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  Thomas Schirrmacher– Koran und Bibel– Die zwei größten Religionen im Vergleich

ISBN 978-3-7751-7212-7 (E-Book)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© der deutschen Ausgabe 2017

Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:

Umschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im Schönbuch

Inhalt

Über den Autor

Vorwort

I. Bibel und Koran als »Gottes Wort«: das Offenbarungs- und Inspirationsverständnis

In der Kürze liegt die Würze – und die Beschränkung

Zum Vergleich des Selbstverständnisses der beiden heiligen Schriften

Vom Himmel herabgesandt oder über Jahrtausende entstanden?

Buch oder Sammlung von Schriften?

Heilige und vollkommene Sprache oder Gebrauchssprache?

Ist die heilige Sprache auch ohne Verstehen wirksam, oder besteht die Notwendigkeit der Verkündigung zum besseren Verständnis?

Können Übersetzungen selbst Gottes »Wort« sein?

Buchstäbliche oder eigentliche Bedeutung? Buchstabe oder Geist?

Einheitlicher, heiliger Stil oder große Vielfalt der Stile?

Passive Empfänger oder aktive Verfasserpersönlichkeiten?

Göttlicher Stil oder zahlreiche Stile der Verfasserpersönlichkeiten?

Zeitloser Text oder Geschichte im Mittelpunkt?

Zeitlose Gültigkeit oder Gültigkeit in heilsgeschichtlicher Entwicklung?

Verehrung des gedruckten Exemplars oder Nutzung als Gebrauchsgegenstand?

Überlegenheit oder Selbstkritik?

Glaube: Unterwerfung oder Vertrauen mit Klage und Zweifel?

Wissenschaft: zur Verteidigung der Schrift oder zu ihrem besseren Verständnis?

Textkritik ja oder nein?

II. Das Verhältnis zu Gott, wie es durch sein Wort entsteht

Hat sich Gott offenbart?

Glaube als Anerkennung der alleinigen Herrschaft Gottes oder Glaube als gegenseitige Vertrauensbeziehung?

Ist Gott frei von Bindung oder gebunden an seine Versprechen?

Verbot der Prüfung Gottes oder Aufforderung zur Prüfung Gottes?

Liebe als Reaktion Gottes oder als sein tiefster Wesenszug?

Gott: Herr oder Freund und Bruder?

Der Religionsstifter als Kriegsherr oder als Friedensstifter?

Der Religionsstifter: Herr oder Diener?

Gebet vor allem als Pflichtgebet in Gemeinschaft oder vor allem als persönliches Gespräch mit dem Vater?

Koran oder Jesus? Buch oder Person?

Steht der Religionsstifter über oder unter der Heiligen Schrift?

Ein Fest für die Heilige Schrift?

Jesus: Prophet oder Gott und Heilsbringer?

Dreieinigkeit: Vielgötterei oder Wesen Gottes?

Ist Sünde nur gegen Menschen oder vor allem gegen Gott gerichtet?

Sünde als einzelne Tat oder Erbsünde als grundsätzlicher Bruch mit Gott?

Übertritt durch Bekenntnis oder Heilsempfang?

Zentrales Thema der Heiligen Schrift: Unterwerfung oder Erlösung?

Vergebung als Gehorsam oder Vergebung als versöhnendes Handeln Gottes?

Unterwerfung oder Versöhnung?

III. Die Bibel im Koran58

1. Christen und Christentum im Koran

2. Biblische Propheten im Koran

3. Adam

4. Abraham (Ibrâhîm)

5. Josef (Yûsuf)

6. Maria (Maryam)

7. Jesus im Koran und in der Sicht der islamischen Theologie

IV. Hilfen zum Weiterarbeiten

Wie können Christen mit Muslimen sprechen?

