Cover

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Über den Autor
Hinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Team
von Autorinnen. Gemeinsam konzipieren und schreiben sie die
erfolgreichen Tierfantasy-Reihen WARRIOR CATS, SEEKERS,
SURVIVOR DOGS und BRAVELANDS.
Impressum
Dieses Buch ist erhältlich als:
ISBN 978-3-407-74774-7 Print (Taschenbuch)
ISBN 978-3-407-81190-5 Print (Hardcover)
ISBN 978-3-407-74516-3 E-Book (EPUB)
© 2018 Gulliver
in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Werderstraße 10, 69469 Weinheim
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
© 2012 Working Partners Limited
Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel
Warriors, Omen of the Stars, The last Hope
bei HarperCollins Children’s Books, New York
Übersetzung: Anja Hansen-Schmidt
Lektorat: Susanne Härtel
Umschlaggestaltung/Artwork: © Johannes Wiebel, punchdesign, München
Landkarte: © Gary Chalk
Wort-Bild-Marke Warrior Cats: © Hauptmann & Kompanie, München
Gesamtherstellung: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza
Printed in Germany
1 2 3 4 5 22 21 20 19 18
Weitere Informationen zu unseren Autor_innen und Titeln
finden Sie unter: www.beltz.de
Besonderen Dank an Kate Cary
Für Dan, voller Hoffnung
WARRIOR CATS
Staffel I
In die Wildnis (Bd. 1)
Feuer und Eis (Bd. 2)
Geheimnis des Waldes (Bd. 3)
Vor dem Sturm (Bd. 4)
Gefährliche Spuren (Bd. 5)
Stunde der Finsternis (Bd. 6)
Staffel II – Die neue Prophezeiung
Mitternacht (Bd. 1)
Mondschein (Bd. 2)
Morgenröte (Bd. 3)
Sternenglanz (Bd. 4)
Dämmerung (Bd. 5)
Sonnenuntergang (Bd. 6)
Staffel III – Die Macht der drei
Der geheime Blick (Bd. 1)
Fluss der Finsternis (Bd. 2)
Verbannt (Bd. 3)
Zeit der Dunkelheit (Bd. 4)
Lange Schatten (Bd. 5)
Sonnenaufgang (Bd. 6)
Staffel IV – Zeichen der Sterne
Der vierte Schüler (Bd. 1)
Fernes Echo (Bd. 2)
Stimmen der Nacht (Bd. 3)
Spur des Mondes (Bd. 4)
Der verschollene Krieger (Bd. 5)
Die letzte Hoffnung (Bd. 6)
Staffel V – Der Ursprung der Clans
Der Sonnenpfad (Bd. 1)
Donnerschlag (Bd. 2)
Der erste Kampf (Bd. 3)
Der Leuchtende Stern (Bd. 4)
Der geteilte Wald (Bd. 5)
Der Sternenpfad (Bd. 6)
Staffel VI – Vision von Schatten
Die Mission des Schülers (Bd. 1)
Donner und Schatten (Bd. 2)
Zerrisene Wolken (Bd. 3)
Dunkelste Nacht (Bd. 4)
Special Adventure
Feuersterns Mission
Das Schicksal des WolkenClans
Blausterns Prophezeiung
Streifensterns Bestimmung
Gelbzahns Geheimnis
Riesensterns Rache
Brombeersterns Aufstieg
Mottenflugs Vision
Habichtschwinges Reise
Short Adventure
Wolkensterns Reise
Distelblatts Geschichte
Nebelsterns Omen
Taubenflugs Schicksal
Die Welt der Clans
Das Gesetz der Krieger
Die letzten Geheimnisse
Alle Abenteuer auch als Printausgaben bei Beltz & Gelberg
www.warriorcats.de

DIE HIERARCHIE DER KATZEN

DONNERCLAN  
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Anführer
FEUERSTERN – attraktiver Kater mit rotem Fell
Zweiter
Anführer
BROMBEERKRALLE – dunkelbraun getigerter Kater mit bernsteinfarbenen Augen
Heiler
HÄHERFEDER – grau getigerter, blinder Kater mit blauen Augen
Krieger
(Kater und Kätzinnen ohne Junge)
 
GRAUSTREIF – langhaariger, grauer Kater
 
BORKENPELZ – dunkelbraun getigerter Kater
 
SANDSTURM – kleine, gelbbraune Kätzin mit grünen Augen
 
FARNPELZ – goldbraun getigerter Kater
 
WOLKENSCHWEIF – langhaariger, weißer Kater mit leuchtend blauen Augen
 
LICHTHERZ – weiße Kätzin mit goldbraunen Flecken und vernarbtem Gesicht
 
MILLIE – silbern getigerte Kätzin
 
DORNENKRALLE – goldbraun getigerter Kater
 
EICHHORNSCHWEIF – dunkelrote Kätzin mit grünen Augen
 
BLATTSEE – hellbraun gestreifte Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen und weißen Pfoten; ehemalige Heilerin
 
SPINNENBEIN – langgliedriger, schwarzer Kater mit bernsteinfarbenen Augen
 
BIRKENFALL – hellbraun gestreifter Kater
 
WEISSFLUG – weiße Kätzin mit grünen Augen
 
BEERENNASE – sandfarbener Kater
 
HASELSCHWEIF – kleine, grau-weiße Kätzin
 
MAUSBART – grau-weißer Kater
 
RUSSHERZ – grau getigerte Kätzin
 
LÖWENGLUT – goldgelb getigerter Kater mit bernsteinfarbenen Augen
 
FUCHSSPRUNG – fuchsbraun getigerter Kater; Mentor von KIRSCHPFOTE
 
EISWOLKE – weiße Kätzin
 
UNKENFUSS – schwarz-weißer Kater
 
ROSENBLATT – dunkelcremefarbene Kätzin; Mentorin von MAULWURFPFOTE
 
WURZELLICHT – dunkelbraune Kätzin
 
MOHNFROST – schildpattfarbene Kätzin
 
BLUMENFALL – schildpattfarben-weiße Kätzin
 
HUMMELSTREIF – sehr hellgrauer Kater mit schwarzen Streifen
 
TAUBENFLUG – hellgraue Kätzin mit blauen Augen
 
EFEUSEE – silberweiße Tigerkätzin mit dunkelblauen Augen
 
DISTELBLATT – schwarze Kätzin mit grünen Augen
Schüler
(über sechs Monde alt, in der Ausbildung zum Krieger)
 
MAULWURFPFOTE – braun- und sandfarbener Kater
 
KIRSCHPFOTE – rotbraune Kätzin
Königinnen
(Kätzinnen, die Junge erwarten oder aufziehen)
 
AMPFERSCHWEIF – schildpattfarbene Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen; Mutter von Lilienjunges und Saatjunges
 
RAUCHFELL – hellgraue Kätzin mit dunkleren Flecken und grünen Augen
 
MINKA – Kätzin mit langem, cremefarbenem Fell vom Pferdeort
Älteste
(ehemalige Krieger und Königinnen, jetzt im Ruhestand)
 
MAUSEFELL – kleine, schwarzbraune Kätzin
 
CHARLY – kräftiger Tigerkater mit grauer Schnauze; ehemaliger Einzelläufer
SCHATTENCLAN  
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Anführer
SCHWARZSTERN – großer, weißer Kater mit riesigen, pechschwarzen Pfoten
Zweiter
Anführer
ESCHENKRALLE – goldbrauner Kater
Heiler
KLEINWOLKE – sehr kleiner, getigerter Kater
Krieger
EICHENFELL – kleiner, brauner Kater
 
