Verlag BoD Norderstedt

ISBN 978-3-7562-6193-2

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Umschlaggestaltung: Klaus Kandel
Innenillustration Ursula Schuchardt

Die Rechtschreibung in diesem Buch entspricht den Regeln der neuen Rechtschreibung.

© Klaus Kandel, April 2022

Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern!

Wütend starrte er auf die grellrote Schrift auf seinem Bildschirm,dabei unbewusst mit den Zähnen knirschend.

Er war sowas von enttäuscht. All die Mühen für die Katz. Oder doch nicht?

»Warum?«

»Der Theorie zufolge erzwingen die Handlungen von Zeitreisen unübersehbare Auswirkungen. In der Vorstellung von Multiversen können zur selben Zeit unzählige Zeitachsen nebeneinander existieren. Wenn ein Zeitreisender die Vergangenheit ändert, dann erschafft er damit ein Paralleluniversum und somit einen weiteren Zeitstrahl, der im Moment der Zeitreise entsteht. Sie haben eine Zeitmaschine gebaut, um ihre Vergangenheit zu ändern. Wenn die sich daraus ergebende Zukunft dann ihren Wünschen entspräche, würde es die Maschine niemals geben. Also, wie soll ihre Maschine Ihnen dabei helfen, sie zu ändern? Dies ist die Antwort!«

»Was passiert bei der Abspaltung des Zeitstrahles?«

»Von diesem Moment an beginnt auf ihrer Zeitebene eine neue Zukunft, einzig allein davon abhängig, wie Sie diese gestalten.«

»Nein, nein, ich meinte, was geschieht physikalisch?«

»Nicht berechenbar! Auf dem bisherigen Zeitstrahl gibt es keine Änderung! Mit ihrer Rückkehr in die Vergangenheit ändert sich jedoch die Zukunft auf ihrer neue entstandenen Zeitebene. Niemand wird es jemals bemerken, da kein Mensch die Zukunft kennt!«

*

Sieben lange Jahre ...

Aber er hatte, was er wollte! Zumindest annähernd.

Drei einfache Zeitkapseln, welche sich nach ihrer Ankunft in der Vergangenheit selbst zerstörten.

Sowie eine überaus luxuriöse und technisch hochstehende Raumeinheit mit einer großzügigen Ausrüstung.

Einer der neuesten Superrechner mit einer gigantisch großen Datenbank. Sicherheitshalber in zweifacher Ausführung. Nicht zu vergessen die medizinische Versorgungseinheit. Und noch so vieles.

Geld hatte keine Rolle gespielt!

*

Die Entführung dreier Offiziere, als Hüter frisch ausgebildet, verlief hervorragend! Schlafend saßen sie in den Zeitkapseln. Wahrscheinlich blieb ihr Verschwinden nicht lange unentdeckt. Also drückte er kurz entschlossen auf den Startknopf für Kapsel ›eins‹. Lautlos verschwand diese. Auf zwölf Bildschirmen vor ihm liefen aktuelle Nachrichten. Eine Stunde geduldig ausharrend verfolgte er das Geschehen. Doch nichts wies auf eine Veränderung der Zeit hin. Auf seiner bisherigen Zeitlinie erbrachte er hiermit den Beweis: Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern!

*

Der Admiral

Sektor Admiral James Bolton dachte nach. Wie viel Zeit blieb ihm noch? Vermutlich noch mehrere Stunden. Trotzdem! Eine Überprüfung der beiden weiteren Zeitkapseln ergab deren einwandfreie Funktion. Wie vor gut zwei Stunden startete er die beiden anderen Einheiten. Auch dieses verschwanden spurlos! Fein, sehr fein! Auch hier ergab sich keine Veränderung der bestehenden Zeitlinie!

Was er nicht bemerkte, Kapsel ›zwei‹ und ›drei‹ hatten exakt dieselben Zielkoordinaten.

Jetzt war es an der Zeit, seine eigene Kapsel startklar zu machen und sich auf die lange Reise ohne Wiederkehr zu begeben!

*

Dumpfer Trommelschlag begleitete den Tanz des Medizinmanns. Temuchon bewegte sich im Rhythmus der Trommeln rund um das flackernde Feuer.

