Jetzt mal unter uns …

Dora Heldt

Jetzt mal unter uns …

Das Geheimnis
schwarzer Strickjacken
und andere ganz wichtige
Erkenntnisse

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Über Dora Heldt

Dora Heldt, 1961 auf Sylt geboren, ist gelernte Buchhändlerin und lebt heute in Hamburg. Mit ihren Romanen führt sie seit Jahren die Bestsellerlisten an, die Bücher werden regelmäßig verfilmt. Weitere Informationen unter www.dora-heldt.de

Über das Buch

Es gibt vieles, was Frauen Tag für Tag beschäftigt, wundert, ärgert oder auch schmunzeln lässt. Ein Glück, dass Dora Heldt genauso fühlt und denkt – und es zudem herrlich selbstironisch, lebensnah und voller Leichtigkeit in Worte fassen kann. Egal, ob es um die verzweifelte Jagd nach der Garderobe für eine Hochzeit geht, um den überraschenden Elternbesuch, lautstark telefonierende Männer im Supermarkt, die komplizierte Logistik bei Silvesterritualen oder den Kauf von Sportschuhen nach zehn Jahren Sportabstinenz: Deutschlands erfolgreichste Romanautorin spricht in ihren hier erstmals versammelten Kolumnen Frauen aus der Seele.

 

Von Dora Heldt sind außerdem bei dtv lieferbar:

Ausgeliebt

Unzertrennlich

Urlaub mit Papa

Tante Inge haut ab

Kein Wort zu Papa

Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt

Jetzt mal unter uns …

Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!

Wind aus West mit starken Böen

Im Grunde ist alles ganz einfach

Böse Leute

Impressum

Originalausgabe 2014

8. Auflage 2021

© 2014 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, Hannover

Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen

Umschlagbild: Markus Roost

 

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eBook-Herstellung: Greiner & Reichel, Köln (08)

 

eBook ISBN 978-3-423-42218-5 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-21509-1

ISBN (epub) 9783423422185

Das Kind schreibt Kolumnen

Meine Mutter hat mich angerufen. Sie wollte mir erzählen, dass ihre Kletterrose Läuse hat, und bei der Gelegenheit fragen, was ich gerade mache. Ich habe ihr erzählt, dass ich eine Kolumne schreibe. Für ein Frauenmagazin. Und dass ich gerade über ein mögliches Thema nachdenke. »Aha«, sagt sie. »Was ist denn eine Kolumne?«

»Eine kleine Geschichte«, antworte ich. Meine Mutter ist nicht besonders beeindruckt und redet weiter über die Läuse. In den Begonien sind sie nämlich auch. Alles voll. Mein Kopf fängt an zu jucken, deshalb teile ich ihr mit, dass ich keine Zeit mehr zum Telefonieren habe, weil ich weiterschreiben muss.

»Ich denke, es ist nur eine kleine Geschichte.« Meine Mutter reagiert unwirsch. »Über was eigentlich?«

Ich antworte geduldig, dass ich noch ein Thema suche, es muss ja zu einem Frauenmagazin passen.

»Eine Frauenillustrierte?« Jetzt ist meine Mutter hellhörig geworden. »Also, über Mode, Schminktipps, Styling, Kochen und so weiter? Das ist ja toll. Dann kannst du dich ja mal beraten lassen. Modisch und so. Oder was für eine Diät wirklich funktioniert. Die kennen sich doch sicher damit aus. Und du lernst was. Das ist gut. Da kannst du ja über alles schreiben. Zum Beispiel …«

Sie macht eine Pause, ich warte auf einen kreativen Vorschlag, stattdessen höre ich, wie sie ihrer Nachbarin Heidi erzählt, dass das Kind jetzt eine Frauenillustrierte kennt und beraten wird. Heidi murmelt irgendetwas von Tricks beim Anziehen und von Lippenstiften, die den ganzen Tag halten, woraufhin meine Mutter mich sofort fragt, ob ich da auch fotografiert werde. Ich weise geduldig darauf hin, dass ich kein Modell bin, sondern nur eine kleine Kolumne schreiben muss, sie geht nicht darauf ein, sondern teilt Heidi mit, dass ich viel zu oft Schwarz trage, was mich blass macht, aber vielleicht würde ich jetzt auf die Fachleute hören und mir mal etwas Gelbes oder Rotes kaufen.