RAUCHFUSS – schwarzer Kater
 
PILZKRALLE – dunkelbrauner Kater
 
APFELFELL – braun gescheckte Kätzin
 
KRÄHENFROST – schwarz-weißer Kater
 
RATTENNARBE – brauner Kater mit langer Narbe am Rücken
 
SCHNEEVOGEL – reinweiße Kätzin
 
BERNSTEINPELZ – schildpattfarbene Kätzin mit grünen Augen
 
OLIVENNASE – schildpattfarbene Kätzin
 
KRATZFUSS – graue Kätzin mit schwarzen Pfoten
 
FLECKENPELZ – dunkelgrauer Kater
 
ROTWEIDE – braun und rostrot gescheckter Kater
 
TIGERHERZ – dunkelbraun getigerter Kater
 
LICHTFELL – cremefarbene Kätzin
 
ILTISKRALLE – sandfarben und grauer Kater
 
STARENFLUG – roter Kater
Königinnen
KNOTENPELZ – getigerte Kätzin mit langem Fell, das nach allen Seiten absteht
 
KIEFERNNASE – schwarze Kätzin
Älteste
ZEDERNHERZ – dunkelgrauer Kater
 
MOHNBLÜTE – langbeinige, hellbraun gescheckte Kätzin
 
SCHLANGENSCHWEIF – dunkelbrauner Kater mit gestreiftem Schwanz
 
WEISSWASSER – weiße Kätzin mit langem Fell; auf einem Auge blind
WINDCLAN  
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Anführer
KURZSTERN – braun gescheckter Kater
Zweite
Anführerin
ASCHENFUSS – graue Kätzin
Heiler
FALKENFLUG – grau gescheckter Kater
Krieger
KRÄHENFEDER – rauchgrauer, fast schwarzer Kater mit blauen Augen
 
EULENBART – hellbraun getigerter Kater; Mentor von BARTPFOTE
 
HELLSCHWEIF – kleine, weiße Kätzin
 
NACHTWOLKE – schwarze Kätzin
 
GINSTERSCHWEIF – sehr helle grau-weiße Kätzin mit blauen Augen
 
HASENSPRUNG – braun-weißer Kater
 
SCHLACKENFUSS – grauer Kater mit dunklen Pfoten
 
HEIDESCHWEIF – hellbraune Tigerkätzin mit hellblauen Augen
 
WICKENPELZ – grau-weiße Kätzin
 
WINDPELZ – schwarzer Kater mit bernsteinfarbenen Augen
 
BROCKENPELZ – großer, hellgrauer Kater
 
GRASBART – hellbraun getigerter Kater
 
SONNENSTRAHL – schildpattfarbene Kätzin mit weißer Blesse
FLUSSCLAN  
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Anführerin
NEBELSTERN – graue Kätzin mit blauen Augen
Zweiter
Anführer
SCHILFBART – schwarzer Kater
Heilerin
MOTTENFLÜGEL – schöne, golden gestreifte Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen; Mentorin von MAULBEERGLANZ
Krieger
MINZFELL – hellgrau getigerter Kater
 
