aber sich ihren Teil denken – they’ll probably have their own thoughts: «Schräger Vogel» – odd bird! (Siehe auch das Kapitel «Souverän geht anders».)

2. Wer in einer Fremdsprache beruflich tätig ist, muss den Jargon seiner Branche kennen. Im Zweifel hilft nur Pauken – you’ll have to cram! Das gilt nicht nur für den Arzt, die Fotografin oder für mich. Es gilt auch für alle «Profis» – the pros! –, die im deutschsprachigen Raum englischsprachige Schilder fabrizieren. Ich verstehe zum Beispiel nicht, wie es möglich war, den «Personaleingang» der Universität Greifswald als «Personnel Input» auszuschildern, während es staff entrance heißen muss!

Ein anderes Beispiel erlebte ich im Januar 2020 während der Münchner DLD – Digital Life Design-Konferenz. Vor großem Publikum sprach ein Physiker der Bayerischen Motorenwerke über die Voraussetzungen, um bei BMW zu arbeiten: «In our company you have to be physically fit.» In diesem Moment konnte man mindestens ein «D» in DLD für «Denglisch» halten. Schließlich waren dem Mann gleich zwei Patzer auf einmal unterlaufen. Da er von der Lehre der Physik, nicht von der Physis des menschlichen Körpers sprechen wollte, hätte er besser gesagt: You have to know your physics. Oder etwas steifer: Knowledge/competence in physics is key at our company. Und auch mit der Formulierung to be fit ist Vorsicht geboten, da sie erstmal nichts über die Kompetenz einer Person, sondern nur etwas über ihre körperliche fitness aussagt. Während Denglische Patienten gerne fragen: «Are you fit in English?», würden diejenigen, die es wirklich sind, fragen: Are you fit for the job in English? Mit anderen Worten: The physicist’s public statement wasn’t fit for public consumption. Ganz einfach weil to be fit mit der Präposition for (oder to) verbunden werden muss, um sinnbildlich zu funktionieren. Wir kennen es aus dem slogan der ‹New York Times›, der zum geflügelten Wort wurde: ‹All the news that’s fit to print›.

Dieses Beispiel führt mich zu zwei weiteren heißen Quellen für trouble, auf die ich Sie am Ende dieser Einführung unbedingt hinweisen möchte:

1. Präpositionen! Die kleinsten Wörter sind oft die gemeinsten. Das gilt für die sprachlichen Partikeln (mehr darüber im Kapitel «Our English is very confusing, or?»). Und es gilt für Präpositionen wie in, on, at und so weiter. Sie sind wahrscheinlich die größte Gefahrenquelle überhaupt – the single most dangerous troublemakers! Auf alle Fälle – in any case – kann man von Glück sprechen, wenn nur gelacht wird, weil man jemanden versehentlich ins Klo oder auf den Tisch befördert hat: «He went into the toilet» oder «She is on the table». Kniffliger wird es beim Zuprosten mit «On you!» – statt To you! –, was klingt wie: «Auf dich, du zahlst!» Besondere Tücken liegen in den Verbalkonstruktionen – beware of the phrasal verbs! Das sind Verben, die mit Partikeln, Präpositionen oder anderen Kurzwörtern verbunden einen bestimmten weiteren Sinn ergeben. Sie können leicht verwirren. So bedeutet Will you see to it? nicht etwa «Freust du dich?» – Are you looking forward to it? –, sondern: «Kümmerst du dich?» Der britische Linguist David Crystal spricht von multi-word verbs und konstatiert in seinem Standardwerk ‹The Cambridge Encyclopedia of the English Language›: ‹Their number grew remarkably, especially in the 20th century, and they constitute one of the most distinctive features of English syntax› – da es im Englischen mehr als 10.000 dieser Konstruktionen gibt, sind sie charakteristisch für die Sprache geworden.

