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Frisch renoviert
oder Ein Juwel der Sonderklasse

Man stelle sich nur einmal vor, was heute in Berlin oder München los wäre, wenn der Kulturdezernent vorschlagen würde, ein Fünftel des jährlichen Stadthaushaltes für Kunst auszugeben. Der gute Mann würde zuerst geteert und gefedert und anschließend in die Zwangspensionierung oder gar in die Psychiatrie gesteckt. Aber genau diese unglaubliche Summe – und manchmal noch mehr – spendierten seinerzeit die Herzöge von Burgund, die an den Höfen von Brügge und Brüssel residierten, und die reichen burgundisch-flämischen Tuchmacherstädte. Sie handelten nach dem Motto, dass Kunst und nicht Waffengetöse wahre Größe ermöglicht – und bewiesen damit das richtige Gespür. Der Wunsch nach Repräsentation hat Flandern nicht nur größer scheinen lassen, als es war, sondern hat das Land berühmt gemacht.

Seitdem hat das Land eine Ausstrahlung bis in alle Weltecken, denn Flanderns Signale werden in allen Sprachen verstanden: Die Malerei. Das burgundische Erbe als Attraktion. Und wenn man sich fragt, was Flandern zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit den Sternstunden seiner bürgerlich-höfischen Burgunderepoche verbindet, dann ist es dieser unschätzbare Vorteil: Regionalismus und Optimismus. Die Menschen gehören nicht nur zu den wohlhabendsten, sondern auch zu den sehr positiv eingestellten Bürgern Europas – und so wird kräftig weiter investiert: Historische Monumente prunken in neuem Glanz, Lagerspeicher werden zu Tempeln der Kunst und des Tanzes umgewandelt, die historischen Zentren werden von engagierten Architekten revitalisiert, das marode Atomium in Brüssel wurde aufwendig restauriert, Mode und Design haben sich international etabliert, innovative Chocolatiers und Köche machen von sich reden, und immer mehr Theatermacher und Museumsleute sorgen auch in Deutschland für frischen Wind. Wer das Land lange nicht besucht hat, wird sich verwundert die Augen reiben. Und wer noch nicht dort war? Ich würde sagen, fahren Sie einfach los und sehen Sie selber nach, so weit ist es ja auch wieder nicht.

Das scharf umrissene Profil von einer schönen, aber nicht zu weiten Landschaft ist allabendlich auf der Wetterkarte präsent: ganz unten links – am blauen Streifen der Nordsee. Auch vom Weltraum aus nimmt sich der Flecken für Astronauten und Raumtouristen bestimmt ganz prächtig aus, denn seine Autobahnen sind beleuchtet. Aus der Nähe betrachtet, ist das Land eine durch die Jahrhunderte durchgewalkte Region, und nach dem Grenzübergang fällt auf, dass man sich in einem mehrsprachigen Land befindet. Beachten Sie etwa die Ortsangaben auf den Verkehrsschildern. Einmal sind die Namen in Französisch, dann wieder in Niederländisch geschrieben. Da heißt es mal Bruxelles, mal Brüssel, mal steht da auch Anvers, wenn Antwerpen gemeint ist, die Stadt Louvain ist mal Löwen und mal Leuven, Bruges heißt auch mal Brügge, für Liège steht Luik oder Lüttich, und es findet sich ein Tournai, wenn Doornik gemeint ist. An den Wegweisern kann man somit ablesen, ob man sich im französischsprachigen oder im niederländisch- beziehungsweise flämischsprachigen Gebiet befindet. Reisen Sie mit dem Auto, drehen Sie die deutschsprachigen Sender weg und wählen neu. Ob Sie nun einen französischen oder flämischsprachigen Sender hören, die Musikauswahl, etwa auf Radio Eins, wird Sie angenehm überraschen. Sie ist intelligent, abwechslungsreich und stets so stimmungsvoll, dass man fast glauben könnte, man befände sich auf einer Küstenstraße entlang der Riviera.

Das Königreich Belgien mit Europas Hauptstadt Brüssel ist ein Schmelztiegel fränkischer, romanischer, germanischer und sächsischer Mentalität und trägt die Widersprüche Europas in sich. Neben der Schweiz ist dieser Staat der einzige Vielvölkerstaat in Westeuropa und dabei kleiner als der Nachbar Nordrhein-Westfalen. Im Vergleich mit anderen Großstädten fällt erst auf, wie reizvoll und menschlich ein politisches Zentrum sein kann, das dennoch all das hat, was eine Hauptstadt ausmacht: Brüssel strahlt das Image einer geschäftigen Handels- und Verwaltungsmetropole aus, es gibt Kultur und Ideen, experimentelle Lebensstile und politische Macht. Die Stadt liegt auf der Rangliste der starken »Citybrands« auf gleicher Höhe mit Städten wie Hongkong, Mailand oder Berlin. Wie bei einem Déjà-vu-Erlebnis reibt der Besucher sich die Augen, wenn er durch die Gassen von Gent oder von Antwerpen spaziert und hinter altem Gemäuer die verrücktesten Boutiquen entdeckt. Die Revitalisierung der historischen Zentren aller flämischen Städte ist eindrücklich und lenkt mit Erfolg die Aufmerksamkeit der Welt auf sich.