Literatur zum Weiterarbeiten

Anmerkungen

Über den Autor

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PROF. DR. THOMAS SCHIRRMACHER, Jg. 1960, promovierte in ökumenischer Theologie, in Kulturanthropologie und in Vergleichender Religionswissenschaft. Als Sprecher für Menschenrechte der Weltweiten Evangelischen Allianz ist er weltweit engagiert und nimmt regelmäßig an interreligiösen Gesprächen teil.

Vorwort

Als ich für das Buch »Koran und Bibel« den ungewöhnlichen Zugang wählte, das Selbstverständnis der beiden heiligen Bücher der beiden größten Weltreligionen zum Ausgangspunkt zu wählen, war ich mir nicht ganz sicher, ob die Leser das nachvollziehen, wertschätzen und weiterempfehlen würde. Nachdem das Buch seit 2008 im Schnitt jährlich eine Neuauflage erlebt hat und auch die englische Ausgabe weit verbreitet ist, brauche ich mir diese Sorgen nicht mehr zu machen.

Mit dem neuen Format, in dem nun die siebte Auflage erscheint, ließen sich die beiden häufigsten Wünsche meiner Leser nun erfüllen: zum einen eine übersichtlichere und weitläufige Gestaltung, zum anderen ein zusätzliches Kapitel zur Frage, was denn konkret der Koran aus der Bibel übernommen hat oder wie er biblische Inhalte aufgreift. Im ursprünglichen Buch war dies nicht nur aus Platzgründen nicht enthalten, sondern weil hier eine Gegenüberstellung nicht einfach möglich ist, hat doch die Bibel – weil viel älter – nichts aus dem Koran übernommen. Trotzdem rundet das neue Kapitel das Verhältnis der heiligen Bücher der beiden größten Weltreligionen nun gut ab.

Erfreulich finde ich natürlich auch, dass das Buch mittlerweile von vielen Muslimen gelesen wird – die englische Übersetzung auch weltweit – und ich das Feedback bekomme, dass meine Darstellung islamischer Positionen korrekt und fair ist. Ich hoffe, dass das zusätzliche Kapitel ebenso positiv aufgenommen wird.

Es mag den einen oder anderen erstaunen, dass gerade dort, wo im ersten Moment Christentum und Islam so ähnlich zu sein scheinen, nämlich in der Frage der Heiligen Bücher, sich solche Unterschiede auftun. Meine vielen Dialogerfahrungen mit führenden islamischen Geistlichen und mit Großmuftis ganz unterschiedlicher Länder, wie beispielsweise Bosnien, Libanon, Türkei oder Pakistan, haben eins gezeigt: Ein ehrliches und offenes Gespräch, dass gerade auch die Unterschiede offen legt, wo oberflächlich betrachtet Gemeinsamkeit zu sein scheint, wird zum einen von Muslimen selbst gewünscht, ja erwartet, und ist zum anderen auch der Ausgangspunkt wirklich tiefergehender Gespräche.

Thomas Schirrmacher

I.Bibel und Koran als »Gottes Wort«: das Offenbarungs- und Inspirationsverständnis

In der Kürze liegt die Würze – und die Beschränkung

Die Herausforderung dieses Buches liegt in seiner Kürze. Denn es will über die beiden größten Weltreligionen sprechen, deren Anhänger zusammen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen, die sich beide in ungezählte Richtungen aufgegliedert haben, die wir hier noch nicht einmal erwähnen können.

Das Buch will zudem die beiden wohl einflussreichsten und am häufigsten übersetzten Bücher der Geschichte vorstellen und vergleichen, deren Inhalte man aber nicht leicht kurz zusammenfassen kann.

