Über das Buch:
Kenny Ashford sucht die Abgeschiedenheit bei ihrer Cousine, um für sich und ihren Bruder ein neues Leben aufzubauen – fern vom wachsamen Auge des Gesetzes, mit dem Robert schon öfter in Konflikt geraten ist. Doch Kenny kommt vom Regen in die Traufe: Ihre Cousine stirbt und hinterlässt ihr nicht nur eine verschuldete Ranch, sondern auch ihre fünfjährige Tochter Emma. Und Robert gerät wieder in Schwierigkeiten. Als der attraktive Marshal Wyatt Caradon auf der Bildfläche erscheint und helfen will, stößt Kenny ihn zurück.
Einziger Lichtblick ist ihre Freundschaft zu einer jungen chinesischen Frau. Doch was soll aus Robert werden? Wird Kenny die Farm behalten und Emma versorgen können? Und wird Wyatt Caradon für Kenny eines Tages mehr als nur ein Feindbild sein?

Über die Autorin:
Tamera Alexander ist für ihre historischen Romane schon mehrfach mit dem Christy Award ausgezeichnet worden, dem bedeutendsten christlichen Buchpreis in den USA. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei erwachsenen Kindern in Nashville.

7

Emma sieht ganz genauso aus wie Janie. Genauso hatte McKenna Janie als kleines Mädchen in Erinnerung. Sie war so süß und lieb gewesen. Diese Erkenntnis vertiefte ihren Schmerz noch mehr. Würde Emma sich an Janie erinnern? Wenigstens ein bisschen? Natürlich hatte Robert keine persönlichen Erinnerungen an ihre Mutter, da sie bei seiner Geburt gestorben war, aber McKenna hatte dafür gesorgt, dass er etwas über sie wusste. Sie hatte ihm alles erzählt, woran sie sich erinnerte.

McKenna beschloss, jedes Detail von Janie, an das sie sich erinnerte, festzuhalten. Sie würde alles aufschreiben und wollte noch heute damit beginnen. Jede Erinnerung, jeden lustigen Moment, jeden Traum, den Janie gehabt hatte. Sie würde das alles Emma erzählen, damit Janies Tochter nie vergessen würde, wer ihre Mutter war. Und in Bezug auf Vince würde sie das Gleiche tun, obwohl sie ihn bei Weitem nicht so gut gekannt hatte wie Janie.

„Ich habe Eier gemacht, Miss Ashford. Falls Sie Hunger haben.“

Sie hatte gehofft, die tiefe Stimme, die sie vor wenigen Sekunden gedämpft durch die Tür gehört hatte, wäre die von Dr. Foster gewesen. Oder sogar von Robert, da sie annahm, dass er inzwischen zurückgekommen war. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn Marshal Caradon sich schon auf den Weg gemacht hätte. Als sie ihn anschaute, musste sie unweigerlich daran denken, dass alles ganz anders hätte kommen können, wenn er gestern Abend nicht hier gewesen wäre. Wenn er Janie nicht dieses absurde Versprechen gegeben hätte. Vielleicht würde ihre Cousine dann noch leben? Sie hatte bei Dr. Foster die gleiche Hoffnung gespürt. Sie hatte Caradon klar zu verstehen gegeben, dass sie sein Versprechen nicht guthieß, aber er hatte sich davon nicht beirren lassen.

„Ich habe keinen Hunger, Marshal Caradon“, log sie. „Aber danke.“ Sie schaute sich um. „Ist Dr. Foster in die Stadt geritten?“

Er nickte. „Es würde Ihnen guttun, wenn Sie etwas essen, Madam. Sie werden Ihre Kraft brauchen.“ Seine Worte waren freundlich. Sie klangen mitfühlend und sanft. Aber das war etwas, das sie im Moment von ihm überhaupt nicht hören wollte.

„Haben Sie“, sie warf einen Blick auf Emma, „die Situation schon erklärt?“

„Nein, Madam. Man hat mir gesagt, dass Sie das übernehmen wollen.“

Das hat Sie nicht davon abgehalten, sich gestern Abend einzumischen. McKenna konnte sich gerade noch beherrschen, bevor sie das laut aussprach, da sie wusste, dass es jetzt nichts mehr ändern würde. Sie durfte sich die Gunst dieses Mannes nicht verscherzen, wenn auch nur um Roberts willen.

Er fuhr Emma freundlich über die Haare. „Emma hat geholfen, das Frühstück vorzubereiten, und das Toastbrot gemacht.“

„Aber nicht allein …“ Emmas schmale Schultern sackten nach unten. Sie sah zu Caradon hinauf und verzog das Gesicht zu einem Schmollen. „Du hast mich nicht gelassen.“

Da sie es nicht erwarten konnte, sich Emma vorzustellen, trat McKenna näher und ging vor dem Mädchen in die Knie. „Ich bin sicher, dass du das sehr gut gemacht hast, Emma. Ich wette, du bist eine wunderbare kleine Köchin.“ Sie nahm Emmas Hand in ihre und war dankbar, als sie ein scheues Lächeln sah. „Ich heiße McKenna. Ich bin die Cousine deiner Mama. Du hast für mich diese hübschen Bilder gemalt, erinnerst du dich? Ich freue mich immer noch sehr darüber, wenn ich sie ansehe.“ Sie strich dem Kind eine Haarsträhne aus der Stirn und fragte sich im Stillen, wie oft Janie das wohl getan hatte. „Deine Mama hat dir gesagt, dass ich komme. Weißt du noch?“ Emma nickte. „Deine Mama und ich waren …“ McKenna brach schnell ab. „Sie und ich sind eher wie Schwestern als wie Cousinen. Ich liebe sie sehr, und deshalb … liebe ich dich auch sehr.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln, nach dem ihr ganz und gar nicht zumute war.

Emma schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Schwester. Ich hatte einen Bruder, aber er ist gestorben.“

Obwohl sie von ihrer Direktheit überrascht war, ergriff McKenna diese Gelegenheit und fühlte sich plötzlich viel älter als dreiundzwanzig Jahre. „Weißt du, was das bedeutet, Emma? Zu sterben?“

„Es bedeutet, dass man in den Himmel geht. Und dass man nicht mehr krank ist.“

Sie konnte sich gut vorstellen, wie Janie ihr mit diesen Worten Vinces Tod erklärt hatte. „Ja, genau so ist es. Du bist ein sehr kluges, kleines Mädchen.“ Da sie dieses Gespräch lieber fortsetzen wollte, wenn sie keine Zuhörer hatten, stand McKenna auf und strich ihren Rock glatt. „Marshal Caradon, wann wollte Dr. Foster zurückkommen?“

„Das hat er nicht genau gesagt, Madam. Aber er ist vor über einer Stunde losgeritten.“ Sein Tonfall verriet sein Mitgefühl. „Er müsste bald zurück sein.“

„Sehr gut.“ Sie setzte sich an den Tisch. „Der Toast, den du gemacht hast, sieht köstlich aus, Emma.“ Sie bemühte sich um einen ungezwungenen Tonfall und stellte fest, dass das Mädchen sich bei dem Lob ein wenig höher aufrichtete.