EISFLÜGEL – weiße Kätzin mit blauen Augen
 
FISCHFLOSSE – dunkelgraue Kätzin
 
KIESELFUSS – grau gescheckter Kater
 
MALVENNASE – hellbraun getigerter Kater
 
DROSSELFLUG – schildpattfarben-weißer Kater
 
KÄFERBART – braun-weiß getigerter Kater
 
BLÜTENFELL – grau-weiße Kätzin
 
HÖHLENFLUG – dunkelbraun gescheckter Kater
 
LACHSBACH – hellgrau getigerte Kätzin
 
FLITZSCHWEIF – hellbrauner Kater
Älteste
TUPFENNASE – grau getupfte Kätzin
ANDERE TIERE
MITTERNACHT – sternenkundige Dächsin, die am Meer lebt
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PROLOG
Ein zerklüfteter Gebirgskamm zerschnitt den Horizont und stach mit seinen Zacken in den nachtschwarzen Himmel. Dort, wo die höchste Spitze im eiskalten Wind aufragte, kauerten vier Gestalten mit sternengefleckten Pelzen auf dem silbernen Granit.
»Wir sind gekommen.« Die weiße Kätzin duckte sich noch tiefer, zum Schutz gegen die Eiseskälte, die nach ihren Knochen griff. »Wie ihr es gewünscht habt.«
Ihr Gefährte neigte den Kopf vor den Katzen, die auf sie gewartet hatten. »Seid gegrüßt, Eulenfeder und Gebrochener Schatten.«
»Sei gegrüßt, Schief.« Gebrochener Schatten stellte ihr dickes Fell auf, um die eiskalte Luft abzuhalten. Ihre Augen, in denen sich die funkelnden Sterne spiegelten, trafen den Blick der weißen Katze. »Ich freue mich, dich wiederzusehen, Halber Mond.« Noch bevor sie die Worte ausgesprochen hatte, huschten zwei weitere Katzen wie Schatten über den Fels.
»Blaustern, Tüpfelblatt, ich bin so froh, euch zu sehen.« Halber Mond begrüßte die SternenClan-Krieger, die sich neben den vier Urkatzen niederließen.
Blaustern schlang den Schwanz um ihre Pfoten. »Wir sind gekommen, um uns auf das Ende vorzubereiten«, miaute sie.
Eulenfeder verengte die gelben Augen. »Werdet ihr auch glauben, was wir euch zu erzählen haben?«
Tüpfelblatt stieß ein leises Knurren aus. »Blaustern hat euch schon immer geglaubt! Es sind die anderen, die wir noch überzeugen müssen.«
»Die Zeit wird knapp«, fauchte Schief.
Der Himmel wirbelte um sie herum, die Sterne rasten, bis sie zu silbernen Streifen verschwammen, doch der Berggipfel schien in völliger Reglosigkeit zu verharren, wie ein Krieger vor dem letzten Angriff.
Blausterns Augen blitzten. »Die Clans werden ihre eigenen Entscheidungen treffen. Mehr kann ich nicht tun.«
Schief beugte sich näher. »Aber die Prophezeiungen haben doch geholfen?«
»Ja.« Blaustern sah ihre Heiler-Katze an. »Tüpfelblatt erkannte den flammenden Stern, der mich zu Feuerstern führte.«
Eulenfeder blinzelte Tüpfelblatt anerkennend zu. »Sie hat ihre Gabe gut genutzt. Es waren die ganze Zeit Feuersterns Nachfahren, die die letzte Hoffnung der Clans in den Pfoten halten.«
»Was ist mit der Vierten?« Mit sorgenvollen Augen lehnte Schief sich vor. »Wann werden sie die vierte Katze finden?«
»Die Vierte muss bald gefunden werden«, drängte Gebrochener Schatten. »Wir haben keine Zeit mehr.«
Eulenfeders Schwanz zuckte. »Seid ihr sicher, dass wir genug getan haben?«
»Wir haben getan, was wir konnten.« Halber Monds bernsteinfarbener Blick huschte zu den zwei Gestalten, die sich über den Fels ihnen näherten. »Bist du das, Mitternacht?«
»Ich mit Stein gekommen.« Die große Dächsin trottete auf dem glatten Granit heran. Stein trat hinter ihr hervor, sein kahler Körper schimmerte blass im Mondlicht.
Gebrochener Schatten trat auf den Pfoten hin und her. »Sei gegrüßt, Mitternacht. »Ich … ich wusste nicht, dass du Stein kennst.«
»Wir uns schon kennen seit Anfang eurer Zeit«, brummte Mitternacht und drehte den weißen, gestreiften Kopf. »Seit erste Katze hat Pfote neben Wasser gesetzt.«
Stein ließ sich auf dem kalten Fels nieder. Seine blinden, blauen Augen waren rund und weiß wie Monde. »Wir haben den ersten Sonnenaufgang über dem See gesehen.«
»Wasser in Brand gesteckt er hat«, erinnerte sich Mitternacht. »In feurigem Spiegelbild wir sehen Zukunft aller Katzen: Stamm des eilenden Wassers, fünf Clans, vier Clans, Wald und See.«
»Wir konnten eure ganze Reise sehen, vom See zum Wald und wieder zurück.« Stein legte den Kopf schief, als könne er die Katzen an sich vorbeiziehen sehen. »Die Prophezeiungen stammten alle von diesem ersten Sonnenaufgang, der sich im Wasser spiegelte – die Katze mit dem Flammenpelz, die die Clans retten würde, die silberne Katze, die den Stamm des eilenden Wassers befreien sollte, und schließlich die Vier, auf denen nicht nur die letzte Hoffnung der Clans ruht, sondern auch die des Lichts.«
Mitternachts Krallen kratzten über das Gestein. »Nun wir fürchten, wir sehen letzten Sonnenuntergang, der beendet unsere Geschichte.«
Halber Mond trat vor. »Aber was ist mit den Vier? Sie werden uns doch gewiss retten?«
»Gekommen sie sind, so wie wir es gesehen, und danach sie entzündeten die dunkelsten Feuer.« Mitternacht sah die Urkatzen mit ihren schwarzen Knopfaugen eindringlich an. »Damit ihr und alle längst gestorbenen Katzen wieder leuchten könnt wie Sterne.«
»Aber das Böse kommt«, warnte Stein.
Mitternacht warf ein: »Wir sehen, Dunkelheit wurde geboren wie Wurfgefährte neben dem Licht. Jetzt alle müssen aufstehen und kämpfen.«
Die anderen Katzen erzitterten. Stein ließ seinen blinden Blick über sie wandern. »Danke, dass ihr die Prophezeiungen so lange bewahrt und von Katze zu Katze weitergereicht habt, von denen viele längst vergessen und verschwunden sind.«
Gebrochener Schatten seufzte. »So viele verlorene Leben.«
»Alle Leben sind kurz«, erinnerte sie Stein.
»Das meines Sohnes war zu kurz!« Ihre Augen blitzten anklagend auf. »Warum konntest du Fallendes Blatt nicht retten?«
»Es war nie meine Aufgabe, jemanden zu retten!« Gelassen erwiderte Stein ihren zornigen Blick. »Was für einen Sinn hat ein Leben, das in den Pfoten eines anderen liegt? Eine Katze muss die Wahl haben. Sie muss die Freiheit haben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich kann ihnen den Weg zeigen, aber jede Katze muss ihn auf ihren eigenen Pfoten beschreiten.«
Schiefs Augen wurden schmal. »Ziehen die Clans allein in den letzten Kampf?«
Halber Mond legte die Ohren an. »Niemals!« Sie hob das Kinn. »Ich werde neben Häherfeder kämpfen.«
Gebrochener Schatten fuhr ihre Klauen aus. »Und ich kämpfe neben meinem Sohn.«
»Ich werde neben Gezackter Blitz und meinen Jungen kämpfen, um die Finsternis zu besiegen.« Eulenfeders Augen funkelten.
Blausterns Schwanz peitschte. »Und ich werde ein zehntes Mal sterben, um den DonnerClan zu verteidigen!«
»Diese Katzen werden niemals allein kämpfen müssen«, verkündete Halber Mond. »Wir sind bei ihnen, so wie wir es immer waren.«
»Licht gegen Finsternis«, knurrte Mitternacht. »Das ist das Ende von allem – der letzte Sonnenaufgang.«
Stein strich ganz leicht mit der Schwanzspitze über ihre Flanke. »Darauf haben wir lange gewartet, meine Freundin.«
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1. KAPITEL