Das Land der Sensiblen und Starrköpfe hat in der Geschichte eine wichtige Rolle gespielt, und seine kulturellen Leistungen waren und sind inspirierend. Vielleicht, weil dieses Land einst so etwas wie ein Paradies war, das glaubten jedenfalls jene, die die farbenfrohen und hintergründigen Bilder der flämischen Maler zu Gesicht bekamen, auf denen die Menschen gut genährt aussehen, es immer heiter zugeht und stets wunderbares Wetter herrscht. Paradiese üben auf Menschen eine geradezu magische Anziehungskraft aus, alle Sehnsüchte der Menschen fließen in dieser Zauberwelt zusammen. Die Maler haben viel harte Arbeit in wundersame Gefilde gesteckt, schufen Bilder wie das Schlaraffenland oder das Paradies, aber auch die Wonnen der Hölle. Ich habe mir alle Mühe gegeben, Pieter Bruegels des Älteren Arkadien zu finden, jene flämische Festkultur, die als Heilmittel gegen die Plackerei des Alltags half, den Wirrwarr rund um Europas Kapitale zu entwirren und das Geheimnis von Flandern, jener flämischen, offiziell niederländischsprachigen Region im Norden Belgiens, zu entdecken, und befinde mich selbst in einem verwirrten Zustand.

In Museen und Kirchen hängt das Bilderwerk mit drallen Liebespaaren und üppigen Marktszenen, mit feinen Stillleben und überquellender Natur, mit Weltuntergängen und Totentanz. An kulturellen und künstlerischen Leistungen hat Flandern nicht weniger hervorgebracht als Oberitalien. Die kunsthistorischen Linien laufen bis zur Moderne mit René Magritte und James Ensor, mit Paul Delvaux und Fernand Khnopff, mit Panamarenko (Pseudonym von Henri Van Herwegen) und Léon Spillaert. Auch die Comics »Bande Dessinées« sind eine Spezialität des kleinen, feinen Landes, das eine kulturelle und künstlerische Großmacht ist.

Erlebnis- und Kulturreisen gehört die Zukunft. Darin sind sich Experten einig. Historische Städte wie Antwerpen, Gent, Brügge oder Löwen, belebt von Studenten und Besuchern, wirken nicht museal, sondern vermitteln individuelle Erlebnisse und Erfahrungen. Was immer es dort zu erleben gibt, es wird genutzt, gebraucht und verschlissen. Hier kann der Reisende auch Auszeiten nehmen, abseits von beruflichen Verpflichtungen. Ein ideales Ziel für all jene, die global denken, in der Welt zu Hause und anspruchsvoller denn je sind. Der Besucher wird von einem Zeitstrudel erfasst und in eine Welt hineingezogen, an die er sich allenfalls aus Historienromanen oder Märchenbüchern erinnert. Betrachtet man es so, profitiert das Land auch vom wachsenden Bedürfnis nach Spiritualität. Es gab sogar eine Gruppierung, die vorschlug, man solle Eintritt für Flandern kassieren, denn das Land biete mehr Attraktionen als Disneyworld. Wen dieser Vergleich nicht reizt, der kann ja auf die Lebensphilosophie der Flamen zurückgreifen: »Man kann vieles hier, vor allem aber kann man hier gut leben.« Und damit das auch künftig so bleibt, muss sich Flandern weiter zu einer wirtschaftlichen, innovativen, sozial gerechten, ökologischen und nachhaltigen Region entwickeln. Damit das Land seine Spitzenstellung in Europa hält beziehungsweise ausbaut, hat die flämische Regierung den ehrgeizigen Zukunftsplan »Flandern in Aktion« bis zum Jahr 2020 entwickelt. Ausgearbeitet und unterzeichnet wurde die Initiative, die auf strukturellen und dauerhaften Wandel abzielt, von der flämischen Regierung und den Sozialpartnern des Landes.

In der künftigen flämischen Gesellschaft, so sieht es der Plan vor, »ist kein Platz für Armut, soziale Ungleichheit oder Ausgrenzung. Jeder Flame soll am Wohlstand teilhaben und dazu beitragen können. Eine solche integrative Gesellschaft führt zu einem umfassenderen gesellschaftlichen Schutz, zu mehr Raum für Selbstentfaltung und zu gleichen Chancen auf Bildung und Arbeit. Das Schlussstück bildet ein zugängliches und qualitativ hochwertiges Gesundheits- und Sozialsystem. Flandern muss die Gesellschaft jedoch auch nachhaltig verändern. Der Flame muss auf eine kritische und innovative Weise konsumieren, bauen, wohnen, sich entspannen oder sich umstellen. Die Schaffung unseres Wohlstands darf allerdings nur geringe Auswirkungen auf die Umwelt und Natur haben. Sowohl hier als auch in der übrigen Welt.«

