Cover

Inka Schmeling

Abenteuer Elternzeit

Ein Ratgeber über das Reisen mit Baby und Kleinkind

Mit Illustrationen von Patrick Wirbeleit

Impressum

Dieses Buch ist auch als Printausgabe erhältlich:

ISBN 978-3-407-85758-3

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden mit größter Sorgfalt und nach bestem Wissen von der Autorin erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann jedoch weder vom Verlag noch von der Verfasserin übernommen werden. Die Haftung der Autorin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ist ausgeschlossen. Wenn Sie sich unsicher sind, sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Therapeuten.

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www.beltz.de

© 2010 Beltz Verlag, Weinheim und Basel

Umschlaggestaltung: www.anjagrimmgestaltung.de, Stephan Engelke (Beratung)

Umschlagabbildungen: © Brita Sönnichsen

Illustrationen: © Patrick Wirbeleit

Lektorat: Dominik Jäckel

ISBN 978-3-407-22272-5

Inhalt

Vorwort

Latte macchiato oder Lago Maggiore

Elternzeit & Elterngeld

Wie viel Elternzeit bekomme ich?

… und wie viel Elterngeld?

Wo beantrage ich Elterngeld?

Ist Elternzeit reine Frauensache?

Habe ich ein Recht auf Elternzeit?

Kann man in der Elternzeit verreisen?

Marco Polo

Reiseziele für Babys

Wie weite Strecken kann man mit Baby zurücklegen?

Welches Klima vertragen Babys?

Welche Regionen sind medizinisch bedenklich?

Was ist ein gutes Reiseziel für unsere Familie?

Darum

Reisen aus Sicht des Babys

Was bekommen Babys von der Welt überhaupt mit?

Ist mein Baby ein guter Reisebegleiter?

In welchem Alter sind Babys gute Reisebegleiter?

Wie findet man heraus, ob eine Reise als Familie funktionieren kann?

Tetris für Eltern

Reisevorbereitungen

Welche Dokumente braucht ein Baby?

Was packe ich für mein Kind?

Was packe ich für mich als Mutter?

Wie packe ich?

Welches Spielzeug darf auf keinem Ausflug fehlen?

Was gehört in die Reiseapotheke?

Welche Versicherungen sollte ich abschließen?

Was sollte ich vor Abflug fest gebucht haben?

Wie mache ich mein Kind reisefertig?

Wie behalte ich den Überblick?

Eine Prise Istanbul

Fliegen mit Baby

Wie wird der Flug für Babys entspannt und sicher?

Wie sitzen Babys gut im Flugzeug?

Unser Kind wird entführt

Andere Länder, andere Erziehung

Dürfen fremde Menschen mein Kind auf den Arm nehmen?

Wie fühlen sich Babys in anderen Kulturen?

Warum tut es Babys gut, angelacht zu werden?

Gibt es eine universelle Sprache mit Babys?

Heiliger Spielplatz

Buggy, Tragetuch, Babytrage

Was ist das beste Transportmittel für Babys?

Wie finde ich die richtige Tragehilfe – für Babys?

Das Tragetuch

Babytragen

Wie finde ich die richtige Tragehilfe – für Kleinkinder?

Wie finde ich den richtigen Buggy?

Nepomuk im Morgenland

Schlaf, Kindlein, schlaf

Wie schafft mein Kind die Zeitumstellung?

Woran erkenne ich ein gutes Reisebett?

Beinahe: Mord im Orientexpress

Zug, Bus, Fähre

Wie fährt man mit Baby entspannter: im Auto? Zug? Bus?

Wo kaufe ich ein Zugticket für Usbekistan?

Wie fährt man entspannt im Bus?

Wie fährt man entspannt auf der Fähre?

Wie beruhigt man Kinder während der Fahrt?

Geschenk für die Schwiegermutter

Schutz vor Sonne, Wind, Wasser, Kälte

Warum vertragen Kleinkinder Hitze schlecht?

Und was spricht gegen zu viel Sonne?

Wie schütze ich mein Baby vor der Sonne?

Wie viel sollen Babys trinken?

Wie bringt man Kinder dazu, viel zu trinken?

Mögen Babys Urlaub am Strand?

Fahren Babys gerne mit in Skiurlaub?

Nicht anhalten!

Autofahren mit Baby

Wie packe ich unser Auto klug?

Welche Autoversicherungen sind sinnvoll?

Wie mache ich das Auto kinderfreundlich?

Ab wann fragen Kinder: Wie lange noch?

Wie bespaße ich mein Kind im Auto?

Wie wird meinem Kind im Auto nicht übel?

Bekomme ich im Ausland einen Kindersitz?

Wie sehe ich als Fahrer mein Kind auch in der Babyschale?

Mutter-Bandwurm

Krank im Ausland

Werden Kinder im Ausland schneller krank?

Wogegen sollte mein Baby geimpft sein?

Wie wichtig ist Hygiene?

Wie helfe ich bei Magen-Darm-Problemen?

Was hilft bei Hautproblemen?

Woran erkenne ich, dass mein Kind ernsthaft krank ist?

Kann man mit krankem Kind verreisen?

Reisen mit behinderten Kindern

Daheim im Orient

Wohnen in der Fremde

Wie wollen wir wohnen?

Wie finde ich einen Bungalow in Costa Rica?

Welches Mobiliar gibt es auch »to go«?

Syrische Mezze

Ernährung auf Reisen

Sollte ich auf der Reise weiter stillen?

