Über das Buch:
„Die Wende war auch eine Wende in meinem Leben. ‚Jetzt ist alles möglich’, schoss es mir durch den Kopf, als ich kurz nach dem Mauerfall erstmals ungehindert die innerdeutsche Grenze passierte. Dass dieses ‚alles’ aber beinhalten könnte, dass aus mir einmal ‚Die Apfelgräfin der Uckermark’ würde, hätte ich mir niemals träumen lassen.“

Humorvoll, offenherzig und liebevoll erzählt Daisy Gräfin von Arnim von ihrem Neuanfang in der Uckermark. 1995 zog sie mit ihrem Mann Michael nach Lichtenhain und baute sich dort ein neues Leben auf. Mittlerweile führt sie ein kleines Apfelunternehmen und beschäftigt mehrere Mitarbeiter.

In amüsanten, aber auch nachdenklichen Anekdoten gewährt sie Einblicke in ihren Alltag und lässt lebendig werden, wie aus ihr „Die Apfelgräfin“ wurde.

Über die Autorinnen:
Daisy Gräfin von Arnim ist gelernte Buchhändlerin. Nach der Wende zog sie mit ihrem Mann Michael ins Boitzenburger Land, wo die Familie von Arnim jahrhundertelang beheimatet war. Dort betreibt die Unternehmerin das Apfel-Delikatessengeschäft „Haus Lichtenhain“.

Kathrin Schultheis studierte Deutsche Philologie, Buchwissenschaft und BWL in Mainz und Dijon. Seit 2007 ist sie Lektorin im Verlag der FRANCKE-Buchhandlung GmbH und lebt in Marburg.

7. Der Beraterbesuch

Nach und nach wurde der Zustand unserer Wohnung besser. Eine meiner ersten größeren Anschaffungen war ein Industriestaubsauger gewesen. Er war härter im Nehmen als mein alter und saugte ohne Erbarmen alles ein, was ihm in die Quere kam. Ich war ihm dafür unendlich dankbar, aber manchmal überkam mich fast ein bisschen Wehmut, denn in diesem Haus schien alles irgendwie eine Geschichte zu erzählen. Dass sich hier auch einige Tragödien ereignet hatten, erfuhr ich erst nach und nach. In der Räucherkammer hatte sich vor dem Krieg einer der Verwalter erhängt, die wunderschöne Frau des letzten Verwalters war von den Russen direkt nach dem Krieg brutal vergewaltigt worden und an den Folgen gestorben, und im Keller war ein polnischer Junge von einem Nazi gequält und misshandelt worden. Als wir den Dachboden entrümpelten, holten unsere Männer einen ganzen Container Dreck dort herunter und fanden außerdem eine leere Flasche Champagner aus dem Jahr 1933, einen Damen-Not-Schuh aus Holz, einen Patronengurt und weitere interessante Dinge. Leider jedoch keine Schätze! Alles wurde radikal entsorgt, auch wenn es mir schwerfiel, aber ich wollte einfach nicht, dass sich in wiederum fünfzig Jahren erneut jemand durch das Gerümpel auf dem Dachboden kämpfen und darüber aufregen musste, dass die Vorbesitzer anscheinend niemals etwas weggeschmissen und wohl überhaupt keinen Sinn für Ordnung gehabt hatten. Wobei derjenige damit bei mir gar nicht so falsch gelegen hätte – was den Ordnungssinn angeht, nicht den Sammelwahn. Tatsächlich habe ich keinen ausgewiesenen Hang zur Ordnung. Michael ist sehr strukturiert und klar; ich selbst hingegen sehe das Leben etwas entspannter. Doch Michael inspirierte mich und so holte ich mir schon bald nach unserer Eheschließung Hilfe, und zwar in Form von Büchern. Mein Buchhändlerinnenherz wusste, dass es nichts gibt, was man nicht aus Büchern lernen kann, begab sich auf Recherche und – wurde fündig. „Das Chaos ist besiegt!“, „Im Chaos bin ich Königin“, „Im Chaos werden Rosen blühen“ und all die anderen Chaos-Bücher von Sandra Felton wurden zu meinen ständigen Begleitern. Und sie halfen tatsächlich. Als ich beim letzten Band angelangt war, ordnete ich jeden Tag eine Schublade oder ein Fach in unserer Wohnung und versuchte so ordentlich wie möglich zu sein. Michael war ganz erstaunt, weil er mich fast nicht wiedererkannte, aber ich nahm mir vor, kontinuierlich dranzubleiben. Die Bücher hatten mich mit lauter guten Tipps und Weisheiten versorgt wie „Gehe nie aus dem Zimmer, ohne noch etwas zu richten“, „gehe nie mit leeren Händen eine Treppe runter“, „schaffe immer freie Flächen“, „auch ein leeres Regal ist ein gutes Regal“, „du bist ein würdevoller Mensch, auch wenn du nicht ordentlich bist“, und so weiter und so fort. Bis heute drängen sich diese Sätze immer wieder in mein Bewusstsein. Und sie haben sich dort so stark verankert, dass niemand, der heute durch meinen Betrieb geht, glaubt, dass mir dieses Thema einmal Kopfschmerzen bereitet hat. Alles ist durchorganisiert und liegt an seinem Platz – einem reibungslosen Ablauf steht nichts im Wege. Ist es nicht herrlich, was man alles aus Büchern lernen kann?

