Über das Buch:
Elisabeth Peters (1903-1936) war ein begeisterter und begeisternder Mensch. In ihren Briefen schildert sie, wie sie früh ihre Berufung für die Mission entdeckt und ihrem Verlobten in den Einsatz nach Äthiopien folgt. Einen ganz besonderen Glanz gewinnen ihre Berichte, als sie von ihrer ebenso zarten wie ungewöhnlichen Liebesgeschichte erzählen. Gott holt sie schon mit 32 Jahren aus diesem Dienst heraus, sie stirbt an einem Tropeninfekt. Doch sie hat bereits einen ganz besonderen Segen in Gang gesetzt: Aus der Arbeit ihres Missionsteams entsteht die Mekane Yesus Kirche, zu der heute etwa 3,6 Mio. Christen gehören. Ihre Briefe ermutigen zur Klarheit im Leben und wecken neue Freude am Glauben.

Über den Autoren:
Dr. med. Martin Grabe, Jahrgang 1959, Psychiater und Psychotherapeut, ist Chefarzt der Psychotherapeutischen Abteilung der Klinik Hohe Mark in Oberursel. Gleichzeitig engagiert er sich als Vorsitzender der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge (APS) über Kongresse und Tagungen für die bessere Vernetzung von Psychotherapeuten und Seelsorgern. Mitherausgeber der Zeitschrift „P & S, Magazin für Psychotherapie und Seelsorge“. Lehraufträge in Masterstudiengängen im Fach „Praktische Theologie“ sowie in der ärztlichen Weiterbildung. Martin Grabe ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Kronberg/Taunus.

Abschied!

11. November 1929

Vor Kurzem kam ich von Breklum zurück. Mit reicher Liebe hat man in Breklum Deine Else überschüttet. Mit der Abschiedsstunde für mich war eine Verlosung des Jugendmissionsbundes verbunden. Herr P. Matzen holte mich im Auto von der Bahn ab ins Pastorat. Viele Bundesschwestern kamen am Sonntagmorgen in die Kirche, damit wir noch einmal gemeinsam das Abendmahl feiern konnten. Am Nachmittag um 2 Uhr sollten wir Bundesschwestern (etwa 50) in der Aula des Seminars sein, um uns ein wenig kennen zu lernen. Die Liebe der Bundesschwestern hatte mir einen Tisch voller Hochzeitsgeschenke für uns bereitet. Ganz besonders erfreute mich ein großer handgemalter Wandspruch mit dem Wort: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Seit Jahren hätte ich gerade diesen Spruch haben wollen, konnte ihn aber nirgends auftreiben. Du kannst Dir denken, wie ich erstaunt war, gerade diesen Spruch in so schöner Ausführung zu bekommen. So erfüllt mein Gott meine Wünsche bis ins Kleinste.

Die eigentliche Feier fing um 3 Uhr an. Es wurde gesungen, gemeinsam und vom Chor, zumeist Missionslieder. Unsere Bundesmutter, Tante Giesecke, und ein Missionszögling sprachen zu uns. Und dann sollte Deine kleine Else von der Gallamission erzählen, vor der großen Zuhörerschaft, sie musste ja. Mit ein bisschen Herzklopfen ging ich auf das Rednerpult. Aber ich verließ mich auf Gottes Hilfe. Und es ging einigermaßen, meine ich. Und dann kam etwas ganz Schönes, Tante Giesecke meinte, die Hochzeit sei ja gar nicht die Hauptsache, sondern die Arbeit, deshalb sollte man mir auch etwas für die Arbeit mitgeben, nämlich den ganzen Ertrag der Verlosung, 300 Mark zur freien Verfügung im Gallaland. Ich meinte, es sei nicht recht, die Breklumer Mission zu berauben, aber man sagte mir, das sei nicht für die Hermannsburger Mission, sondern für Else Peters und ihre Arbeit als Scheidegruß von den Bundesschwestern, dann nahm ich’s mit Freuden. Wir waren noch lange zusammen. „Auf Wiedersehen auf jeden Fall“, hieß es oft beim Scheiden. Ach, all die reiche Liebe, ich bin’s nicht wert. Ich konnte lange nicht schlafen vor Freude.

Am anderen Morgen wurde in der Andacht meiner vor Gott gedacht, und dann ging ich einige Abschiedsbesuche zu machen. Herr Pastor Piening betete noch mit uns, das hat mich sehr gefreut. Wir wissen uns verbunden mit all den lieben Freunden in Breklum mit derselben Liebe zu Jesus.

