Vorwort

Ein wunderbares erstes Jahr liegt vor Ihnen und hält unvergessliche Momente für die ganze Familie bereit. Wie schön, Sie dabei begleiten zu können und Ihnen mit viel Rat und Wissen zur Seite zu stehen – ganz egal, ob Sie Fragen zur Babypflege, zum Umgang mit dem Kind, zur Unterstützung für die Familie, Sicherheit, Ausstattung, Stillen, Ernährung, Bindung oder Betreuung haben. Und auch Hebammentipps und Ratschläge vom Kinderarzt sind schnell zur Hand. Das alles soll Ihnen im Umgang mit Ihrem Kind Sicherheit und Zuversicht geben. Wie es dem Kind geht, hängt dabei nicht nur von der pflegerischen und medizinischen Versorgung ab, sondern auch von der liebenden, fördernden und wertschätzenden Umgebung, in die das Kind hineingeboren wird.

Für jeden neuen Lebensmonat Ihres Kindes gibt es neben Informationen zu Gesundheit und Entwicklung auch »Memos«, die an Vorsorgeuntersuchungen erinnern und Vorschläge für die gemeinsame Zeit mit dem Baby bereithalten. Denn jede Minute dieses kurzen und wichtigen ersten Jahres ist kostbar, jedes Miteinander, was jetzt versäumt wird, ist nicht nachzuholen. Die Zeit geht so schnell vorbei, und in keinem Lebensabschnitt sind die Entwicklungen und Veränderungen größer als im ersten Jahr, in dem das hilflose Neugeborene zu einem kleinen selbstständigen Persönchen wird. Verlangen Sie aber dennoch nicht zu viel: Nur wenige Kinder erfüllen statistisch genau die sogenannten Meilensteine der Entwicklung wie Lächeln, Sitzen, Stehen und Laufen. Jeder Mensch, so auch jedes Baby, hat sein eigenes Tempo und seine Eigenarten. Auch sollten Sie Perioden scheinbaren Stillstandes berücksichtigen, die sprunghafte Fortschritte ablösen. Das fällt vielleicht nicht immer leicht, wollen wir in unserer Leistungsgesellschaft doch alles beschleunigen, optimieren, rationalisieren und modernisieren. Die Entwicklung eines Kindes aber verläuft nach anderen Regeln und widersetzt sich diesen Bemühungen. Überzogene Erwartungen und Leistungsdruck schaden, und zu viel Förderung kann überfordern. Das Kind muss selbst zum nächsten Entwicklungsschritt bereit sein und wird es Ihnen signalisieren. Begleiten Sie Ihr Kind ganz entspannt, und lassen Sie sich nicht verunsichern, indem Sie Ihr Baby mit anderen Kindern vergleichen.

Doch nicht nur das Baby steht im Mittelpunkt des ersten Jahres als Familie, sondern auch die Eltern, für die mit der Geburt des Kindes ein neuer Lebensabschnitt als Mutter und Vater beginnt. Den neuen Aufgaben entsprechend, finden Sie unter der Rubrik »Elterncoach« Monat für Monat Tipps und Anregungen unter anderem für ein harmonisches Leben als Familie, zum Thema Erziehung und zur Paarbeziehung.

Eine Extra-Rubrik nur für die Mutter informiert über körperliche und seelische Veränderungen nach der Geburt, Yoga-Übungen zur Rückbildung, effektives Beckenbodentraining und wichtige Zeiten der Entspannung und Pflege.

Und schließlich gibt es noch etwas ganz Besonderes fürs Herz und fürs Auge: den »schrumpfenden Teddybären«. Er zeigt Ihnen jeden Monat, wie groß Ihr Baby schon geworden ist und wie schnell der gute alte Teddy kleiner wird. Das beeindruckende Motiv verleitet Sie bestimmt zum Nachmachen, Staunen und Schmunzeln – damit die fröhlichen Seiten des Lebens auch beim Nachschlagen und Informieren nicht zu kurz kommen.

Annette Nolden

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Baby! Damit kommt eine schöne, wenn auch nicht immer leichte Aufgabe auf Sie zu, die im Laufe der nächsten Zeit viele Fragen aufwerfen wird. Wir möchten Ihnen dabei behilflich sein und Sie, liebe Eltern, darin unterstützen, Sicherheit im Umgang mit Ihrem Kind zu gewinnen, gerne die Verantwortung für sein Wohlergehen zu übernehmen und mit froher Erwartung und Selbstvertrauen die elterlichen Freuden und Pflichten auf sich zu nehmen. Dieses Buch soll Ihnen helfen, ein Gefühl für die Welt Ihres Babys zu entwickeln, sein Großwerden erleben und genießen zu können, und ihm ein förderndes Umfeld zu gestalten.

Auch ich habe mit meinen eigenen Kindern vielfältige Erfahrungen gemacht. Unser erstes Kind war eine Tochter. Sie kam nach unkomplizierter Schwangerschaft termingerecht zur Welt. Damals, 1978, waren wir die ersten, die »Rooming-in« machen durften, also das Kind die ganze Zeit bei sich behalten und weitgehend selbst versorgen konnten.

Der Chefarzt hatte dieses Experiment, was seiner Meinung nach nicht lange gut gehen würde, extra in einem Dreierzimmer angelegt. Die jungen Eltern waren sehr unsicher, am hilfreichsten war eine Bettnachbarin, die ihr drittes Kind bekam und alles sehr routiniert und entspannt anging – welch ein Vorbild! Die Dauer des stationären Aufenthaltes betrug, wie damals üblich, zehn Tage. Eine Hebammen-Nachsorge gab es zu der Zeit noch nicht.

Zu Hause traten vielerlei kleinere und größere Probleme auf, vor allem aber Ängste. Unsere junge Familie war verwöhnt, weil sich beide Elternteile noch im Studium befanden und freinehmen konnten. Das war aber auch nötig, denn der Tag war für uns beide vollständig ausgefüllt. Natürlich musste mit Stoffwindeln gewickelt und alles, was mit dem Kind in Kontakt kam, abgekocht werden. Freunde und Bekannte wurden ferngehalten – wer weiß, was für gefährliche Seuchen sie einschleppen konnten. Hilfe und Entlastung von außen wollten wir aus dem Stolz heraus, alles selber zu können und natürlich richtig zu machen, nicht annehmen.

Das Stillen kam zunächst in Gang, aber der Wunsch, alles besonders gut zu machen, stand dem entspannten Angehen des Stillgeschäfts entgegen, sodass wir recht bald eine Mahlzeit zufütterten. Das durfte der stolze Papa übernehmen und damit das große Vorhaben, alles zusammen und in der Verantwortung geteilt zu machen, auch in der Funktion als Ernährer ernst nehmen. Nach zwei Wochen planten wir die erste Ausfahrt, ein großes Unternehmen, obwohl es nicht einmal einen Kilometer weit ging. Das Baby schlief mit fünf Wochen durch und schlief fortan immer gut.