In unserer Wohnung wurde es von Tag zu Tag ein klein wenig schöner. Ich strich das Wohnzimmerfenster, das nach fünfzig Jahren bestimmt zum ersten Mal einsam und weiß in die Ferne leuchtete, bepflanzte einen Balkonkasten und organisierte die noch ausstehenden Instandsetzungsmaßnahmen. „Bei euch wird et ja wie im Hotel“, staunte mein Nachbar, der unter uns wohnte und mir bei den ewigen Renovierungsaktionen immer rührend Gesellschaft leistete. Dabei brachte er mir die ersten Brocken uckermärkisch bei – „Ik kann det. Wat, det jeet nich? Nee, wees ik ooch nich …“

Trotz aller Verschönerungsmaßnahmen machte sich in mir Panik breit, als Michael eines Tages verkündete, dass wir demnächst den ersten offiziellen Besuch erwarteten, nämlich einen seiner Beratungskunden aus Schleswig-Holstein. Plötzlich stachen mir wieder unzählige Mängel ins Auge, die unbedingt noch beseitigt werden mussten, bevor der wichtige Besuch kam. Also schnappte ich mir einen von Michaels Mitarbeitern und zwangsverpflichtete ihn dazu, mir zu helfen. In tagelanger Arbeit machten wir noch schnell eine Tür gängig, verlegten Linoleum und nahmen sonstige Ausbesserungen vor. Doch diese Schönmachversuche hätte ich mir sparen können. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, ich hätte überall kleine Zettelchen hingehängt: „Ja, ich weiß, hier müsste dringend eine neue Lampe angebracht werden“, „Natürlich braucht der Flur einen vollkommen neuen Anstrich“, „Sicher, hier fehlt noch Stoff“, „Na klar, der Teppichboden im Wohnzimmer ist wirklich zu billig, aber verstehen Sie doch, es ist nur eine Mietwohnung“, „Ja, Sie haben völlig recht, das Klavier neben dem Bett, was für ein Zustand, und dann auch noch den Besuch durchs Schlafzimmer leiten zu müssen, was für eine Zumutung!“ Der edle Kunde sagte kein Wort, aber seine Blicke sprachen Bände. Er äußerte sich lediglich zu den schönen, modern gefliesten Bädern, die er in seinem Haus hatte. Kaum saßen die Männer am Küchentisch, vor ihnen die Konzeptpapiere und sonstige Unterlagen, trat genau das ein, was ich insgeheim schon die ganze Zeit befürchtet hatte. „Ganz in Weiß“ schallte es mit einem Mal so laut durchs Haus, dass alle zusammenzuckten. Bis zur Wende hatte ich innig für Roy Black geschwärmt, doch diese zarte Liebe war in den ersten Wochen in Lichtenhain vergangen. Denn mein neuer Freund, der genau unter uns wohnte, hörte gerne Roy Black. Und zwar stets viel lauter als auf Zimmerlautstärke. „Könntest du bitte morgen ein klein wenig leiser sein?“, hatte ich ihn am Vortag herzlichst gebeten. „Wir bekommen ganz wichtigen Besuch und da wäre es wirklich toll, wenn wir ein wenig Ruhe hätten.“ Ein freundliches Lächeln hatte sich über sein Gesicht gezogen. „Det jeet klar, Daisy!“ Und nun also, keine vierundzwanzig Stunden später, „Ganz in Weiß“. Ich erstarrte vor Entsetzen. Erst als ich bemerkte, dass Michael mich anstarrte, vermochte ich meine Füße vom frischverlegten Linoleum zu lösen. Inzwischen waren wir bei „La Paloma ohe“ angelangt. Ich rannte die Treppe hinunter und stoppte die Katastrophe. Doch kaum war ich zurück in unserer Küche und das Gespräch wieder in vollem Gang, vernahmen wir erneut Roy Black. Erst so leise und zaghaft, dass es mir fast wie eine Wohltat erschien, doch schon wenige Augenblicke später bebte wieder das ganze Haus. Es entbehrt natürlich nicht einer gewissen Komik, vor dieser Geräuschkulisse ausgerechnet Maschinen- oder Dieselberechnungen für einen landwirtschaftlichen Betrieb zu machen – aber in diesem Moment fand ich das gar nicht witzig. Erst aus dem gnädigen Abstand von mehreren Jahren betrachtet kann ich diese Situation einfach nur urkomisch finden. Alles in allem hätte der erste wichtige Beratungsbesuch von den Rahmenbedingungen her also nicht schlechter laufen können. Dass ich extra mein gutes Porzellan auf den Tisch gestellt hatte, vermochte die Situation auch nicht mehr zu retten. Aber zumindest war in meinem Haushalt jetzt endlich mal wieder alles blitzeblank poliert.