Bruegels flämisches Arkadien

Vielleicht war es die Sonne, die einfach nicht hinter den Hügeln untergehen wollte. Vielleicht war es die Fahrt über die holperigen Feldwege, vielleicht auch der Weinberg, über dem sich das wehrhafte Schloss Gaasbeek erhebt. Ganz sicher aber war es der Anblick der wetterfesten Reproduktionen des flämischen Malers, die am Wegesrand standen und die mir alle so bekannt vorkamen, besonders eins, Pieter Bruegels »Bauernhochzeit« in Sint-Anna-Pede. Der Mann, der vor der restaurierten Scheune auftaucht, grüßt und erkundigt sich, ob ich, da ich nun vor der Bauernscheune stehe, wisse, dass dort – vor beinahe einem halben Jahrtausend – Pieter Bruegel eine Bauernhochzeit miterlebt und gemalt habe. Es riecht ländlich, nach Pflanzen, nach Gemächlichkeit – und dann legt sich ein Schalter in meinem Bewusstsein um.

Vor dem Brüsseler Stadttor, dem Hallepoort, fand Bruegel sein »flämisches Arkadien«. Eine idealisierte Landschaft, in der Frohsinn und Heiterkeit sowie Ordnung zwischen Herrschern und Beherrschten herrschten. Der Blick reichte damals nicht über die eigene Kirchturmspitze. Anders als regional wurde hier nie gedacht.

Wer sich aufmacht, Flanderns äußersten Südwesten zu besuchen, der kommt ins Pajottenland. Ihren wunderlichen Namen verdankt diese Region der zu Lebzeiten Bruegels landestypischen flämischen Kopfbedeckung: den Strohhüten, op zijn pajots. Paillote ist das französische Wort für Strohhut. In der sanft hügeligen Landschaft des Pajottenlandes hat der Maler offensichtlich die Menschen für seine Volkskirmes und Bauernhochzeit, für seine Winterbilder und das vielfigurige Gewusel im bunten Treiben des Volkes gefunden. Im Wechsel von reger Stadt und bäuerlichem Fabelland hat er die Flamen tragisch und lustig, weise und närrisch, mystisch und sinnlich und stets auf der Suche nach Vergnügungen und Gott zugleich gemalt. Hier in Flämisch-Brabant entstand eine Art Menschheitsalbum der flämischen Renaissance, ein Panorama ländlicher Kultur und ein Spiegelbild des damaligen Lebensgefühls.

Flandern, diese europäische Region mit wachsendem Selbstbewusstsein, hat manche Künstler von Weltrang hervorgebracht. Etwa Jan van Eyck (um 1390  1441) oder Hans Memling (1435  1494), die ebenso bewundert werden wie der barocke Großmaler Peter Paul Rubens (1577  1640) oder sein Zeitgenosse Anthonis van Dyck (1599  1641). Auch dem surrealistischen Sonderling René Magritte (1898  1967) oder dem dekadent-geheimnisvollen Fernand Khnopff (1858  1921), dem Expressionisten James Ensor (1860  1949) werden viel Anerkennung zuteil. Aber der weltweit bekannteste und beliebte Brabanter Maler ist Pieter Bruegel der Ältere (um 1530  1569). Kaum einer genießt so hohes Ansehen wie er, der die Tradition des Brabanter Meisters des Absurden, Hieronymus Bosch, virtuos weiterführte. Unter dem Einfluss der Renaissance machten bei Bruegel die höllischen Visionen Platz für die ironischen Darstellungen des täglichen Lebens, und mit den menschlichen Schwächen, den Lustbarkeiten und den Leidenschaften, vor allem aber mit seinen atmosphärischen Bauernbildern malte er sich in Seelenleben und Sehnsüchte der Menschen hinein.

Bis er sein Arkadien fand, führte ihn sein Weg an zahlreichen Meilensteinen vorbei. Die Lebensgeschichte Bruegels ist geprägt von allem, was sein Zeitalter bewegte: wissenschaftliches Interesse an der Natur und die Entdeckung der Neuen Welt, apokalyptische Vorhersagen und finsterer Aberglaube, Humanismus und Reformation. Mit etwa fünfundzwanzig Jahren unternimmt der Malermeister seine Italienreise (1552  1554) und gehört als »Fiammingo a Roma« (Flame in Rom) zu jener großen Schar von Künstlern aus dem Norden, die in Rom, Neapel, Florenz oder Venedig waren, um die zwei Kulturen »zu sehen und davon zu lernen«, die den menschheitlichen Höhepunkt markieren: die klassische griechische und die italienische, die der Renaissance.