Ein Regentanz!

Ringsum kauerten die Krieger des Stammes im Kreis, eine eintönige Melodie singend, sich langsam hin und herwiegend. Mit Frauen und Kindern gerade mal hundert Personen.

Ihre bereits in guten Zeiten kargen Felder bekamen schon lange viel zu wenig Wasser. Seit zwei Monden fiel kein Tropfen Regen in dem Tal, welches der Wohnort der Kiropee war. Beide Talseiten bestanden aus hochragenden Felswänden aus Kalkstein. Knapp tausend Schritte weiter verengte sich das Tal, die Felswände trafen sich, unüberwindbar das Tal abschließend.

Am Fuße der Felsen hatte sich im Laufe der Zeit eine Geröllhalde angehäuft, aus der früher ein kräftiger Bach zutage trat, jetzt aber nur noch ein kleines Rinnsal bildete, gerade ausreichend um Menschen und Tiere zu tränken, jedoch weitaus zu wenig, um die Anpflanzungen zu bewässern.

Am Talende erstreckte sich nach beiden Seiten ein ehemals saftiges Grasland, inzwischen so gut wie verdorrt, dahinter ein ausgedehnter Streifen mit Büschen und vereinzelten, essbare Früchte tragenden Bäumen. Immerhin tummelte sich hier genügend Wild, das sie mit zum Leben ausreichend Fleisch versorgte.

Danach kam der ›große Wald‹!

Diesen beanspruchte der Stamm der Arachos. Sie wohnten, von den Kiropee aus gesehen, auf den ertragreichen Weidegründen hinter den Wald, ein wohlhabender Clan und bisher ein guter Nachbar. Wenn die Kiropee ab und an im Wald jagten, solange es keine größere Gruppe war, gab es keine Probleme.

Neuerdings jedoch ...

Koror, ein muskelbepackter stämmiger Mann, begehrte Sinoa, die Tochter des Häuptlings der Kiropee zur Frau. Beim Jagen im Wald begegnete er ihr. Seitdem ging sie ihm nicht mehr aus Kopf. Als einfacher Unterhäuptling sah er jedoch keine Chance, sie zu bekommen. Also gab es nur eines: Er musste der Anführer der Arachos werden!

Nicht gerade einfach.

Häuptling Muchard war im besten Mannesalter. Ihm körperlich durchaus gewachsen. In herausfordern und sich auf einen Zweikampf mit ihm einzulassen? Viel zu riskant!

Gegenüber den ihm unterstellten Kriegern fühlte er sich mächtig stark. Aber ansonsten war er eher ein Feigling!

Also würde er eine Heldentat vollbringen, zumindest musste es danach aussehen. Sein Leben würde er keinesfalls riskieren!

Aber was tun? Dumm nur, dass ihm nichts einfiel.

Also abwarten, bis sich eine günstige Gelegenheit ergab.

*

Er, Admiral James Bolton, zeigte sich voll zufrieden.

Drei einfache Zeitkapseln waren unterwegs und vor ihm, die vierte, auf Antigravfeldern schwebend. Eine riesige, mattschwarze, beeindruckende Ausführung.

Dieses konnte wie ein Shuttle fliegen, enthielt auf Jahrtausende mit Brennstoff versehene Fusionsgeneratoren und durchschlagendeWaffen.

Ein beinahe undurchdringlicher Schutzschirm, die zwei mannsgroße Monitorkugeln und eine Überlebenseinheit! Jeweils das Feinste vom Feinen!

Monitorkugeln! Entstanden aus primitiven, unter Antisichtschirm fliegenden, schwerelosen Kamerakugeln.

Heute jedoch ...

Mit einer riesigen Datenbank ausgestattet, mit Zugstrahlen, Waffen, mit einer überragenden Erste-Hilfe Miniklinik, OP-Besteck, einer Apotheke, mit Antigravitationseinrichtungen mit ...mit ... mit ...

Ein höchstentwickeltes Allzweckgerät.. Kosten spielten keine Rolle! Nicht bei ihm!