Was essen ältere Babys?

Kann ich mir Babynahrung ins Ausland schicken lassen?

Welches Essen ist lecker und gesund?

Wie isst man mit Baby im Restaurant?

Pavianarsch

Paarzeit im Familienurlaub

Wie schafft man sich Paarzeit im Familienurlaub?

Besuch von Dr. Hipp

Reisen als Gruppe oder Single mit Kind

Wen könnte man noch mitnehmen – oder unterwegs treffen?

Brauchen Babys Spielkameraden?

No Problem

Reisen statt PEKiP – Was Babys unterwegs lernen

Nachtflug und Nescafé

Reisen aus Sicht der Eltern

Was mache ich, wenn die Reise nicht nach Plan läuft?

Wie wird die Reise schöner als der Alltag zu Hause?

Wie stark färbt die Stimmung der Eltern aufs Kind ab?

Schlüsselerlebnisse

Abenteuer zu Fuß, mit dem Rad, im Boot und im Schnee

Kann man mit Baby wandern?

Kann man mit Baby eine Fahrradtour machen?

Kann man mit Baby eine Langlauftour machen?

Was sollten Eltern für den Winterurlaub packen?

Baby Schah

Mit Baby in die Wildnis

Wie ist das: Campingurlaub mit Kleinkindern?

Wie halte ich Mücken fern?

Wie schütze ich mein Kind vor Bienen und Wespen?

Und was mache ich gegen Zecken?

Tulpen in Teheran

Familienreisen – Crashkurs für den Alltag

Was erinnert das Baby von der Reise?

Mitbringsel

Und immer ruft das Fernweh

Zu viert

Reisen mit zwei oder mehr Kindern

Was bringt eine Familienreise älteren Geschwistern?

Warum streiten sich meine Kinder auf der Reise?

Wie halte ich ältere Kinder auf einer Reise bei Laune?

Wie organisiere ich eine Reise mit Zwillingen?

Nepomuk reist weiter

Lesetipps

Die Autorin

Danke

An meine Mutter, die mir von Anfang an beigebracht hat, wie groß und schön die Welt ist.

An meine Tochter und meinen Sohn, die mir unfassbare Freude bringen. Unterwegs und daheim.

An meinen Mann, den allerbesten Weggefährten. Durch den Alltag und eines Tages mit Sicherheit bis ans Ende der Seidenstraße.

Vorwort

In diesem Buch geht es darum, wie man mit Babys und Kleinkindern reisen kann. Vor allem aber geht es darum: dass man mit Babys und Kleinkindern reisen kann.

Wirklich, das kann man, ich weiß das. Ich habe jetzt mehrere solcher Reisen hinter mir. Als Mutter und als Baby. Ich war gerade ein halbes Jahr alt, als meine Eltern mit mir zu meiner ersten großen Reise aufgebrochen sind. Damals, 1979, gab es noch keine Elternzeit. Meine Eltern hatten sich selbst die Zeit genommen, mit mir mehrere Monate um die Welt zu reisen: über die USA nach Australien, Neuseeland und nach Samoa in der Südsee. Nicht, dass ich mich wirklich daran erinnern könnte. Trotzdem gehören zu meiner Kindheit ein Pass mit Babyfoto und vielen bunten Stempeln und ein Haufen von Reiseanekdoten: wie ich in Neuseeland zum Touristenschreck wurde, weil ich in einer Grotte so gekräht habe, dass auf einen Schlag alle Glühwürmchen erloschen. Wie ich am Strand von Neuseeland auf Selleriestauden herumgekaut und mein erstes Weihnachten in Sydney am Strand gefeiert habe. Wie meine Eltern in den USA nicht ins Restaurant durften, weil dort Alkohol ausgeschenkt wurde und ich ja noch nicht volljährig war. Aus meinem ersten Lebensjahr kenne ich nur Geschichten von unserer Weltreise. Was in den anderen Monaten geschah, ist wohl im Alltagstrubel versumpft.

Als Expertin in Sachen Reisen als Baby kann ich beruhigen: Weder Langstreckenflüge noch Zeitverschiebungen noch Klimawechsel scheinen nachhaltig zu schaden. Zumindest verlief mein Leben bis heute recht gesund und geordnet.

Als Expertin in Sachen Reisen als Mutter kann ich davon schwärmen: Auf einer Reise mit Baby gibt es Erholung und Abenteuer, Nähe als Familie, aber gleichzeitig auch ein Gefühl für die Größe der Welt; man erlebt einen Alltag und gleichzeitig viel Fremde. Reisen mit Baby ist anders, als es früher war. Leben mit Baby zu Hause ist aber auch anders.

Weil es so anders ist, hatte ich bei meiner ersten großen Reise als Mutter einen Berg, ach was: ein Himalaja-Gebirge an Fragen vor mir. Was muss ich in die Reiseapotheke packen? Wie schaffe ich es im Flieger, dass der Kleine keinen Druck auf den Ohren hat? Bekomme ich während der Reise überall Breigläser und Windeln? Soll ich weiter stillen? Wie mache ich meinem Kind das Einschlafen in einem fremden Hotelzimmer leichter? Über allen anderen Fragen hing immer die eine große: Wird es meinem Sohn während unserer Reise gut gehen?