Wie ein helles Licht wird dieser Abschied in Breklum leuchten am Ende meiner europäischen Zeit. O Herr, wie freundlich bist du! Jesus kommt bald! Durch unsere Liebe zueinander weiß ich jetzt besser als früher, wie es in einer Brautgemeinde aussehen soll. Gott sei Dank, dass wir dazugehören dürfen!

23. November 1929

Die Feier in Hannover war sehr schön. Pastor Wolff sprach über Dein Einsegnungswort: „Ich muss wirken die Werke des, der mich gesandt hat.“ Pastor Wolffs sind mir mit reicher Liebe begegnet. Frau Pastor war mit mir zu P. Oelkers, die jeden Tag für Dich beten. – Obgleich es nach Mitternacht war, als wir abreisten, gingen beide Direktoren mit zur Bahn. Alles war für uns bereitet, überall Begleiter für uns bestellt, wo es Schwierigkeiten für uns geben konnte. Gott sei Dank für alles, was Er uns schenkte! Möchten wir solcher Liebe immer mehr wert werden!

Ab hier füge ich die Briefe aus der Sammlung der Eltern von Else Peters in das ursprüngliche Manuskript ein, wo sie chronologisch hingehören. Einfügungen werden immer gekennzeichnet, so dass es leicht ist, sie vom ursprünglichen Manuskript zu unterscheiden.

Martin Grabe

Auf der Reise

Auf dem Roten Meer, 07. Dezember 1929

(Eingefügter Brief)

Dieser Brief ist auch für unsere lieben Hamburger.

Meine Lieben!