„Pfannkuchen mag ich lieber. Wyatt hat gesagt, dass es Pfannkuchen gibt, aber dann hat er …“

„Marshal Caradon, meinst du.“ McKenna streichelte dem Mädchen über den Arm. „Wir sollten Marshal Caradon zu ihm sagen.“

Aus dem Augenwinkel sah McKenna, dass Caradon etwas sagen wollte, es dann aber unterließ. Emma wiederholte den Namen, riss aber ihren Arm von McKenna los. Das leichte Lächeln, das vorher da gewesen war, war auch verschwunden.

McKenna nahm einen Bissen von den Eiern, um nicht unhöflich zu sein, und dann noch einen, weil sie so köstlich schmeckten. Ein US-Marshal, der kochen konnte! Das gab es nicht alle Tage. Sie merkte erst jetzt, was für einen großen Hunger sie hatte, und aß die Eier auf ihrem Teller leer und auch ein Stück Toastbrot. Während sie kaute, beobachtete sie die Genugtuung, die über Marshal Caradons Gesicht zog. Aber er sagte nichts und sie schwieg ebenfalls.

Mit einem Mal ging die Haustür auf und Robert marschierte herein. Er sah zerzaust und verstört aus. In seinem finsteren Blick lag eine deutliche Warnung. Die dunklen Haare, die sich an seinen Schläfen lockten, waren immer noch nass, da er sich offenbar das Gesicht gewaschen hatte. Seine rotgeweinten Augen verrieten Gefühle, von denen McKenna wusste, dass er sie lieber versteckt hätte. Er sah fast genauso müde aus, wie sie sich fühlte.

Sein Blick fiel auf Marshal Caradon und seine Schritte verlangsamten sich. McKenna beobachtete, dass der Blick ihres Bruders zu dem Abzeichen an Caradons Jacke wanderte, und sah erst jetzt das unbenutzte Gedeck auf dem Tisch und die Eier, die noch in der Pfanne waren. Marshal Caradon hatte also damit gerechnet, dass Robert am Frühstück teilnehmen würde.

„Robert“, sagte sie und deutete auf den Marshal. „Ich glaube, du hattest noch keine Gelegenheit, Marshal Caradon kennenzulernen. Der Marshal und ich haben uns gestern zufällig in der Stadt getroffen. Er war so freundlich, mich nach Hause zu begleiten, und ist dann hiergeblieben für den Fall, dass wir Hilfe brauchen.“ Sie sah zu Caradon hinüber. „Marshal Caradon, das ist mein jüngerer Bruder, Robert.“

Die Höflichkeit gebot, dass Robert zuerst etwas sagte, aber seine einzige Reaktion war ein kühler Blick.

Caradon nickte. „Freut mich, dich kennenzulernen, Robert. Auch wenn ich mir wünschen würde, es geschähe unter anderen Umständen.“

„Ja, ich auch“, brummte Robert schließlich. Er warf einen Blick zur Schlafzimmertür und dann wieder auf McKenna. Er kniff die Augen zusammen. „Sie ist also ge…“

„Robert!“ McKenna mäßigte bewusst ihre Stimme und deutete mit dem Kopf in Emmas Richtung. Emma beobachtete sie aufmerksam und mit vorsichtiger Miene. „Es wäre besser, wenn wir später darüber sprechen könnten.“

Sein Kinn wurde hart. „Ich habe also recht.“

McKenna warf einen Blick auf Emma, die mit keinem Anzeichen verriet, dass sie verstand, was er meinte. „Ja“, sagte sie leise. „Bei Tagesanbruch.“

„Heißt das, dass wir jetzt zurückfahren?“

McKenna starrte ihn an. „Nein, das heißt es ganz und gar nicht. Ich habe dir vorher schon gesagt, dass eine Rückkehr nicht zur …“ Sie brach ab und lächelte Emma und dann Marshal Caradon an. „Wenn Sie uns bitte einen Moment entschuldigen würden.“

Caradon stand höflich von seinem Stuhl auf und ließ Robert nicht aus den Augen. „Lassen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen, Madam.“

Mit großer Selbstbeherrschung führte McKenna ihren Bruder zur Tür hinaus und stellte dabei fest, dass die Fenster offen waren. Sie gingen ein Stück vom Haus weg, bevor sie sprach. „Janie ist heute Morgen gestorben, Robert. Aber bevor sie starb, hat sie …“ Ihre Kehle war vor Schmerz wie zugeschnürt. „Hat sie mir … uns“, fügte sie schnell hinzu, „das alles hier hinterlassen. Ihr Haus, ihre Ranch. Alles.“

Robert schaute sich um. „Das sieht nach nicht viel aus.“

McKenna versuchte, mit den Augen eines Fremden das schlichte Blockhaus und den Stall und die paar Rinder auf der Weide zu sehen. Sie verstand seine Einschätzung, teilte sie aber nicht. Denn sie wusste, wie viel das alles hier Janie bedeutet hatte.

„Was ist mit dem Kind?“

McKenna ließ den Kopf hängen.

Robert lachte hart. „Erzähl mir nicht …“

„Janie hat mich gebeten, mich um sie zu kümmern, und das werde ich auch tun. Was hätte ich denn sonst tun sollen? Ich habe Janie geliebt wie die …“

„Wie die Schwester, die du nie hattest. Glaube mir, das weiß ich.“ Er schnaubte, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und sah einen Augenblick lang genauso aus wie ihr Vater. Robert hatte William Ashford nie wirklich gekannt. Er hatte nur den Mann miterlebt, dessen Frau bei der Entbindung seines Sohnes gestorben war. Dieser William Ashford hatte aber nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem Vater gehabt, den McKenna vorher gekannt hatte.

„Es gibt in St. Joseph nichts, zu dem wir zurückkehren könnten, Robert. Das weißt du. Vergiss nicht, was du getan hast.“

„Wie könnte ich das je vergessen, Kenny?“ Sein Lächeln war hart und böse. „Du sorgst dafür, dass ich es nie vergesse.“

Ihr Magen zog sich vor Bedauern zusammen, als er wegging. Sie hatte bei der Erziehung ihres Bruders ihr Bestes gegeben, aber es war nicht gut genug gewesen. Ihre Gedanken wanderten zu Emma und sie seufzte. „Oh, Janie“, flüsterte sie und hoffte fast, der Himmel würde sie hören. „Bist du sicher, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast?“

Sie rieb sich die Schläfen und ging zum Haus zurück. Dabei erblickte sie Dr. Foster, der hinter der Ecke des Stalls stand und sein Pferd an einen Pfosten band. Sie hatte ihn nicht auf den Hof reiten hören und begriff sofort, dass er die ganze Zeit hier gewesen sein musste. Er stand mit dem Rücken zu ihr. Seine einfache Arbeit kostete ihn viel mehr Zeit, als nötig gewesen wäre.