Anteil an der
Weltbevölkerung
Anhängerjährliches
Wachstum
Christentum  33 %2,0 Mrd.+ 1,43 %
Islam  21 %1,3 Mrd.+ 2,17 %
Menschheit100 %6,1 Mrd.+ 1,39 %

Man kann Islam und Christentum miteinander vergleichen, indem man nach dem fragt, was ihnen das Wichtigste ist, indem man ihre Lehren systematisch einander gegenüberstellt, indem man fragt, was beide übereinander sagen, indem man ihre Geschichte oder ihre geschichtliche Beziehung zueinander behandelt oder indem man fragt, wie sie zu aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Menschenrechte, Gewalt, Rolle der Frau oder Mission stehen. Auch wenn all das ein wenig in diesem Buch aufscheinen wird, ist der Weg, der hier gewählt wurde, doch ein ganz anderer, einer, der bisher selten gewählt wurde, nämlich der Zugang über das Offenbarungsverständnis der beiden zugrunde liegenden Hauptschriften.

Das bedingt natürlich, dass die geschichtliche Entwicklung der beiden Religionen kaum angesprochen werden kann, sondern das Übergewicht auf den heiligen Schriften und dem Anliegen der beiden Stifter Muhammad und Jesus liegt.

Dies bedingt auch, dass zum Islam nur angesprochen wird, was allen Muslimen gemeinsam ist, und auf theologische Unterschiede etwa zwischen Sunniten und Schiiten oder auf kulturelle Unterschiede zwischen dem arabischen, persischen, türkischen und asiatischen Islam gar nicht eingegangen wird. Auch der Hadith, die Überlieferung der Worte und Taten Muhammads und seiner Gefährten, und die dem entsprechende Lebensweise Sunna werden zwar angeführt, aber nirgends thematisiert.

Ebenso wird aufseiten des Christentums selten etwas dargestellt, das nicht alle Konfessionen teilen bzw. in ihrer traditionellen Sicht vergangener Jahrhunderte teilten. Das führt aber dazu, dass Besonderheiten der Konfessionen, etwa die katholische Betonung der Rolle der Kirche für die Erlösung oder die Tatsache, dass sich die orthodoxen Kirchen der Tradition der frühen Kirchenväter verpflichtet wissen, ebenso wenig vorkommen wie die enorme geschichtliche und kulturelle Vielfalt des Christentums. Auch die große Meinungsvielfalt der »modernen« Theologie, sei es im historisch-kritischen, sei es im evangelikalen Gewand, kann hier nicht aufgegriffen werden.

Zudem bleibt das Judentum als Urboden des Christentums in unserer Betrachtung leider völlig außen vor, was auch bedeutet, dass das Alte Testament (AT) ausschließlich im neutestamentlichen und christlichen Verständnis dargestellt wird, so wünschenswert ein breiterer Zugang auch wäre.

Oft stellt dieses Buch zum Christentum den dogmatischen Konsens der Kirchen vor dem Aufkommen der Moderne dar, übergeht also die seit dem 18. Jahrhundert diskutierte innerchristliche Dogmen- und Bibelkritik, weil sowohl der Platz fehlt als auch das eigentliche Anliegen des Buches dabei verloren ginge. Denn insbesondere die historisch-kritische Theologie hat zu fast allen Fragen die Unterschiede zwischen Islam und Christentum in Bezug auf den Umgang mit den heiligen Schriften nur noch erweitert. Dadurch wird aber leicht überdeckt, dass die Unterschiede im Umgang mit der Heiligen Schrift schon weit über ein Jahrtausend alt sind. Mein Anliegen ist es, zu zeigen, dass die Unterschiede zwischen Islam und Christentum bereits im Verständnis der heiligen Bücher und ihrer »gläubigen« Verwendung liegen.

Man kann all das auch anders sagen: Dieses Buch konzentriert sich so sehr darauf, das Wesentliche in Islam und Christentum von seinen Ursprüngen und vom Verständnis seiner grundlegenden Urkunde her zu verstehen und zu unterscheiden, dass es um der klaren Gedankenführung und der Kürze bewusst auf viele andere, auch tagesaktuelle Themen verzichtet, wie sie etwa die Handreichung »Klarheit und gute Nachbarschaft« der Evangelischen Kirche in Deutschland in großer Dichte anspricht.1 Damit ist auch gesagt, dass dieses Buch auf die politische und gesellschaftliche Dimension bewusst verzichtet. Es geht zunächst einmal um die Grundlagen und um die alle Richtungen und alle Jahrhunderte verbindenden Auffassungen; die jeweilige politische Umsetzung in Geschichte und Gegenwart würde ein weit umfangreicheres Buch erfordern.