Viele Fragen konnte ich mir selbst beantworten. Andere hat mein Sohn für mich entschieden. Einige blieben offen. Darum ist dieses Buch so aufgebaut, dass ich nicht nur von meiner eigenen Reise und meinen eigenen Antworten schreiben werde. Auf jedes Erlebnis von mir folgt ein Kapitel mit Informationen zu bestimmten Themen, sei das die Ernährung unterwegs, die Fahrt im Auto oder der Outdoor-Urlaub mit Kleinkind. Darin werden die Fragen, die ich mir während unserer Reise gestellt hatte, beantwortet: zum Teil von mir selbst, vor allem aber von einer Reihe namhafter Experten. Ein Reiseexperte vom Hamburger Tropeninstitut erklärt, welches Klima Babys gut vertragen und wie man sie unterwegs vor Krankheiten schützt. Die Leiterin des Münchner Staatsinstituts für Frühpädagogik beschreibt, was Kinder in diesem Alter überhaupt von einer Reise mitbekommen. Eine Kulturwissenschaftlerin erzählt, wie andere Kulturen ihre Kinder erziehen und was wir davon lernen können. Andere Experten geben Ratschläge, wie Eltern ihr Baby unterwegs gesund ernähren, vor Sonne oder Kälte schützen und ihm den Flug, die Autofahrt oder die Reise im Zug erleichtern.

Dazwischen werden Sie kurze Berichte von weiteren Experten finden: Von Müttern und Vätern, die ebenfalls während ihrer Elternzeit mit ihren Babys gereist sind. Ins Baltikum, nach Neuseeland, Thailand, Kalifornien, durch Alaska und Kanada. Im Wohnwagen, mit der Fähre, im eigenen Auto. Sie haben auf dem Campingplatz übernachtet, im luxuriösen Strandressort, im Ferienhaus. Bei einigen Familien waren auch ältere Kinder dabei. Alle haben sie viel erlebt: Die Babys wurden von Kellnern durchs Restaurant bis in die Küche getragen, auf der Dachterrasse gebadet und auf dem Beifahrersitz gewickelt, sie schliefen in Kraxen, Autositzen, Zelten. Sie sind auch mal krank geworden, sie haben laufen gelernt. Ihre Eltern sind gewandert und getaucht, sie haben ein Lagerfeuer angezündet oder im Straßencafé gesessen, sie haben sich gestritten und versöhnt. Und am Ende haben sie alle gesagt: Es war schön, so viel Zeit miteinander zu haben. Ganz weit weg – vom Alltag.

Latte macchiato oder Lago Maggiore

Klar kann man in der Elternzeit auch zu Hause bleiben.

Ist ja schließlich super hier. Latte macchiato und Bionade werden längst nicht mehr nur in Szenecafés ausgeschenkt, sondern auch auf dem einen oder anderen Spielplatz. In den Drogerien steht ein Gläschen Bio-Brei neben dem anderen. Die Kinderwagen haben Blattfederung, die Autositze sind TÜV-geprüft, die Matratzen fürs Gitterbett schadstoffgetestet, die Babytragen aus Bio-Baumwolle. In den Apotheken bekommt man homöopathische Zäpfchen gegen Zahnschmerzen, der Kinderarzt spricht Deutsch. Und obendrein gibt es hierzulande ein Animationsprogramm aus PEKiP, Babyschwimmen und -massagen für junge Eltern, mit dem selbst der beste Ferienclub nicht mithalten kann.

Das ist eine Möglichkeit für Mütter und Väter, ihr Elterngeld auszugeben. Immerhin gewährt das Familienministerium frischgebackenen Eltern bis zu 1800 Euro Elterngeld im Monat. Wofür man das Geld auf den Kopf haut, ist den Elterngeldstellen des Landes egal. Für sie zählt – neben Wählerstimmen – allein: Familien bekommen Zeit geschenkt. Das soll den Eltern weniger Stress und mehr Spaß bringen und somit dem Familienministerium endlich mal eine vorzeigbare Geburtenrate.

Zur Geburt eines Kindes hagelt es ja nur so Geschenke. Strampler, selbst gestrickte Babysocken, Kuscheltiere, Schnuffeltücher, Greifringe, Rasseln, Bilderbücher. Als Mutter bekommt man gerne mal einen Concealer geschenkt – weil es ja jetzt vorbei ist mit der Nachtruhe. Oder ein Hörbuch – weil es ja jetzt vorbei ist mit dem Lesen. Das Geschenk der Regierung aber ist das Schönste von allen. Auch wenn es nicht in blassblauem Papier mit Teddybäraufdrucken verpackt ist. Sondern in Formularen und Behördenstempeln.

Elternzeit bedeutet: Zeit.

Wie Eltern sich diese Zeit einrichten, das sieht so verschieden aus wie ihre Wohnzimmer. Die einen stehen auf Gardinchen und Eichen-Schrankwand, die anderen auf Bogenlampe und Siebzigerjahre-Ledersofa. Jedem das Seine.

Bei der Elternzeit entscheiden sich derzeit immer noch vier Fünftel der Paare dafür, dass das reine Frauensache sei. Ein Fünftel der Männer beantragt Elternzeit; in der Regel, also in zwei von drei Fällen, allerdings gerade mal die zwei sogenannten »Partnermonate«, die andernfalls schlicht verfallen würden.

Es lohnt sich aber gewaltig, wenn Elternzeit nicht mehr bloß Frauensache ist: 14 Monate bekommen Mutter und Vater geschenkt, wenn sie beide in Elternzeit gehen. 14 Monate, die sie nacheinander nehmen können. Oder gleichzeitig. Oder sie entscheiden sich für das 2015 eingeführte »Elterngeld plus«, mit dem sie ihr Elterngeld sogar auf 28 Monate strecken können.