Das zweite und dritte Kind

Auch das zweite Kind, ein Sohn, schlief bald durch. Er wurde länger gestillt, überhaupt war alles viel unkomplizierter, geradezu leicht. Er war wohlgenährt, fast rundlich, und zufrieden. Der dritte dagegen war ein »Schreikind«, welches viel Aufmerksamkeit brauchte. Das Stillen war kein Problem, aber das abendliche »Schreistündchen« brachte uns Eltern zur Verzweiflung – schließlich gab es noch zwei andere Kinder, um die wir uns kümmern mussten.

Im Nachhinein aber müssen wir uns eingestehen, dass der Hauptgrund für die Unruhe des dritten Kindes eine damals sehr unsichere Situation war: Die Wohnung war zu klein geworden, ein Umzug mit Umbauten und Renovierungsmaßnahmen stand an, die berufliche Zukunft des Vaters und damit die materielle Situation der jungen Familie war unsicher, sodass das ganze Familiensystem überlastet war. Im Nachhinein ist es leicht, sich diese Umstände vor Augen zu führen und die Ursache für das »Schreibaby« nicht dem Kind, sondern der familiären Gesamtsituation anzulasten.

Mit der Bewältigung dieser Unsicherheiten kehrte Ruhe ein, das Kind lernte ebenfalls durchzuschlafen. Beim vierten und schließlich beim fünften Kind, beides Mädchen, traten keine solchen Unruhephasen und schlaflosen Nächte mehr auf. Dennoch blieb über viele Jahre ein ungestörter Nachtschlaf und ein morgendliches Ausschlafen die Ausnahme – immer wieder mal war eines der Kinder krank oder träumte schlecht, und morgens, spätestens um halb sieben, waren alle munter – auch an Sonn- und Feiertagen und im Urlaub.

In der Praxis habe ich nachfolgend häufig erlebt, dass – sieht man von den Unsicherheiten beim ersten Kind ab – das dritte Kind am anstrengendsten ist. Vielleicht, weil der Mensch nur zwei Arme hat? Nach dem dritten wird die Arbeit nicht viel mehr – auch das ist eine Erfahrung, die ich mit vielen kinderreichen Familien teile. Glücklicherweise sind Eltern mit der Gabe des Vergessens ausgestattet, wodurch die Strapazen der Kleinkindzeit rasch in die Ferne rücken.

Lehrreiche Erfahrungen

Diese Erlebnisse und Erfahrungen mit meinen eigenen Kindern haben mich als Kinderarzt mehr gelehrt als die klinische Ausbildung. Sie haben mir bei aller Professionalität die Sicht aus der Elternperspektive bewahrt, die ich bei kinderlosen Kollegen häufig vermisst oder als abgespalten erlebt habe.

Eine weitere grundlegende Erkenntnis in meinem Arztwerden war die Unterscheidung von »medizinisch« und »ärztlich«. Mein Vater, ebenfalls Arzt, lehrte mich häufig, diese oder jene Untersuchung, Behandlung oder Operation sei medizinisch zwar möglicherweise indiziert, ärztlich gesehen aber nicht sinnvoll oder zu verantworten. Mit »medizinisch« ist hier eine rein naturwissenschaftlich-rationale, sachorientierte Haltung, mit »ärztlich« eine humane, psychologische, kulturwissenschaftlich-soziale Einstellung gemeint. Nicht alles, was »medizinisch notwendig« erscheint, ist auch ärztlich, in der Gesamtschau der Dinge, wirklich angezeigt. »Was du nicht willst, das man dir (oder deinen Kindern) tu, das füge auch nicht anderen zu« – der Versuch, diesem Leitsatz zu folgen, prägt mein Handeln, sowohl im Beruf als auch im Privatleben.

Kinder symbolisieren unsere Zukunft, wir waren, wie sie sind, und sie werden, wie wir sind. Wir sind alle Kinder gewesen und haben unsere Erfahrungen und Erlebnisse gemacht, die uns zu dem geformt haben, was wir heute sind und wie wir unser Leben gestalten. Unsere Eltern haben dieselben Gefühle für uns gehegt und dieselben Sorgen und Ängste um uns gehabt, wie wir sie unseren Kindern gegenüber kennen. Eltern hoffen, dass ihre Kinder besser, freier, selbstbewusster groß werden, dass sie friedlicher und besonnener werden und mit ihren Mitmenschen, den Ressourcen und der Umwelt verantwortungsvoller umgehen, als die Älteren es tun. Nichts soll Eltern davon abhalten, ihre Kinder in diesem Sinne zu erziehen und ihnen dabei ein Vorbild zu sein. Schließlich haben wir die Erde von unseren Kindern nur geliehen – das sollten wir nicht vergessen.

Dr. med. Stephan Heinrich Nolte

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Auch Oma und Opa sind für das Baby wichtig und gehören zu seiner Familie.

Ein Individuum mit Ähnlichkeiten

Es kann ganz schön nerven, wenn die Großeltern und andere Verwandte ständig irgendwelche Ähnlichkeiten des Babys zu näheren und ferneren Verwandten sehen. Schließlich steht für Sie die Einzigartigkeit Ihres Kindes im Vordergrund – und in der Tat ist jeder Mensch ganz und gar einmalig und keine Neuauflage eines anderen. Außerdem sind solche Parallelen zu Familienmitgliedern oft voreilige Zuschreibungen und Vorurteile, die die Entwicklung eines Kindes beeinträchtigen können.

Doch andererseits ist für die Familie als Ganzes eine generationsübergreifende Kontinuität wichtig und identitätsstiftend: Wir alle wollen wissen, wer wir sind und wo wir herkommen. Wenn Sie diesen Aspekt bedenken, wird es Ihnen leichter fallen, mit den Zuschreibungen umzugehen. Sehen Sie es so: Ihr Kind ist zwar die Summe und die Quintessenz seiner Vorfahren, aber weder eine Wiedergeburt noch ein Ersatz für verlorene Familienmitglieder. Deshalb sollte es vom ersten Tag an seinen eigenen Weg finden dürfen.

Wenn Vater oder Mutter fehlt

Jedes fünfte Kind wächst heute mit nur einem Elternteil auf, in der ganz überwiegenden Zahl mit der Mutter. Alleinerziehende Väter mögen sich nicht zurückgesetzt fühlen, wenn hier vor allem die alleinerziehende Mutter thematisiert wird. Sie spielt als Gebärerin eine besondere Rolle, die ihr auch bei noch so viel Gleichstellungsbemühungen bleibt.

Wenn auch traditionelle Geschlechterrollen zu Recht infrage gestellt werden, sind körperliche und emotionale Unterschiede zwischen den Geschlechtern unbestritten. Das Mutterrecht, das Matriarchat, steht in der Kulturgeschichte und bei vielen Naturvölkern vor dem Patriarchat, welches unsere westliche Welt so lange geprägt hat. »Mater certissima, pater incertus«, die Mutter ist sicher, beim Vater weiß man es nie so genau – aus dieser Ursituation leitet sich die Besonderheit der Mutterrolle ab. Auch für das Kind ist die Mutter das Sichere, das Gewisse – der Vater muss sich diese Position erst erarbeiten.