2. Redewendungen! Auch sie sollte man pauken, um sich nicht auf den berühmten «woodway» zu begeben, der im Englischen wrong track heißt. Es bringt oft einfach nichts, deutsche Ausdrücke direkt zu übersetzen, zum Beispiel «from Saulus to Paulus» – statt Damascene conversion. Oder «free from the liver», wie es Günther Oettinger stets gemacht hat. Auch Angela Merkel wird nachgesagt, dass sie diese Schwäche gelegentlich an den diplomatischen Tag gelegt hat. Bei Regierungstreffen soll sie für Verwirrung gesorgt haben, wenn sie «not all on one card» setzte, statt «nicht alle Eier in einen Korb zu legen» – instead of not putting all her eggs in one basket. Unterdessen ist der Fußballtrainer Jürgen Klopp auf vorbildliche Weise in die denglische Geschichte eingegangen, als er während einer englischsprachigen Pressekonferenz «eins kommt zum anderen» sagen wollte. Noch während er «when one thing comes to the other …» rauskloppte, lachte er laut und bat den Dolmetscher um Hilfe. Dieser hatte keine Ahnung, aber nutzte die Gelegenheit, die englischsprachige Öffentlichkeit mit einer anderen deutschen Redewendung vertraut zu machen: «Everything has one end but the sausage has two.» Da mögen sich die anwesenden Journalisten gedacht haben: One thing leads to another! (Im Kapitel «We have a grandios Saison gespielt» lesen Sie, warum Jürgen Klopp in England nicht «trainer» genannt wird.)

Dear Ladies and Germans, liebe Denglische Patientinnen und Patienten, sollten Sie das alles schon wissen, aber trotzdem das Gefühl nicht loswerden, daneben zu liegen und schräg angesehen zu werden, könnte Ihr trouble auch andere Gründe haben. Immer wieder beobachte ich Mitmenschen, die sich bemühen, ihre sprachlich-kulturelle Unsicherheit mit drei Verhaltensformen gezielt zu überspielen:

1. Gefallsucht: Es ist die (unglaubliche) Art der Anbiederung und Anpassung, die Quentin Tarantino in seinem (absichtlich falsch geschriebenen) Film ‹Inglourious Basterds› dargestellt hat. Christoph Waltz spielt einen gnaden- und skrupellosen – a ruthless and unscrupulous SS-Offizier und selbsternannten «Judenjäger», der am Ende des Krieges die Chuzpe besitzt, von der US-Armee freies Geleit, eine Insel und viel Geld zu verlangen. Als man zustimmt, ruft er: «That’s a bingo!» Und um sicherzugehen, dass er sprachlich alles korrekt macht, fragt er streberhaft: «Is that the way you say: ‹It’s a bingo!›?» Er bekommt die Antwort, dass Bingo! ausreiche, und korrigiert sich: «It’s bingo. How fun!» Doch auch das geht wieder daneben. Mein Tipp: Egal, wie zweifel- oder ehrenhaft Ihre Mission ist, solche gefallsüchtigen Manöver sollte man lassen. Dasselbe gilt für das verbreitete wie verzweifelte Bemühen, auf lässig zu machen. Es kann in der Jugend nach dem ersten Schulaustausch beginnen, wenn der Hauptwortschatz nur noch aus fucking, y’know oder like besteht. Setzt sich die Sprache im Erwachsenenalter fort, stößt sie im Allgemeinen auf wenig Gefallen.

