Grimm und Mörchen

Stephanie Schneider

Grimm und Mörchen

Ein Zesel zieht ein

Illustriert von Stefanie Scharnberg

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Über Stephanie Schneider

Stephanie Schneider, geboren 1972, studierte Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig und arbeitete auch als Grundschullehrerin. Seit 2004 folgt sie ihrem Kindheitstraum als hauptberufliche Autorin. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Hannover.

 

Stefanie Scharnberg wurde 1967 in Hamburg geboren, wo sie auch eine Buchhändlerlehre absolvierte. Sie ging nach Florenz, um Malerei zu studieren. 1992 kam sie nach Deutschland zurück, arbeitete wieder als Buchhändlerin und lebt heute als freie Illustratorin in Freiburg.

Über das Buch

Der Buchhändler Grimm liebt seinen winzigen Laden am Dorfplatz. Nur ist es dort bisweilen etwas einsam. Das ändert sich zum Glück, als plötzlich ein kleiner Zesel im Geschäft steht. »Ich bin Möhrchen«, erklärt er seinem neuen Freund. »Ein bisschen Esel und ein bisschen Zebra. Von jedem etwas und von beidem das Beste.« Kurzerhand zieht der Kleine bei Grimm ein und bringt ordentlich Schwung in das Haus mit der schiefen Sieben. So sammeln sie jeden Tag neue aufregende Geschichten.

Impressum

Originalausgabe

© 2022 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Umschlagbild und -gestaltung: Stefanie Scharnberg

 

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eBook-Herstellung: Fotosatz Amann, Memmingen (01)

 

eBook ISBN 978-3-423-44051-6 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-76366-0

ISBN (epub) 9783423440516

Für Julia Otto, ohne die wir beide uns vielleicht nie kennengelernt hätten.

 

Stephanie Schneider

Stefanie Scharnberg

An einem ganz normalen Nachmittag saß Grimm in seinem Buchladen und dichtete. Der Regen prasselte aufs Dach und trommelte gegen das Schaufenster. Bei dem Wetter verirrte sich kaum jemand hier zu ihm hinein. Und so saß er im Sessel neben der vergessenen Palme und kaute am Bleistift.

»Ich bin allein«, kritzelte er in sein Dichtungsheft. »Aber das macht nichts. Es gibt eben Wetter zum Verkaufen von Büchern und Wetter, um sie zu schreiben.« Das da draußen war eindeutig Schreibwetter.

Er legte den Stift beiseite und trat ans Schaufenster. In den Regalen um ihn herum standen und lagen Bücher. Auch neben der Kasse und auf dem kleinen, goldenen Tischchen in der Ecke, ja selbst auf dem Fußboden

Grimm schaute hinaus auf den Dorfplatz. Die Welt war sehr leer und tropfnass an diesem Nachmittag. Er seufzte. »Es wäre schon schöner, wenn jemand bei mir wäre«, sagte er zu sich und ging zurück zum Sessel.

In diesem Moment begannen die kleinen Glöckchen über der Ladentür zu bimmeln und die freiwillige Feline von der Feuerwehr stürmte herein.

»Oh, du bist es«, sagte Grimm und wurde auf der Stelle feuerwehrrot. Die freiwillige Feline war nämlich so tapfer, stark und schön wie sonst niemand im Dorf. Kein Wunder, dass Grimm etwas verliebt in sie war. Er räusperte sich.

»Welches Buch möchtest du kaufen?«

»Keines«, sagte Feline. Sie hielt ihm einen Topf vor die Nase. »Heute habe ICH mal was für DICH

»Buchstabensuppe!«, schwärmte Grimm. Ihm wurde ganz warm im Bauch. Dabei hatte er die Suppe noch gar nicht probiert. »Danke, Feline. Isst du einen Teller mit?«

Aber Feline schüttelte den Kopf. »Geht leider nicht. Ich muss noch die Drehleiter reparieren und ein paar Katzenkinder retten.« Sie drückte ihm den Topf in die Hand und verschwand genauso feuerwehrschnell, wie sie gekommen war.

Grimm sah ihr nach und seufzte. Die freiwillige Feline war wirklich wunderbar. Wenn sie es nur nicht immer so schrecklich eilig gehabt hätte …

Er trug den Topf in die Küchenecke hinter dem Regal mit den Kochbüchern und schöpfte sich eine Portion Suppe. Nachdenklich schaute er auf den Teller. Buchstabennudeln, Lauch und Petersilie tanzten dort in der heißen Brühe. Es duftete wunderbar. Doch Grimm zögerte.

»Irgendwas fehlt noch. Aber was?«

Da bimmelte das Glöckchen vorne an der Ladentür schon wieder. Diesmal war es kein stürmisches Klingeln wie das von Feline, sondern nur ein kleines, vorsichtiges Bing-bing.

Grimm legte den Löffel beiseite, um nachzusehen. Auf

»Äh … was kann ich für Sie … für dich tun?«, fragte Grimm.

»Möhrchen«, flüsterte der Kleine und nieste.

»Schon klar, weiß ich doch«, flüsterte das Tier. Es schüttelte die langen Ohren, sodass die Regentropfen von ihm abperlten. »Ich will ja auch nichts kaufen. Ich heiße Möhrchen!« Es streckte ihm den Huf entgegen und lächelte.

Grimm wusste nicht recht, was er sagen sollte. Jemand, der hieß wie ein Gemüse, war ihm noch nie begegnet. »Willkommen«, murmelte er und schüttelte den Huf. »Ich bin Grimm.« Der kleine Besucher nieste noch einmal. Da sagte der Buchhändler schnell:

»Du bist ja ganz nass. Kann ich dir einen Teller heiße Suppe anbieten? So was ist gut gegen Erkältung«, erklärte er. »Und diese hier duftet ganz besonders lecker. Der fehlt nur noch …«

»Ein Möhrchen?«, schlug der kleine Besucher vor und legte den Kopf schief. Auf Grimms Gesicht erschien ein suppenwarmes Lächeln. »Genau.«

»Sag mal, was bist du eigentlich?«, wollte er wissen.

»Ich bin satt«, sagte der Kleine und schob den Teller von sich weg. Der Buchhändler lachte auf.

»Und was bist du sonst noch? So was wie dich habe ich noch nie gesehen.«

»Ich bin ein Zesel. Ein bisschen Esel und ein bisschen Zebra. Von jedem etwas und von beidem das Beste.«