Nie wieder haben Eltern Erholung so nötig wie in diesen ersten Monaten nach der Geburt ihres Kindes. Nie wieder wird sich ihr Kind so rasant entwickeln, würden sie also so viel verpassen. Nie wieder werden sie so leicht am Arbeitsplatz fehlen können; sieben Monate, wenn sie die gesamte Elternzeit gleichzeitig nehmen. Nie wieder bekommen sie so viel Geld dafür; gemeinsam bis zu 3.600 Euro im Monat. Dafür können sie Latte macchiato trinken bis zum Herzinfarkt. Oder in einen Ausbildungsfonds für das Neugeborene investieren. Oder sich daran erinnern, was sie früher gemacht hätten mit dem Geld, mit der Zeit. Damals, bevor sie Eltern wurden.

Zwei Around-the-world-Flugtickets kosten zum Beispiel zusammen um die 2.500 Euro; Kinder unter zwei Jahren fliegen quasi kostenlos mit. Ab 700 Euro im Monat bekommt man einen Wohnwagen in Neuseeland. Ein Ferienhaus in Griechenland für 1.200 Euro.

Nur so zur Anregung.

Unsere Reise

Michael (37) machte mit Anne (38) und ihren beiden Söhnen Nick (3) und Ben (1) in den gemeinsamen zwei Monaten Elternzeit eine Reise um die Welt: Sie fuhren zehn Tage die kalifornische Küste entlang, von San Francisco bis Los Angeles, reisten dann sechs Wochen kreuz und quer durch Neuseeland und waren am Ende noch zehn Tage in Japan, in Tokio und Kyoto.

Das war anders als früher: Wir reisen beide für unser Leben gern und hatten uns geschworen, dass das mit Kindern nicht anders werden soll. Sechs Wochen nach der Geburt unseres ersten Sohnes haben wir unseren ersten Urlaub als Familie gemacht. Bei der Weltreise hatten wir also schon drei Jahre Erfahrung und wussten: Man darf nur wenig Programm planen, dafür feste Kinderaktivitäten; man muss flexibel sein und offen für die kleinen Dinge am Wegesrand. Die Touristenattraktion des Tages ist nur hin und wieder auch die Kinderattraktion des Tages.

Das hat die Reise uns gebracht: Viele Leute haben uns vorher entgeistert gefragt: »Einmal mit den Kindern rund um die Welt? Wollt ihr euch diesen Stress wirklich antun?« Wir können nur sagen: So entspannt wie während der zwei Monate gemeinsamer Elternzeit war es danach nie wieder. Als wir zurück waren, hat uns der berufliche Alltag mit Macht eingeholt. Das war so viel stressiger. Mein Arbeitgeber fand, es habe ein »Geschmäckle«, in der Elternzeit in Urlaub zu fahren. Nö. Wir haben als Familie so viel intensive Zeit zusammen gehabt, wie das in keiner anderen Konstellation möglich gewesen wäre. Diese Zeit kann uns vieren keiner nehmen. Das war wirklich Familienzeit und damit Elternzeit.

Mein Rat: Wer um die Welt fliegt, sollte das Richtung Westen machen, da ist der Jetlag nicht so schlimm. Kinder können ihn schließlich schlechter mit Willenskraft und strategischem Schlafen niederringen. Für Übernachtungen in Backpacker-Hostels: Klären Sie vorher am Telefon, ob Kinder unerwünscht sind. Als wir reservieren wollten, drucksten einige merkwürdig rum – erst dann sahen wir auf den Websites das Symbol mit durchgestrichenem Kind. Na ja, die Schlaf- und Lärmzeiten von jungen Familien und Party-Animals sind wohl nicht recht kompatibel.

Elternzeit & Elterngeld

Wer mit fünf Brüdern aufwächst, der kann sich auch gegen konservative Kollegen behaupten: Gegen einigen Widerstand führte die damalige Familienministerin am 1. Januar 2007 das Elterngeld ein. Eltern, die vor der Geburt ihres Kindes gut verdient haben, bekommen seitdem bis zu viermal mehr Geld vom Staat als durch das bis dahin geltende Erziehungsgeld. Die größte – und meistdiskutierte – Neuerung war jedoch: Das Elterngeld kann nur voll ausgeschöpft werden, wenn Mutter wie Vater in Elternzeit gehen. Die Zahl der Väter, die ebenfalls in Elternzeit gehen, steigt seitdem Jahr für Jahr.

Wie viel Elternzeit bekomme ich?

Die Sache mit der Elternzeit erinnert irgendwie an diese vertrackten Textaufgaben aus der Schulzeit: Mal ist von 14 Monaten die Rede, dann doch wieder nur von zwölf; zwei Partnermonate soll es geben und am Ende habe man doch drei Jahre Elternzeit – hä?

Also, dröseln wir das Ganze mal auf:

Elternzeit ist also letztlich erst einmal ein Recht auf Zeit, die Mütter und Väter mit ihrem Kind verbringen können statt am Arbeitsplatz. In den ersten Monaten werden sie in dieser Zeit vom Staat finanziell unterstützt: mit dem Elterngeld.

… und wie viel Elterngeld?