Eine Katze blutet!
Efeusee blieb stocksteif stehen. Wie immer schoss ihr bei dem Geruch von Blut die Erinnerung an Ameisenpelz’ Tod durch den Kopf. Sie konnte immer noch spüren, wie sich ihre Krallen in sein Fleisch bohrten, und sein letztes gequältes Zucken sehen, bevor er für alle Zeit aufhörte, sich zu bewegen. Sie war gezwungen gewesen, den WindClan-Krieger zu töten, um Tigerstern von ihrer Loyalität zu überzeugen. Es hatte ihr die zweifelhafte Ehre eingebracht, nun selbst die Krieger aus dem Wald der Finsternis trainieren zu dürfen, aber sie wusste genau, dass sie den Geruch seines Blutes niemals von ihren Pfoten waschen konnte.
»Aufhören!«, heulte sie.
Birkenfall erstarrte mitten im Sprung und sah sie an: »Was ist los?«
»Ich rieche Blut«, fauchte sie. »Wir trainieren nur. Ich will nicht, dass jemand verletzt wird.«
Verwundert blinzelte der Krieger sie an.
Rotweide schob sich unter Birkenfalls Pfoten hervor. »Das ist doch nichts«, miaute der SchattenClan-Krieger und zeigte Efeusee sein Ohr. Blut quoll aus einem dünnen Kratzer an der Spitze.
»Seid einfach vorsichtig«, warnte Efeusee die beiden.
»Vorsichtig?« Habichtfrosts Fauchen ließ sie herumfahren. »Ein Krieg steht bevor, den wir sicher nicht mit eingezogenen Krallen gewinnen werden.« Er entblößte seine Zähne und sah Efeusee an. »Ich dachte, du hilfst uns dabei, unsere Kämpfer zu trainieren, damit sie wie echte Krieger kämpfen und nicht wie weiche Clan-Katzen.«
Birkenfalls Fell sträubte sich. »Clan-Katzen sind nicht weich.«
»Und warum kommst du dann hierher?«, wollte Habichtfrost von ihm wissen.
Rotweide schnippte mit dem Schwanz. »Wir sind es unseren Clans schuldig, möglichst gute Krieger zu werden. Das hast du doch selbst gesagt.«
Habichtfrost nickte langsam. »Und die Fähigkeiten dazu könnt ihr nur hier lernen.« Er zeigte mit der Nase auf Birkenfall. »Greif Rotweide noch mal an«, befahl er. »Und diesmal hörst du nicht gleich auf, nur weil du Blut riechst.« Dabei sah er Efeusee aus schmalen Augen an.
Efeusee schluckte voller Angst, sie könnte sich verraten haben. Niemand aus dem Wald der Finsternis durfte wissen, dass sie hierherkam, um für Taubenflug, Häherfeder und Löwenglut zu spionieren. Knurrend hob sie das Kinn und stürmte an Birkenfall vorbei. »Mach es so!«, befahl sie ihm. Sie stürzte sich fauchend auf Rotweide, wich seinen Krallen aus und schlug die Zähne in seine Vorderpfote. Dann brachte sie ihn mithilfe ihres Gewichts aus dem Gleichgewicht, riss blitzschnell den Kopf herum und versetzte ihm geschickt einen Stoß, der ihn auf den Rücken warf. Er landete mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden, was jedoch, wie sie wusste, schmerzhafter aussah, als es tatsächlich war. Schließlich hatte sie mit den Zähnen kaum sein Fell durchbohrt, und ihr Stoß war so wohlplatziert gewesen, dass sie ihn von den Pfoten geholt hatte, ohne ihm das Bein zu verdrehen.
Sie schaute erneut zu Habichtfrost und war erleichtert über das anerkennende Funkeln in seinen Augen. Er hatte nur ein blitzschnelles Durcheinander aus Fell und Krallen gesehen und Rotweides Aufprall auf dem glitschigen Boden gehört.
»Habichtfrost!«
Birkenfall und Rotweide bekamen große Augen, als Apfelfell aus dem Nebel auftauchte. Die Augen der SchattenClan-Kätzin leuchteten und ihr zerzauster, brauner Pelz glühte noch von der Anstrengung des Trainings. »Blumenfall und Höhlenflug würden gern gegen Krieger aus dem Wald der Finsternis kämpfen.«
Apfelfells Schüler tappten aus dem Schatten. »Gegen Clan-Katzen können wir doch immer kämpfen«, beschwerte sich Birkenfall.
Höhlenflug nickte. »Wir sind hergekommen, weil wir Dinge lernen wollen, die uns sonst niemand beibringen kann.« Das Fell am Rücken des FlussClan-Kriegers war blutverklebt und stachelig.
Habt ihr noch nicht genug? Efeusee sah Habichtfrost an. »Sind überhaupt Krieger der Finsternis in der Nähe?«, fragte sie und betete, es möge nicht so sein.
»Natürlich.« Habichtfrost hob den Kopf und schnupperte.
Das Kreischen kämpfender Katzen drang durch den Nebel. Für Efeusee war dieses Geräusch mittlerweile wie Vogelgezwitscher, ständig zu hören und so vertraut, dass sie es nur wahrnahm, wenn sie darauf achtete. »Warum trainieren wir heute Nacht nicht mit ihnen?«, fragte sie. In den meisten Nächten konnten es die Krieger des finsteren Waldes kaum erwarten, den Clan-Katzen ihre grausamen Kampftricks zu zeigen.
Habichtfrost schlängelte sich zwischen Blumenfall und Apfelfell hindurch. »Ich will, dass ihr lernt, wie die anderen Clans kämpfen.«
Efeusee erschauderte.
»Denn eines Tages werdet ihr vielleicht Seite an Seite kämpfen müssen«, fuhr Habichtfrost fort.
Lügner!
»Ihr müsst die Tricks eurer Verbündeten kennen, damit ihr euch Kralle um Kralle an sie anpassen könnt.«
Nein, ihr trainiert sie, damit sie sich im letzten Kampf gegenseitig vernichten.
Ein heiseres Knurren hallte durch die Bäume. »Im entscheidenden Moment werden sich vier Clans zu einem vereinen.« Den breiten, getigerten Kopf hoch erhoben, tappte Tigerstern aus den Schatten. »So will es das Gesetz des Waldes der Finsternis. Denkt immer daran.«
Birkenfall nickte feierlich. »Im entscheidenden Moment werden sich die vier Clans zu einem vereinen«, wiederholte er.
»Und wann wird das sein?« Blumenfalls Augen waren groß.
»Das werdet ihr wissen, wenn die Zeit gekommen ist.« Ahornschatten schlich zwischen den Bäumen hervor. Ihr schildpattfarbenes Fell war so durchscheinend, dass in den weißen Flecken der Wald dahinter sichtbar war. Die Vorstellung, sie selbst würde auch einmal aus allen Erinnerungen verschwunden sein, erschreckte Efeusee zutiefst.
»Tigerstern?« Blumenfall sah den Krieger der Finsternis an. »Trainieren wir für einen bestimmten Anlass?«
Efeusee zuckte zusammen. »Noch nicht«, miaute sie rasch und sah zu Tigerstern. Er nickte, und sie fuhr fort: »Aber man kann nie wissen.« Sie erinnerte sich an den bösartigen Kampf gegen den WindClan in den unterirdischen Gängen vor nur einem Viertelmond. »Vielleicht gibt es ja noch mehr Katzen wie Sol, die bereit sind, einen Clan gegen den anderen aufzuhetzen.«
Apfelfell trat vor. »Wenn so ein Streuner uns noch mal auseinanderbringen will, stehe ich auf der Seite des DonnerClans und kämpfe mit ihm!«
Efeusee trat von einer Pfote auf die andere. Diese Katzen glauben tatsächlich, dass hier die Loyalität zu ihren Clans gestärkt wird. Sie sah Birkenfall an. Aber wem wird ihre Treue gehören, wenn der letzte Kampf kommt? Ihren Clan-Gefährten oder den Kriegern des finsteren Waldes?
Mit einem Schwanzschnippen befahl Tigerstern den Clan-Katzen: »Nun geht zurück in eure Nester.«
Höhlenflug neigte den Kopf. »Aber es ist noch so früh.«
»Die älteren Krieger haben jetzt eine Versammlung.« Tigerstern nickte Ahornschatten und Habichtfrost zu.
»Darf ich auch mit?«, fragte Efeusee.