»Gelb steht dir gut, Kind, gerade mit dem dunklen Haar.«

Ich wiederhole den Satz mit dem Modell, weil ich nicht weiß, ob sie mir zugehört hat. Es ist ihr auch beim zweiten Mal egal, sie weist mich darauf hin, dass ich mal gucken soll, ob es dieses Jahr wieder diese schönen Nagellacke gäbe, ich wüsste doch, diese Pastellfarben, die sie so gern mag.

Ich versuche es etwas lauter: »Mama, ich schreibe eine Kolumne, ich werde nicht neu gestylt und ich suche keine Nagellacke aus. Ich schreibe.«

»Ja, ja, schrei doch nicht so.« Die mütterliche Stimme wirkt besänftigend. »Deshalb musst du doch nicht nervös werden. Weißt du denn, über was du schreibst?«

Ich bin etwas erschöpft und flüstere, dass ich ein Thema suche, das interessant ist und gut zu einem Frauenmagazin passt.

»Dann mach doch was über Läuse auf Kletterrosen.« Die Stimme meiner Mutter klingt euphorisch. »Das interessiert die meisten Frauen und vielleicht kommen dann Leserbriefe mit Tipps, wie man mit diesen Viechern fertig wird. Und wenn du eine brauchbare Methode erfahren hast, sag mir Bescheid.«

Sie legt auf und ich starre auf meine leere Seite. Läuse. Na gut. Dann werde ich mal recherchieren. Und wenn Sie eine Idee zur Kletterrosenrettung haben, nur zu. Um den Nagellack für meine Mutter kümmere ich mich dann.

 

Kindliche Grüße von

Dora Heldt

Italienisch für Anfänger

Ein ausgesprochen gut erzogenes Kind bin ich gewesen. Nicht in allen Belangen, aber hervorragend im Benehmen bei Tisch. Darauf haben meine Eltern allergrößten Wert gelegt. Ob es der gerade Rücken, die Serviette auf dem Schoß, die richtige Handhabung des Bestecks, das dezente Mundabtupfen oder die Freundlichkeit im Umgang mit dem Kellner war, mir wurde alles abverlangt. Und ich bemühe mich noch heute, es zu erfüllen.

»Schule fürs Leben«, sagte meine Mutter damals, »das sind Grundlagen der Zivilisation, die müssen sitzen.«

Lena ist fünf und auch im weitesten Sinne zivilisiert. Was ihr fehlt, sind … Sie ahnen es. Ich bin ihre Patentante und habe eine erzieherische Aufgabe. Die habe ich mir wenigstens auferlegt. Also lade ich das Kind mit der zugehörigen Familie ab und an zum Essen ein. Wegen der Schule des Lebens und so. Gestern hatte ich einen Tisch bei einem Italiener bestellt. Das Restaurant gilt als kinderfreundlich, das sind wir auch, deshalb passt es.

Ich sitze bereits am Tisch, als Lena, noch mit dem Fahrradhelm auf dem Kopf, auf mich zugerannt kommt und beim Sprung auf meinen Schoß zwei Weingläser vom Tisch räumt. Der herbeieilenden Bedienung hilft es, dass das Kind auf die Scherben deutet und sagt: »Das muss weg«, bevor sie mir ihre neueste Barbiepuppe zeigt. Mit rosafarbenem Ballettrock. Lenas kleiner Bruder Jakob hat angefangen zu heulen, weil er die Scherben gerade aufheben wollte und das nicht darf. Wegen der Bedienung. Das will die nämlich selbst machen.