Als sie näher trat, hob er den Kopf. „Miss Ashford …“

Sie schaute ihn kurz an und dann wieder weg. „Es ist nett von Ihnen, dass Sie so tun, als hätten Sie dieses Gespräch nicht gehört.“

Er schaute sie etwas unsicher an. „Ich höre in meinem Beruf alles Mögliche, Madam. Und ich weiß immer noch ganz genau, wie es war, ein junger Mann zu sein, der selbst seinen Weg gehen wollte. Auch ich hatte eine ältere Schwester, die ihr Bestes tat, um auf mich aufzupassen.“

„Robert würde ich kaum als Mann bezeichnen, Dr. Foster. Er ist erst vierzehn.“

Er warf einen überraschten Blick auf Robert. „Trotzdem ist er kein kleiner Junge mehr, Madam. Auch wenn er erst vierzehn ist.“ Er nahm seine Arzttasche, die am Sattelknauf hing. „Ich habe alles mitgebracht, was wir brauchen, um Janie vorzubereiten. Ich dachte, dass ich das hier im Haus mache, da Sie sagten, dass Sie mir helfen wollen.“

Von der Aufgabe, die auf sie wartete, ernüchtert, nickte McKenna und ging mit ihm zum Haus.

„Ich habe in der Stadt mit dem Pfarrer gesprochen. Die Beerdigung ist morgen früh. Er gibt allen Bescheid.“

„So bald schon?“

Er blieb stehen. „Besteht ein Grund zu warten, Miss Ashford?“ Die Frage war mitfühlend, aber direkt.

„Nein, wahrscheinlich nicht.“ Sie betrachtete den Hügel, der sich hinter dem Haus erhob und auf dem Janie begraben werden würde. „Morgen ist gut.“

„Übrigens können Sie sehr gut mit Nadel und Faden umgehen. Ich war beeindruckt.“

Sie schaute ihn verständnislos an.

„Marshal Caradons Gefangener. Ich habe heute Morgen nach ihm gesehen. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie mit Ihrem Talent einige Damen dieser Stadt glücklich machen werden. Aber
Mrs Claremore in der Schneiderei wird über die Konkurrenz nicht besonders begeistert sein.“

„Mrs Claremore braucht sich meinetwegen bestimmt keine Sorgen zu machen, Dr. Foster. Ich arbeite viel lieber mit Leder als mit Spitzen.“

Schritte auf der Veranda ließen sie aufblicken.

„Sie sind zurück, Herr Doktor.“ Marshal Caradon und Emma kamen aus dem Haus.

McKenna stellte fest, dass er seinen Mantel trug und seinen Hut aufhatte. Das konnte nur bedeuten …

„Ich reite in die Stadt zurück.“ Caradon sah in ihre Richtung. „Ich muss noch einiges erledigen.“

Dr. Foster lenkte Emma mit einer Zuckerstange ab und informierte Wyatt diskret über die Beerdigung. „Pastor Vickery sagte, dass er morgen gegen zehn Uhr hier ist. Marshal Caradon, Sie müssten Ihr Versprechen, das Sie Mrs Talbot gegeben haben, bis dahin einlösen.“

„Kein Problem, Sir. Ich kümmere mich darum.“

McKenna war bei diesem Gedanken überhaupt nicht wohl zumute.

Dr. Foster ging ins Haus und klopfte Caradon im Vorbeigehen auf die Schulter. Emma folgte dem Arzt und versuchte, in seine Tasche zu schauen. Vermutlich wollte sie wissen, ob er noch mehr Süßigkeiten darin hatte, obwohl sie noch an der geschenkten Zuckerstange lutschte.

Ein warmer Windhauch wehte durch die Bäume neben dem Haus. Die Blätter bewegten sich im Wind und es klang wie tausend winzige Glöckchen. McKenna hob fasziniert den Kopf.

„Das sind Espen“, erklärte Caradon und beantwortete damit ihre nicht ausgesprochene Frage. „Sie sind hier in der Gegend weit verbreitet. Sie müssen Sie im Herbst sehen. Dann sind sie am schönsten.“ Er kam, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Veranda herab. „Emma hat wieder nach ihrer Mutter gefragt, Madam. Erst vor ein paar Minuten. Ich dachte nur, dass Sie das wissen sollten.“ Er berührte die Krempe seines Stetsons. „Auf Wiedersehen, Miss Ashford.“

McKenna atmete tief ein. „Marshal Caradon, könnte ich bitte kurz mit Ihnen sprechen?“

Er drehte sich um. „Ja, Madam?“

„Als Janie gestern Abend bat, dass ihr Sohn mit ihr begraben werden sollte, war ihr, glaube ich, nicht bewusst, was sie da sagte. Bei ihrem hohen Fieber und den vielen Medikamenten und angesichts des Stresses der letzten Wochen … Ich denke, das alles war einfach zu viel für sie. Sie war … verwirrt, als sie diese Bitte aussprach.“ Sie schaute ihm fragend in die Augen. „Verstehen Sie, was ich damit sagen will?“

Er gab ihr nicht sofort eine Antwort. „Ja, Madam, ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen.“

Sie seufzte erleichtert. „Gut. Ich hatte gehofft, dass Sie das so sehen würden.“

Er trat näher auf sie zu. „Ich verstehe, dass Ihnen die Vorstellung nicht gefällt, dass ein Leichnam, wenn er einmal in der Erde ist, wieder ausgegraben wird. Vielleicht betrachten Sie das sogar als Sakrileg. Um ehrlich zu sein, hätte ich nie gedacht, dass ich so etwas jemals machen würde.“ Er schwieg einen Moment und deutete mit dem Kopf zum Haus. „Glauben Sie, Ihre Cousine war verwirrt, als sie Sie bat, sich um ihre Tochter zu kümmern, Miss Ashford? Oder als sie alles, was sie und ihr Mann sich mühsam aufgebaut haben, Ihnen vermachte?“

McKenna ärgerte sich und ihr wurde am ganzen Körper heiß. Sein Tonfall, seine Haltung und die Härte in seinen Augen verrieten ihr, dass Caradon diese Fragen rein rhetorisch meinte. Trotzdem wünschte sie, ihr würde etwas einfallen, das sie ihm entgegnen könnte. Aber ihr kam nichts in den Sinn.

„Ich glaube das auch nicht, Madam. Ich denke, sie hat aus vollem Herzen und mit klarem Verstand gesprochen. Deshalb werde ich dafür sorgen, dass Janie Talbots kleiner Junge morgen in ihren Armen liegt, wenn dieser Sarg in die Erde gesenkt wird. Ich habe ihr auf dem Sterbebett mein Wort gegeben. Genau wie Sie.“

8

„Ist meine Mama schon wach?“, fragte Emma zum zehnten Mal.

McKenna saß auf einem Stuhl auf der Veranda und zog vorsichtig eine Bürste durch die blonden Haare des kleinen Mädchens. Ihr graute vor diesem Moment. Sie hatte ihn immer weiter vor sich hergeschoben und Emma nach dem Frühstück draußen spielen lassen, während sie überlegt hatte, was sie dem Kind sagen sollte. Die Wahrheit natürlich. Aber wie? Sie kämpfte mit einem Knoten in Emmas Haaren.

„Au!“

„Entschuldige, Liebes!“ Sie rieb die wehe Stelle an Emmas Kopf. „Ich wollte dir nicht wehtun.“ Aber genau das würde sie bald tun müssen. Egal, wie vorsichtig sie versuchte, ihr das zu sagen, was gesagt werden musste.

