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Thomas Finn

Der brennende Berg

Die Wächter von Astaria III

Der brennende Berg – Die Wächter von Astaria #3

Copyright © Thomas Finn 2009

Ein E-book der MiMe books agency Michael Meller

Covergestaltung: © freierstein artwork by Mark Freier

Autorenphoto: © privat

ISBN 978-3-944866-09-3

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Für Susi,
die unerschrockene Bewahrerin ritterlicher Tugenden.
Möge es mehr von deinem Schlag geben.

Inhalt

Prolog

Das Horoskop

List und Tücke

Der Galgenhügel

Himmelsritt

Die Tiefe Festung

Astronos’ Schöpfung

Zug der Sklaven

Gesprengte Ketten

Mysterien der Vorzeit

Sonnenäther

Der Gesandte des Halbmondes

Himmelsmechanik

Freischärler

Verona

Das Amphitheater

Der Automat des Sternensehers

Venudhas Sternenhauch

Stahl und Zorn

Donnertürme

Dunkle Ränke

Das Gefäß der Sterne

Der sechste Stellar

Sternenfluch

Sanktuarium der Stille

Der Himmelsthron

Blutmond

Der Sternenkerker

Ein neues Zeitalter

Anhang: Die Bewohner von Astaria

Wer seinem Stern folgt, kehre nicht um.

Leonardo da Vinci

Prolog

Seit Tagen dröhnten die Kriegspauken in den Stollen Zagrabs. Das Geräusch ähnelte dem Schlag eines Herzens tief im Innern der Berge. Unerbittlich rollte es durch das Zwielicht der Wohn- und Schmiedehöhlen, stieg durch Spalten im Gestein an die Oberfläche der Goblinfeste und wurde von den Winden mitgerissen, um über die Steppen weit nach Westen getragen zu werden. Dort zog ein Sturm auf, wie ihn Astaria seit einem Zeitalter nicht mehr erlebt hatte.

Gruuk bleckte zufrieden seine Hauer. Wieder und wieder stieß der Hochschamane der Goblins den eisernen Stößel in den Mörser, der vor ihm auf dem Höhlenaltar stand. Der ausgewählte Splitter von Astronos’ Herzen war inzwischen zu feinem Sternenstaub zerrieben, der im Licht der Fackeln wie Silber glitzerte. Gruuk fletschte die Zähne und biss sich in den Handballen, um den Staub mit seinem Blut zu vermengen. Unter leisem Zischen fielen die Tropfen seines Lebenssafts auf das pulverisierte Meteorgestein – als die Fackeln in der Ritualhöhle knisterten und dann wie unter einer erstickenden Last erloschen.

Ein kalter Hauch streifte Gruuks Nackenfell. Der Goblinschamane hielt in seiner Arbeit inne und verengte zornig die Augen. Er wusste, auch ohne sich umzusehen, wer die Höhle betreten hatte.

»Wenn du es noch einmal wagst, ohne meine ausdrückliche Erlaubnis an diesen Ort zu kommen«, zischte er gefährlich leise, »vernichte ich dich, Sternenvampir!«

»Ach, tust du das, Goblin?«, höhnte eine heimtückische Stimme in seinem Rücken. Gruuk wandte nun doch das Haupt. Vesperuga, die einstige Ducchessa von Venezia, wallte wie eine Wolke aus Gestalt gewordener Finsternis unter der Höhlendecke und betrachtete ihn aus Augen, die nicht mehr als zwei eisblaue Punkte waren. Zu Gruuks Ärger verbarg der Sternenvampir die Sicht auf die Trophäenwand auf der gegenüberliegenden Seite der Kaverne. Bis hoch unter die Decke war die Wand mit Nischen versehen, in denen menschliche Totenschädel ruhten. Es waren Hunderte und ihr blankes Gebein schimmerte im Licht der ersterbenden Flammen wie gelbbrauner Eiter.

»Offensichtlich mangelt es dir an Respekt, Kreatur! Das können wir ändern.« Gruuk hob fast beiläufig eine Hand und in den Augenhöhlen gleich dreier Köpfe flammte ein rotes Licht auf. Ihre Knochen waren pechschwarz bemalt, die Stirn zierten blutrote Kometensymbole und stilisierte Fledermausflügel. Jäh erfüllte ein lautes Prasseln die Höhle. Bevor der Sternenvampir reagieren konnte, brachen grelle Flammen aus den Schädeln hervor und schnitten tief in die Nachtgestalt des Dämons. Vesperuga kreischte überrumpelt auf. Ihr Schattenleib wallte auf wie Rauch, der von heftigen Winden erfasst wird. Unter gellenden Schreien versuchte sie fortzukommen.

Doch Astronos’ Glut verwandelte sich in peitschende Stränge. Unerbittlich schlugen sie auf den Sternenvampir ein, schleuderten ihn hierhin und dorthin, um sich schließlich wie glühende Stricke um ihn zu schlingen und die Finsternis aus ihm herauszupressen wie den Saft aus einer fauligen Frucht. Nur Augenblicke später lag vor Gruuk eine ausgemergelte Menschenfrau mit strähnigen schwarzen Haaren, die sich verzweifelt unter dem Ansturm der Flammen wand. Allein das blaue Leuchten ihrer Augen verriet dem Goblin, welche Kreatur er vor sich hatte. Mit einem Fingerschnippen beendete Gruuk ihre Qualen.

Vesperuga ächzte. Schon drang wieder Rauch aus ihren Poren und hastig kleidete sie sich erneut in Schatten. Doch diesmal wirkten ihre Bewegungen schwerfällig. »Das wirst du bereuen, Schamane!«

»Ach, werde ich das?«, erwiderte Gruuk ohne eine Gefühlsregung. »Ich dulde dich und deinesgleichen nur, solange ihr mir nützlich seid. Seid ihr es nicht mehr, dann schleudere ich euch zurück in die lichtlosen Sphären, denen ihr entstammt!«

»Dann will ich hoffen, dass du nicht vergessen hast, warum wir hier sind«, höhnte der Sternenvampir und das eisblaue Funkeln seiner Augen nahm einen gierigen Schimmer an.