Individuelle Situationen

Die Tatsache, dass ein Elternteil mit dem Kind alleine lebt, hat immer eine sehr individuelle Vorgeschichte, die in ihrem ganzen Spektrum gar nicht umfassend dargestellt werden kann. Ebenso sind die Lebensumstände und die spezifischen Probleme so vielfältig, dass Empfehlungen nur sehr allgemein gegeben werden können. Es ist ein Unterschied, ob die Schwangerschaft geplant oder nicht geplant war, ob der Partner geliebt oder ungeliebt war, ob er verlassen wurde oder verlassen hat, ob es eine bewusste Entscheidung war, ein Kind alleine großziehen zu wollen, oder ob der Partner vielleicht sogar gestorben ist. Meist sind es keine bewusst getroffenen Entscheidungen, sondern schicksalhafte Ereignisse, die dazu führen, dass Mutter oder Vater ihr Kind alleine aufziehen. Sie wollen es nicht, sie müssen es.

Jeder, der in dieser Situation steht, braucht eine eigene Strategie, die auf seine Lebenssituation zugeschnitten ist, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Es gibt zahlreiche Beratungs- und Hilfsangebote von Organisationen, die mit dem Thema gut vertraut sind. Schwangerenberatungsstellen sind auf diese Fragen eingestellt, und auch in der Geburtsklinik kann der Sozialdienst des Krankenhauses weiterhelfen. Eine hilfreiche überregionale Adresse ist der Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V., der ein Informationsbuch mit dem Titel »Alleinerziehend« erstellt hat, das neben Unterhalts- und Rechtsfragen eine Fülle wichtiger Tipps und Adressen enthält (siehe Adressen >).

Der Partner im Hintergrund

Meistens fehlt der andere Elternteil nicht wirklich, er ist ja vorhanden, wenn auch nicht gegenwärtig. Unter den meist sehr belastenden Umständen einer Trennung ist es nicht leicht, ihn so einzubeziehen, dass das Kind auch zu ihm positiven Kontakt hat. Elternschaft dauert, im Unterschied zu Partnerschaft, ein Leben lang und endet nur mit dem Tod. Ob körperlich anwesend oder nur in der Vorstellung, als eine Art Phantom, behält der Partner Einfluss – und sei es nur, im schlimmsten Fall, als Projektionsobjekt aller ungünstigen Eigenschaften eines Kindes, die dann dem fehlenden Elternteil zugeschrieben werden.

Auch wenn eine Frau keinen Kontakt mehr zu ihrem Ex-Partner möchte, hat das Kind doch ein Anrecht zu wissen, wer sein Vater und seine Mutter sind, und diese nach Möglichkeit kennenzulernen. Früher hat man versucht, den Vater – oder bei Adoption die Eltern – anonym zu halten. Das geschah nicht nur nach ungewollten oder unter unglücklichen Umständen entstandenen Schwangerschaften, sondern auch bei einer Samenspende. Heute wird das Recht auf Kennen der Eltern höher bewertet als das Persönlichkeitsrecht der Eltern oder des Samenspenders. Denn es ist bekannt, welche negativen Folgen die bohrenden und unbeantwortbaren Fragen nach der eigenen Identität für die Persönlichkeitsentwicklung haben können. Das gilt übrigens auch für anonyme Geburten. In diesen Fragen hat in den letzten Jahren ein Sinneswandel stattgefunden.

Eine besondere Bürde

Eines ist sicher: Für eine einzige Person ist das alleinige Aufziehen eines Babys eine große Herausforderung. Die Tatsache, dass es heute so häufig geworden ist, dass ein Elternteil das Kind alleine aufziehen muss, bedeutet keinesfalls, dass es leichter geworden ist. Die Austauschmöglichkeiten mit einem Partner über die vielen kleinen alltäglichen Probleme, die Rückversicherung durch einen Dritten, alles gut und richtig zu machen – all das fehlt.

Es ist eine der schwierigsten Aufgaben für einen Alleinerziehenden, die durch die Abwesenheit des Vaters oder einer anderen dritten Person nicht regulierte Gratwanderung von Abhängigkeit und Unabhängigkeit zu meistern und dem Kind die dem jeweiligen Entwicklungsalter angemessene Autonomie zu gewähren. Das gilt übrigens nicht nur für Alleinerziehende: Die Gefahr, sich mit Kind zu »verpuppen« und sich in ein enges wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis zu begeben, ist nicht zu unterschätzen. Das kann dazu führen, dass zu wenig Abstand zwischen Mutter und Kind besteht, um sich selbst abzugrenzen und um dem Kind notwendige Grenzen setzen zu können.

Hilfe und Entlastung suchen

Der notwendige Betreuungsschlüssel im ersten Lebensjahr geht über eine Eins-zu-eins-Betreuung hinaus, das heißt, eine zeitweilige Entlastung und Unterstützung ist absolut notwendig. Ein altes afrikanisches Sprichwort sagt es so treffend: »Zum Aufziehen eines Kindes bedarf es eines ganzen Dorfes.« Übertragen auf unsere heutigen, weniger dörflichen Wohnverhältnisse würde man von der Notwendigkeit eines sozialen Netzwerkes reden. Das Spektrum von Angeboten, um ein solches Netzwerk zu knüpfen, ist weit: von Stillgruppen, Mütterzentren und Familienbildungsstätten bis hin zu Wohneinrichtungen für junge alleinstehende Mütter.

Um die Rolle des fehlenden Dritten wenigstens teilweise zu ersetzen, können ein Freund oder eine Freundin, Großeltern oder Verwandte einen regelmäßigen Kontakt mit dem Kind halten. Eine größtmögliche Konstanz dieser zusätzlichen Bezugsperson ist für das Kind von großer Bedeutung, ebenso dass sie einfach »anders« ist, damit das Kind auch Verschiedenheit erfährt.

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Wer alleine mit einem Baby ist, braucht unbedingt Unterstützung im Alltag.

Familienglück mit Mehrlingen

Eltern von Zwillingen, Drillingen oder sogar vier oder fünf Kindern gleichzeitig zu werden ist etwas ganz Besonderes. Schon die Schwangerschaft ist eine Herausforderung. Wenn die Frau ihre Kinder dann endlich in Empfang nehmen darf, ist sie meist so erschöpft, dass das Leben zu Hause anfangs ohne Hilfe und den vollen Einsatz des Vaters kaum zu schaffen ist.

Denn von nun an geht’s rund: Füttern, Windelnwechseln, Babypflege und Wäsche waschen füllen einen Großteil des Tages aus. Und nachts kehrt für die Eltern auch wenig Ruhe ein, mehrere Babys sorgen für viele Schlafunterbrechungen – nicht zuletzt, weil sich die Kleinen gegenseitig wecken können, wenn sie weinen. So kann Schlafmangel zu einem großen Problem für die Eltern werden und Kräfte rauben, die für den Alltag eigentlich unentbehrlich sind. Daher ist eines für beide überlebenswichtig: Gehen Sie sorgsam mit Ihren Ressourcen um! Machen Sie einen Schritt nach dem anderen, und schieben Sie jeglichen Perfektionismus beiseite. Nehmen Sie zudem so viel Hilfe wie möglich aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis an, und suchen Sie sich einen Babysitter, der Ihnen Freiräume verschafft und Ihnen als Paar einmal pro Woche einen Ausgehabend ermöglicht.