Das einzige Problem bestand darin, alles unter strengster Geheimhaltung zu beschaffen. Ja nicht ergriffen werden!

Aber alles verlief wie erwartet. Ein letzter Rundblick ...

Entschlossen drückte er die Starttaste. Seine Umgebung verschwand.

*

Die Schmelzladungen zündeten zehn Minuten nach seinem Start. Der Asteroid glühte auf und verwandelte sich kurzzeitig in flüssiges Gestein. Nichts wies mehr aus seine Tätigkeit hin. Die automatische Raumüberwachung registrierte zwar das Vorkommnis, zeichnete es auf, ohne es zu bewerten.

Woher sollte der Rechner auf die Idee kommen, dass ein längst erkalteter Asteroid nicht so ohne weiteres eine derart gewaltige Hitze erzeugte?

›Denken‹ konnte er nicht!

*

Ein verhältnismäßig flaches Land, ausgedehnte Grasebenen und Wälder.

Vor ihm erstreckte sich am Horizont ein kilometerbreites, bewachsenes Felsband.

Lautlos, unsichtbar, flog er darauf zu.

Keine Ahnung wo er war, wann er war. Erst einmal unwichtig, die Hauptsache war doch, dass der ›Sprung‹ gelungen war!

Bei seiner Materialisation schleusten sich beiden Monitorkugeln automatisch aus und meldeten zu seiner großen Erleichterung, dass es hier Menschen gab.

Vor sich erblickte er einen gut fünfhundert Meter breiten Spaltin der Felswand. Ein winziger Bach, karges, trockenes Land, ein paar dürftige Zelte und ins Kalkgestein geschlagene Höhlen als Wohnstätten.

Wohnstätten!?

Hier lebten Menschen. Nach wenigen hundert Metern war der Spalt zu Ende. Herabgebrochenes Gestein, in eine steile Wand übergehend.

Fast genau über Ansiedlung öffnete sich eine für seine Zwecke ausreichend breite Höhle. Darin konnte er seine Zeitfähre sicher verbergen.

Langsam einfliegend stoppte er nach fünfzig Metern. Die Landestützen fuhren auf dem unebenen Boden jeweils so aus, dass das Gefährt absolut waagerecht stand.

Ausgezeichnet!

In letzter Zeit kam er kaum zum Schlafen. Also legte er sich ersteinmal hin. Die Monitorkugeln hingegen blieben voll aktiv.

Ihr Auftrag: So viele Informationen wie möglich sammeln und als Wichtigstes, die Sprache der Einheimischen zu lernen. Morgen standen ihm eine oder mehrere Sprachen, dank hypnotischem Lernens, zur Verfügung. Noch während er überlege, schlief er ein.

*

Hervorragend! Ausgerüstet mit Messer, Pfeil und Bogen, die Kleidung eines Wanderschamanen tragend, sichtbar keinem Stamm oder Clan zugehörend, abgesetzt im Wald, lief er in aller Ruhe auf das Tal zu. Da er seinen aktivierten Einsatzgürtel trug, konnte ihm niemand gefährlich werden. Die Sonne stand hoch am Himmel, Mittagszeit.

Mit weit ausholenden Schritten kam er dem Lager der Kiropee näher und näher. Er wurde bereits erwartet, denn sie sahen ihn schon von weitem kommen. Vor ihm bildete sich ein Halbkreis aus Kriegern.

Ein Mann trat hervor. Unhörbar informierte ihn seine im Tarnmodus unsichtbar neben ihm schwebende Monitorkugel.

›Es ist Telentor, der Häuptling. Der Mann dicht hinter ihm heißt,Temuchon, seines Zeichens der Zauberpriester und Heiler des Stammes!‹

Zehn Schritte vor dem Häuptling blieb er stehen, sich dabei tief verbeugend. Danach, sich hoch aufrichtend, sein Gegenüber fest ansehend:

»Im Namen der Götter grüße ich Euch! Ich bitte für einige Tage um eure Gastfreundschaft!«

Kurz verbeugte er sich erneut.

Inzwischen trat der Zauberpriester neben Häuptling und sprach kurz, leise, auf ihn ein.