»Ich bin gekommen, um dich daran zu erinnern, dass uns dein Herr Astronos einen Teil der Schöpfung versprochen hat. Damals bei seiner Rebellion gegen die übrigen Stellare, als sich bereits seine Niederlage abzeichnete.« Vesperuga schwebte, mutiger geworden, näher und ihre Stimme troff vor Spott. »Ich hoffe doch, du entsinnst dich, Goblin? Das war, als Astronos’ stellare Gefolgschaft sich gegen ihn wandte. Ich bin hier, um dich an die Erfüllung des alten Paktes zu erinnern. Denn erfüllt Astronos ihn nicht, dann wird nicht einmal er dich vor unserem Zorn bewahren können.«

»Armselige Drohungen.« In den Astronos-Schädeln waberte noch immer die Glut und einen Augenblick lang dachte der Hochschamane darüber nach, ob er sich des Sternenvampirs nicht einfach entledigen sollte. Er hasste die Kreaturen von außerhalb der Sphären, denn sie waren Feinde der Schöpfung. Doch sie waren auch die Feinde seiner Feinde und im Moment brauchte er sie und ihre verderbten Fähigkeiten. »Seht lieber zu, dass ihr nicht wieder versagt. Denn scheitert ihr bei der Aufgabe, die ich euch zugeteilt habe, wird es Astronos sein, der euch richtet.« Gruuk spuckte abfällig auf den Boden und sah davon ab, seinen Rachegelüsten nachzugeben. Stattdessen wandte er sich wieder zum Altar um, wo der Sternenstaub darauf wartete, mit seinem Blut vermengt zu werden. »Der gestrenge Herr hat sein Wort gegeben und ich werde den alten Pakt erfüllen. Dann werden auch jene, die Astronos einst verrieten, ihrer verdienten Strafe zugeführt.« Gruuk hob den Mörser an und betrachtete zufrieden den Inhalt. Die Mischung aus Meteoreisen und rotem Lebenssaft warf inzwischen Blasen, die von dem dunklen Geist zeugten, der unter seiner Pranken Arbeit erwachte. »Immerhin hat mir der dunkle Herr persönlich ein Geschenk gemacht. Und das werde ich zu nutzen wissen. Danach sollt ihr bekommen, wonach es euch gelüstet.«

»Und was ist mit diesem Paladin?« Vesperuga wallte lauernd neben den Höhlenaltar, wagte es aber nicht, Gruuk zu nahe zu kommen. »Zweimal schon ist er uns in die Quere gekommen.«

»Uns?« Gruuk maß den Sternenvampir mit einem vernichtenden Blick. »Er ist dir in die Quere gekommen, Kreatur. Du warst es, die versagt hat. Marsakiels Schwert könnte längst in unserem Besitz sein.« Der Hochschamane schürzte verächtlich die Lippen. Und doch beglückwünschte er sich zu seinem Plan, mit dem er diesen Misserfolg wettmachen würde. Seine List würde selbst die Vernichtung der Sternenburg in den Schatten stellen. »Von nun an werde ich mich selbst des Glatthäuters annehmen. Dieser Paladin ist Wachs in meinen Händen. Weich, schwach, formbar. Ich werde ihn brechen. Er selbst wird es sein, der Astronos zum endgültigen Sieg verhilft.« Der Blick des Goblins wanderte am Nachtleib des Sternenvampirs vorbei zu der letzten leeren Nische an der Trophäenwand. Dann lachte er. Erst leise, dann immer lauter. Es war ein dröhnendes und dunkles Gelächter, als würde es direkt aus dem Sternenkerker aufsteigen, in dem der schwarze Astronos seit einem Zeitalter darauf wartete, befreit zu werden. »Und wenn ich mit ihm fertig bin, dann wird auch sein Schädel diese Halle zieren …«

Das Horoskop

Eure Aufgabe wird es sein, die hinteren Verteidigungslinien vor dem Einbruch der Goblins zu schützen!«, gellte die Stimme Fabios durch den Park der sieben Sphären. »Verbandsplätze, Katapultstellungen und die Zufahrtswege zu den Stadttoren müssen bis zuletzt frei vom Feind gehalten werden.« Der junge Paladin vom Orden der Morgenröte saß in blinkender Rüstung auf seinem Falben Aldebaran und der Wind umspielte seinen rot-weißen Rittermantel. Die Luft roch nach Pferdehaar, dem Harz frisch geschlagener Bäume und dem Qualm der Pechsieder, die auf den Stadtmauern Firenzes ihre Kessel anheizten.

Fabio nahm all die Eindrücke kaum wahr. Mit strengem Gesichtsausdruck ritt er die Schar der Adligen ab, die sich in einer wenig militärischen Ordnung vor ihm aufgebaut hatten. Herzog Umberto da Castano, der Doge Genovas und neue Feldherr des vereinigten Heeres von Firenze, Genova und Stella Tiberia, hatte ihm die Männer am Mittag geschickt. Es waren insgesamt siebenunddreißig Berittene, darunter manche, die kaum älter als Fabio waren. Sie hatten sich samt ihrer Pferde auf einer von Zypressen umgebenen Parkwiese eingefunden, die nur einen Steinwurf von der Sternenbasilika Firenzes entfernt lag. Vor dem beeindruckenden Kuppelbau standen Schaulustige, die glaubten, Zeuge einer Parade zu sein, während weiter hinten im Park Arbeiter damit beschäftigt waren, Zedern zu fällen, um mit ihren Stämmen die Wehren am Fluss zu verstärken. Ein großer Teil des Parks war inzwischen abgeholzt worden. Übrig war eine trostlose, mit Baumstümpfen übersäte Landschaft, die wie eine schwärende Wunde im Zentrum der Stadt lag. Fabio beachtete den verwüsteten Park nicht weiter. Auch Mitleid empfand er nicht. Sollten sich die Bürger Firenzes lieber früher als später an Verluste gewöhnen.

Die in bunte Waffenröcke gekleidete Reiterschar gab ein stattliches Bild ab. Mit ihren Schwertern, Schilden und Bögen schienen die Adligen gegen den bevorstehenden Ansturm der Goblins gut gewappnet zu sein. Doch Fabio wusste, dass dieser Eindruck trügerisch war. Der Doge hatte die Gruppe aus Landadligen zusammengestellt. Es waren immerhin Freiwillige, doch Fabio missfielen die hochmütigen Blicke, mit denen die Männer ihn bedachten. Was da Castano dazu bewogen hatte, ausgerechnet ihm diese Landeier anzuvertrauen, blieb ihm ein Rätsel. Doch er hatte nicht vor, die Entscheidungen des Feldherrn zu hinterfragen. Er tat wie schon seit Tagen einfach seine Pflicht. Mechanisch, trotzig und voller Wut.