2. Erklärsucht: Sie äußert sich zum Beispiel darin, dass gerne etwas ausführlicher über Krankheiten gesprochen wird, die über sprachliche Gebrechen hinausgehen. In der Art: How are you? «Oh, I had a heavy flu with a lot of slime and coughing, but I feel better now.» Oder man spricht ausführlich über die Macken des Chefs, statt sie nur anzudeuten: «He is a farting idiot. Really, last week I had to open the office window three times.» Zu allem Überfluss werden auch immer wieder deutschsprachige Eigenheiten erklärt, am liebsten mit der Einleitung: «In Germany we say …» Das Problem: Nach solchen Erklärungen sind alle so schlau wie davor. Auch zu viel Aufrichtigkeit kann unpassend sein. Als eine deutsche Mitarbeiterin von Volkswagen in England nach Deutschland verabschiedet wurde, fragte ein britischer Kollege: ‹Caroline, what will you be missing?› Gemeint war, was sie, zurück in Deutschland, am Vereinigten Königreich vermissen werde. Ihre Antwort war das, was im Arbeitsalltag gelegentlich als «schonungslos deutsch» kritisiert wird – Caroline’s reply was hard-hitting: «Nothing!» Und die Reaktion war das erklärte Gegenteil von Gefallsucht!

3. Witzelsucht: Schlägt man den deutschen wie englischen Begriff witzelsucht nach, stößt man auf ein offizielles Krankheitsbild in der Psychologie, das sich in einem Hang zu anzüglichen Bemerkungen und unanständigen Witzen äußert. Witzelsucht wird also überall auf der Welt attestiert, nicht nur bei uns. Auch ohne gleich krankhaft zu sein, sind sexuelle Anspielungen – in English: (sexual) innuendos – tatsächlich ein großer gemeinsamer Nenner der Menschheit. Zugleich sind sie eine große Gefahr! Denn was witzig ist und was nicht, wird von Kultur zu Kultur und von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich bewertet. Ich möchte es bei diesem allgemeinen Hinweis belassen und die Einleitung mit einer deutsch-englischen Frage beenden, die die hohe Kunst zweideutiger Witze auf den Punkt bringt. Darunter sollten Sie es erst gar nicht versuchen!

What’s the difference between fear and sex?

Fünf!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine lustvoll lehrreiche Lektüre!

Fußnoten

Seit 2018 schreibe ich eine Kolumne unter diesem Titel.

Gebrauchsanleitung für dieses Buch

English oder «nicht»? Wie bereits in der Einleitung stelle ich alles schräg – in italics –, was gängiges und verständliches Englisch ist und damit eine Empfehlung für Ihren Wortschatz und Ausdruck. Unglückliche und verunglückte Formen, die unvollkommen englisch oder vollkommen unenglisch sind, setze ich «in onleading signs», also Anführungszeichen – quotation marks. Englischsprachige Zitate, Film- oder Buchtitel stehen zudem in einfachen An- und Abführungen: Peter’s book is called ‹Hello in the round!›.

Die Aussprache! Für einzelne Wörter gebe ich Aussprachehilfen in eckigen Klammern. Dabei gehe ich, wo sie deutlich voneinander abweichen, gesondert auf die US-amerikanische und die britische Aussprache ein, die ich mit «AE» und «BE» abkürze. Zugunsten der Lesbarkeit habe ich mich entschieden, nicht den Standard des Internationalen Phonetischen Alphabets (IPA) zu nutzen. Ich bemühe mich, die englischen Laute mit den gewohnten Buchstaben und ihrer hochdeutschen Aussprache zu (re)konstruieren, um es Leserinnen und Lesern ohne linguistische Vorbildung leichter zu machen. Die Aussprache von ageism stelle ich etwa so dar: [äidschism]. Die einzigen IPA-Symbole, die ich verwende, dienen der Darstellung des th-Lauts, also des typisch englischen «Tie-äitsch». Es wird mit der Zunge zwischen den Zähnen gebildet und als «Reibelaut» bezeichnet. Es ist entweder stimmlos [θ], so dass es beinahe klingt wie ein «f», zum Beispiel in thanks [θänks] und AE theater/BE theatre [θiata]. Oder es ist stimmhaft [ð], so dass es beinahe klingt wie ein «d», zum Beispiel in the, this, that [ðe, ðis, ðät]. Ein weiterer Sonderfall ist das englische w. Wenn Sie sich nur einmal den englischen wind um die Ohren wehen lassen, bemerken Sie, dass sein Anfang beinahe klingt wie ein gehauchtes «u». Dieser Laut lässt sich mit keinem Buchstaben aus unserem Alphabet darstellen. Auch der IPA-Standard ist verwirrend, da der Laut als «w» geführt wird, aber eher ausgesprochen wird wie die letzten Buchstaben «ue(r)» in dem Wort «Bauer». Da der w-Laut im amerikanischen Englisch zudem in einigen Fällen gehaucht wird, stelle ich ihn mit [uwh] oder [huwh] dar: BE whisky [uwhiski] oder AE whiskey [huwhiski]. Wird schließlich eine Silbe mitten im Wort oder am Wortende betont, setze ich das Zeichen ' davor: to permit [pöh'mitt].