Zur Aufmunterung gönnten wir uns am Abend einen Ausflug ins etwa zwanzig Minuten entfernt liegende Templin. Wir brauchten dringend einen Ortswechsel und eine richtig gute Pizza. Templin ist der Fläche nach die größte Stadt in der Uckermark; durch zahlreiche Eingemeindungen in den letzten Jahren ist sie mittlerweile sogar die sechstgrößte Stadt Deutschlands – wohlgemerkt auch das allein der Fläche nach. Abends durch Templin spazieren zu gehen ist ein wahrer Genuss. Die Altstadt mit dem barocken Rathaus und den vielen Fachwerkhäusern versprüht einen enormen Charme und die vollständig erhaltene Stadtmauer mit ihren Türmen und Stadttoren verleiht dem Zentrum ein ganz besonderes Flair. Das wunderbare Essen und der abendliche Spaziergang munterten uns etwas auf.

Auf der Rückfahrt kamen wir – noch in Templin – an einem riesigen Sperrmüllhaufen vorbei, den jemand auf dem Bürgersteig aufgetürmt hatte. Zu jener Zeit konnte man nie wissen, welche Schätze sich in solch einem Haufen verbargen. Einige Wochen zuvor war ich an einem ähnlichen Sperrmüll vorbeigekommen und hatte im Vorbeifahren ein zwar ramponiertes, aber dennoch wunderschönes altes Möbelstück gesehen. Hinterher hatte ich mich geärgert, dass ich es nicht einfach mitgenommen hatte. Trotz dieser Vorerfahrung packte mich kaltes Entsetzen, als Michael plötzlich das Lenkrad herumriss, über die Bordsteinkante fuhr, das Auto wenige Meter vor dem Sperrmüllhaufen zum Stehen brachte und heraussprang. „Micha, das ist peinlich, komm zurück. Oder sei wenigstens leise!“ Ich versank immer tiefer in meinem Sitz. Doch Michael blieb vollkommen ungerührt. „Ach weißt du, wenn jemand kommt, sage ich einfach nur ‚Arnim-Boitzenburg, entschuldigen Sie, ich suche noch Möbel!‘“ Ich bin mir sicher, dass er das auch ohne mit der Wimper zu zucken gebracht hätte. Aber glücklicherweise blieb unser Herumstöbern unbemerkt.