Fabio war erst in der Nacht zuvor in Firenze eingetroffen, jener berühmten Stadt am Arno, die die Dichter Astarias oft als »Stadt der Blumen« verklärten. Obwohl es noch nicht lange her war, dass er im Auftrag der Sternenburg am großen Turnier vor den Toren der Stadt teilgenommen hatte, erschien es ihm, als hätten sich all die Geschehnisse in einem anderen Leben ereignet. Mit ihm waren die wenigen überlebenden Sternenmystikerinnen, eine Abordnung aus Tauweberinnen und Himmelsmechanikern sowie das Heer der Paladine in die Stadt eingezogen. Seine Ordensbrüder ließen es sich nicht anmerken, aber sie hatten schwer an der Last zu tragen, dass sie in nur kurzer Zeit ihre beiden Führer verloren hatten. Erst war Großmeister Silvestro ermordet worden, dann hatte sich Seneschall Ernesto als ein Verräter an der stellaren Ordnung entpuppt. Von dem Schlag, der die Sternenburg getroffen hatte, wussten die meisten Paladine nur dem Hörensagen nach. Doch Fabio hatte nicht vor, seine Kameraden über das wahre Ausmaß der Katastrophe zu unterrichten. Denn Wahrheitsgelübde hin oder her, die Welt zerbrach. Und der Orden und all seine Werte zerbrachen mit ihr. Warum sollte er seine Schwertbrüder zusätzlich ängstigen? Wahrscheinlich würden sie alle selbst bald sterben.

»Macht euch bewusst, dass Pferd und Reiter eine Einheit bilden müssen«, fuhr Fabio verbittert fort. »Wenn ihr angreift, haltet die Linien geschlossen. Geschick und Konzentration bestimmen darüber, wie gut ihr euch schlagt. Und macht euch keine falschen Hoffnungen. Die Goblins kennen weder Respekt vor euch noch vor euren Pferden.« Fabio hielt abermals in seiner Ansprache inne, da sein Blick auf das Anatomische Theater fiel, das am jenseitigen Ende des Parks lag. Damals hatte er diesem unheimlichen Ort zusammen mit Celeste einen Besuch abgestattet. Er presste die Lippen zusammen und versuchte verzweifelt, den Gedanken an seine Gefährtin zu verdrängen. Doch es gelang ihm nicht. Er musste ständig an sie denken. Celestes Entführung lag jetzt vier Tage zurück und noch immer gab er sich die Schuld an den Ereignissen. Ihr ungewisses Schicksal peinigte ihn so sehr, dass ihm bei dem Gedanken daran schier das Herz zerspringen wollte. Dass Celeste noch lebte, fühlte er auf eine eigentümliche Weise. Aureana, die Hohe Sternenmystikerin von Stella Tiberia, hatte ihm erklärt, dass der magische Bund von Sonne und Mond, der ihn und Celeste auf wundersame Weise aneinanderschmiedete, mit der Zeit stärker werden würde. Aureana hatte sogar versucht, Fabio einige stellare Meditationen beizubringen, um die magische Verbindung zwischen ihm und Celeste zu stärken. Doch alles, was sich verstärkt hatte, war eine Qual, die aus den Tiefen seiner Seele selbst aufzusteigen schien. Oder waren es die Empfindungen Celestes, die ihn peinigten? Vermutlich wurde Celeste in diesem Augenblick von Goblins und Astronos-Anhängern gefoltert, während er seine Zeit damit verschwendete, einigen nichtsnutzigen Landadligen das Kriegshandwerk beizubringen.

»Wenn ihr nicht achtgebt«, brach es zunehmend zorniger aus ihm heraus, »werden die Goblins euch die Pferde unter dem Hintern wegschießen. Anschließend werden sie über euch herfallen und mit euch und euren Kameraden das Gleiche anstellen. Goblins hassen Menschen. Gnade kennen sie nicht. Für sie seid ihr nicht mehr als Vieh, das zur Schlachtbank geführt wird.«

»Warum werden wir nicht in die regulären Einheiten eingegliedert?«, ertönte eine nasale Stimme am hinteren Ende der Reiterschar. »Die Position, die du uns zuteilst, Paladin, ist nicht ehrenhaft. Sollen sich doch die einfachen Waffenknechte um die Sicherheit der Lazarette und Geschützbesatzungen kümmern.«

Fabio wandte sich mühsam beherrscht zu dem Sprecher um, einem dunkelhaarigen Adligen mit streng gescheiteltem Haar und Flaum auf der Oberlippe.

»Jeder von uns hat Unterricht bei den besten Schwertmeistern Firenzes genossen«, fuhr der Mann in überheblichem Tonfall fort. »Wir werden schon dafür sorgen, das Mütchen dieser Unholde zu kühlen.«

»Ihr werdet ihnen … ihr Mütchen kühlen?« Fabios Augen verengten sich und er spürte, wie in ihm der Drang wuchs, seiner angestauten Wut Luft zu machen.

»Aber sicher.« Der Adlige nahm ein Taschentuch zur Hand und betupfte sich die Mundwinkel, während er gönnerhaft fortfuhr. »Ich meine, was du uns da erzählst, ist ja schön und gut. Aber wofür? Du glaubst doch wohl kaum, dass die Goblins überhaupt bis zu uns durchdringen. Zwischen den Unholden und der Nachhut liegen drei Heere.« Der Mann steckte das Taschentuch weg und beugte sich im Sattel vor.

»Wir sind hergekommen, weil wir Ruhm ernten wollen. Ich bin ein Mitglied der angesehenen Familie da Trentio. Ich habe ein Recht darauf, Heldentaten zu vollbringen, die von zukünftigen Generationen besungen und in den Theatern der großen Städte aufgeführt werden. Falls du jemals ein Theater von innen gesehen hast, was ich bezweifle.«

Die Reiter lachten überheblich.