Dieser sprach vernehmlich, weithin hörbar:

»Seid an unserem Feuer willkommen! Ich bin der Häuptling der Kiropee und werde Telentor genannt. Neben mir steht Temuchon, unser Heiler und Zauberpriester. Bitte teilt Wasser und Brot mit uns!«

Anschließend reichte er seinem Gast die Hand und forderte ihn zum Mitkommen auf. Am Feuer angekommen setzte er sich und wies auf den Platz an seiner Seite.

Umgehend kam eine junge Frau herbei und reichte ihm einen Becher Wasser.

Bedächtig trank er einige Schlucke und verzehrte das Brot.

Schweigend saßen sie so einige Zeit beieinander.

Unauffällig sah er sich um. In einem deutlichen Abstand vom Feuer, welches auf einem zentralen Platz brannte, standen etwa dreißig Zelte, rechts von einem mickrigen Bach. Sie reichten bis an die Felswand.

Der Fels war teilweise ausgehöhlt und zugemauert. Felsenwohnungen? Schutzräume? Vorratskammern? Nun, daswürde er sicherlich noch erfahren.

Nach einigen Minuten brach er das Schweigen. Laut erzählte er:

»Mein Name ist James. Ich bin ein Schamane und Heiler auf der Wanderung und gehöre keinem Stamm an. Auf meinen Marsch sah und lernte ich vieles. Vielleicht habt ihr Kranke hier oder allgemeine Probleme?«

Und mit einem Blick auf das dürftige Rinnsal:

»Wieso habt ihr so wenig Wasser? Ist eure Quelle fast ausgetrocknet?«

Traurig antwortete der Häuptling:

»Sie versiegt immer mehr! Bald werden wir wegen des Wassermangels unser Tal, unsere Heimat, verlassen müssen!«

Nachdenklich nickte er. Dank seiner Monitorkugeln wusste er genau, dass durch herabbrechendes Gestein die Quelle größtenteils verschüttet wurde. Dummerweise lag direkt vor der der Quellöffnung ein besonders großer Stein. Nachfolgendes Geröll deckte die Quelle daher immer mehr zu.

Während er noch überlegte, zog der Zauberpriester eine Pfeife aus seinem Umhang. Schau an, hier wurde bereits geraucht! Gut dreißig Zentimeter lang, mit einem Kopf aus rotem Ton.

Er zündete sie an, nahm einen Zug und reichte sie dem Häuptling weiter. Dieser nahm ebenfalls einen Zug und reichte sie ihm weiter. Mist! Er war Nichtraucher! In seiner Zeit weit in der Zunft, war Rauchen verpönt. Also zog er vorsichtig an der Pfeife, darauf achtend, dass er den Rauch nicht in die Lunge bekam. Er hatte Glück, kein Husten. Nun gab er seinerseits die Pfeife weiter. Diese wurde im Kreis weitergereicht, es waren mit ihm acht Personen, bis sie wieder beim Zauberpriester ankam. Dieser rauchte sie schweigend zu Ende. Danach erhoben sich die Männer vom Feuer. Er wandte sich an den Häuptling.

»Verzeiht bitte, aber ich würde mir gerne, jetzt gleich, eure Quelle ansehen. Geht das?«

»Aber ja, ich zeige sie ihnen!«

Fein! Kurz sah er sich um und schritt zu einem der Zelte. Davor lag eine Tragschleife im Gras. Auf diese deutend: »Darf ich sie mit zur Quelle nehmen?«

Verwundert stimmte der Häuptling zu. Wozu benötigte der Schamane diese, fragte er sich.

In achtungsvollem Abstand, gefolgt von ein paar Erwachsenen und Halbwüchsigen, schritt er gemütlich zur Quelle, sich dabei mit Telentor unterhaltend. Am Fuß der Geröllhalde angekommen, bückte er sich und begann in der Mitte der Halde die Steine aufzuheben und auf die Tragschleife zu legen. Einer der Männer trat verstehend näher und schleifte die Steine gut fünfzig Meter bachabwärts.