Ahornschattens Augen wurden schmal. »Nein.«
»Aber ich bin doch jetzt auch eine Mentorin«, drängte Efeusee. Sie musste unbedingt herausfinden, wann die finsteren Krieger ihren Angriff auf die Clans am See planten.
»Solange du noch den Geschmack lebender Beute auf der Zunge hast, gehörst du nicht richtig zu uns«, fauchte Ahornschatten.
Tigerstern nickte. »Geht zurück zu euren Clans und ruht euch aus«, befahl er. »Morgen Nacht werdet ihr eure Kraft brauchen.« Er drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit, eilig gefolgt von Ahornschatten.
Blumenfall blinzelte gleichmütig. »Unsere neuen Techniken können wir genauso gut bei uns im Wald üben«, sagte sie zu Birkenfall. Dann schloss sie die Augen und verblasste.
Efeusee beobachtete, wie ihre Clan-Gefährtin aus dem Wald der Finsternis verschwand. Sie wird ihre Wunden mit sich nehmen. Und die Erinnerung daran, was sie gelernt hat. Efeusees Fell prickelte. Sie wollte diese Erinnerungen und diese brutale Kampfweise nicht im DonnerClan haben.
»Kommst du?« Birkenfall schnippte mit dem Schwanz.
»Ja, gleich.« Efeusee bedeutete ihm, vorauszugehen.
Birkenfall verschwand und auch Höhlenflug, Apfelfell und Rotweide verschmolzen mit den Schatten. Sobald sie weg waren, wandte sich Efeusee an Habichtfrost. »Du vertraust mir genug, dass ich Katzen für den Wald der Finsternis trainieren darf, aber an einer Versammlung der älteren Krieger darf ich nicht teilnehmen?«
Seine Augen glitzerten. »Willst du wirklich so gerne dabei sein?«
Efeusee nickte.
Habichtfrost lehnte sich zu ihr hinüber. »Pech.« Er drehte sich um und folgte Tigersterns Weg.
Efeusee fuhr die Krallen aus. Ich komme mit, ob du willst oder nicht! Sobald Habichtfrosts Pelz zwischen den Bäumen verblasst war, sauste sie los und schlich ihm mit pochendem Herzen hinterher. Gut verborgen hinter Nebel und Brombeerranken folgte sie ihm Schritt für Schritt.
»Schneeschopf?« Plötzlich wurde Habichtfrost langsamer.
Efeusee blieb stehen und spitzte die Ohren.
Knurrend begrüßte er seinen Clan-Gefährten. »Gehst du zur Versammlung?«
»Die würde ich nicht für alle Mäuse des Waldes versäumen wollen«, krächzte Schneeschopf. »Wo sind die Clan-Katzen?«
Habichtfrost schnaubte verächtlich. »Tigerstern hat sie zurück in ihre Nester geschickt.«
Schneeschopfs Krallen kratzten an der Erde. »Bist du sicher, dass keine mehr am Trainingsfelsen herumlungern?«
»Dafür wird Braunstern schon sorgen«, knurrte Habichtfrost.
Der Trainingsfelsen! Efeusee schnippte mit dem Schwanz. Sie treffen sich am Fluss! Sie kannte den Wald der Finsternis gut genug und wusste einen Weg, wo sie von Habichtfrost nicht bemerkt würde. Sie musste nur dem alten Bach zu den hohlen Stämmen folgen und von dort weiter zum Flussufer.
Geduckt schlich sie sich hinter den Büschen entlang, bis sie das leise Murmeln der älteren Krieger hörte. Dann glitt sie hinter einen Baum und spähte hervor. Dort, wo der Fluss die Bäume durchschnitt, lichtete sich der Nebel. Ein großer Felsen ragte aus dem Morast am Ufer auf. Efeusee legte die Ohren an. Hier hatte sie ihr erstes Training mit ihren Clan-Gefährten aus dem Wald der Finsternis gehabt. Nun stand dort ein Kreis aus muskelbepackten Kriegern. Sie spürte einen Anflug von Furcht in ihrem Bauch und verdrängte ihn. Ich bin auch eine Kriegerin des finsteren Waldes, ermahnte sie sich. Ich bin jeder dieser Katzen ebenbürtig!
Braunstern stand auf dem Stein und sein dichter, dunkler Pelz war gesträubt. »Die Zeit ist nah«, knurrte er.
Ahornschatten hob ihre durchsichtige, weiße Schnauze. »Gut«, fauchte sie. »Ich möchte den Kampf auf keinen Fall versäumen.«
Habichtfrost setzte sich und beobachtete Braunstern aus schmalen Augen; sein eisblauer Blick folgte allen seinen Bewegungen. Fetzschweif und Stachelkralle liefen hin und her, Tigerstern stand steifbeinig da und peitschte mit dem Schwanz. »Wo werden wir zuerst zuschlagen?«, wollte er wissen.
Braunstern glitt vom Felsen und kratzte eine Linie in die sumpfige Erde. »Hier treffen See und Land aufeinander.« Geschickt ritzte seine Kralle noch mehr Linien in den Boden. »Von hier und von da werden wir über sie herfallen.« Er stach in den Boden. »Und während sie dort kämpfen, greift eine weitere Patrouille von hier drüben aus an.«
Efeusee reckte sich vor, weil sie unbedingt sehen wollte, wohin er zeigte, doch Tigerstern und Fetzschweif, die sich nun näher drängten, versperrten ihr die Sicht. So lauschte Efeusee stattdessen nach weiteren Hinweisen, während ihr das Herz bis zum Halse schlug.
»An der Stelle, wo der Hügel zum Bach hin abfällt, werden sie schwächer sein«, knurrte Braunstern. »Wir können uns vom höheren Gelände auf sie stürzen und sie zurückdrängen.«
»Und wenn wir sie von hier aus angreifen?« Tigerstern tippte mit der Kralle auf die eingeritzte Karte.
Braunsterns Augen leuchteten interessiert auf und Efeusee erschrak. »Genau im Herzen des Clans!«
»Wenn die Jungen erst mal tot sind, haben ihre Mütter weniger Ansporn zu kämpfen«, bemerkte Ahornschatten.
»Du hast recht.« Braunstern setzte sich zurück auf seine Hinterbeine. »Dann ist es also beschlossen.«
Habichtfrost schaute hinter sich, und dabei schweifte sein Blick auch über den Baum, hinter dem Efeusee sich versteckte. Sie presste sich flach auf die Erde und war zutiefst erleichtert, als Habichtfrosts Blick weiterwanderte, ohne sie zu entdecken, und die Krieger der Finsternis bald darauf auseinandergingen.
Sobald das Ufer leer und verlassen war, kroch sie aus ihrem Versteck und schlich zu Braunsterns Karte. Nervös wie ein Kaninchen musterte sie die Linien im Schlamm.
Auf einmal wurde sie von Pfoten gepackt und geschüttelt. Fauchend fuhr sie herum und schlug nach ihrem Angreifer.
»Efeusee!«
Taubenflugs entsetztes Miauen brachte sie zur Besinnung. Sie lag in ihrem Nest. »Du hast mich aufgeweckt!«, fauchte sie ihre Schwester an.
Taubenflug bekam große, erschrockene Augen. »Efeusee? Alles in Ordnung mit dir?«
»Ich habe geträumt!« Enttäuschung schnürte Efeusee die Kehle zu. Nur noch einen Augenblick länger, dann hätte sie Braunsterns Plan sehen können!
»Aber jetzt bist du doch wach, oder?«, fragte Taubenflug unsicher.
»Ja«, murmelte Efeusee. »Ich bin wach.«
Taubenflug sah ihr in die Augen. »Du hast mich noch nie zerfetzen wollen, weil ich dich aufgeweckt habe.«
»Du weißt doch, was passiert, wenn ich träume.«
»Deshalb habe ich dich ja auch geweckt. Dein Fell war ganz gesträubt. Ich hatte Angst, etwas …« Auf einmal wurden Taubenflugs Augen ganz schmal. »Wolltest du etwa im Wald der Finsternis bleiben?«
Efeusee hob das Kinn. Hier, in der Sicherheit ihres Nests, verflog das Entsetzen wieder, das sie in ihren Träumen so wachsam sein ließ. Nur das Gefühl von Gefahr prickelte noch unter ihrem Pelz. »Ich hatte noch was Wichtiges zu tun.«
Taubenflug beugte sich näher. »Was denn?«