Fabio stieg von seinem Pferd, gürtete stumm seine Waffe ab und schlang das Gehänge um den Sattelknauf. Mit einem Klaps brachte er Aldebaran dazu, zum Rand der Wiese zu traben. »So, du stammst also aus der Familie da Trentio?« Fabio marschierte auf den Adligen zu und in ihm stieg ein Gefühl auf, so kalt, dass es selbst seinen Schmerz über den Verlust Celestes betäubte. »Ich kannte einen Viehdieb dieses Namens. Ich erinnere mich eigentlich nur noch an ihn, weil er so eine weichliche Fresse hatte. Genau wie die Eure.«

Empört sah sich der Angesprochene zu seinen Kameraden um. »Niemand wagt es, so mit mir zu sprechen. Vor allem kein … keiner wie du!«

»Der Kerl war nicht einmal in der Lage, einen Unbewaffneten niederzureiten«, spottete Fabio weiter und breitete kalt lächelnd seine Arme aus. Der Zorn in ihm wuchs. Nach allem, was ihm widerfahren war, hatte er ein Recht darauf, dass ihm diese Laffen Respekt zollten. »Er war überhaupt als Maulheld und widerlicher Feigling bekannt.«

»Bauernritter!« Der Beleidigte spie das Wort wie einen Brocken fauligen Fleisches aus. Schon preschte er ungestüm auf Fabio zu. Der junge Paladin sprang im letzten Moment zur Seite, griff nach dem Steigbügel und warf den Adligen mit Schwung aus dem Sattel. Der Mann stürzte unter lautem Geschrei auf die Wiese und langte stöhnend nach seinem Schwert. Fabio prellte ihm mit einem raschen Tritt die Waffenhand, warf sich auf ihn und rammte ihm die Faust ins Gesicht. Mit glühendem Blick sah er dabei zu, wie die Lippe des Adligen aufplatzte und zu bluten begann. Fabio stierte die Wunde fasziniert an. Ein Gefühl der Kraft bemächtigte sich seiner, so berauschend, wie er es schon lange nicht mehr gespürt hatte.

»Siehst du jetzt, wozu du taugst?«, schrie er seinen Gegner an. Ein weiteres Mal schlug er mit aller Kraft auf den arroganten Ritter ein. Fabio hatte das Gefühl, als würde mit diesem Schlag endlich der Reif zerspringen, der ihm schon seit Tagen die Brust zuschnürte. All seine Ängste, all seine Sorgen wurden bedeutungslos. »Ungeübte, großmäulige Hilfstruppen, das seid ihr!« Der Adlige unter ihm wimmerte. »Du kannst froh sein, wenn du auch nur einen Atemzug lang auf dem Schlachtfeld überlebst! Ihr alle werdet euch noch wünschen, zu Hause geblieben zu sein.« Das Blut rauschte durch Fabios Adern und er lachte beim Anblick des Unterlegenen. Er packte den halb besinnungslosen Mann am Kragen seines Waffenrocks und zerrte ihn hoch. »Und jetzt wehr dich endlich, du arroganter Mistbock, damit ich dir zeigen kann, was Goblins mit Kerlen wie dir anstellen!« Fabio holte zu einem weiteren Schlag aus, als ihm jemand in den Arm fiel. »Lass gut sein, Fabio!«

Der aufgebrachte Paladin wirbelte herum und starrte ins Antlitz eines Ritters, der über seiner Rüstung einen blauen Waffenrock trug. Darauf prangte ein in Gold gestickter Greif. Dennoch dauerte es einige Augenblicke, bis Fabio erkannte, wer da vor ihm stand. Es war Raimondo, Celestes Cousin.

»Ach, bist du gekommen, um deinem blaublütigen Freund zu Hilfe zu eilen?«, bellte Fabio ihn an. «Dann komm her und …«

Raimondos Faust traf Fabio mitten im Gesicht. Der überrumpelte Paladin stolperte und stürzte ins Gras. Aus der Schar der Reiter ertönte gehässiges Lachen, bis Raimondo sein Schwert zog. Der Ritter sah die Adligen nun der Reihe nach an. »Höre ich noch einen weiteren Lacher, dann werde ich mich persönlich beim Feldherrn dafür einsetzen, dass ihr alle an die Spitze unserer Streitmacht versetzt werdet. Ganz nach vorn, wo die stärksten Goblinkrieger nur darauf warten, euch in Streifen zu schneiden.« Der Adlige, den Raimondo vor Schlimmerem bewahrt hatte, blickte Celestes Cousin ernüchtert an und taumelte hinüber zu seinem Pferd. »Und jetzt wegtreten und zurück zu den Zelten!«, befahl Raimondo. Die Reiter lösten die Reihe hastig auf und preschten über die Wiese in Richtung Osttor davon.

»Das wirst du mir büßen!«, knirschte Fabio. Noch immer kochte in ihm das Verlangen, jemandem Schmerzen zuzufügen. Doch Raimondos Klinge lag inzwischen an seinem Hals und der Adlige starrte finster auf ihn herab.

»Was ist in dich gefahren, Paladin?«, herrschte ihn Raimondo an. »Machst du dich jetzt gemein mit ein paar Dummköpfen? Bist du so tief gesunken? Seit Tagen schon bist du unausstehlich. Du bist herrschsüchtig geworden und selbstgerecht. Niemand hält es lange an deiner Seite aus.«

»Was interessiert es dich?«

»Denkst du, meine Cousine hätte Verständnis dafür, wie du dich aufführst? Oder glaubst du allen Ernstes, Celeste auf diese Weise zu helfen?«

Bei der Erwähnung Celestes fühlte Fabio einen schmerzhaften Stich in seiner Brust. Ihr hübsches Gesicht stieg vor seinem inneren Auge auf und der Zorn, der in ihm wie eine heiße Flamme loderte, erlosch so, wie er aufgeflackert war. Zurück blieb eine verzehrende Leere, die ihn seit Celestes Entführung peinigte. Der junge Paladin betrachtete seine schmerzenden Handknöchel, als würde er erst jetzt begreifen, dass sie ein Teil von ihm waren.

»Es ist alles so bedeutungslos geworden«, keuchte er nach einer Weile. Nur am Rande bekam er mit, wie Raimondo sein Schwert herunternahm. »Irgendetwas muss geschehen, sonst werde ich … werde ich noch …«

»Zu einem Astronos-Paktierer?« Raimondos Worte hingen wie Blei zwischen ihnen.

