Inhaltsverzeichnis

ÜBER DEN AUTOR

Prof. Dr. Riccardo Stoohs ist Schlafmediziner und Mitbegründer der Somnolab Zentren für Schlafmedizin in Dortmund und Essen. Er ist außerdem als beratender Professor an der Stanford University wissenschaftlich tätig, wo er von 1992 bis 1997 das Schlaflabor leitete.

DANKSAGUNG

Ganz besonders möchte ich Frau Dr. Annette Bussmann für ihre einfühlsamen Korrekturen meines mitunter zu wissenschaftlichen und mit Amerikanismen durchsetzten Manuskripts danken. Sie hat den Text in etwas für jedermann Lesbares verwandelt.

Herrn Betram von der Selbsthilfeorganisation Schlafapnoe-Online sei für die Anregungen und wesentlichen Passagen zum Abschnitt „Selbsthilfe“ gedankt. Meinem Kollegen Dr. Hans-Christian Blum danke ich für das Kapitel „Schlafmedizin 2011“. Frau Birgit Bataryk von der Firma Linde Gas Therapeutics sei für zahlreiche Informationen zu krankenkassenbezogenen Informationen gedankt.

Herzlich möchte ich auch allen anderen ärztlichen Kollegen und nichtärztlichen Mitarbeitern der Somnolab-Schlaflabore für ihre unermüdliche Arbeit danken – ganz besonders denen, die bewusst ihre Nacht zum Tag machen und damit einen wesentlichen Beitrag leisten, um das Wissen über Schlafstörungen voranzubringen.

VORWORT

Es klingelt an Ihrer Tür. Sie machen auf und vor Ihnen stehen zwei Männer in dunklen Anzügen und schwarzen Krawatten. „Sind Sie Herr Schmidt?“ „Ja“, antworten Sie, und bevor Sie verstehen können, wer diese beiden Männer sind und was sie von Ihnen wollen, werden Sie in ein dunkles Fahrzeug gezerrt. Sie bekommen keine Gelegenheit, zu fragen, was man eigentlich von Ihnen will oder wo man Sie hinbringen wird. Eine dicke Scheibe trennt Sie von den Eindringlingen. Die Fahrt dauert über eine Stunde. Panikartig versuchen Sie zu verstehen, was dies bedeuten könnte.

Das Fahrzeug stoppt, man zerrt Sie heraus und bringt Sie in ein Gebäude, das Sie nie zuvor gesehen haben. „Wo bin ich? Was haben Sie mit mir vor?“ Keine Antwort. Innerhalb von fünf Minuten bringt man Sie in einen kleinen Raum: ein Tisch, vier Stühle. Die Tür schließt sich hinter Ihnen. Der Raum ist nicht hell, er hat kein Fenster, eine schwache Glühbirne brennt. Nach einer halben Stunde kommt ein Mann herein, Sie können hören, wie die Tür hinter ihm wieder verschlossen wird. Er setzt sich auf einen Stuhl und beginnt Sie zu befragen.

„Wer sind Sie und was machen Sie?“ „Wo waren Sie gestern zwischen 14 und 18 Uhr?“ Weitere Fragen folgen für Stunden am Stück. Waren es zwei oder gar sechs Stunden? Ein zweiter Mann kommt in den Raum. Er hat die Tür nicht geöffnet. Irgendwie ist er durch sie hindurchgegangen. Sie erkennen ihn erst, als er direkt vor Ihnen steht, sich setzt und anfängt, die gleichen Fragen zu stellen wie jener Mann zuvor. Ebenso mysteriös verlässt der erste Mann den Raum. Es wundert Sie nicht, dass auch er nicht die Tür geöffnet hat, sondern einfach durch sie hindurchgegangen ist.