Efeusee wandte sich ab. »Jetzt ist es zu spät.« Bis zur Nacht würde Braunsterns Karte längst zertrampelt oder weggespült sein.
Plötzlich rümpfte Taubenflug die Nase. »Du stinkst.«
Efeusee sah auf ihre schmutzigen Pfoten hinab und schob sie tiefer unter ihren Körper. »Keine Angst. Ich putz mich gleich.«
»Gut.« Taubenflug drängte sich an ihr vorbei aus dem Bau.
Efeusee schaute auf Maulwurfpfotes leeres Nest und auf das von Kirschpfote daneben. Die beiden widmeten sich sicher schon ihren Schülerpflichten. Sie reckte ihre Glieder und schob sich aus dem Bau.
»Efeusee!«, rief Hummelstreif vom Frischbeutehaufen herüber. Efeusee beachtete den kräftigen Kater nicht und kroch gleich weiter durch den Dornentunnel in den Wald. Wie konnte sie im Lager bleiben, im Felsenkessel gefangen, eingesperrt mit ihren Clan-Gefährten, während in ihrem Kopf immer noch die Gerüche und Geräusche des finsteren Waldes durcheinanderwirbelten?
Sie sprang den Hang zum Bergkamm hinauf. Kraft strömte durch ihren Körper. Der Wald der Finsternis hatte ihr diese Ausdauer verliehen. Er hatte aus ihr eine viel bessere Kämpferin gemacht als ihre Clan-Gefährten, hatte ihr Tricks beigebracht, die sie gegen die finsteren Krieger einsetzen würde, wenn der letzte Kampf kam. Efeusees Krallen zerrissen die Brombeerranken, als sie den Hang erklomm und die Baumgrenze hinter sich ließ. Unter ihr schimmerte der See im Licht des blassen Morgenhimmels. Der Blattfall färbte bereits die Wipfel. Der grüne Schleier, der die Wälder schon seit Monden umhüllte, bekam einen gelblichen Schimmer. Aufregung brodelte unter Efeusees Pelz. Es gab keine Beute, die sie nicht fangen, keinen Krieger, den sie nicht besiegen konnte. Ihre Pfoten juckten danach, das zu beweisen.
Plötzlich hatte sie wie aus dem Nichts heraus eine Vision vor Augen. Krieger mit zerfetzten, narbigen Ohren und hasserfüllten Augen schwärmten die Uferböschungen hinauf und ergossen sich in den Wald. Farne schwankten, Brombeerzweige zitterten und im Wald wimmelte es auf einmal von unzähligen kampfeshungrigen Katzen. Schrilles Kreischen erklang, und Efeusee hörte den dumpfen Aufprall muskulöser Körper auf Gestein, während die Welt in den Klauen der finsteren Krieger erbebte.
Die Vision verblich, bis nur noch der Geschmack von Blut und Furcht auf ihrer Zunge zurückblieb. Efeusee merkte, wie sie zitterte und ihre Pfoten schwitzten. Sämtliche Kampfkünste vom sternenlosen Ort würden nicht ausreichen, um diese erbarmungslose Flut des Todes zu stoppen.
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2. KAPITEL
Der Abend kroch in den Felsenkessel, und Häherfeders Fell wurde feucht vom Tau, als er sich eine Maus vom Frischbeutehaufen holte und sich zum Fressen neben den Brombeerstrauch kauerte.
Hoch über ihm musste schon der Halbmond am klaren, hellen Himmel hängen. Ob die anderen Heiler-Katzen die verhängnisvolle Warnung ihrer Vorfahren befolgten und sich von den anderen Clans fernhielten? Oder würden sie trotzdem zum Mondsee wandern und dort in ihren Träumen beim SternenClan wandeln?
Soll ich gehen?
Tief in seinem Inneren spürte Häherfeder den Lockruf des Mondes. Nicht darauf hören zu dürfen, machte ihm das Herz schwer. Aber nachdem Lichtfell auf der Großen Versammlung die Stimme erhoben und ihn beschuldigt hatte, Flammenschweifs Mörder zu sein, hatten die Clans ihm befohlen, seine Heilerpflichten aufzugeben. Feuerstern erlaubte ihm zwar, seine Clan-Gefährten so wie bisher zu versorgen, aber seine Aufgaben außerhalb des Clans hatte er alle aufgeben müssen.
Der Mond zerrte immer stärker an ihm. Der Wille des SternenClans war mächtiger als jede lebende Katze. Und der Prophezeiung zufolge war Häherfeder sogar noch mächtiger als der SternenClan. Außerdem wusste er, dass er unschuldig war. Er hatte noch versucht, die Heiler-Katze des SchattenClans vor den eisigen Tiefen des Sees zu retten, als Flammenschweif durch das Eis gebrochen war. Keine andere Katze hatte das auch nur versucht. Wütend riss Häherfeder einen Bissen aus seiner Maus.
Die herabhängenden Brombeerzweige neben ihm raschelten und Wurzellicht schleppte sich aus dem Heilerbau. Ihre Vorderpfoten waren mittlerweile so kräftig, dass sie ihre verkrüppelten Hinterbeine ohne Mühe durch das Lager ziehen konnte.
»Willst du auch was?« Häherfeder bot ihr mit einer Pfote die Maus an.
»Nein, danke.« Wurzellicht blieb neben ihm stehen. »Mir ist eher nach Wühlmaus.«
Er spürte ihr geschmeidiges Fell an sich vorbeistreifen, als sie sich zum Frischbeutehaufen schleppte. Sie war die sauberste Katze im DonnerClan, putzte sich unermüdlich, suchte ihr Fell zweimal am Tag nach Zecken ab und spürte jeden Floh auf. Ein entzündeter Stich würde sie nur schwächen, und sie war fest entschlossen, weiter zu trainieren und so stark zu werden wie nur möglich, auch ohne den Gebrauch ihrer Hinterbeine.
Häherfeder spürte die Aufregung in ihr prickeln, während sie den Frischbeutehaufen durchsuchte, und dann einen winzigen Stich der Freude, als sie unten eine Wühlmaus fand und sie mit ihren scharfen Zähnen hervorzog. Flink überquerte sie die Wiese und ließ sich neben Häherfeder nieder. »Hast du keinen Hunger?« Sie stieß mit der Pfote an die Maus, die er kaum angerührt hatte. »Es ist Halbmond. Du brauchst deine Kraft für den Weg zum Mondsee.«
Leise knurrte Häherfeder: »Ich darf dort nicht mehr hin, das weißt du doch!« Wurzellicht hob ihre Wühlmaus auf und nahm einen Bissen. »Seit wann würde dich das abhalten?«, fragte sie mit vollem Maul.
Lichtherz’ Pfoten scharrten neben ihnen am Boden. »Von was abhalten?«, fragte sie.
Häherfeder schnaubte: »Das geht dich nichts an.«
»Es ist Halbmond, aber Häherfeder darf nicht zum Mondsee«, warf Wurzellicht ein.
»Kannst du nicht beim SternenClan wandeln, wenn du in deinem Nest liegst?« Lichtherz strich mit dem Schwanz über Häherfeders Rücken.
Ungeduldig schüttelte er sie ab. »Bei den Besuchen am Mondsee geht es um mehr als nur um Träume!«
Mit diesen Worten marschierte Häherfeder über die Lichtung davon. Er duckte sich durch den Lagereingang, fauchte, weil ein Dorn ihn am Ohr kratzte, und stürmte in den Wald.
Pfoten tappten leichtfüßig hinter ihm her und Häherfeder witterte Feuersterns Geruch. Der DonnerClan-Anführer war ihm aus dem Felsenkessel gefolgt. »Ich weiß, wie frustrierend das für dich ist«, hob er mitfühlend an.
Häherfeder drehte sich um. »Wirklich? Glaubst du, die Clans hätten Lichtfell geglaubt, wenn ich nicht eine HalbClan-Katze wäre?«
Feuerstern blieb stehen.
»Oder wenn Blattsee nicht gegen das Gesetz der Krieger verstoßen hätte, indem sie mich zur Welt gebracht hat?« Er spürte Feuersterns Überraschung. »Hast du das vergessen?«
»Daran habe ich gar nicht gedacht.« Feuersterns Maunzen klang aufrichtig.