Was der Reisende Bruegel zu sehen bekam und was er lernte, prägte nicht nur das Wetter, sondern auch die Launen von Wirten, Gaunern und Auftraggebern. Bruegel gehörte wie andere flämische und Brabanter Maler zu den Wanderern und Pilgern, deren Blick in die Ferne gerichtet war. Sie fühlten sich im Europa der Renaissance als Weltbürger, weil es noch keine Staaten gab und ihr Aufbruch der Selbstfindung galt. Das erklärte Ziel: Den »Schönheitscanon« der Italiener zu erlernen und alles, wenn möglich, noch zu übertreffen. Bei den Darstellungen römischer Ruinen und imaginärer Gefilde, zeigt »Fiammingo« Bruegel sein Talent. Die bis in die Turmspitzen ausgeführten Bruegellandschaften waren in Italien sehr populär, führten sie doch die frische Renaissance aus der örtlichen Beschränktheit in die weite Welt hinaus. Bilder, die für den Export bestimmt waren, wurden auf Leinen gemalt, damit sie aufgerollt und leichter transportiert werden konnten. Sonst verwendete man Holztafeln als Bildträger.

Der Flame Karel van Mander (1548  1606), der ebenfalls in Rom studierte, beschreibt in seinem »Schilder-Boek« zahlreiche Künstlerviten. Über die Arkadienwanderungen Bruegels berichtete er: »Er hatte viel nach den Sachen von Hieronymus Bosch gearbeitet und malte auch viel Spukbilder und humoristische Szenen, weswegen er von vielen ›Pieter der Drollige‹ genannt wurde … Er ging häufig hinaus zu den Bauern, wenn Kirmes oder eine Hochzeit stattfand. In Bauerntracht verkleidet und brachte Geschenke mit unter dem Vorgeben, zur Verwandtschaft der Braut oder des Bräutigams zu gehören. Es machte Bruegel großes Vergnügen, die Art der Bauern bei Prasserei, Saufen, Unzucht, Tanzen, Springen und anderen spaßhaften Dingen zu beobachten, die er sehr hübsch und komisch mit der Farbe wiederzugeben verstand.« Der französische Dichter Charles Baudelaire (1821  1867) weigerte sich, »das teuflisch amüsante Pandämonium Bruegels des Drolligen anders als eine Art von besonderer, satanischer Begnadung zu deuten«.

Auch seine zwei Söhne haben zur Namensbekanntheit des alten Bruegel, der als eine epochale Erscheinung zwischen Renaissance und Barock und als Held des Volkes gefeiert wurde, beigetragen. Jan (1568  1625) und Pieter (1564  1638), ebenfalls bekannte Maler, sorgten dafür, dass es viele Brueghels gibt: Sie gründeten das Unternehmen Brueghel und kopierten mit mehr oder weniger begabten Kollegen im Antwerpener Atelier die Arbeiten des Vaters. Im Gegensatz zu heute war das Kopieren populärer Werke in den Künstlerstädten Antwerpen, Brüssel und Brügge wie auch anderswo eine akzeptierte Praxis und die Frage »Original oder Kopie?« spielte eine untergeordnete Rolle. Über die Anzahl der kopierten Werke gibt es nur Schätzungen, aber es müssen Hunderte gewesen sein, die auch auf Jahrmärkten verkauft wurden. Allein vom »Bauernadvokat« sind zweiundneunzig Versionen, von der »Anbetung der Könige im Schnee« achtunddreißig, von der »Volkszählung zu Bethlehem« dreizehn und von der »Winterlandschaft mit Schlittschuhläufern« gar hundertdreißig Kopien bekannt. Diese Arbeiten wurden mit Bruegel, Brueghel oder Breugel signiert und diese Namensvariationen sorgen für Irritation. Hier die einfachste Fassung: Der Vater heißt Pieter Bruegel der Ältere, der »Bauern-Bruegel«. Seine Söhne sind Pieter Brueghel der Jüngere, der »Höllenbrueghel«, und Jan Brueghel der Ältere, der »Samtbrueghel«. Im Unterschied zum Vater werden Söhne und Enkel mit »h« geschrieben. Insgesamt vier Generationen umfasst die Brueg(h)el-Dynastie. Pieter der Jüngere steht als ein recht steifer Kopist des Alten in den Kompendien. Sein Bruder Jan, der mit Rubens in Rom studierte, gilt dagegen als fortschrittlicher Künstler.

Dank der brueg(h)elschen Bilderflut kennen wir zwar alle unseren Bruegel d. Ä., aber trotz seines Ruhms wissen wir nicht viel über sein Leben. Er wurde zwischen 1525 und 1535 irgendwo bei Antwerpen geboren und war Mitglied der Antwerpener Sankt-Lucas-Gilde. Seine arkadischen Darstellungen bilden das Dekor für seine comédie humaine, das Lustspiel von flämischen Dorfplätzen und Landschaften. Mit dem Jahrmarkt der Eitelkeiten und des Selbstbetrugs treibt er seinen Spott, und das fasziniert. Und wir trivialisieren seine Malerei, wenn wir seine Arbeiten mit dem Blick von heute betrachten. Für die Menschen damals hatte alles eine andere Bedeutung, ob es sich nun um die gemeinsamen Mahlzeiten, die Liturgie in der Kirche, die Farben, die geweihten Statuen, die Kunst oder um das Wetter drehte.