Sie drehte Emma zu sich herum und blickte in die Augen, die die gleiche strahlend blaue Farbe hatten wie Janies Augen. Sie betete um die richtigen Worte und um die nötige Weisheit, damit sie nichts sagen würde, was dem Kind Angst machte. Es sollte Emma nicht so ergehen wie ihr damals, als ihre Mutter gestorben war.

Sie nahm Emmas Hände in ihre. „Emma, deine Mama ist nicht nur eingeschlafen. Ihr Körper war krank und sie hatte nicht die Kraft, gesund zu werden.“ McKenna sprach langsam, so sanft wie möglich und schaute Emma in die Augen, um zu sehen, ob sie verstand, was sie ihr damit sagen wollte. „Deine Mama … ist heute Morgen gestorben. Sie ist jetzt im Himmel bei Jesus und bei deinem Papa und bei deinem kleinen Bruder Aaron.“

Emmas Mundwinkel zuckten. Sie kniff die Augen zusammen und McKenna konnte sehen, wie ihr junger Verstand auf Hochtouren arbeitete. Oh Gott, hilf mir, ihr das zu sein, was sie braucht.

„Das ist schwer zu verstehen, Emma, ich weiß … Aber als du deine Mama das letzte Mal gesehen hast, hatte sie Fieber. Erinnerst du dich?“

Emma nickte langsam. „Ich habe Dr. Foster geholfen, ihr Wasser zu holen, weil sie Durst hatte.“

McKenna zwang sich zu einem Lächeln. „Du bist ein sehr tapferes Mädchen.“ Sie beugte sich nahe zu ihr. „Deine Mama liegt in ihrem Bett im Schlafzimmer. Wir werden gleich hineingehen und sie noch einmal anschauen können.“

„Aber du hast doch gesagt, dass sie bei Jesus ist.“

„Das ist sie auch, Liebes. Aber ihr Körper ist noch da.“ Wie sollte sie das einem Kind erklären? Sie schaute kurz an Emma vorbei über die Wiesengräser, die sich vor den Bergen, die sich in der Ferne steinern und grau erhoben, im Wind beugten. „Wenn du deine Mama siehst, ist das für dich vielleicht … ein seltsames Gefühl. Das ist normal. Mir ging es auch so, als ich den Körper meiner Mama sah, nachdem sie gestorben war.“

Ein leichter Argwohn schlich sich in Emmas Blick. Kinder verstanden viel mehr, als die meisten Erwachsenen ihnen zutrauten. Bei Robert war das immer so gewesen.

Das Zwitschern eines Vogels ertönte in ihrer Nähe und brachte sie auf eine Idee. „Hast du schon einmal ein Vogelnest gesehen, wenn Eier darin lagen?“, fragte McKenna, obwohl sie die Antwort auf diese Frage bereits wusste.

„Ja, mein Papa hat mir im Stall eines gezeigt. Es waren Babyvögel darin.“ Emma zog die Nase kraus. „Aber man darf sie nicht anfassen.“

Das Funkeln in ihren Augen versetzte McKenna einen Stich ins Herz. „Erinnerst du dich, wie das Nest aussah, als die Babys groß geworden und weggeflogen waren? Als es leer war?“

Emma nickte wieder.

„Das ist ein wenig so, wie deine Mama aussehen wird, wenn du sie siehst. Es ist immer noch der Körper deiner Mama, aber sie ist nicht mehr darin. Sie ist jetzt bei Gott.“ Bilder von längst vergangenen Tagen drängten sich in ihre Gedanken. Bilder von ihrer Mutter, wie sie still und leblos im Sarg aufgebahrt lag. Sobald McKenna damals ins Wohnzimmer getreten war, hatte sie es gewusst. Sie war zu diesem Zeitpunkt nur vier Jahre älter gewesen, als Emma jetzt war. Und sie hatte Angst bekommen. Nicht vor ihrer Mutter. Vor ihr hatte sie niemals Angst gehabt. Sondern weil ihre Mutter verschwunden war, während ihre Hülle immer noch dalag.

McKenna hatte sehr lange im Türrahmen gestanden und die Frau angestarrt, von der sie nachts auf den Schoß genommen und getröstet worden war, wenn sie schlecht geträumt hatte. Die Frau, die sie gepflegt hatte, wenn sie krank gewesen war. Die bis spät in die Nacht hinein aufgeblieben war und ihren Rock geflickt hatte, als McKenna einmal zu nahe an den Ofen im Mietstall gekommen war. Aber die Frau, die in dem Holzsarg gelegen hatte, war nur noch äußerlich ihre Mutter gewesen.

McKenna streichelte Emmas Wange. Einen geliebten Menschen anzuschauen, der gestorben war, veränderte jeden. Sie fragte sich, wie diese Erfahrung Emma, die noch so jung war, verändern würde. Aber Emma nicht zu erlauben, ihre Mutter ein letztes Mal zu sehen, ihr diese Gelegenheit, sich von ihr zu verabschieden, zu verwehren, erschien ihr auch nicht richtig.

Sie hielt Emma die Hand hin und das Kind ergriff sie, ohne zu zögern.

Dr. Foster war im Haus und mischte Salben und Gewürze, um Janies Körper für die Beerdigung vorzubereiten. Als er aufblickte und Emma sah, schien er zu verstehen, was McKenna vorhatte.

McKenna deutete mit dem Kopf zum Schlafzimmer. „Sie können uns gern begleiten, wenn Sie möchten, Dr. Foster.“ Sie hoffte insgeheim, dass er mitkäme, falls Emma Fragen hatte, die sie nicht beantworten konnte.

Er ging voraus und öffnete die Tür.

McKenna hatte vorher ein Fenster geöffnet, um das Zimmer zu lüften. Sonnenschein strömte herein, erfüllte den kleinen Raum mit süßem Lavendelduft und verdrängte den Geruch des Todes.

Emma wollte nicht weitergehen und McKenna hoffte, dass sie ihr keine Angst gemacht hatte.

„Lass dir Zeit, Emma. Wir können uns in Ruhe von deiner Mama verabschieden.“ McKenna sah Janie an. Tränen traten ihr in die Augen, als sie sich erinnerte, was für ein Gefühl es gewesen war, ihre Mutter zum allerletzten Mal zu küssen. Wie ihr das Herz bis zum Hals geschlagen hatte und wie fremd sich die Wange ihrer Mutter in diesem Augenblick angefühlt hatte.

Sie führte Emma ans Bett. Emma hob ihr kleines Kinn, um ihrer Mutter ins Gesicht zu schauen. Janies Gesichtsausdruck war friedlich, auch wenn es von der Krankheit ausgemergelt war. Die Fieberflecken waren verschwunden und ihre frisch gebürsteten Haare, die ein etwas dunkleres Spiegelbild der Haare ihrer Tochter waren, waren auf dem Kopfkissen ausgebreitet.

Emma streckte die Hand aus und zog sie dann schnell wieder zurück.

„Du kannst sie berühren, wenn du willst.“ McKenna strich mit den Fingern über Janies Hand.

Emma fasste dadurch Mut und tat das Gleiche. „Mama?“

Nur Schweigen antwortete ihr. McKennas Kehle zog sich zusammen.