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Zwillinge bedeuten für Eltern doppeltes Glück – aber auch doppelte Anstrengung.

Familienmanagement

Erleichterung bringt aber auch ein konsequent strukturierter Tagesablauf mit festen Schlaf- und Fütterzeiten. Gibt es noch größere Geschwister, dann sollten auch für diese Kinder feste Zeiten eingeplant sein. Doch als Eltern von Mehrlingen ist es fast unmöglich, die Bedürfnisse aller zu befriedigen – erst recht nicht gleichzeitig. Da hilft es vor allem, den Kindern und auch dem Partner sooft es geht die Zuneigung mit Worten und Gesten zu versichern.

Bei Mehrlingen ist die Unterstützung vor allem des Vaters in der ersten Zeit besonders wichtig. Er kann neben Aufgaben im Haushalt auch beim Stillen oder dem Fläschchengeben helfen. Entweder reicht er der Mutter die Kinder an (siehe »Zwei Kinder stillen«, >), gibt einem Kind ein Fläschchen, während das andere gestillt wird oder von der Mutter ein Fläschchen bekommt, oder er übernimmt das anschließende Wickeln. Von Nacht zu Nacht sollten sich Vater und Mutter, wenn möglich, abwechselnd um die Kinder kümmern, damit ein Elternteil durchschlafen kann – was der Mutter erst nach dem Abstillen vergönnt ist.

Ruhigere Nächte versprechen aber auch ein Familienbett oder Kinderbettchen, die ans Elternbett angeklemmt werden (siehe >).

Andere Zwillingseltern treffen

Ist dann die Zeit gekommen, in der die Mutter oder der Vater tagsüber alleine mit den Kindern ist, sollte die Gefahr der Isolierung nicht unterschätzt werden: Der Aufwand, mit den Kindern das Haus zu verlassen, ist groß. Daher kommt einer guten Ausstattung enorme Bedeutung zu, hierzu zählt etwa ein leicht zu bedienender Zwillingswagen. Lassen Sie sich Tipps von anderen Zwillingseltern geben, die ein solches Gefährt hinsichtlich des Gebrauchs in öffentlichen Verkehrsmitteln schon getestet haben.

Der Erfahrungsaustausch und ein Treffen mit anderen Eltern, die in der gleichen Situation sind (zum Beispiel in einem speziellen Babykurs für Mehrlinge), verschaffen aber auch andere nützliche Tipps für den Alltag und sorgen für Unterhaltung und Verständnis.

Andererseits brauchen Zwillinge gar nicht so viele Angebote von außen, haben sie ihren Spielkameraden doch schon immer dabei. Das entlastet auch die Mütter, die nicht wie Einlingsmamas hundertmal dasselbe Spiel spielen, den gleichen Turm aufbauen oder die Puppe ins Bett tragen müssen.

Wahr ist aber auch: Je größer und mobiler die Kinder mit der Zeit werden, desto schwieriger wird es für einen alleine, sie zu beaufsichtigen. In der Wohnung kann sich dann ein großer Laufstall bewähren sowie das Treffen umfangreicher Sicherheitsmaßnahmen (siehe ab >). Draußen sorgt ein sicherer Garten oder ein übersichtlicher Spielplatz mit wenigen Spielgeräten für den nötigen Bewegungsfreiraum.

Individualität wahren

Bei Mehrlingen wird zwischen eineiigen Babys mit bis auf wenige Ausnahmen identischem Erbgut und mehreiigen mit unterschiedlichem Erbgut unterschieden. Während die einen von Anfang an äußerlich kaum zu unterscheiden sind, sehen sich die anderen nur mehr oder weniger ähnlich – genauso wie Geschwister, die in größeren zeitlichen Abständen auf die Welt kommen. Eines haben sie aber allesamt gemeinsam: Von Geburt an entsteht eine enge Bindung ans Geschwisterchen, und die Kleinen beruhigen sich gegenseitig. Es entwickelt sich eine körperliche Nähe, die ein ganzes Leben anhalten kann.

Besonders eineiige Mehrlinge sind seit langem interessant für die Forschung, etwa um den Einfluss der Gene auf die körperliche und geistige Entwicklung zu untersuchen. Geht es um die Förderung der Persönlichkeit, gibt es vielfach den Rat, die Individualität jedes Kindes zu berücksichtigen – zum Beispiel durch unterschiedliche Kleidung und durch Zeiten, die man jeweils nur mit einem der Mehrlinge alleine verbringt. Auch tut es den Kindern gut, wenn Spielsachen nicht doppelt gekauft werden. So lernen sie, genauso zu teilen wie Geschwister unterschiedlichen Alters.

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Der große Vorteil für Zwillinge: Sie haben immer einen Spielkameraden.

Rituale rund um die Geburt

Die Geburt eines Kindes ist und war schon immer ein großes Ereignis, das je nach Land und Leuten ganz besonders gefeiert und kundgetan wird. Ein Klapperstorch, ein Kinderwagen oder eine Leine mit Babywäsche vor dem Haus berichten hierzulande der ganzen Nachbarschaft von der frohen Nachricht der Geburt.

In manchen Gemeinden ist es möglich, eine Geburtsglocke nach der Niederkunft läuten zu lassen. Viele Eltern nutzen auch die Tageszeitung, um die Geburt des Kindes mit Datum, Namen der Eltern und dem des Kindes publik zu machen.

Die Geburt

Noch vor wenigen Jahrzehnten war es üblich, dass die Frau zur Geburt ganz alleine in den Kreißsaal ging – ohne den Vater des Kindes oder eine andere Begleitung. Nach der Geburt wurde das Kind von der Mutter getrennt und in ein Säuglingszimmer gebracht. Heute ist Rooming-in fast nicht mehr aus dem Alltag einer Geburtsklinik wegzudenken. Und auch während der Geburt haben die Eltern mittlerweile die Möglichkeit, ihr Kind ganz persönlich und gemeinsam zu empfangen. So kann der Vater oder auch die Mutter selbst die Nabelschnur durchtrennen. Unmittelbar nach der Geburt legt die Hebamme das Baby auf den Bauch der Mutter, wo es Wärme und Geborgenheit findet. Bald schon folgt das erste Anlegen. Auch das gehört zu den Bräuchen, die die Geburt in unseren Breitengraden begleiten.

Bei einer Hausgeburt sind die Eltern am flexibelsten, was das Ausführen von ganz besonderen Ritualen betrifft: Kerzenlicht, sanfte Musik oder Aromen bilden eine schöne Atmosphäre, um den neuen Erdenbürger zu begrüßen.