Gender and sex! Liebe Leserinnen und Leser, sofern ich Sie nicht direkt anspreche oder von existierenden Menschen berichte, mich eingeschlossen, halte ich es mit der Bezeichnung von Personen wie mit der Bezeichnung von Menschen: Sie sind weder spezifisch weiblich noch spezifisch männlich gemeint, auch wenn es «der Mensch» und «die Person» heißt. Vielmehr sind sie unspezifisch und universell. So wie «der Denglische Patient», der weder ein Mann noch eine Frau ist. Er ist geschlechtslos wie King Kong, Shaun the Sheep, der Grüffelo, Mickey Mouse oder wie die Maus und der Elefant. Ich schreibe ihm die Summe der Symptome zu, die ich selbst erlebt oder an anderen beobachtet habe und in diesem Buch schildere. Etwas akademischer kann man ihn auch als eine «Projektionsfläche» bezeichnen. Sie ist größer als jede Leinwand, auf der jemals der wunderbare Film ‹The English Patient› von Anthony Minghella aufgeführt wurde. Diejenigen, die ihren Umgang mit der englischen Sprache und ihr Verhältnis zur englischsprachigen Welt auf dieser Fläche wiederentdecken, möchte ich ebenso behandeln, betrachten und beschreiben, wie es in der englischen Sprache die Norm ist: without sexes or any gender. They are the Denglish patients.

«We have acoustic problems»

Tipps fürs nächste webinar, den nächsten video call und überhaupt für jedes team meeting

«I’m welcome you!», sagt Professor Christoph Meinel, und ich staune. Immerhin spricht da der Direktor des Hasso Plattner Instituts in Potsdam, einer Bildungseinrichtung von internationalem Ruf und mit besten Beziehungen zur kalifornischen Universität Stanford. Aus der Ferne hatte ich das HPI immer für einen Hort der Mehrsprachigkeit gehalten: ein deutsches Mekka für disruption und innovation, wo man viel lernen kann, zum Beispiel, was Design Thinking ist. Unsere Lieblingsfremdsprache sollte dort alles andere als fremd sein!

Mit den webinars des Chefs sind bei mir allerdings Zweifel aufgekommen. Nicht nur, dass er oft «didschl» sagt, wenn er digital sagen will. Oder «insentivensing» statt incentivising. Oder «plactic ideas», was, solly!, ein bisschen chinesisch klingt und practical ideas bedeuten soll. Ich begreife nicht, was schwierig daran ist, device wie [dieweiß] auszusprechen. Und wie man für Design Sinking werben kann, wenn es nur unterirdisch klingt. Andererseits: Unsere typischen Macken in der englischen Aussprache sind ja in den seltensten Fällen ein Drama. (Wann sie wirklich problematisch werden, lesen Sie im Kapitel ‹I don’t want your buddy wash!›.)