Fabio riss bestürzt die Augen auf. »Nein, natürlich nicht. Ich meinte …«

»Doch, denn wenn du so weitermachst, wird dich bald kaum mehr etwas von eurem verräterischen Seneschall Ernesto unterscheiden.« Raimondo reichte Fabio die Hand und zog ihn auf die Beine. »Und jetzt reiß dich zusammen! Celestes Verschwinden hat niemanden von uns unberührt gelassen.« Er steckte zwei Finger in den Mund und pfiff sein Streitross heran. »Ich hoffe, dir ist klar, dass du drauf und dran bist, all deine Grundsätze zu verraten. Diese Männer waren verängstigt. Sie verstecken ihre Furcht hinter einer Maske aus Hochmut. Ein Ordensritter wie du, der geschworen hat, die Schwachen zu beschützen, sollte das erkennen. Doch du spielst dich zum Richter über sie auf und scheinst auch noch Spaß daran zu haben. Nur weiter so. Denn das ist der Pfad, der dich direkt zu jenem führt, den du eigentlich zu bekämpfen geschworen hast!«

Fabio sah Raimondo beschämt dabei zu, wie dieser auf seinem Pferd aufsaß. Es widerstrebte ihm zutiefst, Raimondo Recht zu geben. Doch er hatte sich gemein gemacht. Er hatte sich zum Richter über Schwächere aufgespielt. Und was noch viel schlimmer war, er hatte das Gefühl tatsächlich genossen. Wenn nicht bald etwas passierte, dann würde die Finsternis von ihm Besitz ergreifen. Fabio winkte mit müder Geste Aldebaran heran. »Warum bist du überhaupt hergekommen, Raimondo?«

»Die Hohe Sternenmystikerin Aureana hat eine Versammlung einberufen. Die Sternenmystikerinnen haben ein neues Horoskop erstellt. Wir sollten uns beeilen.«

Fabio nickte, saß nun ebenfalls auf und ritt an der Seite Raimondos an der Sternenbasilika vorbei. Die Schaulustigen machten ihnen hastig Platz. Fabio mied ihre Blicke, indem er zu den reich verzierten Stellarsfresken und den bunten Fensterfronten des Kuppelbaus aufschaute. Doch Trost fand er bei der Betrachtung der heiligen Motive nicht.

Schon hatten sie den Vorplatz der Basilika erreicht, auf dem sich ein mit Stellarsfiguren geschmückter Brunnen erhob. Der Geruch nach Pferdeäpfeln hing in der Luft und ein aufgeregtes Stimmengewirr erwartete sie. Gläubige, die in die Basilika strömten, kreuzten ebenso ihren Weg wie Bürger, die schwere Karren, beladen mit persönlichen Besitztümern, zogen. Das Ziel der Flüchtlinge war das nahe Mondschattengebirge, in dessen Höhenzügen sie sich Schutz vor den Goblins erhofften. Doch diese Hoffnung war trügerisch. Fiel Firenze, dann würden die Goblins auch in das Gebirge einfallen. Fabio bezweifelte, dass es dann noch irgendwo einen Platz geben würde, an dem die Menschen sicher waren.

Während sich die beiden Ritter einen Weg durch das Gedränge bahnten, sah sich Fabio um. Ganz in der Nähe befand sich die Gasse, in der er erst kürzlich jenem südländischen Astrologen begegnet war, den er bereits aus Venezia kannte. Nach allem, was er und seine Freunde in der Eisernen Bibliothek herausgefunden hatten, handelte es sich bei dem geheimnisvollen Mann um niemand Geringeren als den Seher Cagliomaeus. Von ihm stammte die geheimnisvolle Offenbarung, die sich im Besitz des Goblinschamanen Gruuk befand und deren Inhalt angeblich über das Schicksal Astarias entschied. Fabio und Meister Arcimboldo hatten die Gasse gleich nach ihrer Rückkehr in Firenze erneut abgesucht, doch der geheimnisvolle Seher und sein nicht minder geheimnisvolles Geschäft waren verschwunden. Dass Cagliomaeus darüber hinaus im Besitz des Geheimnisses übernatürlicher Langlebigkeit zu sein schien, machte die Begegnung mit ihm nicht weniger rätselhaft.

Raimondo schwenkte in eine Gasse ein, durch die ihnen ein Trupp Bogenschützen in den blau-gelben Waffenröcken Firenzes entgegenkam. Auf dem Rücken trugen die Männer schwere Bündel mit frischen Pfeilen, ihre Gesichter wirkten angespannt. Weiter hinten zerrten zwei Soldaten in den gleichen Waffenröcken einen hageren Mann hinter sich her, der von einer wehklagenden Frau begleitet wurde. Offenbar handelte es sich bei dem Unglücklichen um einen Deserteur. Fabio wusste, dass auf den Mann der Galgen wartete.

Sie erreichten einen großen Platz, der von Handwerkern und Waffenknechten bevölkert war. Der Marschtritt einer Kolonne Soldaten hallte von den umliegenden Häusern und es roch nach frisch gesägtem Holz. Mitten auf dem Platz erhoben sich drei schwere Katapulte, von denen jedes so groß wie ein Blockwagen war. Die Geschützmeister konnten mit ihrer Hilfe Felsbrocken weit über die Stadtmauern Firenzes schleudern. Herzog da Castano hatte ganze Batterien dieser Schleudermaschinen an der Flussschlaufe des Arno vor den Toren der Stadt postiert. Die Fluten des Flusses markierten zugleich die letzte Verteidigungslinie, falls es dem Heer der Verbündeten nicht gelang, die Unholde in der bevorstehenden Feldschlacht zu schlagen. Danach standen nur noch die Stadtmauern zwischen Menschen und Goblins.