Häherfeder blinzelte. »Du hast nicht daran gedacht?«, wiederholte er. Jedes Mal, wenn er Blattsee oder Eichhornschweif oder Brombeerkralle sah, spürte Häherfeder einen Stich des Verrats. Er hatte geglaubt, er sei eine DonnerClan-Katze und seine Eltern seien Eichhornschweif und Brombeerkralle, bis seine Schwester Distelblatt herausgefunden hatte, dass Blattsee und Krähenfeder, ein WindClan-Krieger, ihre Eltern waren.
Feuersterns Schwanz strich über das Laub am Boden. »Du bist einer der Drei. Deine Geburt sollte geschehen.« Er tappte näher. »Spielt es da eine Rolle, wie es dazu kam?«
»Ja!« Voller Zorn stolzierte Häherfeder um Feuerstern herum. »Wegen Blattsees Fehler bin ich jetzt verflucht! Alle Katzen halten mich für unnatürlich, weil meine Geburt gegen zwei Gesetze verstoßen hat: gegen das Gesetz der Krieger und gegen die Regeln der Heiler! Kein Wunder haben alle Katzen sofort geglaubt, ich wäre ein Mörder. In ihren Augen bin ich ganz sicher nicht vom SternenClan gesegnet.«
Feuerstern trat von einer Pfote auf die andere. »Aber wir wissen doch beide, dass du sehr wohl vom SternenClan gesegnet bist. Mehr als jede andere Katze.«
»Aber nicht dank Blattsee!« Häherfeder schlug die Krallen in den Boden. »Oder Eichhornschweif.«
»Blattsee hat dein Geheimnis stets bewahrt«, rief ihm Feuerstern streng ins Gedächtnis. »Sie und Eichhornschweif haben ihr Bestes für dich und deine Wurfgefährten getan. Es war Distelblatt, die allen die Wahrheit gesagt hat. Sie meinte, es tun zu müssen, und nun ist es eben geschehen. Eichhornschweif und deine Mutter sind nicht für die Vorurteile anderer Clans verantwortlich. Und du auch nicht.«
»Das ist so ungerecht. Warum konnte Blattsee sich nicht einfach an die Heilerregeln halten?« Häherfeder lief tiefer in den Wald hinein. »So schwer ist das doch nicht!«
»Und wenn sie es getan hätte?«, rief Feuerstern ihm nach. »Was dann? Wo wärst du dann, wenn sie sich nicht in Krähenfeder verliebt hätte? Denk an die Prophezeiung!«
Häherfeder scharrte mit den Pfoten im Laub. »Warum darf ich nicht ein Mal nur an mich denken?« Mit einem Knurren stolzierte er davon, zwängte sich durch die Farne und trabte über Baumwurzeln, bis er spürte, wie sich um ihn herum die Dämmerung in Dunkelheit verwandelte. Auf einmal nahm er eine Mauer aus Fell war, die ihm den Weg versperrte. Er sprang zurück. »Wer ist da?«
Noch beim Sprechen erkannte er Gelbzahns üblen Geruch. Ihre Schnauze war keine Mauselänge von seiner Nase entfernt. »Warum darf ich nicht ein Mal nur an mich denken?«, äffte sie ihn nach.
»Lass mich in Ruhe!« Häherfeder wich zurück, doch ihre stinkende Schnauze folgte ihm.
»Du bist nicht wichtig!«, zischte die alte Katze. »Das Einzige, was zählt, ist das Überleben der Clans! Du bist einer der Drei, deshalb musst du die vierte Katze finden, um den Wald der Finsternis zu besiegen, bevor es zu spät ist!«
»Was meinst du damit, ich bin nicht wichtig?«, fauchte Häherfeder zurück. Wie kann sie es wagen? »Woher willst du wissen, dass ich nicht die wichtigste Katze überhaupt bin?« Er bebte vor Wut und die Worte schossen nur so aus ihm heraus. »Wenn die Clans mich daran hindern, eine Heiler-Katze zu sein, könnte die ganze Prophezeiung scheitern.«
Gelbzahn strich um ihn herum und ihr zottiges, raues Fell streifte seinen Pelz. »Glaubst du, Kräuter könnten die Clans vor dem Wald der Finsternis retten?«, blaffte sie.
»Eine Heiler-Katze kümmert sich nicht nur um Kräuter!« Häherfeder wollte sich an ihr vorbeidrängen, aber sie versperrte ihm den Weg.
»Um was denn noch?«
»Zum Beispiel wandelt sie in ihren Träumen beim SternenClan.«
Gelbzahns Schwanz schlug gegen die Farnstängel. »Ach ja? Was glaubst du denn, was du gerade machst, Mäusehirn?«
Häherfeder knurrte: »Warum gehst du mir auf die Nerven?«
»Du musst den vierten Krieger finden!«
»Wir wissen nicht, ob es ein Krieger ist!«, fauchte Häherfeder. »Wir wissen nicht, aus welchem Clan diese Katze stammt. Wir wissen nicht einmal, ob es sich überhaupt um eine Katze handelt!«
»Hör mit diesen Ausreden auf! Du hast den anderen doch noch nicht mal gesagt, dass es eine vierte Katze gibt, oder?«
Häherfeders Ohren zuckten schuldbewusst. Die Erinnerung kehrte zurück und auf einmal stand er wieder auf einem dunklen, windgepeitschten Berggipfel. Um ihn herum saß der Stamm der ewigen Jagd. Die Augen der Katzen glühten vor Hoffnung, und Steinsager aus längst vergangenen Zeiten flüsterten die Worte, die immer noch durch seine Gedanken hallten: Das Ende der Sterne naht. Erst wenn drei vier werden, könnt ihr die Dunkelheit besiegen, die ewig währt.
»Du hast es ihnen nicht gesagt«, wiederholte Gelbzahn.
»Nein.« Häherfeder setzte sich. »Ich habe auf den richtigen Moment gewartet.«
»Wirklich?« Gelbzahn klang nicht überzeugt. »Ich glaube, in Wahrheit möchtest du gar nicht, dass es eine vierte Katze gibt. Du kannst den Gedanken nicht ertragen, dass du Hilfe brauchst.«
»Das ist nicht wahr!« Häherfeders Pelz brannte. Wie hat sie das erraten?
»Und warum hältst du dann die Prophezeiung des Stammes geheim, wo du doch weißt, dass dir die Zeit davonrennt?«
Plötzlich war Häherfeder sehr müde und er schloss die Augen. »Reicht unsere Macht nicht aus, um die Clans zu retten?«
Gelbzahns Pelz streifte sein Fell. »Ihr habt es mit dem Wald der Finsternis zu tun! Ihr braucht alle Hilfe, die ihr nur kriegen könnt! Finde die vierte Katze!«
»Na gut«, fauchte Häherfeder. »Aber wo soll ich suchen?«
»Wenn ich es wüsste, würde ich es dir sagen.« Gelbzahn schob sich zwischen die Farne.
»Warte!« Häherfeder rannte ihr nach. Eine Brombeerranke ließ ihn stolpern. »Du musst etwas für mich tun.«
»Hab ich nicht schon genug getan?« Gelbzahn lief weiter.
»Bitte, such Flammenschweif und sag ihm, er soll zu Kleinwolke gehen.« Häherfeder sprang Gelbzahn hinterher. »Flammenschweif muss ihm erklären, dass ich ihn nicht umbringen wollte. Ich wollte ihn doch vor dem Ertrinken retten.«
Gelbzahn schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Häherfeder. Der SternenClan ist strikt aufgeteilt. Ich darf die Clan-Grenzen nicht überschreiten.«
»Aber du warst doch früher mal SchattenClan«, wandte Häherfeder ein.
Sie drehte sich zu ihm um und Häherfeder spürte ihre lodernden Augen. »Ich bin DonnerClan!«, zischte sie.
»Aber …« Doch Häherfeder bettelte ins Leere, Gelbzahn war verschwunden.
»Mäusedung!« Wütend rannte Häherfeder los. Er hastete den Hang hinauf, bis er die Bäume hinter sich gelassen hatte und den frischen, kalten Wind vom See spürte, der über seinen Pelz strich. Mit zuckenden Schnurrhaaren witterte er einen anderen Geruch. »Blattsee?«
Die Kätzin tappte aus dem Wald und blieb neben ihm stehen. »Geht es dir gut?«
Häherfeder erstarrte. Am liebsten hätte er sie weggejagt, fand aber keine Worte. Er fühlte sich ganz leer.
»Feuerstern wirkte ziemlich nervös, als er zurück ins Lager gekommen ist«, miaute Blattsee leise. »Da habe ich mir Sorgen um dich gemacht.«
Hör auf, so zu tun, als wärst du meine Mutter! Dafür ist es zu spät!