Emma beugte sich näher über Janie und berührte den Arm ihrer Mama. „Mama?“, flüsterte sie und ihre Stimme wurde höher und dünner. Sie sah zu McKenna hinauf und Tränen traten in ihre blauen Augen. Ihre Unterlippe zitterte.

Beiden liefen nun Tränen übers Gesicht und plötzlich stürmten die ganzen Worte, von denen McKenna sich gewünscht hatte, dass sie ihr vor Jahren jemand in einem ähnlichen Moment gesagt hätte, auf sie ein. Sie kniete neben Emma nieder. „Deine Mama liebt dich immer noch sehr, Emma“, flüsterte sie. „Ihre Liebe zu dir hat nicht aufgehört, nur weil sie jetzt nicht mehr bei dir sein kann. Sie denkt jetzt in diesem Augenblick im Himmel an dich. Und sie passt auf dich auf, bis ihr wieder zusammen seid. Und ihr werdet eines Tages wieder zusammen sein. Das verspreche ich dir.“

Emmas Atem zitterte unter ihren heftigen Tränen. „Aber … ich wi-will nicht … dass meine Mama im Himmel ist.“

„Ich weiß, dass du das nicht willst, Liebes. Ich will auch nicht, dass sie dort ist. Ich will sie hier bei uns haben. Aber das ist jetzt nicht mehr möglich.“ McKenna versuchte, Emmas Tränen wegzuwischen, aber das Kind wich vor ihrer Hand zurück. Von ihrer Reaktion überrascht, versuchte McKenna, sie mit Worten zu trösten. „Bevor deine Mama starb, hat sie mich gebeten, mich um dich zu kümmern. Und ich habe ihr versprochen, dass ich das tun werde. Ich bin jetzt hier und ich werde nicht zulassen, dass dir irgendetwas passiert. Wir werden miteinander in diesem Haus wohnen, das du liebst und das dein Papa für euch gebaut hat. Ich werde immer da sein, wenn du etwas brauchst, ja?“

Sie wollte die Kleine umarmen, aber Emmas tränenüberströmtes Stirnrunzeln verriet ihr, dass diese Zuneigung im Moment nicht erwünscht war.

Dr. Foster kam auf ihre Seite des Bettes herum und beugte sich nach unten, um Emma auf den Arm zu nehmen. Sie ging bereitwillig zu ihm, was McKenna einen Stich versetzte. McKenna bemühte sich, das nicht zu zeigen. Emma war schließlich noch ein Kind. Aber als Emma den Kopf auf Dr. Fosters Schulter legte, konnte McKenna ihren Schmerz nicht länger verbergen.

Dr. Foster streichelte Emmas Kopf. „Lassen Sie sich davon nicht beunruhigen, Miss Ashford. Ich habe Emma entbunden. Sie kennt mich schon ihr ganzes Leben lang. Vince und Janie haben mich sonntags immer nach dem Gottesdienst zum Essen eingeladen. Wir haben uns also gut kennengelernt. Lassen Sie ihr Zeit. Nach einer Weile wird sie auf Sie zugehen.“

Wie auf Kommando schlang Emma ihre dünnen Arme um seinen Hals und bedachte McKenna mit einem Blick, der genau das Gegenteil besagte.

Ein bekanntes Grauen ergriff McKenna. „Natürlich“, sagte sie mühsam und nickte. „Das verstehe ich.“ Sie verstand es wirklich. Sie war für das Mädchen eine Fremde.

Aber trotzdem tat es weh, abgelehnt zu werden, und sie fragte sich wieder, ob Janie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Und ob es von ihr selbst die richtige Entscheidung gewesen war, überhaupt in den Westen zu kommen. Wenn sie nicht hier gewesen wäre, hätte Janie vielleicht mehr darum gekämpft, am Leben zu bleiben. McKenna wurde plötzlich ganz schwer ums Herz. Vielleicht war ihre Ankunft in Copper Creek schuld daran, dass Janie jetzt tot war.

Nach einem Abendessen aus Bohnen und Maisbrot bat McKenna Robert, auf Emma aufzupassen, obwohl sie sich schon innerlich darauf einstellte, dass er davon nicht begeistert wäre. Seine finstere Miene verriet ihr, dass sich seine Stimmung seit heute Morgen nicht wesentlich gebessert hatte. „Du musst nur eine Stunde auf sie aufpassen. Damit ich Dr. Foster helfen kann“, sie senkte die Stimme, „Janie für die Beerdigung morgen vorzubereiten.“

Mit einem Stirnrunzeln schaute Robert hinter sich zum Tisch, an dem Emma mit gebeugtem Kopf saß. „Was soll ich denn mit ihr machen?“

„Geh mit ihr spazieren. Lass dir von ihr den Stall zeigen. Mach irgendetwas mit ihr, um sie eine kleine Weile zu beschäftigen, damit ich Dr. Foster helfen kann. Bitte, Robert! Ich wäre dir dafür wirklich sehr dankbar.“

Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Dann drehte er sich wieder um. „Hey, Emma!“

McKenna sank das Herz, als sie Roberts gelangweilten Tonfall hörte, doch Emma hob den Kopf und sah zu Robert hinüber.

„Habt ihr hier eigentlich irgendwelche Kühe?“ Robert schaute aus dem Küchenfenster, als könnte er die Rinder auf der angrenzenden Weide nicht sehen. „Ich würde sie mir wirklich gern anschauen. Falls du weißt, wo welche sind.“

Emmas verweinte Augen wurden groß. Sie nickte scheu.

Das ungleiche Paar ging nach draußen und marschierte gemeinsam zur Weide. Während sie den beiden nachschaute, betete McKenna für sie und ging dann wieder zu Dr. Foster hinein. Sie machten sich schweigend an die Arbeit, während die Abendsonne einen goldenen Schein über das Zimmer warf. Sie wusch und frisierte Janies Haare und nahm ihr bestes Kleid aus dem Schrank, während die Erinnerungen an längst vergangene, bessere Tage schmerzlich lebendig wurden.

Später, nachdem Dr. Foster gegangen und Emma endlich eingeschlafen war, setzte sich McKenna in der Dämmerung auf die Verandastufen vor dem Haus und machte sich Gedanken über die Entscheidungen, die sie jetzt treffen musste. Ein schwacher Lichtschein aus dem Stall verriet ihr, wo Robert sich aufhielt. Sie hörte das Geräusch von Kisten, die bewegt wurden. Er lud ihre Sachen aus dem Wagen. Ohne dass sie es ihm zweimal hatte sagen müssen! Sie seufzte. Vielleicht war dieser Ortswechsel doch gut für ihn.

Sie beugte sich vor, legte die Arme um ihre Knie und spürte die empfindliche, frisch genähte Stelle an ihrer linken Hand. Die Salbe, die Dr. Foster gemacht hatte, half gegen die Schmerzen und die Schwellung.

Eine Rückkehr nach St. Joseph kam aus den Gründen, die sie Robert genannt hatte, nicht infrage. Sie war nach Colorado gekommen, damit sie und Robert ein neues Leben beginnen konnten, obwohl dieses Leben nun ganz anders aussehen würde, als sie es sich vorgestellt hatte. Es stellte sie vor unerwartet große Herausforderungen. Sie hatte jetzt einen Menschen mehr, um den sie sich kümmern musste, aber wenigstens hatten sie hier ein Haus, in dem sie wohnen konnten, und Mr Trenton im Mietstall hatte bereits in einem Brief zugesagt, dass er sie und Robert einstellen würde. Sie musste einfach stark sein. Und durchhalten.