Fabio wandte seinen Blick von den Geschützen ab und sah zum Palazzo Vecchio an der Nordseite des Platzes hinüber, dem Ziel ihres Ritts. Der Ratsbau mit den bogenförmigen Fenstern, der roten Sandsteinfassade und den darin eingelassenen Nischen mit den bronzenen Stellarsskulpturen war Fabio nur zu gut in Erinnerung geblieben. Das galt insbesondere für den steil zum Himmel aufragenden, quadratischen Palastturm mit der monumentalen Schlagwerkuhr in über zwanzig Schritt Höhe. Das Astrarium von Firenze, das Wahrzeichen der Stadt, verbreiterte sich nach oben hin wie der Kelch einer Blüte. Fabio schaute missmutig zum Zifferblatt auf, auf dem neben den Symbolen für Sonne und Mond eine Vielzahl astrologischer Zeichen prangte. Die Zeiger standen auf halb vier Uhr am Nachmittag. Fabio dachte unwillkürlich an die damaligen Geschehnisse im Turm zurück und abermals tanzte das Bild Celestes vor seinem inneren Auge. Ob Sylvana vielleicht nach ihr suchte? Fragen konnte er die Werwölfin nicht. Sie hatte sich direkt nach der Schlacht um die Sternenburg abgesetzt und war seitdem verschwunden. Fabio ballte verzweifelt die Fäuste. Raimondo saß ab und übergab sein Pferd einem Gardisten, der gemeinsam mit einigen Kameraden die große Freitreppe vor dem Palazzo bewachte. Fabio folgte Raimondos Beispiel, und gemeinsam betraten sie eine von Säulen geschmückte Vorhalle, die Fabio zuletzt gesehen hatte, als hier die Feierlichkeiten zum Ende des Turniers stattgefunden hatten. Nichts erinnerte mehr an die vergangene Pracht. Stattdessen begegneten sie in den Gängen und Fluren Schreibern und Offizieren, die mit ernsten Mienen ihre Aufträge ausführten.

»Raimondo, warte!« Celestes Cousin hielt im Schritt inne und sah Fabio fragend an. Der junge Paladin räusperte sich.

»Ich wäre dir dankbar, wenn du den Vorfall vorhin im Park nicht an die große Glocke hängen würdest.«

»Welchen Vorfall? Ich erinnere mich an nichts.« Raimondo eilte eine große Treppe hinauf und hielt vor einer reich mit Blumen- und Sternenschnitzereien verzierten Tür, vor der zwei Palastwachen mit überkreuzten Hellebarden standen. Beim Anblick der beiden Ritter traten die Männer beiseite und öffneten die Türflügel. Vor Fabio und Raimondo tat sich ein mit dunklem Zedernholz getäfelter Saal auf, in dem sich etwas über ein Dutzend Würdenträger aus den Völkern der Menschen und Gnome versammelt hatten. Die Anwesenden saßen an Tischen, die nach Art eines Hufeisens aufgestellt worden waren. Unter ihnen befanden sich nicht nur hochrangige Adlige und Militärs, sondern auch die Gnome Arcimboldo und dessen Frau Munadella. Fabio erkannte überdies die Schatzmeister der Provinzen Ancona und Genova, die die Geschicke des Ordens der Morgenröte derzeit gemeinschaftlich lenkten, bis das Schicksal ihres verschollenen Amtsbruders aus Verona geklärt war.

Alle hatten ihre Aufmerksamkeit auf Herzog Umberto da Castano gerichtet, der an der Stirnseite des Raums stand und mit ernster Miene eine Ansprache hielt. Und doch drang aus dem Saal zu Fabios Verwunderung kein einziges Geräusch. Selbst Raimondo verharrte überrascht auf der Türschwelle. Offenbar lag über dem Raum ein mächtiger stellarer Schutzzauber, der verhinderte, dass man die Sprecher von außen belauschen konnte.

Fabio hatte inzwischen auch die Hohe Sternenmystikerin Aureana entdeckt, die rechts neben dem Feldherrn saß. Mit ihrer blassen Haut, dem würdevollen Damastgewand und dem goldenen Sternendiadem auf dem Haupt ragte sie aus dem Kreis der Umsitzenden wie eine Königin hervor. Direkt zur Linken des Herzogs aber hatte eine Frau Platz genommen, mit deren Erscheinen Fabio so bald nicht gerechnet hatte: die Matriarchin der Gnome. Die korpulente Tauweberin wirkte in ihrem auffallend roten Kleid wie die Gesandte eines fremden Volkes. Die birnenförmige Zeremonialhaube mit den silbernen Troddeln, die die Tauweberin schon im Tal der Gnome getragen hatte, ließ sie größer wirken, als sie tatsächlich war.

Habt keine Scheu und tretet ein, erklang unvermittelt die Stimme Aureanas hinter Fabios Stirn. Die Hohe Sternenmystikerin schenkte ihm einen Blick aus ihren grünen Augen und Fabio gab Raimondo ein Zeichen, ihm zu folgen. Sie hatten den Saal kaum betreten, als schlagartig die Stimme des Dogen hörbar wurde.

»… werden bereits erbitterte Seegefechte im Mitternachtsmeer ausgetragen. Die Goblins benutzen dazu Kriegsschiffe aus Venezia, die sie mit menschlichen Rudersklaven bemannen. Unentwegt führen sie Angriffe auf die Schiffsverbände Anconas und Barions aus. Zwar sind die Graupelze nicht zahlreich genug, um uns ernsthaft schaden zu können, doch die Attacken reichen aus, um die Küstenverbände in Atem zu halten.«

»Warum nutzen wir denn unsere Überlegenheit im Mitternachtsmeer nicht aus und schlagen die Unholde zur See zurück?«, wollte einer der Adligen wissen, während Fabio und Raimondo zur Rechten von Meister Arcimboldo und Munadella Platz nahmen. Der Himmelsmechaniker nickte zur Begrüßung, seine Frau hingegen runzelte bei Fabios Anblick die Stirn. »Deine Lippe ist geschwollen«, flüsterte sie. »Hast du dich etwa geschlagen?« Fabio kam um eine Antwort herum, da nun der rothaarige Schatzmeister Anconas das Wort ergriff. »Ein solcher Schlag zur See hätte bereits vor Wochen erfolgen müssen. Leider hat der einstige Seneschall unseres Ordens, mögen die Stellare Ernesto verfluchen, all seinen Einfluss geltend gemacht, um die Flotte im Osten auseinanderzuziehen.«

»Ja, unglücklicherweise«, stimmte ihm Herzog da Castano zu. »Und die Postenkette mit Soldaten aus Barion, Ancona und anderen Landverbänden, die wir entlang der Küste stationiert haben, ist viel zu ausgedünnt, als dass sie ohne den Schutz der Flotte einem massiven Vorstoß der Unholde gewachsen wäre. Ich befürchte, Gruuk wartet nur auf eine solche Gelegenheit, um ein weiteres Mal ein Heer hinter unserem Rücken abzusetzen. Wir können die Flotte nicht einmal mit den Kriegsgaleeren Genovas verstärken.« Mit bekümmertem Blick wandte sich der Feldherr Fabio zu. »Denn jetzt, da sich auch die Insel Arborea im Besitz des Feindes befindet, werden wir die Schiffe dazu benötigen, dem Piratenpack im Sternenmeer die Stirn zu bieten.«

Fabio schreckte hoch. »Soll das etwa bedeuten, dass das Castello di Arborea gefallen ist?«, fragte er laut. Die ganze Zeit über hatte ihn die schwache Hoffnung getragen, dass die Sternenwind das Unglück noch hatte abwenden können.