8. Die Pfütze

Nicht nur unsere Wohnung und das Leben in diesem geschichtsträchtigen 150 Jahre alten Gutshaus stellten und stellen uns vor ungeahnte Herausforderungen, sondern auch das Drumherum. Die Schaffung einer halbwegs auf die Bedürfnisse eines landwirtschaftlichen Betriebs ausgerichteten Infrastruktur ist eine Aufgabe. Wir mussten erst einmal lernen, ohne so normale Annehmlichkeiten wie Starkstromanschlüsse, befestigte Straßen, Geschäfte oder gar Cafés auszukommen. Der Straßenausbau nach Lichtenhain stockte zum Beispiel eine lange Zeit. Jahrelang sind wir durch tiefe Schlaglöcher gefahren, im Sommer staubig, im Winter matschig, eine Tortur für jeden, der sie benutzte. Inzwischen haben wir eine richtige Teerstraße. Zu DDR-Zeiten gab es Planungen, derart kleine Ortschaften wie Lichtenhain einfach „zu schleifen“ und auszulöschen. Doch auch wenn Besucher der Uckermark immer lobend hervorheben, wie beeindruckend leer die wunderschöne Gegend sei, sind es doch gerade die kleinen Orte, die das Leben in der Uckermark entscheidend prägen. Sie bilden kleine Zäsuren inmitten der Weite; Lebenspunkte, die dem Ganzen Atem einhauchen.

Zu Beginn interessierte es viele Menschen, wie wir unsere Vorhaben an diesem Ort in die Realität umsetzen würden und wo wir gelandet waren. Der Besucherstrom, teilweise von mir unbekannten Menschen, wollte gar nicht mehr abreißen, sodass ich schließlich verbreiten ließ, wir würden uns zumindest über eine kurze Vorankündigung freuen. Wir hätten inzwischen Telefon. Denn es ist zwar meistens eine wundervolle Überraschung, wenn Gäste vollkommen unerwartet vor der Tür stehen, aber in der damaligen Situation war es dann doch etwas viel.

Für mich war es vor unserem Umzug unvorstellbar, dass es noch Menschen gab, die für ihre Heizung arbeiteten, sprich Holz hackten. Und so war ich anfangs doch tatsächlich der Ansicht, dass Holzhacken in erster Linie eine sinnlose Verschwendung von wertvoller Zeit sei. Doch ich wurde schnell eines Besseren belehrt. Heute ist es für mich ganz normal, dass man für eine angenehme Wärme im Haus auch etwas tun muss, weil wir große Teile des Lichtenhainer Gutshauses zwölf Jahre lang mit Holz geheizt haben. Erst seit zwei Jahren haben wir eine Holz-Zentralheizung im Haus und ich empfinde es immer noch als ein kleines Wunder und einen besonderen Segen, wenn ich nur am Thermostat zu drehen brauche und es kurz darauf warm wird. Die Kaminöfen, von unseren Feriengästen heiß geliebt, werden seitdem von mir treulos geschmäht – ich brauche wohl noch einige Zeit, bis ich es wieder als einen Akt der Gemütlichkeit empfinden kann, im Ofen ein Feuer zu entzünden.

Es war für uns viel Arbeit, auf dem Hof ganz normale Verhältnisse herzustellen. Auch draußen waren wir erst einmal mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Jeder Fortschritt wurde hart erkämpft, aber die Freude, wenn wieder etwas schön geworden war, war dafür etwas Besonderes. Wenn mir vor unserem Umzug jemand gesagt hätte, dass ich mich selbst über die Beseitigung einer Pfütze freuen könnte, hätte ich ihn vermutlich ausgelacht.

Jedes Mal, wenn ich aus unserem Wohnzimmerfenster schaute, fiel mein Blick auf eine extrem große Pfütze. Sie war wirklich riesig und selbst in Trockenperioden verbesserte sich ihr Zustand nicht wirklich. Mit der Zeit entwickelte sich diese Pfütze immer mehr zu meiner ganz persönlichen Baustelle, da ich durch Michaels Beratungsfahrten tagsüber oft allein in Lichtenhain zurückblieb. Sein Auftrag war klar gewesen: „Macht das Ding glatt!“ Doch als Michael müde von seinem Geschäftstermin nach Hause kam, prangte die Pfütze immer noch in voller Pracht. Ihm platzte fast die Hutschnur. „Nicht einmal das funktioniert ohne mich! Wie kann es denn sein, dass du so eine Kleinigkeit nicht in den Griff bekommst?“, regte er sich auf. Aber was wusste ich schon über die beste Technik zur Beseitigung einer Pfütze? Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich vor einem solchen Problem stand. Spätestens als sich mehrere mitfühlende Nachbarn unten im Hof um die Pfütze herum versammelt hatten, war mir natürlich klar geworden, dass da wohl irgendetwas schief lief. Es hatte später sogar bissige Kommentare gehagelt wie „Das ist beim Vorgänger aber besser gewesen!“ Ich war immer kleiner geworden, hatte aber nicht die leiseste Ahnung gehabt, wie die Situation zu retten gewesen wäre. Wie um alles in der Welt befestigte man eine Pfütze? „Also, zuerst einmal muss das Wasser aus der Vertiefung. Das macht man mit der Schippe!“, klärte mich mein leidgeplagter Ehemann nun geduldig auf. Das hatte ich freilich nicht gemacht. Ich hatte den Schlepper Schutt auf die Pfütze kippen lassen und gemeint, das Wasser würde verdrängt und damit hätte sich’s. Doch nun hatten wir einen Riesenpamps aus Wasser, Schutt und Lehm.