Spätestens aber, als Professor Meinel von «United Stations» faselt, verstehe ich nur noch Bahnhof! Sind die Videobotschaften aus Hasso Plattners Spitzeninstitut womöglich satirisch gemeint? Schließlich wäre es leicht gewesen, die Aufnahmetaste noch einmal zu drücken, um verständlich United States oder United Nations zu sagen. Ausgespielt wirkt der Patzer hingegen wie Absicht. Oder um bei Hasso Plattner zu bleiben: wie sprachliches mooning. Diese Praxis ist dem Multimilliardär, Tausendsassa und Impresario – multi billionaire, jack of all trades and impresario – nicht nur auf seinem Segelboot vorgeworfen worden, sie hat den students in Stanford auch schon als Protestform gedient: Man zieht die Hose runter und zeigt den nackten Arsch – f*** English!

Ich wähle dieses verrückte Beispiel und den drastischen Vergleich, weil mir der Auftritt des Professors symptomatisch erscheint: für den deutsch-englischen Stuss, den wir gelegentlich fabrizieren, wenn wir in der englischen Sprache zusammenkommen und sie als lingua franca nutzen, also als Standard- und Verkehrssprache für Bildung, business und Beziehungspflege. Dies gilt umso mehr, seit video calls per Zoom oder Teams im trend sind und sich manche Mitmenschen scheinbar ununterbrochen vor Kameras und Monitoren aufhalten, also in großer Distanz zu anderen und doch irgendwie nah. Obwohl ich überzeugt bin, dass die Missverständnisse dieser neuen meeting culture weit über das gesprochene Wort hinausgehen (wenn ich nur an die irrige Vorstellung denke, Zoom parties seien tatsächliche Partys!), werde ich mich in diesem Kapitel auf die sprachlichen Tücken konzentrieren und wie man sie vermeidet.

Dabei mache ich meine kritischen Beobachtungen nicht an bestimmten Personen, bestimmten Branchen oder einer bestimmten Generation fest, vielmehr an einer Haltung, die mir in der rundherum vernetzten Welt von heute verbreitet erscheint: dass man auf Englisch alles Mögliche von sich geben kann und damit immer durchkommt – that you’ll get away with everything anyway! Als wäre lingua franca nur eine andere Bezeichnung für «freestyle language», in der es weder verbindliche Bedeutungen von Wörtern und Redewendungen gibt noch kommunikative Standards gelten. Das könnte erklären, warum deutschsprachige participants einem meeting oft nicht mit dem weltweit gängigen Satz Hello everyone! beitreten, sondern lieber mit einer dieser drei denglischen Fanfaren:

«Hello together!»

«Hello in the round!»

«Hello also from my side in the round!»

Sicherlich ist die Toleranz der Menschen groß, deren Muttersprache Englisch ist. Sie sind es schließlich auch untereinander gewohnt, größere sprachliche Differenzen zu überbrücken. Zum Beispiel wenn ein Brite sagt: I would like to table the issue! – und die US-amerikanische Kollegin versteht: He would like to postpone or forget the issue – «er möchte das Thema vertagen oder einfach vergessen». Oder wenn sie denselben Satz sagt und der britische Kollege irrigerweise versteht: She wants to bring up, discuss and consider the issue – «sie will das Thema auf den Tisch bringen, um es zu diskutieren und darüber zu beraten».

Trotzdem sollten wir uns ein wenig Mühe geben. Das gilt schon, wenn wir unsere «akustischen Probleme» anbringen, ohne die viele Konferenzschaltungen keine Konferenzschaltungen wären. Im Englischen von «acoustic problems» zu sprechen, ist zwar irgendwie verständlich und deshalb tolerabel, klingt aber trotzdem seltsam. Als gäbe es Probleme mit dem musikalischen Stil, den Bob Dylan zum Entsetzen mancher fans vor 55 Jahren aufgegeben hat und der seit den 1990ern auch unplugged genannt wird. Stimmt hingegen etwas mit der Tonübertragung nicht, sind sound problems oder technical issues/problems gemeint. Auch könnte man sagen:

I cannot hear you.

Can you hear me (now)?