Das kommt darauf an, wie viel Sie vor der Geburt Ihres Kindes verdient haben. Hartz-IV-Empfänger einerseits oder Menschen mit einem Jahreseinkommen von über 250.000 Euro (als Ehepaar 500.000 Euro) andererseits bekommen gar kein Elterngeld. Alle anderen erhalten:

Mit dem klassischen Dreisatz kommt man allerdings nicht weit, um das Elterngeld selbst zu berechnen, höchstens auf einen Schätzwert. Dafür sind die Sonderregeln und Ausnahmen zu zahlreich: Geschwisterbonus, zusätzliche Prozentpunkte für Geringverdiener, eine abgezogene Werbungskostenpauschale. Genauer als jeder Taschenrechner zu Hause ist daher der Elterngeldrechner auf der Webseite des Familienministeriums: www.bmfsfj.de.

Wo beantrage ich Elterngeld?

Bei der nächsten Elterngeldstelle. Auf der Internetseite www.elterngeld.net sind alle Elterngeldstellen in Deutschland aufgelistet, mit Adresse und Telefonnummern. Auch die Formulare für den Antrag gibt es zum Downloaden auf der Seite. Ein Tipp: Füllen Sie die Formulare so weit wie möglich bereits vor der Geburt Ihres Kindes aus. Dann brauchen Sie nach der Entbindung bloß noch Geburtsdatum und Namen Ihres Kindes eintragen, die Geburtsurkunde mit in den Umschlag legen und können das Bündel Papiere rechtzeitig abschicken. Denn: Wer länger als drei Monate braucht, um seinen Antrag einzureichen, verliert einen Teil seines Anspruchs auf Elterngeld. Es wird rückwirkend nur für drei Monate ausgezahlt.

Ist Elternzeit reine Frauensache?

»Väter sind enorm wichtig für die Entwicklung ihrer Kinder, schon im ersten Lebensjahr«, sagt die Bindungsforscherin Karin Grossmann. Seit Jahrzehnten untersucht sie die Bindung zwischen Eltern und ihrem Kind. Immer mehr Aufmerksamkeit widmet sie dabei der wichtigen Rolle, die Väter im Leben ihrer Kinder spielen:

»Väter vermitteln andere Erfahrungen als Mütter. Mütter neigen dazu, eher ängstlich mit ihren Babys zu sein. Sie mildern vieles ab. Ein Vater lacht auch mal zu laut oder wirft sein Kind hoch in die Luft; er vermittelt schon einem Säugling extremere Erfahrungen und damit einen zweiten Interaktionsstil. Kinder lernen sehr schnell, zwischen verschiedenen Stilen zu unterscheiden. Je nach Situation wählen sie dann den Elternteil, der für sie am angemessensten reagiert. Meist der Klassiker: Wollen sie getröstet werden, krabbeln Babys zu ihren Müttern. Wenn sie aber spielen wollen, richten sie sich an die Väter.

Als ich in den Siebzigerjahren die Bindung zwischen Eltern und Kindern untersucht habe, ist ein Vater vielleicht drei Tage nach der Geburt zu Hause geblieben. Dass Väter in Elternzeit gehen, ist ja sehr frisch – und eine große Chance. Die wichtigste Sache in den ersten Lebensmonaten eines Babys ist nämlich die: Eltern und Kind müssen lernen, einander zu verstehen. Das ist für Eltern eine große Herausforderung. Und geht nur, wenn man Zeit mit seinem Kind verbringt.

Die ersten Monate mit Kind sind beinahe so, als wäre man plötzlich nach China versetzt worden: Die Eltern müssen eine Fremdsprache lernen. Ein Baby äußert sich von Anfang an; durch seine Mimik und seine Gesten, mit Hinwendungen. Jemand muss da sein, der diese Äußerungen sieht und der Antworten gibt. Wenn das nicht nur die Mutter ist, sondern auch der Vater: wunderbar. Aber Väter müssen Zeit mit ihrem Kind verbringen. Sonst lernen sie nicht, es zu verstehen. Natürlich geht das auch an Feierabenden und am Wochenende; wenn sie sich dann auch wirklich auf ihr Kind einlassen und nicht noch nebenbei tausend Dinge erledigen wollen. Aber wenn sie die Chance haben, in Elternzeit zu gehen: Für die Bindung zwischen Vater und Kind ist das mit Sicherheit ein großer Schritt.«

Interview

Führt die Elternzeit für Männer zum Karriereknick?

Über 70 Prozent der Väter fürchten negative Konsequenzen im Job, wenn sie in Elternzeit gehen. Das fand die IGS-Organisationsberatung in einer Umfrage heraus. IGS-Geschäftsführer Marcus Schmitz sagt: Es ist trotzdem eine gute Sache, wenn Väter Elternzeit nehmen. Auch für die Chefs übrigens.

Herr Schmitz, wird die Elternzeit für Väter zum Karriereknick?

Im Job gelten offizielle Regeln. Dass Mütter wie Väter in Elternzeit gehen können zum Beispiel. Gleichzeitig gibt es aber auch inoffizielle Regeln und die lauten in vielen Unternehmen: Ein Mann hat sich seiner Karriere zu verschreiben. Wer gegen die inoffiziellen Regeln verstößt, muss mit Sanktionen rechnen. So ist das in jedem bestehenden System, auch in einem Unternehmen. Darauf müssen sich gerade die Männer gefasst machen.

Also lassen sie es besser bleiben?

Jeder muss sich selbst überlegen: Was ist mir die Sache wert? Steht die Zeit mit dem Kind über den Sanktionen? Ich als Vater von zwei Kindern würde sagen: Ja, das ist es wert. Hat eine Familie viel Zeit miteinander, wächst sie ganz anders zusammen. Aber jeder muss auf sich und seine Familie schauen: Was will ich, was will meine Partnerin? Wie wollen wir in unserer Familie leben?