»Ja, tut mir leid. Aber so ist es«, antwortete Meister Arcimboldo. Der kleine Himmelsmechaniker sah Fabio zerknirscht an. »Die anderen hier wissen es schon. Vor einer Stunde traf ein Merkurielsbote ein. Meister Poliogenes, Waffenmeister Gaspare und unsere Freunde Jacopo und Odilio befinden sich mit der Sternenwind auf dem Rückflug.« Den meisten Anwesenden im Saal war anzumerken, dass sie sich erst noch daran gewöhnen mussten, dass die Sternenburg nun auch mit Himmelsmechanikern zusammenarbeitete. »Gegen die Übermacht der Goblins und Freibeuter konnten auch die Himmelsmechaniker nichts ausrichten. Aber Waffenmeister Gaspare konnte deine Schwertbrüder immerhin zu einem geordneten Rückzug bewegen. Poliogenes sprach in seiner Nachricht von knapp einhundert Paladinen und ihren Knappen, die sich jetzt an Bord der Sternenwind befinden. Morgen Nacht dürften sie hier in Firenze eintreffen.«

»Die Schwertbrüder sind uns mehr als willkommen«, erklärte Herzog da Castano. »Die Goblins stehen nicht mehr weit von Firenze entfernt im Osten. Unsere Späher berichten, dass Gruuks Heer aus unerfindlichen Gründen haltgemacht hat. Wir vermuten, dass die Unholde das Eintreffen ihrer Nachhut abwarten wollen. Dazu sollen auch monströse Splitterkreaturen und gefährliche Kriegsmaschinen gehören, die angeblich aus den Werkstätten einiger verderbter Himmelsmechaniker stammen.«

»Verlasst Euch darauf, Herzog«, sagte Meister Arcimboldo grimmig, »Firenze steht nicht schutzlos da.«

»Dafür bin ich Euch und Euren Leuten auch dankbar, Meister Arcimboldo.« Herzog da Castano kreuzte die Arme vor der Brust. »Die kurze Schilderung der Ereignisse sollte auch nur dazu dienen, alle Anwesenden auf den neuesten Stand zu bringen. Der eigentliche Anlass unseres heutigen Zusammentreffens sind weitere Informationen der Sternenburg.« Der Feldherr verneigte sich höflich vor Aureana.

»Hohe Sternenmystikerin, damit übergebe ich Euch das Wort.«

»Ich danke Euch«, erwiderte die Sternenmystikerin mit klarer Stimme. Noch immer wunderte sich Fabio darüber, wie jung ihm die Zauberin trotz der grauen Haarsträhnen erschien. Doch statt sich zu erheben, wandte sich Aureana der Matriarchin der Gnome zu. »Bitte, Schwester, sei so gut und berichte den Männern, was du mir erzählt hast.«

Die kleine Frau stand selbstbewusst auf, strich sich das rote Zeremonialgewand glatt und blickte ernst in die Runde. Im Saal hätte man nun den wundersamen Sternentau herabrieseln hören können. »In den letzten Tagen«, hub die Matriarchin würdevoll an, »haben die Schwestern unseres Volkes aus den Ländern des Halbmondes in die Gemeinschaft der Tauweberinnen zurückgefunden.« Fabio, der wusste, dass jede Tauweberin einen der Sternentauteppiche hütete, horchte gespannt auf. »Von ihnen haben wir erfahren, dass auch zwischen den Emiraten und Sultanaten des fernen Südens erbitterte Kämpfe toben. Daraus schließen wir, dass die Anhänger des Astronos überall auf Astaria zugleich zugeschlagen haben.«

»Gibt es in den Reichen des Halbmondes ebenfalls Sternenmystikerinnen?«, unterbrach sie einer der Adligen.

»Ja, es gibt dort Frauen mit der Gabe«, ging die Gnomin auf die Zwischenfrage ein. »Doch in den Ländern des Halbmondes fürchtet man die Zauberei. Frauen, die die Sternenmacht ausüben, werden gnadenlos verfolgt. Dabei genießt die Sternendeutung natürlich auch im Süden ein hohes Ansehen. Und damit komme ich zur ersten bedeutsamen Nachricht. Denn die Astrologen des Südens scheinen sich in einer Sache einig zu sein: Ihre Deutungen weisen allesamt auf eine Schicksalsschlacht nördlich der Wüstenreiche, also in unserem Teil Astarias.«

»Darf ich fragen, warum Ihr das für erwähnenswert haltet, Frau Gnomin?«, wollte der Schatzmeister Anconas wissen.

»Weil es sowohl im weltlichen als auch im stellaren Sinne von Bedeutung ist, Herr Ordensritter«, antwortete ihm die Matriarchin mit feiner Ironie. »Korrigiert mich, aber bislang gab es nur einige wenige Handelskontakte zwischen diesem Teil Astarias und den Reichen des Halbmondes. Die Südländer haben sich bis heute nicht in die Belange der Stadtstaaten eingemischt, wir hingegen nicht in die Belange der Emirate und Sultanate. Doch damit könnte es nun ein Ende haben. Die heimgekehrten Tauweberinnen berichteten, dass sich in der Meeresregion vor dem Sultanat El’ Medina Schiffe sammeln, deren Besatzungen ein übler Ruf vorauseilt. Angeblich handelt es sich bei ihnen um Mörder, Verbrecher und Ausgestoßene. Die Männer und Frauen, die sich dort zusammenrotten, stammen offenbar aus allen Teilen der südlichen Hemisphäre. Und ich sage das nur ungern: Ihnen werden überdies unheimliche Kräfte nachgesagt.«

»Wie alt sind diese Gerüchte?«, wollte der Herzog wissen.

»Etwa zwei bis drei Wochen.«

»Bei Molunah!«, zischte Raimondo. »Eine ganze Flotte mit Astronos-Anhängern irgendwo in unserem Rücken ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können.«

Fabio nickte verdrossen.