Von welchen Voraussetzungen ich als Christ im Gespräch mit Muslimen ausgehe, führe ich im praktischen Teil III aus. Dieses Buch ist von einem Christen geschrieben und verschweigt nicht, dass es die christliche Sicht befürwortet. Dennoch habe ich mich bemüht, die islamische Position korrekt und fair darzustellen. Ich hoffe, dass Muslime, auch wenn sie vielleicht die Ausrichtung dieses Buches nicht schätzen, trotzdem ihr Gottesbild und Koranverständnis so dargestellt finden, wie sie es tatsächlich kennen und leben.

Auch Muslime haben einen Anspruch darauf, gemäß des achten der Zehn Gebote gegen falsches Zeugnis geschützt zu werden. Es gibt zu viele ernsthafte Themen zwischen Christen und Muslimen zu besprechen, als dass wir noch zusätzlich durch Gerüchte und üble Nachrede weitere Probleme hervorrufen müssten. Ich habe in meinem Buch »Feindbild Islam«2 etliche solcher Themen am Beispiel der Kleinpartei »Christliche Mitte« aufgegriffen und gezeigt, inwieweit sich manches, was zum Islam gesagt wird, um Verleumdung handelt.

Ich verwende in diesem Buch durchgängig die Bezeichnung »Gott« für Islam und Christentum und nicht speziell Allah für den Gott des Islam, da ich davon ausgehe, dass das Wort Allah von dem altorientalischen (und auch alttestamentlichen) Wort El für Gott abstammt und Allah nur der arabische Ausdruck für »Gott« ist. Ebenfalls in meinem Buch »Feindbild Islam« habe ich detailliert belegt, dass arabische Christen schon lange vor Muhammad Gott als Allah anbeteten, etwa in der arabischen Übersetzung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses aus dem 4. Jh.

Zum Vergleich des Selbstverständnisses der beiden heiligen Schriften

Vergleicht man die großen Weltreligionen, in denen ein einzelnes Buch als Heilige Schrift und »Gottes Wort« eine zentrale Rolle spielt, zeigt sich, dass das Verständnis ihres jeweiligen Buches unterschiedlicher kaum sein könnte. »Wort Gottes« ist hier überhaupt nicht gleich »Wort Gottes«.

Oder anders gesagt: Der fundamentale Unterschied von Christentum und Islam kann allein schon am jeweils traditionellen (also vorkritischen) Verständnis ihrer heiligen Bücher aufgezeigt werden. Diesem Grundgedanken liegen die Ausführungen dieses Buches zugrunde. Wegen der Kürze wollen wir uns dabei bewusst in viererlei Hinsicht beschränken.

Zum Ersten lasse ich bewusst die Frage der Kritik an der historischen Glaubwürdigkeit des Korans und der Bibel außen vor. In Bezug auf die Bibel frage ich also nur nach dem Selbstverständnis der biblischen Autoren und Texte und nach dem Schriftverständnis der Kirchen, bevor die moderne Bibelkritik aufkam, zeigt doch dieses Selbstverständnis schon, warum die spätere Bibelkritik überhaupt im christlichen (und jüdischen) Bereich aufkommen konnte, während es eine vergleichbare Entwicklung im Islam nicht gab und gibt. Oder anders gesagt: Die folgende Gegenüberstellung beschreibt aufseiten der Bibel vor allem die heutige evangelikale Position (oder katholischerseits auch die Position des Offenbarungsdekrets Dei Verbum des Zweiten Vatikanischen Konzils). Ist dieses tendenziell konservative Inspirationsverständnis aber schon so stark vom islamischen unterschieden, wird es für andersdenkende Christen offensichtlich sein, dass sich ihr modernes Bibelverständnis vom Verständnis des Korans noch viel stärker unterscheidet.