Ein Mann, der in Elternzeit gehen möchte: Wie sagt er es am klügsten seinem Chef?

Er sollte die Bedenken seines Chefs nicht wegwischen, sondern ernst nehmen. Das heißt: Er sollte schauen, was dahintersteckt. Hat mein Chef ein altes Rollenmuster im Kopf? Oder ist er vielleicht neidisch, dass er selbst sich diese Zeit für seine Kinder nie genommen hat? Dagegen kann man nicht ankämpfen. Ich kann nicht als Einzelner ein System ändern, nur meine eigenen Konsequenzen ziehen. Es kann ja aber auch sein, dass hinter den Bedenken des Chefs handfeste Sorgen stecken: Läuft vielleicht gerade ein wichtiges Projekt? Ist zurzeit genau mein Fachwissen gefragt? Dann lohnt es sich, einen Kompromiss auszuhandeln. Am besten drücke ich den Chef nicht in eine Rechtfertigungssituation. Klüger ist es, ihn seine Bedenken begründen zu lassen und zu fragen: Was brauchen Sie denn, um der Elternzeit zustimmen zu können? Dann muss sich der Chef damit beschäftigen und mit konkreten Lösungsvorschlägen kommen. Vielleicht wird die Elternzeit um ein paar Wochen verschoben. Oder man vereinbart einen festen Telefontermin in der Woche. Übrigens sollte nicht nur mit dem Chef nach praktischen Lösungen gesucht werden, sondern auch mit den Kollegen. In vielen Fällen müssen die schließlich zusätzliche Arbeit in der Zeit übernehmen.

Elternzeit ist also: Gewinn für den Vater, Verlust für die Firma?

Es tut jedem Beschäftigten gut, eine Weile etwas ganz anderes zu machen als den Job. Er bekommt eine andere Sicht auf die Dinge, verlässt seine alten Entscheidungsmuster. Und kommt so mit ganz neuen Ideen zurück. Am Ende tut das auch dem Unternehmen gut.

Was ist Ihre Prognose: Wird es den Vätern in Zukunft immer leichter fallen, Elternzeit zu nehmen?

Denen, die das Thema Elternzeit betrifft: ja. Der gesellschaftlichen Mitte also. Elternzeit ist ja kein Thema der Unterschicht; auch nicht der Oberschicht. In der Mitte aber wächst die Zahl der berufstätigen Frauen deutlich und damit auch die Auseinandersetzung in der Partnerschaft, wie das Familienleben gerecht organisiert wird. Es geht ja nicht nur um die Elternzeit. Auch nach den ersten 14 oder 28 Monaten bleibt die Frage: Wie stark will ich mich als Vater einbringen – und wie stark kann ich es? Da gerade im Mittelstand die Beschäftigten rarer und begehrter werden, wird aber auch ihre Verhandlungsposition besser. Ich bin mir sicher: Flexible Arbeitszeiten werden deutlich zunehmen. Jede Familie wird für sich nach einer individuellen Lösung des Alltags suchen und die immer stärker im Beruf durchsetzen können.

Sie würden also sagen: Mehr Mut, ab in die Elternzeit!

Negative Konsequenzen gibt es so oder so. Wenn ich in Elternzeit gehe, kann das Sanktionen bedeuten, ja. Aber wenn ich nicht Elternzeit nehme: Dann verpasse ich eine sehr schöne Chance.

Habe ich ein Recht auf Elternzeit?

Bis sieben Wochen vor Beginn der Elternzeit sollte der Arbeitgeber schriftlich informiert werden. Und zwar tatsächlich bloß informiert, nicht gefragt werden. Denn: Eltern haben bis zum vierten Geburtstag ihres Kindes ein Recht auf Elternzeit. Sie brauchen dafür nicht die Zustimmung des Arbeitgebers. Beim Familienministerium heißt es dazu lapidar: »Die Arbeitgeberseite hat die Elternzeit zu bescheinigen.« Mit der Anmeldung setzt sogar für den Arbeitnehmer ein besonderer Kündigungsschutz ein; allerdings frühestens acht Wochen vor Beginn der Elternzeit. Und: Der besondere Kündigungsschutz endet, sobald die Elternzeit vorbei ist.

Kann man in der Elternzeit verreisen?

Es gibt einen Haufen guter Gründe, warum man das nicht nur kann – sondern geradezu sollte:

Lange Reisezeit: Ein Paar kann die Elternzeit auch komplett oder teilweise gleichzeitig nehmen und zwei, drei, vier, ach was: sieben Monate gemeinsam für das Baby sorgen. Das reicht sogar für eine Weltreise noch locker. Nur zur Erinnerung: Kinder kommen irgendwann in die Schule. Und die Schulferien sind maximal sechs Wochen lang.

Niedrige Kosten: Für Kinder unter zwei Jahren zahlen Eltern im Flieger, Zug oder Hotel kaum drauf. Noch kann man als Familie nicht nur in den Schulferien verreisen, sondern auch in der Nebensaison. Da sind die Preise an klassischen Urlaubsorten deutlich günstiger. Außerdem sind diese weniger überlaufen.

Kleine Mitläufer: In den ersten drei Lebensjahren brauchen Kinder vor allem ihre Eltern, um sich wohl zu fühlen. Kleinkinder sind sehr anpassungsfähig und maulen noch nicht so schnell, weil das Museum langweilig ist oder gleichaltrige Spielkameraden fehlen.