Die Nachfrage nach Bruegelbildern war überwältigend und auch seine Radierungen wurden in großen Auflagen verkauft. Bruegel und andere Maler lebten nicht nur von Großaufträgen. Sie malten auch Alltagswerk, das in Ausstellungshallen zum Kauf angeboten wurde. Das war bereits Albrecht Dürer bei seiner Flandernreise 1520  21 aufgefallen. In seinen Reisenotizen ist zu lesen, dass alle Bevölkerungsschichten, von Gastwirten, Soldaten und Hausknechten über Musikanten bis zu den reichen Kaufleuten, Bilder oder Zeichnungen erwarben und sich porträtieren ließen. Vielleicht hängt in mancher alten flämischen Familie noch der eine oder andere Brueg(h)el überm Kamin. Schließlich wurde vor einigen Jahren auch ein Rembrandt auf einem Flohmarkt entdeckt.

Bruegels große Werke verschwanden nach dem letzten Pinselstrich in den Sammlungen seiner Auftraggeber. Heute befinden sie sich in den großen Museen: in München, Paris, Madrid, Berlin, in Wien und natürlich in Brüssel und Flandern. Noch einmal van Mander: »… eine große Menge fein und säuberlich gezeichneter, mit Inschriften versehener Satiren, die zum Teil bissig und spottgetränkt waren, ließ er jedoch, als er todkrank war, von seiner Frau verbrennen, entweder aus Reue oder aus Furcht, dass seiner Frau Unangenehmes daraus entstehen könnte.« Auf dem heutigen Kunstmarkt ist die »Marke« Brueg(h)el so beliebt wie kaum etwas anderes aus der Renaissance. Sotheby’s in New York, ein Haus, das eher zur Untertreibung neigt, hatte das Bruegel-Werk »Winterlandschaft mit Schlittschuhläufern«, das im Januar 2007 unter den Hammer kam, auf eine bis eineinhalb Millionen Euro taxiert. Der Käufer, ein Europäer, der unbekannt bleiben will, zahlte nach einem Bietergefecht über zweieinhalb Millionen Euro. Aber auch weniger Zahlungskräftige können sich an Brueg(h)el-Arbeiten erfreuen. Als Reproduktionen sind sie über die gesamte Welt verteilt, schmücken Werbeflächen, Servietten, Biermarken, und im Pajottenland stehen großformatige Reproduktionen der berühmten Motive.

Heute macht sich im Pajottenland, wie überall im ländlichen Gebiet, die Nähe zu Brüssel bemerkbar, denn es wird eifrig gebaut, und die Bewohner kämpfen dafür, dass ihre Idyllen bewahrt bleiben. Aus dem Dorf Pepingen, das aus einigen Cafés, wenigen Geschäften, einer Kirche, einer Schule, einem Rathaus und einem intimen Dorfplatz besteht, führt die Vroembosstraat hinaus auf eine Weide mit Obstbäumen. Dahinter erstrecken sich die Felder bis zum Horizont. An der Wiese steht ein hölzernes Schild: »Hände weg von unserem Grün. Pepingen, darum geht es uns. Wir wollen keine Wohnblocks – auch nicht für Millionen.« Der Protest eines Dorfes, das sich gegen den Bau von achtundsiebzig Wohnungen zur Wehr setzt. Als gewichtigstes Argument wurde angeführt, die Neubewohner würden sich nicht ins soziale Leben integrieren und das Dorf werde sich zu einer »Schlafgemeinde« verwandeln, wie es sie so oft in Sichtweite der Städte gebe. Über den Protest war der Gemeinderat so erschrocken, dass er das Projekt tatsächlich abgeblasen hat und nach einer Alternative sucht. Auch in anderen Gemeinden wehren sich die Alteingesessenen gegen neue Bewohner – aus Angst vor Überfremdung.

Pieter Bruegel hätte diese Pepinger gewiss unterstützt. Er hat sich mit seinen den menschlichen Schwächen, Lustbarkeiten und Leidenschaften gewidmeten Kompositionen, mit seinen Schreckensvisionen, vor allem aber mit seinen atmosphärisch dichten Bildern in die Herzen der Menschen gemalt. Beim Anblick von Werken wie der »Bauernhochzeit« oder den »Gästen beim Tanz« denkt der Besucher: Da wäre ich jetzt auch gern. Er träumt sich hinein in die ländlich-pastorale Idylle, in der Landarbeiter das Feld sichelten, ihre Suppe aus hölzernen Schalen löffelten und es Milch und Honig in Hülle und Fülle zu geben schien. Bruegel muss ein Freund des Theaters gewesen sein. Seine Gewuselszenen wirken, als würde die Menge dem Bild entsteigen, um weiter im Hier und Jetzt zu feiern. Feste und Rituale lassen die stets wiederkehrende Mühsal vergessen.