Wer die Geburt zur Feierstunde machen möchte, sollte frühzeitig mit der Hebamme sprechen, um zu klären, was möglich ist und was nicht.

Althergebrachtes

Alte Überlieferungen erzählen von Ritualen, bei denen etwa der erste Urin des Kindes unter einen Apfelbaum gegossen wird, damit das Kind rote Wangen bekommt, oder vom blutigen Badewasser des Neugeborenen, das unter einen Rosenstock geschüttet wird, damit das Kind einen rosigen Teint erhält. Ein rosiges Gesicht verbinden wir noch heute mit Vitalität, weshalb das Ritual wohl in erster Linie für Gesundheit sorgen sollte.

Noch heute gibt es den Brauch, die Plazenta nach der Geburt zu vergraben und darauf einen Lebensbaum für das Kind zu pflanzen.

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Die Taufe ist in der christlichen Tradition für die ganze Familie ein festliches Ereignis.

Feste feiern

Neben traditionellen religiösen Feierlichkeiten wie die Taufe haben sich auch Willkommensfeste in der Familie oder mit Nachbarn und Freunden etabliert.

Das Kind wird von allen begrüßt, begutachtet und beschenkt und den Eltern gratuliert. Während die Zeremonie der Taufe auch zu einem späteren Zeitpunkt im Leben des Kindes stattfinden kann, sind Willkommensfeste nah an der Geburt. Die Eindrücke sind noch frisch, weshalb die stolzen Eltern viel zu erzählen haben und ihre Freude unmittelbar mit ihren Besuchern teilen können.

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Besondere Geschenke erinnern oft ein Leben lang an die Babyzeit.

Geschenke machen

Weil es Unglück bringen könnte, ist es in vielen östlichen Ländern nicht üblich ist, das Baby noch vor der Geburt zu beschenken. In den USA hingegen bekommt bereits das ungeborene Kind anlässlich einer Baby-Party Geschenke als Willkommensgruß. Auch bei uns ist es üblich, das Kind zu beschenken. Ob vor oder nach der Geburt spielt dabei keine große Rolle.

Neben praktischen Dingen wie Kleidung fürs Kind werden auch Glücksbringer verschenkt. Das kann etwa ein Kettchen mit einem besonderen Anhänger sein, ein Stern, der den Namen des Kindes trägt, oder ein silberner Geburtstaler mit der Gravur des Namens, Datum der Geburt sowie Geburtsgewicht und Größe.

In anderen Ländern

Die Welt ist groß, und so verwundert es nicht, dass sich viele Bräuche um die Geburt eines Kindes ranken. In Brasilien beispielsweise verlassen die Babys die Geburtsklinik in gelben Stramplern, weil Gelb in diesem Land die Glücksfarbe ist. In Spanien und Italien werden die Kleinen mit roten Glückshemden bekleidet. Zuckermandeln als Glücksbringer gibt es nach der Geburt in Frankreich, und in Indien werden die Neugeborenen über ein Feuer gehalten, um im Rauch zu baden. Das soll vor bösen Geistern und Krankheiten schützen. Stämme in Afrika malen ihre Babys nach der Geburt mit roter Farbe an, um sie vor Sonne und Insekten zu schützen und in die Welt der Lebenden aufzunehmen, oder verbrennen die Plazenta auf der Schwelle der mütterlichen Küche, um sie zum Schutz vor Unbill anschließend zusammen mit der Nabelschnur im Garten der Familie zu vergraben.

Die Prägungen der ersten Monate

»There is no such a thing as a baby.« Mit diesem Satz hat der englische Kinderarzt und Psychoanalytiker Donald Winnicott verdeutlichen wollen, dass ein Baby als selbstständiges, unabhängiges Wesen gar nicht existieren kann. Vielmehr lebt es in einem Beziehungsgeflecht, in dem die Befriedigung seiner Bedürfnisse und sein Wohlbefinden von der Beziehung zwischen ihm und seinen Eltern oder den Versorgern abhängt. Je nachdem, wie sich diese im Umgang mit dem Kind verhalten, welche Erziehungsvorstellungen sie haben und wie sie die materielle und soziale Umgebung gestalten, wird schon das Baby in seiner Entwicklung und Persönlichkeit für sein Leben geprägt. Das elterliche Verhalten hat also direkten Einfluss auf die Art, wie ein Mensch mit den Anforderungen und Belastungen des weiteren Lebens umgeht. So wird es sich zum Beispiel auf sein Ernährungsverhalten auswirken, wenn jede Unwillensäußerung mit Nahrung beantwortet wird. Oder das Bewegungsverhalten wird entsprechend geprägt, wenn jede Freude an der Bewegung unterdrückt wird. Solche Muster entwickeln und stabilisieren sich früh und sind später nur schwer zu ändern. Deshalb sind die frühen Prägungen so bedeutsam für das ganze Leben.

Weichenstellung für das Leben

Viele neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass nicht nur für Babys und Kleinkinder, sondern auch noch für Jugendliche und Erwachsene ein direkter Zusammenhang besteht zwischen ihrer selischen und körperlichen Gesundheit und den Erfahrungen, die sie in den ersten Lebensmonaten gemacht haben. Das »Babywatching«, die Beobachtung der Interaktion zwischen Eltern und ihrem jungen Baby, hat Fachleuten wie Psychologen und Pädagogen allgemeingültige Einsichten in das Erleben der frühen Säuglingszeit gegeben. Langzeituntersuchungen haben – inzwischen generationsübergreifend – gezeigt, wie bedeutsam der frühe Umgang mit dem Baby für sein Wohlbefinden in seinem ganzen weiteren Leben ist.

Nun wachsen die allermeisten Kinder glücklicherweise von vorneherein in einem fördernden familiären Klima auf und entwickeln sich dementsprechend gut. Unbestritten ist aber auch, dass die Belastungen von Familien zunehmen und sich auch sehr engagierte Eltern verunsichert und überfordert fühlen. Die Erfahrung und das Wissen darüber fehlen, wie das Kind sein Unwohlsein ausdrückt und wie Eltern darauf reagieren sollen. Denn das Vertrauen in die elterlichen Instinkte ist oft sehr schwach ausgeprägt – ganz zu Unrecht.

Instinktiv auf das Baby eingestellt

Zum Glück hat die Natur die Eltern für die Aufgaben, vor denen sie im Umgang mit ihrem Säugling stehen, gut vorbereitet: Sie hat dem Menschen Instinkte mit auf den Weg gegeben, die alle Erwachsenen und auch schon ältere Kinder spontan und meistens richtig auf die Bedürfnisse eines Säuglings reagieren lassen. Mit diesem intuitiven Elternverhalten passen sich die Menschen je nach Alter des Säuglings an seine Art der Wahrnehmung, seine begrenzte Aufnahmefähigkeit, sein schnelles Ermüden an. Dieses intuitive Elternverhalten ist von der Natur gegeben und muss nicht erlernt werden. Die Menschen müssen es nur zulassen und es nicht mit erlernten Konzepten, theoretischen Vorstellungen und gut gemeinten Ratschlägen von außen zudecken und unterdrücken.