Wir sind im hellblauen „Roten Meer“. Jetzt ist’s freilich dunkel, nur das Mondlicht glitzert auf den leicht bewegten Wellen. Und heiß ist´s wie bei Euch im Hochsommer. Abends ist´s schön an Deck, am Tage macht die Hitze etwas müde. Uns geht’s sehr gut, viel zu gut, augenblicklich ist hier feine Musik, fast jeden Abend: Klavier, Cello und Geige. Tür und Fenster sind offen, so dass die kühlere Abendluft hereinkommt. Hier sind Schreibtische und gemütliche Stühle, es schaukelt nur ein bisschen, so dass das Schreiben etwas schwerer wird. Den ganzen Tag fast liegen wir in Liegestühlen auf Deck, machen Handarbeit, lesen etwas, ich lerne Französisch und äthiopische Buchstaben. Das Französischlernen geht hier fein, ich habe mir in Tübingen ein nützliches Büchlein gekauft, und man ist so oft gezwungen französisch zu sprechen, dass es allmählich besser wird. Die Leute sind sehr liebenswürdig und sprechen viel mit mir. Mein Radebrechen macht ihnen sichtlich Spaß. Liebenswürdig und höflich wie Franzosen sind, versichert man „Vous parlez très bien français“! Dieses „Sehr gut“ wollen wir lieber begraben, aber ich freue mich, dass ich „un peu“, ein wenig, sprechen kann, man kann sich doch helfen. Und Spaß macht’s, wenn nach manchen vergeblichen Versuchen es doch gelingt, verständlich zu werden. Die Kinder werden zutraulich und versuchen, mit uns zu sprechen, sogar die ganz Kleinen erzählen uns was, was uns freilich fast immer dunkel bleibt. Aber wenn wir zur Gitarre singen, sind sie da, und das Lied von der klappernden Mühle macht riesigen Spaß: bei dem „Klipp, Klapp“ allgemeines Händeklatschen! Es ist eine lustige Bande und es tut uns leid, dass wir nicht mehr mit ihnen spielen können. Die Großen sind zum größten Teil Franzosen, die nach China oder Japan fahren. Sie sind zumeist so, wie man sich Franzosen denkt, zierlich, braun, lebhaft, sehr redselig, die Frauen geschminkt mit rot angestrichenen Lippen. (Es ist Mode !!!). Manche haben fast zu jeder Hauptmahlzeit ein anderes Kleid an, doch gibt es ausnahmsweise auch germanische Gestalten unter ihnen, so ist z.B. mein Tischnachbar ein großer blonder Mann, ein „Fechtmeister“ glaube ich. Bei Tisch ist er mein Lehrer im Französischen. Seine junge Frau (20 Jahre) ist sehr hübsch, und es wäre für einen Maler wie für andere Kunstliebhaber eine Freude, diese beiden jungen schönen Menschen anzusehen. Leider werden französische Frauen durch Rauchen und Schminken bald alt. Manche Japaner sind hier, eine Familie macht einen sehr feinen Eindruck, die 4 Kinder sind nett und die schwarzhaarige Mutter scheint sie fein zu erziehen. Auch diese Japaner sind sehr höflich. Neulich nahm einer seinem Landsmann das Fernglas aus der Hand, weil er merkte, dass ich gern das vorbeifahrende Schiff näher gesehen hätte. Einige Neger sind hier, – sehr elegante – ein kleines Fräulein hat scheinbar sehr viele Kleider, es hat sehr oft ein anderes an, spielt hübsch Klavier und lacht sehr freundlich, wenn man es ansieht. Und auch ein Äthiopier ist an Bord, ein feiner, kluger Mensch. Als er hörte, dass wir ins Gallaland gingen als Missionare, gab er mir eine französisch-äthiopische Grammatik, nun lerne ich tapfer Buchstaben: 251 sind da und 99 kann ich. Morgen nehme ich mir die nächsten 33 vor. Ihr glaubt nicht, wie sehr ich mich freue, ein wenig in das Dunkel der äthiopischen Schrift einzudringen. Unser Freund erklärt mir es, so gut es geht, in französischer und englischer Sprache. Er spricht außer diesen noch italienisch und drei abessinische Dialekte. Ich glaube, es war ein großes Glück, dass wir auf einem französischen Dampfer fahren. Es sind auch einige deutsch sprechende Menschen hier. Ein Kellner ist Elsässer, zwei Deutsch-Russen sind hier und einige flandrische Mönche, die als Missionare nach China gehen. Diese „Kollegen“ erweckten natürlich unsere Aufmerksamkeit, und manches „Religionsgespräch“ führten wir mit Pater Gabriel, der ziemlich gut deutsch spricht. Es war mir wertvoll, einmal die Katholische Lehre von einem theologisch gebildeten, gläubigen Katholiken dargestellt zu sehen. Wir sind aber froh, dass wir in der inneren Freiheit unseres evangelischen Glaubens leben. Näheres werdet Ihr in meinem Tagebuch finden, das Ihr später bekommt. So habe ich Euch ein bisschen hineinsehen lassen in meine Reisegesellschaft. Alles ist sehr freundlich und nett, und es geht uns sehr gut unter ihnen, trotzdem brauchen wir unser Deutschtum keineswegs zu verbergen, im Gegenteil, wir „betonen“ es im wahrsten Sinne des Wortes, denn fast jeden Tag singen wir zur Gitarre. Neulich hörte ich einen kleinen Japanerjungen deutsche Weisen auf der Geige üben, sogar „Heil dir im Siegerkranz“. Als er bei Schuberts „Schlafe, schlafe, holder süßer Knabe“ angelangt war, hielt ich’s nicht länger aus, holte meine Gitarre und wir spielten zusammen aus seiner Violinschule, fast lauter deutsche Sätze von Händel und Beethoven. Auch „Tochter Zion, freue dich“! spielten wir zusammen. Jetzt kommt der Kleine jeden Tag und will mit mir spielen. Seine Mutter ist sehr auf das Üben bedacht und dankt mir dafür. Heute gings nicht gut, die kleinen Finger griffen so oft falsch – es war auch gar zu heiß. Mein 9-jähriger Freund schwitzte sehr und weinte fast, dass es so oft falsch ging. Sonst spielt er sehr schön für seine Jahre. Kürzlich kam ein Franzose und fragte, ob ich Noten habe, er spiele Klarinette. Ich gab ihm welche, und er schrieb sie für sein Instrument um. So können wir auch fein spielen. Er meinte, religiöse Lieder seien passend für die Klarinette, und so klingt es feierlich über das französische Schiff: „Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl!“ oder: „Ich habe von fernem, Herr, deinen Thron erblickt!“ Unser Musikant kennt die Lieder nicht bis auf: „Großer Gott ,wir loben Dich!“, aber er fasst den Ausdruck richtig, wenn ich Adagio oder Allegretto sage. Es klingt fein und das „Très bien“ ist oft die Antwort. – Morgen früh (Sonntag), um 8 Uhr, wollen wir auf dem obersten Deck musizieren, damit wir wissen, dass Sonntag ist. Am vorigen Sonntag war ich zur Messe. Ihr seht, die Zeit wird nicht lang, und dabei gleitet unsere „Sphinx“ so fein und sicher durch die blauen Wellen, viel Sonne, viel Licht, so viel Glanz ist in der Luft und auf dem Wasser. Wir erleben so viel, dass es sehr schwer wird, alles zu schreiben, es würde ein Buch werden. In Port Said waren wir an Land unter dem Schutz der „französischen Armee“. Hier ist nämlich ein elsässischer Soldat, der im Herzen deutsch ist. 20-jährig musste er nach China – schon jetzt plagt ihn das Heimweh – er spricht öfter mit uns. Wir wagten uns nicht in die Stadt hinein, da wollte er mitgehen, er brachte noch zwei Elsässer und zwei französische Kameraden mit und so ging es los in das bunte Treiben der Hafenstadt. Bald sind wir da – in knapp zwei Tagen, denke ich. Wir freuen uns sehr, – das könnt ihr Euch wohl denken. Seid alle herzlich gegrüßt von Eurer Else.