Die Fragen hören nicht auf, oft sind es dieselben, auf die Sie schon geantwortet haben. „Der Anschlag auf den Zug nach Berlin! Gestern! Glauben die etwa, dass ich etwas damit zu tun habe?“ Sie werden müde. Es muss schon weit nach Mitternacht sein oder vielleicht Mittagszeit? Man gönnt Ihnen keine Ruhe, immer wieder diese Fragen! Ihr Kopf wird schwerer, Sie schließen Ihre Augen und legen Ihren Kopf in die verschränkten Arme auf den Tisch. „Schlafen“, denken Sie, „wenn ich nur schlafen könnte!“

Im selben Augenblick schrecken Sie hoch: Der Mann, der Ihnen gegenübersitzt, hat mit der flachen Hand auf den Tisch geschlagen – so heftig, dass jeder Wunsch nach Schlaf vergessen ist. Stundenlang geht es so weiter, die Männer wechseln sich ab. Sie können sich nicht erinnern, wen Sie schon einmal gesehen haben. War der nicht gerade im Raum? Ist er weggegangen, hat sich die Tür geöffnet? Sie schauen zur Tür und sind so erleichtert: „Da steht sie, meine Frau!“ Sie rufen sie bei ihrem Namen, und schon ist sie wieder verschwunden. „Komm zurück! Wo bist du?“, schreien Sie. Sie richten sich auf, sind ganz verschwitzt.

Ein Traum, gütiger Gott, es war nur ein Traum!

Was wie ein Traum erscheint, ist pure Wirklichkeit. Im Oktober des Jahres 2006 wurde in den USA ein neues Anti-Terror-Gesetz verabschiedet. Ein Teil dieses Gesetzes beschäftigt sich mit den Methoden, die zur Befragung von Verdächtigen eingesetzt werden können. Während Schlafentzug in der Vergangenheit immer wieder als probates Mittel im Verhör benutzt wurde besonders gern vom KGB im Kalten Krieg und vermutlich auch heute in den USA, ist inzwischen eine Diskussion darüber entbrannt, ob Schlafentzug als Folter aufzufassen ist und nach der Genfer Konvention von 1949 als unzulässig einzustufen ist. Es gibt Befürworter und Gegner.

Schlafentzug kann aber auch ungewollt entstehen. Menschen, die nächtelang, gar wochen- und jahrelang nicht gut schlafen können, werden die Pein des Träumers im Traum verstehen. Oft werden sie dafür belächelt: Nicht schlafen können, das ist doch keine Krankheit, heißt es oft. Sie gehen von Arzt zu Arzt, doch nirgendwo kann ihnen wirklich geholfen werden. Sie empfinden Ihre Schlafstörung vielleicht nicht direkt als Folter, wenngleich es dem doch sehr nahekommt. Sie sind bereit, alles zu tun, um von Ihrem Leid befreit zu werden. Sie schlucken Tabletten, in der Hoffnung, wieder einmal richtig gut schlafen zu können. Mehr als 30 Prozent aller Erwachsenen in der zweiten Lebenshälfte leiden unter chronischen Schlafstörungen. Je älter wir werden, desto wahrscheinlicher wird es, dass wir an einer Schlafstörung leiden werden. Aber die gute Nachricht ist, dass sich fast alle Schlafstörungen behandeln lassen. Je früher man sich in die Behandlung eines Schlafspezialisten begibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Störung behoben werden kann.

EINLEITUNG

Wir alle schlafen manchmal schlecht. Entweder können wir überhaupt keinen Schlaf finden und wälzen uns von einer Seite auf die andere. Oder wir schlafen rasch ein, erwachen jedoch nach kurzer Zeit, starren hellwach ins Leere und beginnen zu grübeln. Manchmal fühlen wir uns am Tag wie gerädert, obwohl wir glauben, eigentlich ausreichend geschlafen zu haben. Doch wann handelt es sich um eine harmlose, vorübergehende Schlafstörung und wann ist der Besuch eines Arztes ratsam? Was können wir selbst tun, um unsere Schlafqualität zu verbessern? Wer ist besonders empfänglich für Schlafstörungen? Welche Schlafstörungen gibt es überhaupt und wie können sie behandelt werden?