Die Jungen wurden zurückgeschickt, weitere Tragen zu holen. Auf einer Breite zweier Tragen entfernten sie das Geröll. Alle machten begeistert mit. Frauen brachten Brote und Getränke zur Stärkung der Männer herbei. Bevor es zu dunkel wurde, hatten sie mit vereinten Kräften den Zugang bis zum blockierenden Fels freigelegt. Sie hoben davor eine kleine Grube im weichen Waldboden aus. Mit der Hebelkraft zweier Baumstämme wuchteten sie den Felsbrocken von der Quelle weg in die Vertiefung. Mit durchschlagendem Erfolg!

Das Wasser schoss nur so aus der Felsspalte gegen den Stein und versprühte nach allen Seiten. Wer nicht weit genug entfernt stand, bekam eine kalte Dusche ab. Oder, wenn er im Bachbett stand, nasse Füße! In ihrer Begeisterung störte es niemanden.

In dem vom Geröll befreiten Bachbett, floss das Wasser auf eineBreite von etwa eineinhalb Meter mit einer Höhe von ungefähr dreißig Zentimeter ab.

Danach, auf flacherem Gebiet, breitete es sich stellenweise auf mehrere Meter aus.

Zum Glück hatte er das vorausgesehen und zwei Männer rechtzeitig zu den Zelten zurückgeschickt. Sie sollten im Bereich der Ansiedlung das Bachbett kräftig vertiefen.

Dummerweise nahmen sie seine Anordnung nicht ernst. Sie stocherten ein wenig im Rinnsal herum, ohne sich viel Mühe zu geben.

Als das Wasser kam, war es viel zu spät! Drei Behausungen standen im Nassen. Schadenfroh nahm er das Ergebnis zur Kenntnis. Auch dass sie dem Wasser hinterherrennen mussten, um ihre weggeschwemmten Sachen zu retten.

Andererseits, sie hatten sich ja viel Wasser gewünscht. Oder nicht?

*

Im ersten Dämmerlicht verließ er das Dorf.

Fleischmachen war angesagt! Ohne Zeugen.

Seine beiden Monitorkugeln hatten jede ein rehähnliches, allerdings deutlich größeres Tier ausgemacht. Betäubt und mit Hilfe ihrer Zugstrahlen hinter dem nächsten Hügel, welcher in vor neugierigen Blicken schützte, setzten sie diese ab. Im Gegensatz zu den Kiropee, welche nur Obsidianmesser kannten, war seines aus einer unzerbrechlichen Stahllegierung. Damit war es ein Leichtes, die Tiere schmerzlos zu töten.

Überlegend sah er auf den jetzt respektablen Bach. Darin ließen sich sicherlich Fische ansiedeln. Mit einem Tastendruck auf sein unter dem Ärmel versteckten Armband, rief er sein Monitorkugeln zu sich.

Nach einer kurzen Instruktion verschwanden diese. Wieder ein weiter unauffällige Schritt, ohne seine Karten aufzudecken.

Nachdem die Sonne voll aufgegangen war, stieg er auf den Hügel und winkte in Richtung der Ansiedlung. Nachdem sie ihn gesehen hatten, kamen ein paar Jungen angerannt.

Stillvergnügt zeigte auf die erlegten Rehe.

»Bitte seid so lieb und nehmt sie mit!«

Einer rannte sofort lauthals rufend zurück, währenddessen der zweite staunend seine Jagdbeute betrachtete.

Nach wenigen Minuten kamen eine Handvoll Männer eilig herbei, zwei Tragen hinter sich her schleifend. Schmunzelnd stellte er fest, dass die Tragen zu klein waren. Oder die Beute zu groß? Anscheinend hatten sie dem Bericht des Jungen nicht geglaubt und dessen Beschreibung der Tiere als übertrieben angesehen.

Jedenfalls macht er sich auf den Weg zum Lager. Sollten die Kiropee selbst mit dem Transportproblem fertig werden.

Gemütlich ließ er sich am Feuer nieder. Jetzt war Frühstücken angesagt.

Eine Schale mit Tee, Fladenbrot und kalten Braten, von einer älteren Frau gereicht.

Er dankte und aß.

Nach kurzer Zeit kamen die Männer zurück. Zwei Tragen zusammengebunden und ein Tier daraufgelegt. Anschließend noch einmal laufen.