Ein idealer Ausgangspunkt, um in bruegelsche Stimmung zu kommen, ist Sint-Anna-Pede mit der Dorfkirche, die in verschiedenen Arbeiten des Malers zu erkennen ist. Gleich drei wetterbeständige großformatige Reproduktionen sind im Kirchdorf an Ort und Stelle aufgestellt: die »Bauernhochzeit«, das »Gleichnis von den Blinden« und der »Hochzeitszug«. Der Pedebach und die Dorfkirche sehen scheinbar noch so aus, wie sie der Maler dargestellt hat. Gegenüber dem Dorfcafé »Sint-Anna« befindet sich das Estaminet (altes Kaffeehaus) »De Ster«, es gehört zu den Häusern, wie man sie oft auf Bruegels Werken vom Landleben findet. Der Wirt schwört, dass Bruegel bei einem seiner Vorgänger in diesem Haus eingekehrt ist. Weitere Bruegel-Schauplätze heißen Itterbeek, Sint-Martens-Bodegem und Schepdaal mit »De Rare Vos«. Dieses Wirtshaus ist bekannt für sein geuzebier, ein Bettlerbier, das etwas säuerlich schmeckt und Produkt einer Spontangärung ist, wie sie nur den Brabanter Braumeistern gelingt. Dazu gibt es Bauernbrot mit pottekeis, dem intensiv riechenden Brüsseler Weichkäse, in den Dörfern dieser Region, die in ihrem Inneren, so scheint es, ohnehin durch Kneipen und Cafés zusammengehalten wird. Ende des 19. Jahrhunderts hatte jedes Dorf seine eigene Brauerei, und während der Belle Epoque kam in Flandern auf vierunddreißig Einwohner ein Café. Seitdem ist die Zahl rückläufig, dafür aber ist die der Restaurants sprunghaft angewachsen, ein untrügliches Zeichen für Wohlstand und Lebensart. In der verschlafenen Idylle von Sint-Getrudis-Pede findet man noch die einzige funktionstüchtige Wassermühle, die auf mehreren Bruegel-Bildern verewigt ist, etwa auf der »Landschaft mit der Elster auf dem Galgen«. Da man schon mal hier ist, sollte man das trutzige Schloss Gaasbeek mit Rittersaal und dem Raum, in dem eine Kopie von Pieter Bruegels »Turmbau zu Babel« hängt, besichtigen. Rund um den Hang, unterhalb des Schlosses, erstreckt sich ein alter Weingarten, mit Chardonnayreben neu bepflanzt.

Pieter Bruegels Bilder waren für die Patrizier und Kardinäle bestimmt, und die wollten schon damals das Landleben geschönt haben. Und so idealisierte Bruegel munter darauf los. Vor Gebirgsketten, Bergen oder Küsten – Eindrücke seiner Italienreise – malte er ein verklärtes flämisch-brabantisches Bauernland und ließ vor dem Hintergrund italienischer Renaissancegärten sein bäuerliches Arkadien entstehen. Van Mander berichtete, Bruegel habe »auf seinen Reisen … viel nach der Natur gearbeitet, sodass von ihm gesagt wird, er habe, als er in den Alpen war, alle Berge und Felsen verschluckt und, nach Hause zurückgekehrt, auf Leinwänden und Tafeln wieder ausgespien«.

»Sire, il n’y a pas de Belges«

Der belgische Meisterdetektiv Hercule Poirot ist eine Phantasiegestalt von Agatha Christie. Georges Simenon siedelte seinen Kommissar Maigret in Paris an, der Chansonnier Jacques Brel sang seine Balladen vor allem auf Französisch und der Brüsseler Zeichner Hergé, der den pfiffigen Reporter Tim mit dem Gemüt eines Pfadfinders erfand, ist im Nachbarland Frankreich eine Kultfigur, wo ihm anlässlich seines 100. Geburtstags (2007) eine ungewöhnliche Ehre zuteil wurde, indem man seinem Lebenswerk im Pariser Centre Pompidou eine Jubiläumsausstellung widmete. Sie alle sind wohl deshalb so populär, weil sie ausnahmslos als Franzosen gesehen werden.