Zum Zweiten verzichte ich bewusst darauf, die formulierten Glaubenssätze zu hinterfragen. Wenn etwa der Islam glaubt, dass der Koran ungeschichtlich ist, also keinen Bezug zur Lebensgeschichte Muhammads hat, weil er immer schon im Himmel fertig war, lassen wir dies so stehen, auch wenn die westliche Islamwissenschaft und die christliche Kritik dies anders sehen, etwa mit Hinblick auf die Ausnahmen, die nur Muhammad im Koran jeweils in einer entsprechenden Lebenssituation gestattet werden (z. B. mehr als vier Frauen, jüngeres Heiratsalter, Krieg in der Friedenszeit).3 Für die Lebensgeschichte und das Anliegen Jesu folge ich etwa den neutestamentlichen Evangelien ganz unabhängig von der Diskussion, was genau wir historisch von Jesus wissen können und was nicht.4

Zum Dritten verzichte ich weitgehend darauf, darzustellen, wie Islam und Christentum die jeweiligen Aussagen der anderen beurteilen, wenn es sich nicht aus der Thematik von selbst ergibt, etwa wenn die Rolle von Jesus in Bibel und Koran verglichen wird. So gehe ich etwa nicht auf den islamischen Vorwurf der Schriftverfälschung (arab. tharif) ein, der besagt, dass die jüdischen und christlichen Schriften sich vom Koran deswegen unterscheiden, weil sie im Laufe der Jahrhunderte verändert worden seien.

Zum Vierten lässt es die Kürze dieses Buches nicht zu, alle Aussagen im Detail mit Koran- bzw. Bibelversen zu belegen oder jeweils alle vorhandenen Belege anzuführen. Dass es oft Ermessenssache war, wann ich Belege angeführt habe und wann nicht, steht außer Frage. Im Folgenden sollen aber sowieso keine in der jeweiligen Religion umstrittenen Aussagen gemacht werden, sondern lediglich Aussagen, die jeder im oben angeführten Sinn »bibeltreue« Christ bzw. »korantreue« Muslim unterschreiben würde.

Der Aufbau der einzelnen Abschnitte ist bis auf wenige Ausnahmen im ganzen Buch gleich. Zunächst werden nach einer Überschrift in zwei kursiv gedruckten Thesen jeweils die Sichtweisen des Korans und der Bibel gegenübergestellt. Dann folgt eine ausführlichere Darstellung der Sicht des Korans, anschließend eine entsprechende zur Bibel.

Vom Himmel herabgesandt oder über Jahrtausende entstanden?

Der Koran ist nach muslimischer Auffassung zeitlos, seit Ewigkeit im Himmel aufbewahrt und über einen Zeitraum von 22 Jahren als fertige Offenbarung »herabgesandt« und von Muhammad nur empfangen und durch Rezitieren weitergegeben worden. Gott ist alleiniger Autor des Korans.

Die Bibel ist über einen sehr langen Zeitraum im Rahmen menschlicher Geschichte entstanden, und ihre göttliche Inspiration ändert nichts daran, dass sie zunächst ein Ergebnis der Geschichte ist und ohne ihre geschichtliche Entstehung nicht zu verstehen ist. Menschen der Geschichte sind die Autoren der Bibel; die göttliche Autorschaft tritt in wunderbarer Weise durch den Heiligen Geist hinzu.