Blattsee rückte näher an ihn heran, berührte ihn aber nicht. »Ich weiß, wie es ist, wenn man seine Stellung als Heiler-Katze verliert.«
»Feuerstern sagt, ich darf meine Clan-Gefährten weiter behandeln!«
»Lichtherz könnte den Clan auch behandeln«, wandte Blattsee ein. »Aber das macht sie noch lange nicht zu einer Heiler-Katze.« Auf einmal flammte Wut von ihr auf. »Du musst den SternenClan besuchen können und mit den anderen Heiler-Katzen und unseren Vorfahren in deinen Träumen wandeln.«
Häherfeder zuckte vor ihr zurück. Er mochte es nicht, dass sie ihn so gut verstand. »Das ist mir egal«, beharrte er. Er würde sich nicht dazu verleiten lassen, sich ihr nahe zu fühlen.
»Geh zum Mondsee!« Blattsee beachtete seinen Protest nicht. »Wandle in deinen Träumen beim SternenClan. Finde Flammenschweif und bring ihn dazu, dass er seinen Clan-Gefährten die Wahrheit sagt.«
Häherfeder legte die Ohren an. »Wie kann ich dorthingehen? Ich darf doch außerhalb des DonnerClans keine Heiler-Katze mehr sein!«
»Niemand kann dich daran hindern, den Mondsee aufzusuchen«, widersprach Blattsee. »Glaubst du, irgendeine Katze würde es riskieren, sich dir in den Weg zu stellen und damit vielleicht den SternenClan zu verärgern? Geh zu ihnen und bring Flammenschweif dazu, dass er die Wahrheit sagt!«
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3. KAPITEL
Blattsee ging davon. Häherfeder lauschte dem Knirschen der Blätter unter ihren Pfoten. Er konnte das Sternenlicht auf seinem Pelz tanzen spüren. Auch wenn er es nur ungern zugab, Blattsee hatte recht.
Als er den Mondsee erreichte, rief Häherfeder hoffnungsvoll: »Ist da jemand?«
Sein Maunzen verhallte ohne Antwort. Er war allein.
Er verdrängte die Enttäuschung und folgte dem holprigen Pfad, der sich bis in die Mitte der Senke schlängelte. Über ihm heulte der Wind um das Gestein wie ein verlassenes Junges, das nach seiner Mutter sucht. Häherfeder sehnte sich danach, die Pelze der verstorbenen Katzen zu spüren, die sich um ihn geschart und ihn hinunter zum Ufer begleitet hatten. Doch von den Urkatzen, die im Laufe vieler Generationen ihre Pfotenabdrücke im Gestein hinterlassen hatten, zeigte sich keine. Häherfeder blieb am Seeufer stehen und fühlte sich so einsam wie noch nie. Er schloss die Augen, kauerte sich am See nieder und tauchte seine Nase ins Wasser.
»Häherfeder.«
Häherfeder setzte sich auf. Er hatte erwartet, auf den warmen Wiesen des SternenClans zu erwachen, doch er war immer noch in der Senke.
»Häherfeder.« Eine Kätzin saß neben ihm.
Er war in einer Vision erwacht und sah ihren weißen Pelz mit den schwarzen Flecken an den Seiten. Ihre rosafarbene Nase streckte sich ihm zuckend entgegen.
Häherfeder sah sie blinzelnd an. »Wer bist du?«
»Brombeerblüte aus dem FlussClan.«
Brombeerblüte? Plötzlich erkannte Häherfeder den Pelz, den er so oft in den Jagdgründen des SternenClans gesehen hatte. Das war die freundliche FlussClan-Heiler-Katze, die sich in den Tagen vor Leopardenstern und Nebelstern um ihren Clan gekümmert hatte.
»Hat Maulbeerglanz dich geschickt?« Hoffnung leuchtete in Häherfeder auf. Vielleicht versuchte die FlussClan-Heilerin trotz des Zerwürfnisses zwischen den Clans, mit ihm Kontakt aufzunehmen.
Brombeerblüte schüttelte den Kopf. »Ich bin gekommen, um an deine Weisheit zu appellieren, nicht an ihre.«
»Aber du bist doch aus dem FlussClan.«
»Na und?« Sternenlicht funkelte in Brombeerblütes Augen. »Die Clans sind wie die Heckenkirsche. Eine Ranke erstickt die andere, um ans Licht zu kommen, weil sie glauben, sie würden aus unterschiedlichen Stängeln emporwachsen.«
Häherfeder spitzte die Ohren, und sie fuhr fort: »Wenn die Sonne scheint, kämpfen die jungen Blätter um ihre Wärme. Dieser Kampf macht den Busch stärker, denn jeder Ast sucht das Licht und klettert deswegen immer weiter in die Höhe.« Brombeerblütes Augen wurden dunkel. »Aber wenn keine Sonne scheint, wenn die Blätter abfallen und die Zweige einer nach dem anderen verdorren, muss der Stamm in seinen Wurzeln nach Nahrung suchen.«
»Anstelle von vier Zweigen gibt es also eine Wurzel«, murmelte Häherfeder. »Aber wieso? Die Clans leben doch schon seit Anbeginn der Zeiten getrennt.«
»Ihr habt eure eigenen Grenzen geschaffen und an ihnen patrouilliert.« Brombeerblüte neigte den Kopf zur Seite. »Aber die Grenzen bestehen nur in euren Köpfen. Warum sonst müsst ihr sie jeden Tag mit frischen Duftspuren markieren?«
Wollte sie damit sagen, sie sollten als ein Clan leben? Häherfeder rümpfte die Nase. »Aber wir brauchen Grenzen«, wandte er ein. »Um stark zu werden. Das hast du selbst gesagt.«
»Mag sein«, gab Brombeerblüte zu. »Wenn die Sonne scheint.« Sie beugte sich näher zu ihm. »Doch uns steht eine große Finsternis bevor.«
Häherfeder trat von einer Pfote auf die andere. »Aber ich will mich nicht mit dem SchattenClan, dem WindClan oder dem FlussClan vermischen.«
Brombeerblüte sah ihn sanft an. »Du bist doch schon eine HalbClan-Katze.«
Sein Fell stellte sich auf. »Ich bin DonnerClan von der Nase bis zum Schwanz und mein Herz schlägt nur für ihn.«
»Du warst es, der dein Herz auf den DonnerClan ausgerichtet hat«, beharrte Brombeerblüte. »Aber du bist zur Hälfte WindClan, so wie Graustreifs und Silberfluss’ Junge zur Hälfte FlussClan waren. Und Sturmpelz’ Herz schlägt jetzt für den Stamm. Wer weiß, wem Federschweifs Treue gelten würde, wenn sie noch lebte?« Die alte Heiler-Katze senkte den Kopf. »Loyalität macht Clan-Katzen stark. Aber in keinem Clan fließt unter allen Pelzen reines Blut.«
»Warum sagst du mir das?« Häherfeders Schwanz zuckte. »HalbClan zu sein ist kein Zeichen von Stärke. So etwas kommt, wenn Katzen ihre Loyalität vergessen. Wenn sie gegen das Gesetz der Krieger verstoßen!«
Brombeerblütes Blick wurde hart. »Hörst du mir überhaupt zu?«, knurrte sie. »Oder bist du zu sehr damit beschäftigt, herauszufinden, ob dein Blut nach Wald oder Moor riecht?« Sie schnaubte. »Die Clans müssen sich vereinen! Such nicht nach Grenzen, die nicht da sind. Such nach Grenzen, die es wirklich gibt!«
Wind wehte in die Senke und kräuselte den Mondsee. Häherfeder drehte sich um und sah, wie sich seine Oberfläche färbte und veränderte, bis sie eine Landschaft darstellte. Ein rundes Gewässer schimmerte in der Mitte, umgeben von Hügeln und Bäumen.
»Das ist der See!«, ächzte er. »Und da ist das DonnerClan-Territorium!« Er schaute auf den leuchtend grünen Wald. So musste ein Adler die Territorien der Clans sehen. Häherfeder kniff die Augen zusammen und versuchte, noch mehr Einzelheiten zu erkennen.
»Suchst du nach Geruchslinien?« Brombeerblüte schnippte mit ihrem Schwanz. »Kannst du sie sehen?«
»Es ist alles zu weit weg.« Häherfeder sah nur, wie eine Landschaft in die andere überging, sah die sanften Hänge der Täler und die glitzernden Wege, die Flüsse und Bäche in die grüne Weite schnitten.