Der Häuptling und der Zauberpriester kommentierten das unglaubliche Jagdergebnis. Jetzt hatten sie erneut ein Problem. Auf diese Fleischmenge waren sie nicht vorbereitet. Gemeinsam machten sich die Frauen daran, die Tiere zu zerlegen.

Ein Teil des Fleisches wurde gebraten, ein anderer in dünne Scheiben geschnitten und zum Trocknen vorbereitet. Das Fett in einen großen Tontopf getan und über einem eigenen Feuer eingeschmolzen. Andere Teile wurden geräuchert. Wirklich, sie hatten alle Hände voll zu tun.

Heute Mittag würde es Fleisch satt für alle geben!

*

Der jetzt überlaufende Bach wurde langsam lästig.

Also durften jetzt wieder die Männer ran. Er hieß sie, jede Menge kleine Bäume zu fällen. Daraus einen halben Meter lange, angespitzte Pfähle zu machen. Mit den Obsidianbeilen und ihren Messern eine arge Schinderei. Die Äste entlauben und ungekürzt mitnehmen.

Oberhalb des Dorfes schlugen sie nach seiner Anweisung erst einmal beidseitig je fünf Pfähle ein. Danach die Äste abwechselnd hinter und vor die Pfosten geflochten. Die beiden Reihen hatten einen Abstand von rund drei Metern. Mit kleinen Eimerchen hoben die jüngeren Kinder den Bachgrund aus und füllten damit den Platz hinter den Pfosten, sodass ein kleiner Damm entstand. Zwischen den Pfahlreihen floss das Wasser glatt dahin. In diesem Teilstück begann das Ufer beidseitig auszutrocknen.

Das überzeugte sie schnell. Die Pfahlreihen wurden stetig verlängert. Gegen Abend hatten sie es mit vereinten Kräften geschafft. Natürlich half er ebenso wie der Häuptling und der Zauberpriester mit.

Ruhig und glatt floss der Bach nun mitten durch die Ansiedlung, begrenzt durch die ›Faschinen‹. Ein neues Wort. Faszinierend und geheimnisvoll.

Damit war Thema Wassermangel zur Zufriedenheit aller gelöst. Bald würde das vertrocknete Brachland wieder grünen, fruchtbare Felder konnten angelegt werden. Abends, am Feuer, erkundigte er sich:

»Warum geht ihr nicht dort unten im Wald auf Jagd?«

Für einen Moment starrte der Häuptling finster ins Feuer. Dann, mit mühsam unterdrücktem Zorn in der Stimme.

»Wir lebten bis vor einigen Monden mit den Arachos in Frieden. Bis einer der Unterhäuptlinge, er heißt Koror, Sinoa, meine Tochter traf. Am folgenden Tag war er hier und verlangte sie zur Frau. Er ist ein Bulle von einem Mann, dabei verschlagen und hinterlistig. Sinoa wies ihn ab! Seitdem hetzt er gegen uns, wo er kann. Wir dürfen den Wald nicht mehr betreten, angeblich ist dieser alleiniges Stammesgebiet seines Clans. Unsere Jäger werden bedroht und abgedrängt. Sinoa traut sich nur noch, in Sichtweite zu suchen. Wir wissen, das Koror umherschleicht, um sie zu entführen. Früher oder später wird der Häuptling der Arachos seinem Unterhäuptling nachgeben und ihn angreifen lassen! Sie brauchen nur noch einen Vorwand dafür!«

Verbittert schwieg Telentor.

*

Am nächsten Tag hatten sie ihren Grund gefunden!

Begleitet von fünf Mann kam Koror recht früh heran und begehrte Telentor zu sprechen. Eine Abordnung geleitete diese ins Dorf.

Sie setzten sich ans Feuer zu Telentor, welcher ihn heranwinkte und vorstellte:

»Dies ist James, unser neuer Schamane! Er hat uns das Wasser gebracht,« dabei wies er auf Bach, »und sitzt gleichberechtigt neben mir!«

Koror musterte ihn gründlich. Dessen Gedanken waren leicht zu erraten. Ein schlanker, ihm weit unterlegener Mann!