Nach dem Selbstverständnis des Korans und der islamischen Theologie ist der in 22 Jahren an Muhammad offenbarte Koran nicht zwischen 610 und 632 n. Chr. entstanden, sondern existierte immer schon in einer Originalfassung bei Gott im Himmel. Bei der Offenbarung wurde ein im Himmel fertiges Exemplar, die »Mutter der Schrift« oder »Mutterschrift« (arab. um al kitab, vgl. Sure 43,2-4; 56,78) an Muhammad durch Vermittlung des Engels Gabriel verlesen. Muhammad (569/570–632 n. Chr.) begann im Jahr 610 n. Chr. in Mekka mit der Verkündigung des Islam, nachdem er in einer Höhle am Berg Hira in der Nähe von Mekka die Eingebung gehabt hatte, der Engel Gabriel habe ihn aufgefordert, eine Botschaft von Gott »vorzutragen« (arab. qara’a, daher Quran = »Lesung«, »Rezitierung«).

Dass der Koran nicht von Menschen verfasst und auch nicht im 7. Jh. verfasst wurde, sondern dass ein bereits vorhandener Text herabgesandt wurde, gehört zu den häufigsten Aussagen des Korans (z. B. Sure 2,176.185; 3,3.7; 4,47.136.166; 5,102; 6,92.155; 7,2.3; 14,1; 17,105; 18,2; 21,50; 25,6.32; 29,51; 38,29; 39,23; 42,17; 44,3; 65,10). »Nach muslimischem Glauben geht das geschichtliche, auf der prophetischen Verkündigung Mohammeds beruhende Buch wie alle wahren Offenbarungszeugnisse zurück auf eine himmlische Urkunde, die ewige Norm aller innerweltlichen Verkündigungen von ›Gottes Wort‹. Die Zuverlässigkeit des geschichtlichen Korans hat ihren Grund in seiner Herkunft von dem nicht verfälschbaren himmlischen Original. Dass er eine ›Offenbarung‹ Gottes ist, wird in der Sprache des Korans durch eine räumliche Metapher ausgedrückt: ›Er ist eine Herabsendung des Herrn aller Welt‹ (26,192). Die ›Mutter der Schrift‹ hat also ihre Bedeutung nicht für sich selbst, sondern um der Mitteilung Gottes an die Menschen willen: Die prophetischen Reden Mohammeds sollen nicht als dessen menschliches Wort gelten, sondern wahrhaft als das Gottes«5 (46,10).

Die Bibel ist nach ihrem Selbstverständnis und in der Sicht der christlichen Theologie aller Zeiten nicht im Himmel entstanden, sondern in eineinhalb Jahrtausenden gewachsen. Die Bibel ist nicht vom Himmel gefallen und lag auch nie in irgendeiner Form im Himmel vor. Sie wurde von Menschen geschrieben, und bevor ein Text entstand oder zusammengestellt wurde oder die dazugehörige Offenbarung geschah (etwa an einen alttestamentlichen Propheten), lag der entsprechende Text nirgends vor.

Die Inspiration der Bibel meint auch schon in vorkritischer Zeit den Vorgang, dass Gott sich Menschen in der Geschichte offenbart hat und bei dem Vorgang der schriftlichen Niederlegung der Zeugnisse, Berichte und Gedanken der davon betroffenen Menschen darüber wachte, dass zugleich mit dem durch Menschen geschriebenen und geschichtlich entstandenen Text seine ewige und göttliche Botschaft unverfälscht verkündigt wurde. Zu allen Zeiten haben die christlichen Kirchen unter Inspiration nicht verstanden, dass Gott alleiniger Autor der Schrift sei, sondern immer nur, dass er zu den menschlichen Autoren in wundersamer und nicht definierbarer Weise durch den Heiligen Geist hinzutrat.