Sie würde unter dieser Last nicht zusammenbrechen. Gott würde ihr die Kraft geben, die sie brauchte. Das sagte sie sich immer wieder.

Sie hatte vor, übermorgen bei Mr Trenton vorzusprechen, und würde auf jeden Fall seinen Brief mitnehmen, in dem er ihre und Roberts Aufgaben im Mietstall aufzählte. Sie hatte ihm geschrieben, in welcher Woche sie hier ankämen, aber nicht das genaue Datum. Das war, wie sich jetzt herausstellte, auch ganz gut so gewesen.

Sie bemerkte Robert, der aus dem Stall auf sie zukam. Seine Körperhaltung verriet ihr, dass er müde war. Er blieb unter der Treppe stehen. „Geht es ihr gut?“

Sie verstand, von wem er sprach, und nickte. „Emma schläft. Danke, dass du heute auf sie aufgepasst hast.“

Er zuckte die Achseln.

McKenna zog das Lederband von ihren Haaren und begann, ihren Zopf zu lösen. „Sie weiß, dass ihre Mama im Himmel ist, aber was wirklich passiert ist, versteht sie nicht.“

Robert sagte nichts. Die Dunkelheit warf einen Schatten über sein Gesicht, sodass McKenna seine Miene nicht deuten konnte und nicht wusste, in welcher Stimmung er war. Aber sie wusste, dass sich seine Laune in letzter Zeit von einer Minute auf die andere ändern konnte.

„Ich garantiere dir, dass sie das nicht versteht“, flüsterte er schließlich mit überraschend zartem Tonfall. „Noch nicht.“ Er ließ den Kopf hängen. „Aber sie wird es bald verstehen.“

McKenna war über die plötzliche Gefühlsregung ihres jüngeren Bruders erstaunt und sah ihn sprachlos an.

Nach langem Schweigen blickte er auf. „Aber ich würde es langsam angehen lassen. Sie hat den Rest ihres Lebens Zeit, um zu versuchen, darin einen Sinn zu sehen.“ Er ging, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, an ihr vorbei und verschwand im Haus.

* * *

Am nächsten Morgen klopfte es an Emmas Zimmertür. McKenna, die dem Kind gerade das Kleid zuknöpfte, blickte auf. „Ja?“

„Miss Ashford“, sagte Dr. Foster leise durch die geschlossene Tür. „Der Pastor ist da.“

„Danke, Dr. Foster. Wir sind gleich fertig.“

Als sie die Schleife an Emmas Haaren geraderückte, fiel McKennas Blick auf das Bild im Spiegel, der schief an der Wand hing. Das, was sie sah, zehrte an ihren ohnehin schon angespannten Gefühlen. Sie und Emma trugen ihre besten Kleider, die frisch gebügelt waren. Ihre Haare waren ordentlich gekämmt und frisiert. Sie waren beide für die Beerdigung gekleidet, aber McKenna wusste, dass keine von ihnen auf das vorbereitet war, was vor ihnen lag.

Sie drehte das Kind zu sich herum und war von der missmutigen Miene, mit der Emma sie anschaute, nicht überrascht. Seit sie Emma nahegebracht hatte, dass Janie gestorben war, verhielt sich das Kind ihr gegenüber abweisend. McKenna wollte die Spitze an Emmas Kleid, das Janie ihr für Ostern genäht hatte, glattstreichen, aber Emma riss sich von ihr los.

McKenna zwang sich zu einem Lächeln. „Emma, weißt du noch, was ich dir gestern Abend vor dem Schlafengehen gesagt habe?“

Unsicherheit vermischte sich mit Emmas finsterer Miene und das Kind schüttelte den Kopf. Aber McKenna wusste, dass sie sich noch genau erinnerte.

Was sie Emma über die Beerdigung und das, was in den nächsten Stunden geschehen würde, hatte sagen wollen, erschien ihr jetzt plötzlich nicht mehr passend. So beschloss sie, ihr einfach das zu sagen, was ihr auf dem Herzen lag. „Ich weiß, dass das alles für dich schwer zu verstehen ist, Emma. Und ich weiß, dass du mit mir im Moment nicht glücklich bist. Ich hoffe dennoch, dass du mir zuhörst.“

Die Falten auf Emmas Stirn vertieften sich.

„Du darfst vor allem nie vergessen, dass deine Mama und dein Papa dich sehr lieben. Genauso wie ich und Onkel Robert. Und egal, was passiert, nichts wird dir diese Liebe nehmen.“

Es klopfte wieder. Durch die geschlossene Tür hörte McKenna die Stimme des Pastors und Dr. Fosters Stimme. Bald kämen auch die ersten Trauergäste.

Eine Bewegung vor dem Fenster erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie erblickte eine Gestalt auf dem Hügel hinter dem Haus. Diese Gestalt kam auf das Haus zu. Zuerst dachte sie, es wäre Robert, der ihr heute Morgen erklärt hatte, dass er sich weigerte, an der Beerdigung teilzunehmen. Sie hatte ihm gesagt, dass ihm keine andere Wahl bliebe, und hatte ihn dann seit dem Frühstück nicht mehr gesehen.

Sie trat näher ans Fenster und kniff die Augen zusammen. Das war nicht Robert …

Es war Marshal Caradon. Er hielt etwas vorsichtig in den Armen und kam damit auf das Haus zu.

9

Wyatt schaute auf das winzige Bündel in seinen Armen hinab. Das Baby wog fast nichts. Er konnte sich der Frage nicht erwehren, was dieses Kind wohl jetzt, im Leben nach dem Tod, machte. Er hoffte, der Junge konnte laufen und spielen und all das machen, wozu er hier auf Erden keine Gelegenheit bekommen hatte. Und er hoffte, dass sein Papa und seine Mama bei ihm wären.

Dr. Foster hatte den Jungen vor der Beerdigung in eine dünne Decke gewickelt; wahrscheinlich hatte Janie diese Decke selbst genäht. Wyatt hatte die Decke nicht entfernt oder zurückgezogen, um dem Kind ins Gesicht zu schauen. Er hatte eine Ahnung, wie das Kind bei seiner Geburt ausgesehen hatte, und wollte lieber diesen Anblick in Erinnerung behalten.

Er hatte gestern im Gemischtwarenladen eine Babydecke gekauft und die neue Decke über die alte gelegt in der Hoffnung, dadurch die Folgen dessen, dass das Kind schon mehrere Tage in der Erde gelegen hatte, mildern zu können. Außerdem sollte das Kind mit seiner Mutter in einer sauberen Decke beerdigt werden. Irgendwie wusste er, dass Janie Talbot ihm dafür dankbar wäre, auch wenn Miss Ashford das vielleicht anders sah.