»Schamane! Ich fordere Dich sofort zu Zweikampf auf Leben und Tod heraus. Euer Wasser ist bei uns angekommen und hat viele Zelte unbewohnbar gemacht. Zudem fordere ich den Stamm der Kiropee auf, uns den entstandenen Schaden zu ersetzen!«

Koror besaß, ohne es zu ahnen, nicht die geringste Chance. Offiziere der Föderation waren in mehreren Kampftechniken ausgebildet und besaßen noch zusätzlich körperliche Kräfte, weit über das Maß normaler Menschen hinaus!

Scheinbar besorgt antwortete er:

»Was geschieht, wenn ich dich besiege?«

Höhnisch antwortet Koror:

»Das wird nicht geschehen, denn niemand hat mich bisher im Zweikampf geschlagen! Ich werde Dich fertigmachen, nur mit bloßen Händen!«

Telentor erhob sich und entfernte sich zehn Längen vom Feuer. Er, Admiral James Bolton, stimmte dem Kampf zu.

»Hier, an dieser Stelle wird gekämpft, bis einer von beiden tot ist!«

Koror und er standen ebenfalls auf, fünf Längen voneinander Abstand nehmend.

Der Häuptling trat zur Seite und gab das Zeichen zur Kampffreigabe.

Wie erwartet! Koror stürmte blindlings auf ihn zu, die Fäuste schlagbereit erhoben.

Im allerletzten Moment trat er zur Seite und stellte seinem Gegner ein Bein, welcher bäuchlings auf dem Boden landete. Ringsum gab es ein schallendes Gelächter.

So gut wie alle umstanden in achtungsvoller Entfernung den Kampfplatz! Koror sah rot! Sie lachten ihn aus! Eine größere Schande gab es nicht! Er schnellte hoch und stürmte erneut auf seinen Gegner zu. Die Rechte vorgestreckt, griff er nach dem Schamanen. Dieser ergriff seinerseits Koros Handgelenk und zog daran. Koror wusste nicht, was ihm geschah. Unerwartet heftig krachte er erneut auf den Boden. Mühsam versuchte er aufzustehen. Bevor er ganz hochkam, verspürte er einen furchtbaren Schmerz in den Nieren. Der Schamane hatte blitzschnell zugeschlagen! Noch während er sich krümmte, bekam er einen überraschenden Schlag seitlich gegen den Hals. Er erkannte, dass sein Gegner ihm haushoch überlegen war. Angst ergriff ihn. Gerade als er um Gnade betteln wollte, traf ihn die Faust seines Gegners auf das Kinn. Er brach in die Knie. In der letzten Sekunde seines Lebens fühlt er eine Hand an seinem Hinterkopf und an seinem Kinn. Tot fiel er zu Boden. Der Schamane hatte ihm das Genick gebrochen.

Für einen Moment herrschte absolute Stille. So schnell und eindeutig hatten sie sich den Zweikampf nicht vorgestellt.

Alle, Sinoa am meisten, waren sehr erleichtert! Koror, ihr Feind, war tot!

Danach kam rundum Begeisterung auf. Ab sofort konnten sie wieder mit den Arachos in Frieden leben, gemeinsam im Wald jagen.

Ein paar leise Worte zum Häuptling, dieser nickte zustimmend.

Daraufhin wandte er sich an die Arachos.

»Nachher erhaltet ihr eine Trage und schleift Koror zu eurem Stamm! Doch jetzt kommt mit zum Wasser!«

Er zeigte ihnen den durch die Faschinen gebändigten Bach.

»Zwei Kiropees und ich begleiten euch zurück. Ich will mir selbst ansehen, wie es um eure Zelte steht. Kommt mit!«

*

Interessant!

Die Ebene war doch nicht so flach, wie er dachte. Überall waren, wenn auch sehr seichte Tümpel sowie zwei gut eine halbe Mannlänge tiefen Teiche entstanden. Mitten zwischen Bäumen und Büschen.

Im Wald ging es genauso weiter. Stets mussten sie darauf achten, in keine der Pfützen zu treten.