Der katholische Weltkatechismus schreibt ganz typisch unter Einbezug von Formulierungen der »Dogmatischen Konstitution über die Göttliche Offenbarung Dei Verbum (DV)« des Zweiten Vatikanischen Konzils zwar einerseits: »Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ›Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muss, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, dass sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte‹ (DV 11)«, fügt jedoch gleich hinzu: »Gott hat die menschlichen Verfasser der Heiligen Schrift inspiriert. ›Zur Abfassung der Heiligen Bücher aber hat Gott Menschen erwählt, die ihm durch den Gebrauch ihrer eigenen Fähigkeiten und Kräfte dazu dienen sollten, all das und nur das, was er – in ihnen und durch sie wirksam – selbst wollte, als wahre Verfasser schriftlich zu überliefern‹ (DV 11)« (§ 107 & 106).

Buch oder Sammlung von Schriften?

Der Koran ist ein in kurzer Zeit entstandenes, in sich geschlossenes Buch, das an einen einzigen Menschen offenbart wurde und in sprachlicher, literarischer, historischer, geografischer und ethnologischer Hinsicht eine Einheit darstellt.

Die Bibel ist eigentlich kein Buch, sondern eine Sammlung von 66 unterschiedlichen Schriften (Büchern) aus verschiedensten Zeiten und Regionen und stellt Texte aus fast eineinhalb Jahrtausenden in enormer sprachlicher, literarischer, historischer, geografischer und ethnologischer Vielfalt nebeneinander.

Der im Himmel fertig vorliegende Koran gelangte in einem relativ kurzen Zeitraum von 22 Jahren zu Muhammad, auch wenn sich der Zeitraum der Sammlung der zunächst mündlich weitergegebenen Texte über einen längeren Zeitraum erstreckte. Der Koran wird als eine zusammenhängende Offenbarung in derselben Sprache, demselben Stil, mit demselbem Anliegen und unter denselben Zeitumständen verstanden. (Der Umfang des Korans entspricht ungefähr dem des Neuen Testaments [NT].)

Die Bibel hieß dagegen ursprünglich im Griechischen bibloi, d. h. »Rollen«, »Bücher« oder »Sammlung von Büchern«, und erst im mittelalterlichen Latein wurde aus der Mehrzahl die Einzahl biblia (»Buch«, »Bibel«). Matthäus 26,56 und Römer 16,26 sprechen von den »Schriften der Propheten«, Johannes 5,47 von »Schriften des Mose«, 2. Petrus 3,16 spricht von den »Briefen« des Paulus und den »anderen Schriften«.

In der biblischen Büchersammlung gibt es wieder Bücher, die sich selbst als Sammlung von Texten verschiedenster Autoren vorstellen, etwa die Psalmen oder die aus der ganzen damaligen Umwelt zusammengetragenen Sprichworte (Buch der Sprüche). Dass viele Bücher auch sonst häufiger aus verschiedenen zuvor vorhandenen Teilen und Quellen zusammengesetzt wurden, ist nicht erst von der modernen Bibelforschung gesagt worden, sondern oft aus den Angaben der Bücher selbst zu entnehmen oder wenigstens zu erahnen.

Das AT ist nach christlicher Zählung eine Sammlung von 39 Büchern, die in christlicher Tradition nach Gruppen sortiert sind, und zwar: fünf Gesetzbücher Mose (die Tora); zwölf Geschichtsbücher; fünf poetische bzw. zur Weisheitsliteratur zählende Bücher; fünf große Propheten und zwölf kleine Propheten. Die Juden sortieren dieselben Bücher etwas anders und teilen sie in 24 Bücher auf. Die katholische Kirche zählt im Gegensatz zu Juden und Protestanten darüber hinaus noch sieben auf Griechisch, nicht auf Hebräisch geschriebene Schriften aus der Zeit zwischen AT und NT zum AT hinzu. Die zusätzlichen Bücher werden von evangelischen Christen als »Apokryphen« bezeichnet (Katholiken und Orthodoxe bezeichnen sie als »deuterokanonische Schriften« oder »Spätschriften«), aber nicht zur Bibel gezählt, da sie dem (um 135 n. Chr. festgelegten) jüdischen Kanon folgen.6