Schlafstörungen haben viele Gesichter und Ursachen. Sie können jeden treffen, egal ob jung oder alt, Mann oder Frau. Gleichwohl treten Schlafstörungen in der zweiten Lebenshälfte, das heißt nach dem 50. Lebensjahr, besonders häufig in Erscheinung. Erst in den letzten Jahren hat sich die Wissenschaft vermehrt der Erforschung der Zusammenhänge von Schlaf und Alter gewidmet – nicht ohne Grund, denn wir Menschen werden immer älter. Deutliche Verbesserungen der sozioökonomischen Gegebenheiten und die Fortschritte in der medizinischen Forschung und Versorgung während der letzten Jahrzehnte haben hierzu maßgeblich beigetragen.

images/img-17-1.png

Im Jahr 1998 waren 16 Prozent der Deutschen älter als 64 Jahre. Dieser Anteil wird bis zum Jahr 2020 auf 23 Prozent und bis zum Jahr 2050 auf 32 Prozent anwachsen. Die Lebenserwartung wird bis zum Jahr 2050 um weitere zehn Jahre steigen.

Während unsere Politiker verzweifelt versuchen, an der Geburtenschraube zu drehen und Konzepte zur Erhöhung des Renteneinstiegsalters zu entwickeln, machen sich Forscher Gedanken darüber, wie die natürlichen biologischen Veränderungen, die mit dem Altern einhergehen, in der Form beeinflusst werden können, dass Älterwerden nicht zwangsläufig mit einer Einschränkung der Lebensqualität gleichzusetzen ist. Zentraler Bestandteil der viel beschworenen Lebensqualität ist zweifelsfrei der Schlaf. Zahlreiche Studien belegen, dass Komponenten von Lebensqualität wie die Fähigkeit, tägliche Einkäufe selbst zu verrichten, sich selbst anzuziehen, die Zähne zu putzen und soziale Funktionen wahrzunehmen, davon abhängen, wie gut man schläft. Bekommt man während der Nacht kein Auge zu, ist man morgens wie gerädert, kann sich nicht konzentrieren und möchte auch nicht so recht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Doch was bedeutet Schlaf eigentlich für unser Leben, wie lange schlafen wir, wer außer uns Menschen ist auf ein erholsames Nickerchen angewiesen und seit wann ist das Phänomen „Schlaf“ überhaupt nachweisbar?


Der Schlaf – älter als die Menschheit

Die Forschung geht davon aus, dass der Schlaf mit der Entwicklung des Lebens außerhalb des Wassers vor 600 Millionen Jahren entstanden ist. Zwar gibt es keine Anzeichen dafür, dass Fische wie Menschen schlafen, doch zeigen auch sie Phasen geringerer Aktivität. Bei Säugetieren wie Delfinen oder Walen indes ist Schlaf eindeutig nachweisbar. Auch die meisten anderen Lebewesen auf der Erde brauchen Schlaf. Wäre der Schlaf nicht für das Überleben des Menschen wichtig, hätte die Evolution ihn schon lange wegrationalisiert.


Kostbares Lebenselixier

Seit Menschengedenken verbringen wir ein Drittel unserer wertvollen Lebenszeit schlafend. Wie viel mehr könnten wir schaffen, wenn wir nicht schlafen müssten! Sicherlich haben auch Sie schon einmal versucht, mit weniger Schlaf auszukommen, etwa wenn Sie aufgrund beruflicher Erfordernisse weniger schlafen oder eine weite Reise mit dem Auto antreten wollen und dafür einige Stunden früher als üblich aufstehen. Der Preis, den Sie dafür entrichten müssen, ist immer derselbe: Müdigkeit. Müdigkeit ist ein Alarmsignal unseres Körpers. Dieses Signal sagt uns, dass wir Schlaf brauchen. Je länger wir dieses Signal ignorieren, desto stärker wird es. Damit ist Schlaf ein Grundbedürfnis unseres Körpers wie Essen und Trinken. Experimenteller Schlafentzug bei Tieren führt nach 20 bis 30 Tagen unweigerlich zum Tod.