Er hatte nicht lange gebraucht, um das tote Kind zu exhumieren, aber es hatte eine Weile gedauert, das Loch für die gemeinsame Beerdigung von Mutter und Kind tiefer zu graben. Das hatte er Dr. Foster versprochen. Die Morgenluft war ungewöhnlich kühl, dennoch hatte er sein Hemd durchgeschwitzt. Er hatte ein frisches Hemd mitgebracht und die Erde, so gut er konnte, von seiner Hose gewischt.

Als er sich dem Haus näherte, sah er drei Männer neben dem Stall stehen. Er erkannte einen von ihnen als Pastor Vickery, den Pastor der Kirche, die er das letzte Mal, als er in Copper Creek gewesen war, besucht hatte. Wyatt ging um das Haus herum zur hinteren Tür. Dr. Foster hatte ihn gebeten, diskret zu sein, wenn er das tote Kind ins Haus brachte, für den Fall, dass schon Leute aus der Stadt da wären. Das Wohnzimmer war leer, aber er sah den Arzt, Miss Ashford und Emma in Janie Talbots Schlafzimmer.

Er blieb an der Tür stehen, weil er sich nicht setzen wollte.

Er war seit sieben Jahren bei keiner Beerdigung mehr gewesen und wusste nicht genau, warum er heute eigentlich hier war. Aber nachdem er dabei gewesen war, als Mrs Talbot starb, und vom Tod ihres Mannes und ihres Sohnes gehört hatte, war in ihm die Überzeugung gewachsen, hier gebraucht zu werden. Selbst wenn dadurch Bilder lebendig wurden, die er vor langer Zeit beerdigt hatte und lieber ruhen lassen wollte.

Auch das Wissen darum, was Miss Ashford gerade durchmachte, hatte seine Entscheidung beeinflusst, obwohl es ihr gleichgültig schien, ob er da war oder nicht. Er hatte vielmehr das starke Gefühl, dass sie ihn eigentlich nicht hier haben wollte. Obwohl er kein überzogenes Selbstvertrauen in Bezug auf Frauen hatte, verstand er nicht ganz, woran das lag. Normalerweise zeigten ihm Frauen durch ihr Verhalten, dass sie für seine Gesellschaft offen wären.

„Marshal Caradon!“

Er blickte auf. „Miss Ashford.“

Die dunklen Ringe unter ihren Augen verrieten, dass sie kaum geschlafen hatte. Sie sah müde aus. Schön, aber müde. Ihre hängenden Schultern verrieten, welche schwere Last sie trug.

„Ich habe Sie gerade vom Hügel herabkommen sehen, Marshal. Bitte …“ Ihr Blick wanderte zu dem Bündel in seinen Armen, dann sah sie schnell wieder weg. „Mir wäre es lieber, wenn Emma das nicht sehen würde. Sie ist schon aufgewühlt genug, weil sie noch einmal Abschied nehmen muss, und …“

„Mr Wyatt?“

Die leise, bedrückte Stimme lenkte seinen Blick zur Tür. Emma stand im Türrahmen. Sie weinte, und als sie auf ihn zugelaufen kam, wusste Wyatt nicht, was er sonst tun sollte. Er hielt sich an Miss Ash-fords Wünsche, beziehungsweise er versuchte es, und drückte ihr das tote Baby schnell in die Arme, bevor er sich bückte, um Emma hochzuheben. Die kleinen Arme des Mädchens schlangen sich um seinen Hals und fühlten sich besser an als alles, was er seit Langem erlebt hatte.

Er zog den Kopf zurück und sah sie an. „Wie geht es dir, Emma?“ Er bereute diese Frage, sobald er sie ausgesprochen hatte.

Ihr hübsches Gesicht verzog sich schmerzlich und sie kuschelte sich eng an ihn.

Er strich mit der Hand über ihren Rücken und warf einen vorsichtigen Blick auf Miss Ashford, die das Bündel steif in den Armen hielt und deren Gesichtsausdruck zwischen Ungläubigkeit und Gebrochenheit wechselte.

Die vordere Haustür ging auf. Als er den Sarg sah, den die Männer hereintrugen, trat er zu einem Seitenfenster und versuchte, Emma abzulenken. Er deutete auf etwas, das aus seiner Satteltasche schaute. Als er im Gemischtwarenladen die Decke gekauft hatte, hatte er auch ein kleines Geschenk für Emma gefunden. „Siehst du das, was hinten aus der Tasche herausschaut?“

Sie richtete sich höher auf und wischte sich schniefend über die Nase. „Können wir hinausgehen und es uns anschauen, Mr Wyatt?“

„Emma, bitte sag Marshal Caradon zu ihm“, sagte Miss Ashford irgendwo hinter ihnen.

Emma drehte den Kopf und bedachte Miss Ashford mit einem finsteren Stirnrunzeln.

Obwohl er fand, dass dies ein sehr schwerer Name für ein Kind in Emmas Alter war, behielt Wyatt seine Meinung für sich. Darüber könnten sie später sprechen. „Komm, fragen wir Miss Ashford, ob sie etwas dagegen hat, wenn wir kurz hinausgehen.“

Als er sich umdrehte, sah er, dass Dr. Foster das Baby in den Armen hatte und den Sargträgern leise Anweisungen gab. Wyatt ging auf Miss Ashford zu. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mit Emma hinausgehe, Madam? Wir bleiben nicht lange.“

Eine deutliche Erleichterung vertrieb einen Teil der Anspannung aus ihrem Gesicht und ließ ihn hoffen, dass sie ihm das, was er vor ein paar Minuten getan hatte, vergeben würde. „Das wäre sehr nett von Ihnen, Marshal Caradon. Danke.“

Vor dem Haus hatten sich bereits viele Menschen versammelt und er sah drei weitere Wagen auf der holprigen Straße näherkommen. Die Talbots waren anscheinend sehr beliebt gewesen. Mehrere Frauen drehten sich zu ihm um, als er Emma die Stufen hinabtrug, aber keine sprach ihn an.

Sein Pferd war beim Stall angebunden. Er ging mit Emma auf den Armen zu dem Tier hinüber, damit sie sein Geschenk aus der Satteltasche ziehen konnte.

„Ist sie für mich?“, fragte Emma ehrfürchtig.

„Ja, sie gehört dir.“

Sie strahlte und drückte sich die Stoffpuppe an die Brust. „Sie soll Clara heißen.“

„Das ist ein schöner Name.“ Er schüttelte den Arm der Puppe. „Freut mich, dich kennenzulernen, Clara.“ Damit entlockte er Emma ein Kichern.

Die Menschen auf dem Weg wurden still, und als Wyatt sich umdrehte, sah er, dass sie in kleinen Gruppen die Verandastufen hinauf und ins Haus gingen. Miss Ashford stand an der Tür und begrüßte die Leute. Er konnte nicht hören, was sie sagte, aber trotz der schwierigen Aufgabe bewahrte sie ihre Würde und Haltung.

Kurze Zeit später versammelten sich wieder alle auf der Veranda vor dem Haus. Der Pastor ging die Stufen hinab, gefolgt von den Sargträgern mit dem geschlossenen Sarg. Miss Ashford folgte dem Sarg, aber als sie näher kam und Emma an der Hand nehmen wollte, wollte das Kind ihn nicht loslassen. Da er keine Aufmerksamkeit auf die ablehnende Haltung des Kindes lenken wollte, führte Wyatt die kleine Emma neben Miss Ashford her, obwohl das Kind immer noch nicht ihre Hand nehmen wollte.