Familienzeit: Der erste Brei. Zum ersten Mal krabbeln, stehen, rutschen, aufs Sofa klettern können. Der erste Schritt. Das erste Wort. Es gibt so viele Meilensteine im ersten Lebensjahr eines Kindes, die man verpasst, während man im Büro sitzt oder am Wochenende einkauft oder das Auto repariert oder den üblichen Alltagskram organisiert. Weg von zu Hause haben Eltern endlich mal richtig Zeit. Als Paar und als Familie. Im Urlaub gibt’s keine Steuererklärung, keine nervigen Briefe von der Bank, keine Versicherungsbögen zum Ausfüllen. Das tut allen gut. Gerade am Anfang des Familienlebens, wo man sich selbst erst einmal in seine neue Rolle finden muss. Schön, wenn man sich als Familie in Ruhe kennenlernen kann.

Marco Polo

Die Welt an sich schrumpft nicht automatisch, sobald ein Paar ein Kind bekommt. Leider. Das würde einem das neue Leben nämlich deutlich einfacher machen. Dann könnte man sein Fernweh einfach ebenfalls entsorgen, so wie man die bauchfreien T-Shirts und die besonders engen Jeans von vor der Schwangerschaft in Altkleidersäcke gestopft und an die Straße gestellt hat. Bye-bye, altes Leben!

Das Fernweh bleibt. Auch wenn es zahmer ist als früher; hin und wieder kommt es eben doch angekrochen. Kitzelt an den Fußsohlen, knufft einen Richtung große, weite Welt und lässt sich selbst von den vielen neuen Mitbewohnern nicht plattmachen, mit denen es seit Neuestem die gleiche Bezugsperson teilt: den Sorgen. Sorgen sind die neuen Landesgrenzen. Fast könnte man meinen, sie sei doch kleiner geworden, die Welt.

Als unser Sohn fünf Monate alt war, sind wir ein Wochenende nach Sylt gefahren. Die Fischsuppe war echt lecker, und die Dünen fanden wir auch hübsch, der wahre Kracher aber war: Nordseeluft lässt Babys verdammt gut schlafen. Nordseeluft ist nun aber auch, das musste ich leider später in diversen Elternratgebern lesen, ein sogenanntes »Reizklima« und damit ein Risiko für Babys, und das wollen wir selbstverständlich kein zweites Mal eingehen. Höher als 1.500 Meter darf man übrigens auch nicht, stand drei Sätze später. Kein Meer, keine Berge.

Das Mittelgebirge wird gerne für Reisen mit Babys empfohlen. Da ist das Klima schön reizarm. Mittelgebirge, hmm. Der Schwarzwald oder der Bayerische Wald zum Beispiel. Der Spessart, der Kaiserstuhl. Hmm. Ein bisschen mehr Reiz vertragen wir dann doch.

Italien hatten uns einige Freunde noch vorgeschlagen. Fanden wir aber auch schwierig. War da nicht was mit Mafia? Und dann diese Müllberge in den Städten Kalabriens! Wir müssen doch jetzt als Eltern so auf die Hygiene achten.

Die USA. Über die haben wir eine ganze Weile ernsthaft nachgedacht. Seitdem George W. Bush nun schon einige Jahre zurück auf seiner Farm in Texas ist, kann man dort ja auch wieder hin. Aber dann haben wir uns ein bisschen eingelesen und plötzlich wurde uns ganz mulmig. Denn dort werden Dreijährige gerne mal verklagt, wenn sie ihrer Kindergärtnerin an die Brust grapschen. Ehrlich gesagt: Unser Sohn hat sich in dem Punkt noch nicht so unter Kontrolle. Stillen in der Öffentlichkeit ist auch nicht angesagt: Bei Facebook zensieren sie alle Bilder von stillenden Müttern, als »obszöne, pornografische und eindeutig sexuelle Handlung«. Da können wir auch gleich in den Iran reisen, finden wir. Oder in den Nahen Osten. Und schon haben wir das perfekte Reiseziel gefunden. Die Seidenstraße. Traditioneller kann ein Familienurlaub nun wirklich nicht sein, die Route wird immerhin seit Jahrtausenden genommen: von Geschäftsleuten, von Lastwagenfahrern (oder früher eben Kamelkarawanen) und selbst von Berühmtheiten wie Marco Polo. Auf eine solche Zahl an Reisenden kommen kein Neckermann-Club und keine Aida-Kreuzfahrt.

Die Seidenstraße führt von Istanbul durch Syrien, den Irak und Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan bis fast ans andere Ende von China. Das sind etwa 6.000 Kilometer. Ein ordentlicher Brocken also. In klassischen Zwei-Wochen-Urlaub-Schritten würde das bedeuten: Um die Seidenstraße von Anfang bis Ende abzureisen, bräuchte man drei Leben. Aber Ursula von der Leyen hat uns Zeit geschenkt. Zwei Monate gemeinsame Elternzeit haben mein Mann und ich. Das ist ein Startkapital.

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Es gibt Familien, die reisen jedes Jahr in das gleiche Ferienhaus oder zumindest auf die gleiche Mittelmeerinsel. Wir kehren immer mal wieder zu der gleichen Route zurück. Zur goldenen Hochzeit haben wir vielleicht ein komplettes Seidenstraßen-Fotoalbum beisammen: Als junge Familie in Istanbul, mit zwei Grundschulkindern in Turkmenistan und mit den Teenagern in der Wüste Taklamakan. Schließlich grauhaarig und wieder zu zweit in Xiang.