»Sire, il n’y a pas de Belges« – es gibt keine Belgier. Dies schrieb der Sozialist Jules Destrée 1912 an König Albert I. Ein vielsagender Satz. Die letzten Belgier, so ein gängiger Witz, seien bereits von Julius Cäsar vertrieben worden. Um was aber handelt es sich bei diesem Land, wenn es angeblich keine Belgier und keine belgische Sprache gibt und sich der Großteil der Bewohner höchstens im Ausland als Belgier outet, weil man nicht mit Franzosen oder Holländern verwechselt werden will? Nun, die Wahrheit lautet: Die belgischen Patrioten sind nicht ausgestorben. Nach einer repräsentativen Umfrage, durchgeführt 2007 von den zwei überregionalen Tageszeitungen, dem flämischen De Standaard und französischsprachigen Le Soir, sieht das Bild nuancierter aus: Sechs von zehn Wallonen, der Französisch sprechenden Bevölkerung, bezeichnen sich als Belgier; Flamen und Brüsseler sind nicht ganz so überzeugte Belgier, hier sind es nur rund vierzig Prozent. Und die regionale Identität? Nur ein Drittel sind überzeugte Flamen, von den Bewohnern der Hauptstadt empfindet sich jeder Vierte als Brüsseler, und unter den Wallonen ist nur jeder Zehnte ein überzeugter Wallone. Dafür lebt das europäische Gefühl wiederum stärker unter Wallonen und Brüsselern: Dort geht ein Drittel als überzeugte Europäer durchs Leben, bei den Flamen ist es nur einer von fünf.

Die Grenze zwischen den Volksgruppen verläuft entlang der Heerstraße, die die Römer zwischen Köln und Brüssel angelegt hatten – südlicher als die Sprachgrenze, die den niederländisch- vom französischsprachigen Landesteil trennt.

Der Name des modernen Flanderns ist eine freundliche Reminiszenz an die Vergangenheit, als die historische Grafschaft Flandern zu Burgund gehörte. Auf der Bühne Kronflanderns wurde die höfische Kultur für ganz Europa in Brügge und Brüssel vorgeführt. Hier arbeiteten die besten Künstler und geschicktesten Gobelinweber, hier wurde zum ersten Mal in Europa von Mode gesprochen, und hier fertigte man den ersten Diamantring, für Maria von Burgund, nachdem Lodewijck van Bercken den Diamantenschliff in Brügge erfunden hatte. In der buntbewegten, von Schlachtenlärm und diplomatischen Intrigen durchzogenen Ereignisgeschichte war eine wirtschaftlich prosperierende Stadtlandschaft entstanden, die Patriziern und Kaufleuten ein hohes Selbstwertgefühl gab und eine kulturelle Identität. Ihre Kathedralen, fein aufgerichtet in Brabanter- oder Scheldegotik, reichten mit ihren Turmspitzen bis an die Wolken.

Die Bezeichnung »Vlaming«, also Flame, für alle im heutigen Flandern lebenden Bewohner, geht auf den historischen Roman »Der Löwe von Flandern« von Hendrik Conscience zurück, der am 31. Dezember 1838 erschien: Dieses Buch über den Aufstand der Flamen gegen die Franzosen im 13. Jahrhundert gilt als Beginn der flämischen Bewegung, aus der sich mit der Brüsseler Revolution und durch die Staatsgründung 1830 nach und nach ein flämisches Nationalbewusstsein entwickelte. Es sagt viel über die Lebenshaltung der Menschen aus, dass ausgerechnet der rebellische Schalknarr Till Eulenspiegel flämischer Nationalheld ist. »Oben sitzen die diebischen Hornissen und unten die fleißigen Bienen«: Nach diesem Eulenspiegelmotto haben sie ihr Leben eingerichtet. Sie werden stets eine intuitive sentimentale, ja womöglich atavistische Beziehung zu Bruegel, Eulenspiegel oder Ensor, mit denen sie aufgewachsen sind, haben.

Wenn jemand über Flandern urteilen kann, dann ist das Gérard Mortier. Der in Gent geborene Flame leitete erfolgreich die Brüsseler Muntschouwburg, die belgische Staatsoper, als Karajan-Nachfolger die Salzburger Festspiele, die RuhrTriennale und die Opéra nationale de Paris. Er fasste die Situation einst in einem Satz zusammen: »Flandern ist die reichste Region Europas, und es geht uns gut.« Mortier erklärte auch, warum seine Landsleute so fröhliche Weltbürger sind: »Flamen sind Bastarde. Ich habe etwas spanisches und ein anderer etwas französisches Blut. Wir sind alle eine Mischung aus allem Möglichen. Darum sind wir auch so erfinderisch, sind international orientiert, suchen das Neue, und darum haben wir die besten Restaurants. Wir sind noch immer das Land von Bruegel. Aber es wird Zeit, unsere Mahlzeiten mit anderen zu teilen.«

Flandern, der wohlhabendste und dynamischste Landesteil, lockt mit den besten Köchen, mit einer kreativen Theater-, Kunst- und Literaturszene und dem Motto: Jeder soll hier leben, wie er will. Aber Flandern ist ein Patchworkgebilde, nicht nur historisch, sondern auch sprachlich. Die Wunden der Vergangenheit, als Französisch die Sprache der Bourgeoisie und des Klerus war, während man allenfalls mit dem Personal Flämisch redete, sind noch nicht verheilt. Dem Besucher, der sich in den Verschlingungen und Verflechtungen der belgischen Staatskunst nicht auskennt, bleibt das Verhältnis zwischen den Flamen und den Wallonen unklar. Die Unterdrückung ihrer Sprache und Dialekte kompensierten die Flamen mit Geschäftssinn. Der Prozess verlief so erfolgreich, dass ihre einst arme Region längst wohlhabender als Wallonien ist. Sie zögerten auch nicht, ihre Kunst- und Kulturstädte für den Tourismus zu erschließen.