Sie weigerte sich auch während des ganzen Gottesdienstes und danach noch, als sie im Anschluss an die Beerdigung zum Haus zurückgingen, Miss Ashford die Hand zu geben.

Die meisten Leute hatten etwas zu essen mitgebracht und der Küchentisch war mit Fleisch, Gemüse und Kuchen beladen. Emma zog es hauptsächlich zu den süßen Sachen hin, während Miss Ashford, soweit er sehen konnte, nur ein paar Bissen von einem Teller aß, den eine der Frauen für sie gefüllt hatte.

Eine Stunde später waren fast alle wieder gegangen bis auf
Dr. Foster, eine Handvoll Frauen, die die Küche sauber machten, und einen auffallend gekleideten Mann, der erst vor einer halben Stunde gekommen war. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug und stand etwas abseits. Die Art, wie er Miss Ashford immer wieder beobachtete, verriet Wyatt, dass er auf eine Gelegenheit wartete, mit ihr zu sprechen.

Neugierig und mit dem Gefühl, sie beschützen zu müssen, bahnte sich Wyatt einen Weg durch das Wohnzimmer zu ihr, als er durch das Fenster Robert erblickte und stehen blieb. Der Junge war immer noch ein gutes Stück entfernt und ging auf der Straße zu Fuß auf das Haus zu. Er sah aus, als komme er aus der Stadt zurück. Erst jetzt wurde Wyatt bewusst, dass er Robert an diesem Tag noch nicht gesehen hatte. Er hatte angenommen, dass er irgendwo hier wäre. Aber als er jetzt darüber nachdachte, konnte er sich nicht erinnern, Robert am Grab gesehen zu haben. Mit einem Seufzen wandte er sich vom Fenster ab und konnte sich gut vorstellen, wie Miss Ashford darauf reagieren würde.

Dr. Foster unterhielt sich mit den Frauen in der Küche und Emma verdrückte noch einen Keks, aber Miss Ashford war nirgends zu sehen.

„Bitte, Miss Ashford, entschuldigen Sie noch einmal den ungünstigen Zeitpunkt meines Besuchs.“

Die Männerstimme veranlasste Wyatt, zum offenen Fenster zurückzukehren. Als er einen Blick nach draußen warf, sah er, dass Miss Ashford und der gut gekleidete Herr an der Seite des Hauses standen. Während seine Neugier mit seinem Ehrgefühl rang, schaute sich Wyatt um, um sich zu vergewissern, dass ihn niemand beobachtete. Er wusste, dass er nicht stehen bleiben sollte, um zu lauschen, aber Besorgnis und Neugier hielten ihn zurück.

„Ich nehme Ihre Entschuldigung an, Mr Billings. Aber dieses Gespräch heute fortzusetzen, wäre unangebracht. Und unpassend, möchte ich hinzufügen.“

„Ich versichere Ihnen, Madam, ich wäre nicht hier, wenn es nicht dringend wäre. Mir wurde mitgeteilt, Madam, dass Mrs Talbot Ihnen ihr …“

„Ich gebe Ihnen mein Wort, Mr Billings“, McKennas Tonfall ließ keine Widerrede zu, „dass ich so bald wie möglich in Ihr Büro komme, um mit Ihnen darüber zu sprechen, Sir. Aber jetzt muss ich mich von Ihnen verabschieden.“

Wyatt sah, wie der Mann den Mund aufmachte, als wollte er widersprechen, ihn dann aber wieder zuklappte. Das wütende Funkeln in Miss Ashfords Augen, als sie zum Haus zurückmarschierte, verriet ihm, dass dies eine weise Entscheidung gewesen war.

Wyatt wartete noch eine Stunde, bis die anderen Gäste, einschließlich Dr. Foster, gegangen waren. Er sagte sich, dass es dumm sei, so lange hier herumzustehen. Aber am nächsten Morgen würde er die Stadt wieder verlassen und er hatte das Gefühl, dass er mit Miss Ashford unbedingt noch einmal sprechen musste. Und dass er ihr helfen musste, falls sie seine Hilfe brauchte.

„Sie haben sich heute gut gehalten, Madam“, sagte er, als er neben ihr auf der Veranda stand. „Ich glaube, Ihre Cousine wäre stolz auf Sie.“

Sie warf ihm einen schnellen Seitenblick zu und schaute dann wieder nach vorne. „Danke, Marshal Caradon.“ Müdigkeit lag in ihrer Stimme. „Das ist sehr nett von Ihnen. Und ich danke Ihnen auch, dass Sie mir mit Emma geholfen haben.“

„Das habe ich gern getan.“ Er warf einen kurzen Blick hinter sich und sah Emma, die mit der Stoffpuppe, Clara, auf dem Teppich gleich neben der Tür spielte. Das Kind musste mit Miss Ashford erst noch warm werden und er hatte das Gefühl, dass vor den beiden ein steiniger Weg lag. „Es freut mich, dass sich unsere Wege gekreuzt haben, Madam.“

Miss Ashford schaute ihn an, sagte aber nichts.

Ein Moment verging und er konzentrierte seinen Blick auf die Holzdiele unter seinem linken Stiefel. Das war verrückt. Wie konnte er ohne die geringste Furcht einem Verbrecher ins Auge schauen, aber neben dieser Frau wurde er unsicher und nervös?

Er räusperte sich. „Ich denke, Sie und Ihr Bruder werden sich in Copper Creek gut einleben. Es ist eine nette Stadt.“

Sie nickte und ließ den Kopf hängen. „Hoffentlich.“

„Woher, sagten Sie, kommen Sie?“

Das Zirpen der Grillen füllte das Schweigen.

„Aus einer Stadt in Missouri.“

Er warf ihr einen Blick von der Seite her zu. Aus einer Stadt … Eine interessante Formulierung. „Was hat Sie und Robert hierhergeführt? Es ist ein langer Weg, auch wenn es eine Eisenbahn gibt.“

Sie hob den Kopf und er spürte, dass sie eine Mauer um sich herum zog.

„Bitte entschuldigen Sie, Marshal Caradon, aber es ist spät und ich muss Emma ins Bett bringen. Ich danke Ihnen noch einmal für alles, was Sie für uns getan haben.“

Es war nicht zu überhören, dass sie ihn loswerden wollte. Wyatt bemerkte auch, dass sie bewusst das Thema wechselte. Sie wandte sich zum Gehen.

„Falls ich Ihnen noch irgendwie helfen kann, bevor ich morgen die Stadt verlasse, Madam, würde ich das gern tun. Sie müssen nur ein Wort sagen.“

Sie blieb stehen und drehte sich noch einmal zu ihm herum. „Sie verlassen die Stadt?“

Die Erleichterung in ihrer Stimme und in ihrem Gesicht rückte für ihn alles schnell wieder ins rechte Licht und verriet ihm, dass es dumm von ihm gewesen war, zu warten. Das hatte ihm sein Bauchgefühl von Anfang an gesagt. Wenn er nur darauf gehört hätte!