Wer beobachtet, wie ein Fremder auf ein Baby zugeht, kann Aspekte dieses intuitiven Elternverhaltens auch dann sehen, wenn diese Person noch nie mit einem Baby zu tun hatte: Sie nähert sich dem Säugling fast distanzlos anmutend auf etwa 30 Zentimeter an, was der Weitsichtigkeit des Babys entspricht. Außerdem zeigt die fremde Person eine übertrieben erscheinende Mimik, bei der sie die Augenregion durch Hochziehen der Augenbrauen betont. Sie hebt die Stimmlage an und verwendet eine langsame »Babysprache« mit einfachen Lauten wie »eiei und dudu«. Dabei kommt es zu ständigen Wiederholungen und Pausen, um eine Reaktion des Babys abzuwarten. An solchen Verhaltensweisen wird deutlich, wie tief intuitives Elternverhalten beziehungsweise ein angemessener Umgang mit dem Kind in uns eingepflanzt ist. Die Werbepsychologen kennen und nutzen diese Instinkte, indem sie zum Beispiel mit dem »Kindchenschema« – großer Kopf, große Augen – viele Produkte gezielt »niedlich« gestalten und bewerben, um beim Konsumenten Schutzinstinkte und Zuneigung auszulösen und ihn so zum Kaufen zu animieren.

Hilfe für den Säugling

Nach neuen Ergebnissen der Säuglingsforschung unterstützt das intuitive Elternverhalten die Selbstregulationsfähigkeit des Säuglings (siehe Kasten >) in den verschiedensten Alltagssituationen. Diese fortgesetzten Interaktionen mit seiner Umwelt regen seine Entwicklung an, verstärken und strukturieren sie. Dieser Austausch mit der Umgebung sollte von einer besonderen Feinfühligkeit geprägt sein – auch wenn die Instinkte einmal versagen. Das betrifft nicht das Versorgen des Babys – obwohl selbstverständlich auch hier ein sensibler Umgang wichtig ist. »Feinfühligkeit« bezieht sich auf die Kommunikation zwischen Eltern und Kind, einen Austausch, der über Blick- und Körperkontakt, Ansprache und Zuwendung erfolgt.

Gelingt es Ihnen, sich regelmäßig und zuverlässig im Alltag gegenüber dem Baby feinfühlig zu verhalten und seine Signale aufzunehmen, begünstigt das die Entwicklung einer sicheren Bindung (siehe auch >), die Ihrer beider Leben für immer bereichern wird. Dadurch werden Sie auch mit belastenden Alltagssituationen besser fertig. Und diese kommen mit Sicherheit in der einen oder anderen Form in vielen Lebenslagen auf Sie und Ihr Kind zu, etwa ein Kinderarztbesuch oder schlaflose Nächte.

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Sicher und geborgen fühlt sich das Baby auch im Arm von Bruder oder Schwester.

Die Interaktion mit dem Baby

Wachstum und Entwicklung vollziehen sich in einem ständigen Austausch des Säuglings mit seiner Umwelt, in kleinsten, kleinen und großen Interaktionen. Diese gestaltet das Baby mit zunehmendem Alter immer mehr mit. Kind und Bezugspersonen beeinflussen sich in einem kontinuierlichen Strom wechselseitig und passen sich einander an. Dabei wird jede Interaktion in der Gegenwart von den vorangehenden Erlebnissen und Erfahrungen beeinflusst. Durch diese Rückkopplung verstärken sich gelungene, aber auch weniger gut gelungene Beziehungsmomente, es können positive wie negative, Engels- oder Teufelskreise in Gang gebracht werden.

Die vegetativen, motorischen und emotionalen Zeichen des Kindes zu lesen erfordert von den Eltern und Betreuern eine ständige Offenheit und Neueinstellung gegenüber den Bedürfnissen des Kindes. Sie lassen sich am besten wahrnehmen, wenn Sie auf Ihre innere Stimmigkeit und Ihr Bauchgefühl hören und Ihrem intuitiven Elternverhalten trauen.

Dabei ist es nicht immer leicht, feinfühlig mit den verschiedenen Äußerungen des Babys umzugehen, vor allem wenn sich das Baby sichtlich unwohl fühlt. Denn ein Baby kann seinen Unmut oder körperliche Symptome nur sehr eingeschränkt äußern, indem es weint oder schreit, unruhig ist oder nicht einschläft. Die Art und Lautstärke, in der es dies tut, hängt auch vom Temperament und den Veranlagungen des Kindes ab.

Sie können nun auf seine Körpersprache achten und diese feinfühlig und mit intuitivem Elternverhalten beantworten. Braucht Ihr Kind vielleicht Trost und körperliche Nähe, weil es haltlos schreit oder partout nicht einschlafen kann? Oder kann es sich selbst helfen, sich selbst regulieren, indem es zum Beispiel am Daumen lutscht und dabei immer ruhiger wird oder sich abwendet, um einer Reizüberflutung auszuweichen.

Hier besteht Ihre Hauptaufgabe darin, zu sehen, ob ein Kind in einer Situation mit seinen Regulationsfähigkeiten alleine zurechtkommt oder ob es Unterstützung braucht. Das ist ein ständiger Abgleichprozess, der aus tausenden kleinster Interaktionen besteht. Von außen kann man diese Prozesse normalerweise nur sehr eingeschränkt wahrnehmen. Wenn Sie aber Videoaufnahmen, die von Ihnen im Umgang mit Ihrem Kind gemacht werden, betrachten, können Sie das sehr eindrucksvoll bestätigt sehen. Dabei lassen sich die vielen kleinen Schritte, die ein gelungenes Miteinander ausmachen, nachverfolgen. Ebenso werden Missverständnisse und eine Kommunikation, die aneinander vorbeiführt, sichtbar.

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Die Selbstregulation

Das Baby versucht auf viele Arten, sich selbst zu regulieren, indem es zum Beispiel schneller atmet, nuckelt oder saugt, gähnt oder sich räkelt, die Lage wechselt oder sich abwendet und den Blickkontakt beendet. Da die Selbstregulation einem Entwicklungs- und Aufbauprozess unterliegt, verändert sie sich in den ersten Monaten stark. Faktoren wie Hunger und Müdigkeit bringen das System ebenso aus dem Lot wie Überstimulation.

Man kann verschiedene, hierarchisch aufgebaute Ebenen der Regulation unterscheiden, die durch innere und äußere Taktgeber gesteuert werden:

Urvertrauen schafft Selbstvertrauen

Wenn ein Baby die Erfahrung machen durfte, in allen Situationen immer zuverlässig und erwartbar getröstet zu werden, entwickelt es Urvertrauen und eine zuverlässige Bindung. Außerdem wird es eine innere Sicherheit gewinnen und damit befähigt, sich auch selbst zu trösten – ein Schritt zur Selbstregulation und eine Erfahrung der Selbstwirksamkeit.