Schlaf und Lebensalter

Ob Jung oder Alt, alle brauchen Schlaf. Allerdings ändert sich das Schlafbedürfnis mit zunehmendem Alter. Je älter wir werden, desto weniger Schlaf benötigen wir.

images/img-19-1.png

Entgegen anders lautenden Behauptungen ändert sich das Schlafbedürfnis nach dem 50. Lebensjahr jedoch nicht mehr wesentlich. Es liegt derzeit bei siebeneinhalb Stunden. Diese siebeneinhalb Stunden beanspruchen aber immerhin noch fast ein Drittel des gesamten Tages.

images/img-19-2.png

Obwohl die Schlafdauer nach dem Erwachsenwerden nahezu gleich bleibt, beeinflussen wichtige Veränderungen des Lebensrhythmus während der zweiten Lebenshälfte dennoch entscheidend unser Schlafverhalten und unsere Schlafqualität. Zahlreiche Studien belegen, dass ältere Menschen verstärkt Probleme mit dem Durchschlafen haben. Sie wachen nachts häufiger auf und haben mitunter erhebliche Schwierigkeiten, wieder einzuschlafen. Eine vor wenigen Jahren durchgeführte Studie ergab, dass 15 bis 45 Prozent der älteren Menschen Probleme mit dem Einschlafen und 20 bis 65 Prozent Probleme mit dem Durchschlafen haben. Frauen sind überdurchschnittlich häufiger von Ein- und Durchschlafstörungen betroffen als Männer. Die Ursachen unzureichenden Schlafes während der zweiten Lebenshälfte sind mannigfaltiger Natur. So können beispielsweise zugrunde liegende Erkrankungen, die Einnahme bestimmter Medikamente oder schwierige Lebenssituationen unsere Schlafqualität erheblich beeinträchtigen.

Sie haben vielleicht auch schon erlebt, was es bedeutet, wenn man nicht gut schlafen kann. Dieses Buch soll Ihnen verdeutlichen, dass Sie mit Ihrem Problem keineswegs allein dastehen. Aus der Sicht eines Schlafforschers und klinisch tätigen Arztes möchte ich Ihnen die Welt des Schlafes näher-bringen. Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie verstehen, dass der Schlaf kein inaktiver Zustand ist, sondern ein strukturiert ablaufendes Programm, das Ihren Körper auf die Anforderungen des bevorstehenden Tages vorbereitet. Sie werden erfahren, dass Schlafstörungen in der zweiten Lebenshälfte keineswegs eine Ausnahmeerscheinung verkörpern.

Ich möchte Sie über besonders häufige Formen der Schlafstörung sowie deren potenzielle Ursachen und Erscheinungsformen informieren und Ihnen Tipps vermitteln, wie Sie diesen Schlafstörungen vorbeugen können. Das Buch soll Sie darin unterstützen, zu erkennen, wann es an der Zeit ist, sich in die Obhut eines Arztes zu begeben, und wie Sie geeignete Spezialisten finden können, damit am Ende Ihrer Bemühungen der Behandlungserfolg steht. Ich werde mir in diesem Buch jederzeit Mühe geben, Sie nur über die medizinischen Methoden zu informieren, die als wissenschaftlich anerkannt gelten. Denn nur was nachprüfbar Erfolg beschert, wird Ihnen am Ende etwas nützen. Wenn ich auf „alternative Methoden“ eingehe, werde ich sie auch so kennzeichnen, damit Sie wissen, was belegt und was nicht belegt ist.