Endlich in Afrika

Djibuti, 10. Dezember 1929

(Eingefügter Brief)

Mein Lieben!

Eben habe ich den Brief an Euch noch mal geöffnet, um Euch zu sagen, dass ich gelandet bin. Missionar Bahlburg begrüßte uns schon auf dem Schiff, wie schön ist’s, nach all den fremden Menschen jemanden zu sehen, der zu uns gehört. Er spricht mit Vorliebe Plattdeutsch – ein echter „Heidjer“ – ein blonder Hüne mit der plattdeutschen Gemütlichkeit. – Es ist hier heiß, aber es ist erträglich, ich hätte es mir schlimmer gedacht. – Wir haben uns gestern gleich die Stadt angesehen. Was für ein armseliges Leben führen die Somali in ihren Hütten! Morgen fährt unser Zug und in 3 Tagen werden wir wohl in Addis Abeba sein, endlich „zuhause“. Dort werden wir auch Ruhe haben, einmal in Gedanken eine Nordlandreise zu machen zu Euch. Jetzt bestürmt mich so viel Neues. Inzwischen hat man in Aira die Bauerlaubnis erhalten und ist fleißig beim Bauen. So kann Hermann vor dem Frühjahr nicht kommen, weil die Reise zu lang und teuer ist. Nun, die Zeit vergeht auch und in A.A. ist so viel zu tun, dass wir notwendig zwei sein müssen, denn im Missionshaus sind außer dem kleinen Asmus 3 Kinder in Pension, und es ist keine Frau im Hause. Das geht nicht länger so, die Kinder und der Hausstand verwildern. Wir wollen auch tüchtig Amharisch lernen. Mir macht das Schreiben Spaß. Dies: (im handschriftlichen Brief zu sehen) heißt Djibuti.

Nochmals herzliche Grüße von Eurer Else

Es tut mir sehr leid, dass ich versäumt habe, zu Mutters Geburtstag rechtzeitig zu schreiben.

Ich werde Deiner aber am 15.12. gedenken, liebe Mutter. Gott segne Dich.

Unsere Kisten werden wohl am 14.12. hier sein.

Djibouti, 10. Dezember 1929

Noch dürfen wir nicht zusammenkommen, aber wir sind einander jetzt näher. Baut nur fleißig, damit es nicht so arg lange dauert, bis Du kommst. Die Zeit in Addis-Abeba kann mir auch nützlich sein für später. Hier in Djibouti geht es mir recht gut, die Hitze ist erträglich. Der mich bis hierher so sicher und gut führte, wird mich auch weiter geleiten. Mein Tagebuch bekommst Du später, wir haben sehr, sehr viel erlebt, viel Schönes und Liebes schon in Deutschland. Auf dem französischen Schiff war man auch sehr freundlich zu uns; wir fuhren mit einigen katholischen Priestern und Franziskanermönchen, die in eine China-Mission gingen. Manche Diskussion hatte ich mit einem derselben. Es hat mir geholfen, ein etwas klareres Bild von der katholischen Lehre zu bekommen. Von einem mitreisenden Äthiopier bekam ich eine französisch-äthiopische Grammatik. Ich habe gleich angefangen, die amharischen Schriftzeichen zu lernen, 132 kann ich schon. Ich will mal sehen, ob ich Dir mein Weihnachtsgeschenk von Addis-Abeba schicken kann: Sonst bewahre ich es auf, bis Du kommst, so sehr lange dauert es ja nicht mehr, denn die Wochen und Monate laufen schnell.