Mittlerweile sind auch die Eltern am Tisch. Anna und Axel freuen sich, mich zu sehen, und ziehen Jakob von der Bedienung weg. Er hat sie aufs Knie geschlagen, aber sie hat den Streit angefangen, indem sie ihm die Scherben weggenommen hat. Sagt Lena. Und zwar der Bedienung, die etwas verschnupft geht. Von wegen kinderfreundlich.

Beide Kinder möchten Würstchen essen. Ich erkläre geduldig, dass wir bei einem Italiener sind, daraufhin will Lena ein Spiegelei und Jakob gar nichts mehr. Zu dritt versuchen wir, sie zu überreden, dann bestellen wir eine Pizza Salami für beide. Die Reaktion ist laut und tränenreich, die ersten Gäste gucken rüber, wir lächeln zurück und lassen Lena ihren Helm aufbehalten, weil sie das unbedingt will. Während Jakob die Tischdekoration zerpflückt und neu sortiert, kommt die Pizza. Jakob will immer noch nichts.

Lena findet Salami plötzlich fies und legt die Scheiben unter den Tisch. Falls ein Hund kommt. Daraufhin rutscht Jakob runter und isst die Wurst vom Boden. Damit kein Hund kommt.

Unser Essen wird langsam kalt, weil wir zu dritt bemüht sind, die Kinder auf die gepolsterte Bank und in eine sitzende Haltung zu bekommen. Die Pizza ohne Wurst wird von beiden Kindern schließlich im Liegen gegessen. Ich freue mich, dass sie fast die ganze Pizza schaffen und unsere Trüffelnudeln auch noch lauwarm schmecken. Und erkläre der erschöpften Anna, dass ich die Zwänge am Tisch für spießig und antiquiert halte.

Am nächsten Wochenende werde ich Lena übrigens in die Kinderoper schleppen. Ich hoffe nur, sie mag Musik.

 

Mit mütterlichen Grüßen

Ihre Dora Heldt

Ich finde nichts zum Anziehen

Anna und ich haben uns zum Shoppen verabredet. Wir sind zu einer Hochzeit eingeladen und haben uns überlegt, was wir anziehen sollen. Schließlich wird es sehr festlich, man könnte also Abendgarderobe tragen. Jetzt ist es so, dass ich in den letzten Jahren kaum Gelegenheiten hatte, ein Abendkleid anzuziehen. Keine Opernbälle, keine rauschenden Feste, nichts, was außerhalb der Jeans und Blusenoutfits liegt.

Und nun also eine Hochzeit. Mein einziges Abendkleid ist achtzehn Jahre alt, dunkelblau mit weißen Pailletten an Arm und Ausschnitt und hat auch noch Schulterpolster. Davon abgesehen ist es Größe 36, das war vor achtzehn Jahren so. Das Angebot meiner Schwester, doch ihren schwarzen Hosenanzug zu leihen, habe ich abgelehnt. Ich sehe mich eher in Rot oder Grün, gerne Chiffon, mit schwingendem Rock und tiefem Ausschnitt.

Meine Freundin Anna ist skeptisch, ich ignoriere sie und laufe euphorisch Meter für Meter die Kleiderstangen in der Hamburger Innenstadt ab. Das erste Kleid ist hinten zu eng, das zweite zu wenig rot und oben zu eng, das dritte schlägt am Hintern Falten und im vierten sehe ich ganz anders aus, als ich es mir vorgestellt habe. Wie Tante Ilse auf ihrer goldenen Hochzeit.

Überhaupt sitzt kein Kleid so, wie es am Bügel aussieht. Die Verkäuferin sagt, dass ich irgendwie nicht der Typ für Abendroben wäre, Anna bekommt einen Lachkrampf und verschwindet mit einer silbrigen Hose in der Kabine, aus der sie nach einem kurzen Moment mit versteinertem Gesicht zurückkehrt und mitteilt, dass sie nicht gewillt sei, zwei Kleidernummern größer als vor der Geburt ihrer Kinder zu tragen. Ihr blauer Samtrock habe einen Gummizug, eine Hochzeit würde er noch überstehen. Sie mustert mich und die grüne Kleiderwurst, in der ich gerade stecke, und schüttelt den Kopf.