Am nächsten Tag musste Michael erneut einen Beratungstermin wahrnehmen und ich war mit meiner Pfütze wieder allein. Diesmal war ich aber fest entschlossen, sie in den Griff zu bekommen. So eine Blamage wie am Vortag wollte ich mir nicht noch einmal gefallen lassen! Keine Chance! Also stiefelte ich alle halbe Stunde auf den Hof hinunter und erteilte Anweisungen. Alles nach bestem Wissen und Gewissen. Schließlich bestellte ich mehrere Tonnen voll Ziegelrecycling und ließ den gesamten Inhalt auf die Pfütze kippen. Ein Wunder! Die Pfütze war verschwunden, einfach weg, alles war glatt, alles sauber. Es war geschafft. Ich war hochzufrieden und alle anderen natürlich erst recht. Immerhin konnten sie jetzt hoffen, dass ich endlich Ruhe geben würde.

Auch unser Vorgänger war ganz glücklich, konnte er doch nun endlich sein Stroh abfahren, das noch hinter unserer Scheune lagerte. Er brauste also wieder und wieder mit seinen riesigen Schleppern über den Hof. Alles ging gut – bis zu dem Tag, an dem es regnete. Die Schlepper hatten nämlich tiefe Furchen in den Weg eingegraben und als ich aus dem Fenster blickte, erstarrte ich förmlich: Die Pfütze war wieder da. In voller Pracht. Schöner als je zuvor. Ich delegierte das Thema an eine höhere Instanz!

9. Die tapfere Landfrau

„Daisy, jetzt reiß dich mal zusammen, sonst wird aus dir nie eine richtige Landfrau!“, versuchte ich mir energisch meine Furcht auszureden, während ich durch die nächtliche Uckermark fuhr. Draußen war es stockdunkel, so dunkel, wie es nur auf dem Land wird, wo Straßenlaternen äußerst spärlich bis gar nicht gesät sind und zwischen den weit auseinander liegenden Dörfern einfach überhaupt kein Licht und auch sonst nichts ist. Während der letzten halben Stunde war mir mit jedem Kilometer mulmiger zumute geworden. Warum nur hatte ich mich auf dieses Abenteuer eingelassen? Warum fuhr ich in den Abendstunden über schmale, gewundene und vor allem einsame Landstraßen, anstatt gemütlich auf dem Sofa zu sitzen und dem Knistern des Ofenfeuers zu lauschen? In den letzten dreißig Minuten war mir nicht ein anderes Auto begegnet – kein einziges Mal hatten Scheinwerfer die scheinbar endlose Dunkelheit vor mir durchbrochen und mir signalisiert, dass ich hier draußen nicht völlig allein war. Längst hatte ich die Zentralverriegelung betätigt und mich im Wageninneren eingeschlossen. Dabei war mir die Absurdität meines Verhaltens durchaus bewusst. Wo weit und breit keine Menschenseele war, konnte mich auch niemand überfallen. Oder etwa doch? Dass mein Handy schon vor gut zwanzig Kilometern den Empfang verloren hatte, machte die Situation nicht besser. Wenn ich jetzt eine Reifenpanne hätte oder mir ein Wildschwein vor den Kühler liefe, könnte ich noch nicht einmal Michael anrufen, damit er mich rettete. Ohne meinen Retter aus jeglicher Notlage in telefonischer Reichweite fühlte ich mich ziemlich schutzlos und ängstlich. Dagegen half auch Asjas Anwesenheit nicht, denn die saß inzwischen so zitternd neben mir, als ob sich meine flatternden Nerven auf sie übertragen hätten.

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