Diese Fähigkeit zur Selbstregulation ist nicht angeboren, sondern muss erst erlernt und erworben werden – im Austausch mit der Umwelt. Das Baby macht immer wieder die Erfahrung, dass es selbst etwas bewirken kann. Darüber freut es sich und wird gestärkt. Derartige Erfolgserlebnisse begünstigen später im Leben kompetente Bewältigungsstrategien in allen Lebenslagen. Kaum etwas beeinflusst eine positive Persönlichkeitsentwicklung mehr als das Gefühl von Selbstwirksamkeit (siehe >). Dieses schenkt einem Menschen das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Er weiß, dass er etwas erreichen und dabei auftretenden Schwierigkeiten trotzen kann. Er hat Frustrationstoleranz entwickelt und wirft nicht bei den kleinsten Hindernissen die Flinte ins Korn.

Kinder verzeihen Fehler

Vielleicht haben Sie jetzt den Eindruck gewonnen, Sie müssten sich jederzeit richtig verhalten und dürften in Ihren Interaktionen mit Ihrem Baby nichts falsch machen. Sonst nimmt das Baby Schaden und kann weder Urvertrauen noch die Fähigkeit zur Selbstregulation entwickeln. Seien Sie beruhigt! Eltern sind nicht perfekt und sollen es auch nicht sein, sie sind ja keine Maschinen. Wenn man am Computer die falsche Taste drückt, kann es sein, dass das Programm oder die gespeicherte Arbeit unrettbar verloren ist. In der Erziehung ist das glücklicherweise anders, denn Kinder, und auch schon Neugeborene, sind in hohem Maße in der Lage, Fehler, die den Eltern zwangsläufig unterlaufen, zu kompensieren. Sie schaffen es sogar, die Eltern durch ihr eigenes Verhalten zu korrigieren und auszudrücken, dass ihre Botschaften missverstanden wurden und etwas nicht richtig war.

Missverständnisse, Konflikte und Krisen gehören untrennbar zum Erziehen dazu. Die Beteiligten wachsen daran, wenn sie Lösungsmöglichkeiten erkennen, und das gegenseitige Verständnis nimmt zu.

Mit Humor und einer gewissen Leichtigkeit sind diese Hindernisse am einfachsten zu bewältigen. Wenn etwas misslungen ist, versuchen Sie, darüber zu lachen, das befreit, und Ihr Gegenüber lacht mit, denn Lachen ist bekanntlich ansteckend. Auslachen ist freilich damit nicht gemeint, denn auf Kosten eines anderen zu lachen bedrückt und lähmt ihn. Seine Selbstwirksamkeit ist dann darauf beschränkt, dass er andere zum Lachen bringt.

Kurse für Groß und Klein

Um Ihr Kind optimal zu fördern, müssen Sie keinen speziellen Kurs besuchen. Es genügt völlig, sich mit ihm daheim liebevoll zu beschäftigen, mit ihm Besorgungen und Ausflüge zu machen und es an Ihrem Alltag teilhaben zu lassen.

Wenn Mutter oder Vater mit dem Baby einen Kurs besuchen, geht es deshalb nicht nur darum, das Kind schon früh zu fördern. In erster Linie sollte der Besuch allen Beteiligten guttun und Spaß machen. Daher sollten die Zeiten in den persönlichen Tagesablauf passen, damit kein Stress aufkommt und das Kind nicht in seinem Rhythmus gestört wird. So reicht es vollkommen, wenn hin und wieder ein Kurs gewählt wird – nach dem Motto: weniger ist mehr.

Regelmäßige Veranstaltungen für Eltern und Kind werden etwa von Hebammen, Kirchengemeinden, Mütterzentren, Familienbildungsstätten oder anderen sozialen Trägern angeboten. Sogenannte Eltern-Kind-Gruppen, Krabbel- oder Spielgruppen können zwischen 45 und 90 Minuten dauern und über einen bestimmten Zeitraum einmal wöchentlich stattfinden.

Für welche Art des Kurses sich die Eltern entscheiden, sollte auch von den eigenen Vorlieben abhängen. Für die einen kommt vielleicht eher die Sparte Entspannung und Bewegung, etwa mit »Baby-Shiatsu«, in Frage, für die anderen gemeinsames Entdecken für Eltern und Kind in Kursen wie »PEKiP« oder »Spielraum« oder Sprache und Musik mit Kursen wie »Musikgarten« oder »Babysprachkurs«.

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Auch zu Hause können Sie Ihr Baby spielerisch fördern – ob mit oder ohne Babykurs.

Baby-Shiatsu-Kurs ab der 6. Lebenswoche

Wie die Babymassage hat auch die asiatische Variante »Baby-Shiatsu«, die im Sinne der Traditionellen Chinesischen Medizin die zwölf Energie-Meridiane stimuliert, Einzug in die Angebotsliste von Babykursen gefunden. Hebammen, Physiotherapeuten oder Familienzentren lehren eine liebevolle Massagetechnik, die auch zu Hause gut durchgeführt werden kann. Mit Hand- und Fingerdruck sowie bestimmten Körperübungen werden Energieblockaden gelöst und Folgen eines gestörten Energieflusses, zum Beispiel Nervosität oder Blähungen, gelindert. Auch der Innigkeit, die während der Massage entsteht, wird eine heilende Wirkung zugesprochen und eine Stärkung der Bindung zwischen Kind und Bezugsperson.

PEKiP für das 1. Lebensjahr

Schon ab der vierten Lebenswoche können Kinder im Beisein der Eltern und unter fachkundiger Leitung mit PEKiP – dem Prager-Eltern-Kind-Programm nach dem tschechischen Psychologen Dr. Jaroslav Koch (1910–1979) – beginnen. In diesem Kurs lernen die Kleinen vor allem, ihre motorischen Fähigkeiten spielerisch zu entwickeln. Ohne Windeln und Kleidung werden sie im wohlig warmen Raum mit einfachem Spielzeug wie Luftballons oder Papprollen dazu angeregt, von sich aus aktiv zu werden. Hier sind die Eltern hauptsächlich Beobachter, während sich die Kinder individuell und im eigenen Tempo dem Spiel hingeben können. Das gemeinsame Erleben von Spiel, Spaß und Bewegung steht dabei im Mittelpunkt. Wie beim »Spielraum« ist der Austausch der Eltern über das Gruppenerlebnis Bestandteil des Kurses.

»Spielraum« für das Kind zwischen 4 und 24 Monaten

Nach den Erfahrungen der ungarischen Kinderärztin Emmi Pikler (1902–1984) finden Babys in Begleitung ihrer Eltern in diesem Babykurs einen Entdeckungsraum vor, der das Interesse der Kinder an Bewegung, Spiel, Kontakt und Balance weckt. Anregungen bietet eine Umgebung mit Kriech-, Krabbel- und Klettergeräten, die im Budapester »Pikler-Institut« entwickelt wurden. Zur Verfügung stehen Gegenstände aus einfachen Materialien, die dem kindlichen Bedürfnis zu tasten, greifen, schütteln oder schieben gerecht werden.