»Unmöglich«, sagt sie und kneift mich in die Hüfte. »Die denken, du willst einen lustigen Sketch im Kostüm aufführen. Zieh das bloß aus.«

Wir verlassen etwas deprimiert das Geschäft, finden uns beide zu dick und beschließen, ab dem nächsten Monat wieder regelmäßig zum Sport zu gehen.

Zwei Häuser weiter ist eine Parfümerie, die heute kostenlos ihre Kundinnen schminkt. Die Dame, die mir ein Abendmake-up verpasst, heißt Heike, lobt meine Haut und meine Augen. Beseelt kaufe ich einen sündhaft teuren Lippenstift und den braunen Lidschatten, mit dem sie mir gerade meine Augen vergrößert hat. Anna ist genauso begeistert, ihre Augen sind strahlend blau, ihre Lippen dunkelrot, sie zückt das Portemonnaie und wir verlassen mit winzigen Tüten und großer Erleichterung den Laden. Wir haben erfolgreich geshoppt und werden perfekt geschminkt sein. Zur Feier des Tages gehen wir noch zu einem der besten Italiener der Stadt und bestellen Trüffeltortellini mit Salbeibutter. Schließlich müssen wir ja nichts mehr anprobieren. Und man muss uns bei diesen Augen doch wirklich nicht auf die Hüften gucken.

Der Hosenanzug meiner Schwester sitzt übrigens tadellos und mit dem knallroten Lippenstift bekommt er tatsächlich etwas Festliches. Und Annas Augenfarbe passt genau zum blauen Samtrock. Wir werden auf dieser Hochzeit umwerfend aussehen. Und im Übrigen bin ich wirklich kein Typ für Abendrobe. Sagt Anna auch. Aber wenn wir ab dem nächsten Monat wieder Sport machen und die Kohlehydrate weglassen, könnten wir die Sache mit den Chiffonkleidern im Sommer noch mal angehen. Unsere Freundin Katrin heiratet nämlich im August.

 

Mit festlichen Grüßen

Dora Heldt

Die Dings, du weißt schon …

Weil das Wetter neulich so schlecht war und die Baustellen sich auf den Autobahnen im Moment wieder vermehren, bin ich mit dem Zug zu meinem Liebsten gefahren. Ich hatte eine Platzreservierung an einem Vierertisch, einen neuen Krimi in der Tasche und wollte eigentlich meine Ruhe haben. Deshalb hielt sich meine Begeisterung beim Anblick zweier Frauen, die die Plätze gegenüber belegten, auch in Grenzen. Zumal der gesamte Großraumwagen leer war. Aber gut. Frauen sind so, sie setzen sich gerne dazu.

Ich habe mein Buch aufgeklappt und angefangen zu lesen, musste aber dem Gespräch folgen, ob ich wollte oder nicht. Sie unterhielten sich laut und begeistert. Eine der beiden hieß Jutta, die andere Silke. Jutta setzte Silke zunächst von allen Baumaßnahmen ihres Hauses in Kenntnis. Das wurde gekontert von der detaillierten Beschreibung der pubertären Eskapaden von Silkes Tochter. Und dann kam mein Lieblingsdialog:

»Ich habe gestern Dings getroffen, wie heißt sie noch? Du weißt schon, die Dings …«

»Dings?«

»Na, die Dings, die mit dem Auge und diesem Mann, der hatte …, wie hieß der noch, diese Firma.«

»Ach, ich weiß, die Tochter war doch so …«

»Genau. Eine ganz Hübsche, aber der Freund, das war doch der Sohn von …, die haben oben gewohnt.«

»Der Sohn hat die Apotheke übernommen.«

»Wirklich? Toll.«

»Und was war jetzt mit …meinst du, ich komme jetzt auf ihren Namen?«

»Ich auch nicht. Aber die hat ihn verlassen.«

»Ach, das wurde aber auch Zeit. Der ist ein komischer Typ.«