Die neun Kugeln des Brüsseler Atomiums symbolisierten die neun Provinzen des Landes, die es 1958 gab, als das Wahrzeichen für die Weltausstellung erbaut wurde. Ein halbes Jahrhundert später ist das unitäre Belgien von 1830 zu einem föderalen Staat transformiert mit drei Gemeinschaften (die flämische, die französisch- und deutschsprachige) und drei Regionen (Flandern, Wallonien, Brüssel). Das Land ist bunt gemischt – geografisch, kulturell, vor allem aber sprachlich. Das dem Niederländischen verwandte Flämisch, Französisch und Deutsch sind die offiziellen Landessprachen. Belgien ist heute ein dezentraler Staat, und die Macht liegt in den Regionen. Das Land ist durchzogen von drei Gräben: dem zwischen Liberalen und Katholiken, dem sprachlichen (es ist auch vom communautairen Streit die Rede) und dem sozial-wirtschaftlichen.

Und um es noch komplizierter zu machen: Alles ist zweigeteilt und, zählt man die deutschsprachigen Ostkantone hinzu, in manchen Bereichen sogar dreiteilig: Ob Polizei, Parteien, Medien oder Politik – es gibt sie sowohl im wallonischen als auch im flämischen Teil. Auch Vereine, bis hin zu den Taubenzüchtern und Fußballklubs, sind nach Volksgruppen gespalten. Auch die älteste Universität des Landes, Löwen, an der seit ihrer Gründung die katholische Elite des Landes ausgebildet wurde, ist in eine flämisch- und eine französischsprachige Uni geteilt. Es gibt flämische Kulturzentren in Osaka, New York, Mailand und Amsterdam; flämische Kulturattachés, einen flämischen Minister des Auswärtigen, flämische Wirtschaftsförderer und flämische Touristenbüros. Auch die Wallonen haben entsprechende Einrichtungen. Bei den föderalen Wahlen kann ein Wallone nicht auf einen flämischen Kandidaten stimmen und umgekehrt. Die föderalen Parteien für die Regierung können nur im eigenen Landesteil gewählt werden. Daher hat es auch keinen Sinn, dass Parteien in der jeweils anderen Region für ihre Kandidaten werben. Wie mühsam die Regierungsbildung ist, zeigten die Wahlen von 2011. Nach einer Rekordzeit von 541 Tagen ohne Regierung wurde endlich ein neues Kabinett vereidigt. Premier wurde der Sozialist Elio di Rupo. Damit löste erstmals seit 1972 ein französischsprachiger Wallone einen niederländischsprachigen Flamen ab.

Es gibt einflussreiche Kreise, die für ein eigenes souveränes Flandern eintreten, etwa der »Warande-Kreis«. Ihm gehören Bankiers, Unternehmer und politische Kommentatoren an, die sich für ein unabhängiges Flandern engagieren. »Das Netz der sozialen Sicherheit darf keine Hängematte sein, in der die Wallonen sich weiterhin räkeln«, kritisierte die exklusive Herrengesellschaft. Der Fraktionssprecher der frankophonen Sozialisten giftete zurück: »Wir Wallonen sind stolz darauf, Nachbarn von Frankreich zu sein.« Die Antwort: »Sie wollen nach Frankreich? Dann gehen Sie doch«, konterten die liberalen und nationalistischen Parteien Flanderns. Und so kam es zur Gründung der »frankophonen Front«. »Belgiens Spaltung kein Tabu mehr?«, titelte erschrocken das deutschsprachige Grenz-Echo. Dem Diskurs über eine mögliche Abspaltung können sich auch die Gute-Laune-Politiker nicht entziehen.

Ein Vorkämpfer für die Auflösung des Staates und ein unabhängiges Flandern ist die rechtsnationale Partei Vlaams Belang. Noch steht der »Cordon sanitaire« sozusagen. 1992 haben sich alle politischen Parteien verpflichtet, kein Bündnis mit der derzeit erfolgreichsten rechtsradikalen Partei Europas einzugehen. Sie ist im belgischen Parlament vertreten, kann Mitglieder in den belgischen Senat schicken und sitzt im Europaparlament. Bedingt durch die Erfolge des Vlaams Belang ist eine Diskussion über die Wahlpflicht in Gang gekommen. Wer nicht wählt, muss mit einem Bußgeld rechnen. Meinungsumfragen zufolge würden etwa drei von zehn Wahlberechtigten nicht mehr zur Urne gehen, wenn sie nicht müssten.

Pläne für eine Teilung des Landes haben alle Parteien in den Schubladen liegen. Brüssel würde nach dem Vorbild von Washington D.CEU