Doch, die Route klingt sehr überzeugend. Garantiert keine riskante Nordseeluft. Na ja, ein paar Berge gibt es ehrlicherweise schon auf der Strecke und die eine oder andere Wüste; ich glaube, die fallen auch unter die Rubrik »Reizklima«. Mal im Ernst: Heute würden uns eher die politischen Zustände in einigen dieser Länder von der Reise abhalten als alle Berge und Wüsten und Meere zusammen. Doch als mein Mann und ich uns entscheiden, im Frühjahr 2009 mit unserem neun Monate alten Sohn von Istanbul aus durch die Türkei und durch Syrien zu reisen und von dort aus weiter in den Iran, da ahnen wir nichts von dem, was diese Länder in den kommenden Jahren beuteln wird: Die Straßenproteste nach der Präsidentschaftswahl im Iran, bei denen noch in demselben Jahr friedliche Demonstranten erschossen werden. Die Aufstände in Syrien, die zwei Jahre nach unserer Reise beginnen. Die Tausenden Toten, die Millionen Flüchtlinge, Giftgasangriffe, Bomben und Terrormilizen.

»Warum ist jetzt Krieg in dem Land, in dem wir auf dem Kamel geritten sind?«, fragt unser Sohn heute manchmal. Ungläubig schauen wir dann mit ihm die Fotos unserer Reise an, während sie im Fernsehen zerstörte Städte zeigen, durch die ich in Flipflops gelaufen bin. Auch 2009 ist der Nahe Osten zwar nicht gerade das gängige Reiseziel für Jungfamilien. Doch nach etlichen Jahren des Friedens gilt gerade Syrien während unserer Reise als eine Art Ruhepol in diesem unruhigen Teil der Welt.

Absolut sicher ist es nirgendwo. Während wir auf der Seidenstraße durch den Nahen und etwas ferneren Osten fahren, bebt in Italien heftig die Erde, in Mexiko bricht die Schweinepest aus, und zu Hause in Hamburg gibt es immerhin eine kleinere Scharlachepidemie.

Aber die gute Nachricht ist: Es ist an viel mehr Orten sicher, als man denkt. Auch für ein Baby. Mit einem Baby kann man an den Wörthersee reisen, aber auch nach Warschau, zur Kur und nach Krakau. Auf den Bauernhof und nach Buenos Aires, zu den Großeltern und nach Griechenland und Georgien. In die Toskana, die Türkei und nach Teheran.

Die Welt schrumpft wirklich nicht, sobald ein Paar ein Kind bekommt. Im Gegenteil: Sie ist auch mit Baby verdammt groß.

Reiseziele für Babys

In den Irak oder nach Afghanistan sollte man wohl eher nicht reisen. Nach Syrien nun leider vorerst auch nicht mehr. Egal, ob mit oder ohne Baby. Das deutsche Mittelgebirge oder die Ostsee wird dagegen wärmstens von Kinderärzten empfohlen: wegen des milden, reizarmen Klimas. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es nun aber noch einen Haufen anderer Inseln, Wälder, Strände, Städte, Hügel und Berge. Selten gibt es so ein klares Nein oder Ja wie beim Irak und der Ostsee. Bei den meisten möglichen Reisezielen müssen die Eltern selbst abwägen: Wie viel Entspannung oder Spannung brauchen wir und wie viel verträgt unser Kind?

Wie weite Strecken kann man mit Baby zurücklegen?

Große Entfernungen haben unangenehme Nebenwirkungen: einen langen Flug zum Beispiel oder einen zünftigen Jetlag. Der kann den mühsam erarbeiteten Tag-Nacht-Rhythmus eines Babys für Tage (im schlimmsten Fall: Wochen) gehörig durcheinanderbringen. Aber: Jetlag und Langstreckenflug mögen zwar nerven, gefährlich sind sie jedoch nicht. Ist also das Fernweh größer als die Sorge vor einer Reihe mittelmäßiger Nächte, dann nichts wie los: Mit Baby fliegen ist nämlich relativ entspannt. Nein, nicht im Vergleich zu früher, aber eben deutlich entspannter – und günstiger – als ein Langstreckenflug mit älteren Kindern.

Welches Klima vertragen Babys?

Optimal für Babys – und für die meisten Eltern ja ehrlicherweise auch – sind milde Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad. Bei großer Hitze und fieser Kälte wird’s für die ganze Familie anstrengend.

Hitze und Sonne vertragen Babys deutlich schlechter als Erwachsene. Ihre Haut ist sehr sonnenempfindlich, ihr Flüssigkeitshaushalt bricht bei starkem Schwitzen schnell ein. Außerdem wird ihre Immunabwehr durch die Hitze geschwächt; wechseln sie dann noch ständig zwischen heiß (draußen) und kalt (im klimatisierten Hotel), werden sie leicht krank.

Kälte kann es auch in sich haben. Natürlich gibt es Geschichten von isländischen Babys, die auch im tiefsten Winter draußen im Kinderwagen liegen und zufrieden schlafen. Aber es gibt auch Geschichten von Eltern, denen beim Skifahren das Baby hinten in der Kraxe erfror. Reisen ins winterliche Russland oder zum Skifahren in die Alpen sollten also äußerst gut vorbereitet sein.

Hohe Berge