Auch im »Spielraum« sind die Eltern vor allem Zuschauer, während die Kinder selbst entscheiden, was sie machen möchten. Die Eltern greifen nicht ins Spiel ein, bieten dem Kind aber durch ihre Anwesenheit Sicherheit und Geborgenheit, um sich konzentriert auf ein Spiel einzulassen und die Initiative zu ergreifen. Als Teil dieses Kurskonzepts tauschen sich die Eltern in Gesprächsrunden über ihre Erfahrungen aus dem Spielraum aus.

»Musikgarten« für Kinder ab drei Monaten

Nach einem Konzept der amerikanischen Musikpädagogin Dr. Lorna Lutz Heyge regt der »Musikgarten« Eltern und Kinder zum gemeinsamen Musizieren an. Spielerisch werden die Kinder mit Bewegungen, Tanz, Kinderspielen, Lauschen und Gesang an Musik herangeführt. Mit Klanghölzern, Glöckchen, Rasseln und Trommeln dürfen die Kleinen dann selbst aktiv werden und alles ausprobieren.

Am Ende eines Musikgarten-Kurses soll das Kind ein positives Verhältnis zur Musik aufgebaut haben, der Erwachsene mit spielerischem Musizieren vertraut und die Bindung zwischen Eltern und Kind über die Musik gefestigt sein.

»Sprachkurs« für Babys ab drei Monaten

Die Idee des »Early English« für die ganz Kleinen wurde 1987 von der britischen Sprachwissenschaftlerin Helen Doron mit frühkindlichem Englischunterricht umgesetzt. Im Laufe der Zeit entwickelten dann diverse Sprachschulen und Sprachwissenschaftler ähnliche Entwürfe.

Wer sein Kind schon früh mit einer weiteren Sprache vertraut machen möchte, weil vielleicht die Großeltern oder Freunde diese Sprache sprechen, hat nun mancherorts in Sprachschulen oder bei privaten Anbietern von Sprachkursen die Möglichkeit, mit seinem Kind einen ganz speziellen Kurs zu besuchen. Spielerisch geht es hauptsächlich um das Kennenlernen von Klang, Rhythmus und Struktur einer Sprache – noch bevor das Kind selbst sprechen kann. Das aktive Zuhören können Sie mit wiederkehrenden Kinderliedern, Reimen und Spielen in einer anderen Sprache fördern.

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Selbst der sicherste Hochstuhl kann für bewegungsfreudige Babys schnell zur Gefahr werden.

Der Laufstall

Ein wirklich sicherer Ort ist der Laufstall. Müssen Sie Ihr Baby mal für kurze Zeit allein lassen, ist es im Laufstall am besten aufgehoben (siehe auch >).

Lauflernhilfen

Die unterschiedlichen Gehfrei-Modelle sehen meist lustig aus, scheinen den Kindern Spaß zu bereiten und sie mobil zu machen. Das stimmt auch – doch laufen lernen können sie mit einer solchen Hilfe auch nicht schneller als ohne. Und die Mobilität, die das Kind mit einer Lauflernhilfe erreicht, kann leider verhängnisvolle Folgen haben. Da das Kleine hierin bis zu zehn Stundenkilometer schnell werden kann, hat es keine Chance, rechtzeitig zu bremsen, wenn Gefahr droht. Ein ungesicherter Gartenteich, eine steile Treppe oder eine heiße Backofentür können dann zu schweren Unfällen führen. Lauflernhilfen sind daher überflüssig und zu gefährlich (siehe auch >).

Die Nachttischlampe

Ein buntes Lichtobjekt, das vielleicht auch noch geheimnisvoll leuchtet, lädt kleine Kinder leider dazu ein, es mit den Fingerchen genauer zu erkunden. Greift das Kind dann an die Fassung der Glühbirne oder an andere Teile, die Strom führen, kann es zu einem äußerst gefährlichen Stromschlag kommen. An der heißen Glühbirne kann sich ein Kind außerdem verbrennen, und die Lampe kann Feuer fangen, falls sie mit einem Tuch zur Dämpfung des Lichtes bedeckt wird. Vermeiden können Sie derartige Unfälle am ehesten, wenn Sie eine Lampe wählen, deren Abdeckung sich vom Kind alleine nicht öffnen lässt und deren Leuchtkraft sich nach Ihren Wünschen per Schalter dimmen lässt.

Das Badezimmer

Diesen Raum werden Sie vermutlich hauptsächlich zum Wickeln, Waschen und Baden nutzen. Dennoch gibt es auch hier besondere Gefahrenquellen. Denken Sie an die Rutschgefahr. Schnell kommt Wasser beim Planschen oder Waschen auf den Boden und macht die Fliesen rutschig. Ein Sturz Ihrerseits mit Baby auf dem Arm kann für beide schlimme Folgen haben. Tragen Sie daher im Bad rutschfeste Schuhe, oder legen Sie den Boden mit rutschfesten Matten aus.

In Reichweite des Babys sollten auch hier keine Kleinteile liegen, die das Baby greifen und verschlucken kann. Schere, Nagelfeilen, Kosmetika, ätzende Substanzen wie Nagellackentferner oder Arzneimittel jeglicher Art dürfen ebenfalls nicht greifbar sein. Selbst wenn Sie immer eine Hand am Kind haben, sind Ihre Augen und Ihre Aufmerksamkeit wahrscheinlich doch einmal woanders. Dieser kurze Moment kann schon ausreichen, und das Kind hat einen fatalen Griff getan und etwas Gefährliches erwischt.

Wegen der Verbrühungsgefahr sollte auch kein Warmwasserhahn in Reichweite des Kindes sein. Sollten Sie einen Boiler im Bad haben, stellen Sie die Temperatur am besten auf maximal 50 °C ein.

Nicht zu unterschätzen ist die Gefahr, dass das Baby in der Wanne ertrinken könnte. Babys und Kleinkinder unter drei Jahren dürfen daher niemals alleine baden. Wenige Zentimeter Wasser reichen leider schon aus, um zu ertrinken – ohne dass Sie davon irgendetwas mitbekommen. Denn kleine Kinder unternehmen keine eigenen Rettungsversuche, und Sie hören kein alarmierend lautes Planschen. Sobald das Gesicht des Kindes unter Wasser ist, haben die Kleinen keine Chance, sich von alleine wieder aufzurichten. Bereits wenige Minuten unter Wasser können dann tödlich sein.

Auch im Bad lauern Gefahren, die vom Strom ausgehen. Ob an- oder ausgeschaltet, Geräte wie Fön, elektrische Zahnbürsten, Lockenstab oder Rasierer vertragen sich nicht mit Wasser. Lassen Sie diese Gegenstände daher niemals in der Nähe der Wanne oder des Waschbeckens liegen, wenn gebadet oder gewaschen wird. Zusätzliche Sicherheit vor Stromunfällen bietet Ihnen vor allem eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD), die auch FI-Schutzschalter oder Fehlerstrom-Schutzschalter genannt wird.

Die Küche

Da das Baby meistens bei Ihnen sein möchte, wird es Sie auch in die Küche begleiten wollen.