»Und warum ist das im stellaren Sinne wichtig?«, bohrte der Schatzmeister Anconas nach.

»Weil es die wichtigste Frage überhaupt beantwortet«, ergriff nun Aureana das Wort. Sie beugte sich vor und einen Moment lang blitzte der große Diamant ihres Sternendiadems im Licht der hohen Fenster auf. »Die militärischen Erfolge, die unsere Gegner bislang erzielt haben, sollten niemanden hier im Saal darüber hinwegtäuschen, worum es Gruuk in Wahrheit geht. All seine Anstrengungen dienen allein dem Ziel, den gestürzten Erzstellar Astronos aus seinem Sternenkerker zu befreien. Die Frage aber, wo der stellare Kerker verborgen liegt, in den Molunah, Merkuriel, Venudha, Marsakiel und Juprabim ihren rebellischen Bruder einst warfen, bewegt die Schwesternschaft bereits seit Jahrhunderten. Aus den Vorgängen im Süden können wir daher einen weitreichenden Schluss ziehen: Der Sternenkerker befindet sich irgendwo im diesseitigen Teil Astarias! Andernfalls würden sich die Südländer nicht die Mühe machen, bis zu uns vorzustoßen.« Erregtes Getuschel machte sich im Saal breit. »Wir wissen nicht«, verschaffte sich die Hohe Sternenmystikerin erneut Gehör, »ob es unseren Gegnern bereits gelungen ist, den stellaren Kerker zu finden. Doch ihn aufzuspüren muss auch unser vorrangiges Ziel sein!«

»Ich dachte immer«, meldete sich einer der Adligen zu Wort und deutete zaghaft zur Saaldecke, »dass der Sternenkerker irgendwo jenseits unserer Welt zu finden sei. Irgendwo da oben am Firmament.«

»Nein«, widersprach ihm die Matriarchin der Gnome. »Astronos wurde von den Erzstellaren nicht in den himmlischen Sphären geschlagen, sondern hier auf Astaria. Der Sternenkerker wurde somit eingebettet in unsere Welt. Eben dieser Umstand schürt unsere größten Sorgen. Doch zugleich liegt darin für uns Sterbliche auch die größte Hoffnung. Denn nur so können wir unseren Teil dazu beitragen, um das Grauen abzuwenden.«

»Wenn es in Wahrheit um den Sternenkerker geht«, wollte Fabio wissen, »warum greifen die Goblins dann so massiv Firenze an? Abgesehen von ihrem Hass auf uns Menschen muss das doch noch einen anderen Grund haben.« Sogar der Herzog blickte die Sternenmystikerin und die Matriarchin fragend an.

Die beiden Frauen wechselten einen raschen Blick, bevor Aureana antwortete. »Eine kluge Frage. Die Antwort ist, dass der Grund und Boden Firenzes im kosmischen Sinne von Bedeutung ist. Verzeih, Schwertbruder, aber mehr dürfen wir zu diesem Thema im Moment nicht sagen.« Ein Raunen ging durch den Saal, und auch Fabio konnte nicht verbergen, dass ihn die Antwort überraschte.

»Vielleicht sollten wir dieser Runde auch noch mitteilen, wie viel Zeit uns Eurer Einschätzung nach bleibt, um das Unheil abzuwenden?« Herzog da Castano sah Aureana und die Matriarchin der Gnome auffordernd an. »Nur damit hier jedem der Ernst der Lage bewusst wird.«

Die beiden Frauen nickten und forderten Meister Arcimboldo auf, sich zu erheben. Der kleine Himmelsmechaniker fuhr sich aufgeregt über die Halbglatze. »Gewisse Entdeckungen, die wir Himmelsmechaniker im Sternensichelgebirge gemacht haben, deuten auf eine Zeitspanne bis zum nächsten Äquinoktium hin.« Er räusperte sich, als er im Kreis der Zuhörer fragende Gesichter entdeckte. »Damit ist jener Zeitpunkt gemeint, an dem Tag und Nacht genau die gleiche Länge aufweisen. Aus himmelsmechanischer Sicht ist dies jener Moment, an dem die stellare Ordnung am zerbrechlichsten ist.«

»Ihr meint mit diesem Äquinoktium doch nicht etwa die nächste Tagundnachtgleiche?«, keuchte einer der Adligen.

»Äh, ja, doch. Die meine ich. Den astronomischen Herbstanfang.«

»Aber bis dahin ist es nur noch eine gute Woche!«, entfuhr es dem Schatzmeister Anconas. »Wie sollen wir in so kurzer Zeit ein Mittel finden, um Astronos und seine Anhänger aufzuhalten? »

»Habt Vertrauen, Schwertbrüder und Verbündete«, versuchte die Hohe Sternenmystikerin dem Schatzmeister und allen anderen Anwesenden Mut zu machen. »Die Erzstellare selbst stehen in diesem Kampf an unserer Seite. Sie haben Astaria schon einmal vor dem Untergang bewahrt und sie werden es auch diesmal tun. Zu diesem Zweck haben sie uns Waffen in die Hände gelegt, mit denen uns gelingen kann, was schon einmal gelang.«

»Was sind das für Waffen?«

»Es handelt sich um Waffen, die aus einem besonderen Meteoreisen geschmiedet wurden«, ergriff Fabio das Wort. »Wir glauben, dass das zugrunde liegende Sternenmetall den Herzen der fünf Erzstellare entstammt.«

»Wie bitte?« Fabios Ordensbruder riss überrascht die Augen auf. »Die Erzstellare haben für diese Waffen einen Teil ihres Selbst gegeben?«

»Es sieht so aus.« Fabio nickte. »Es handelt sich bei diesen Waffen um ein Schwert, einen Schild, einen Helm, eine Brünne sowie Beinschienen. Alle ganz aus Meteoreisen. Wir vermuten, dass Astronos mithilfe dieser Waffen schon einmal erfolgreich bekämpft wurde.« Fabio musste daran denken, dass sich einzig Marsakiels Schwert in ihrem Besitz befand. Molunahs Schild und Merkuriels Helm hatte der Feind an sich reißen können, und wo Venudhas Brünne und Juprabims Beinschienen verborgen waren, blieb ein Rätsel.

»Unglücklicherweise …«

»… müssen wir einige dieser Waffen noch finden«, unterbrach ihn Aureana scharf. Stirnrunzelnd sah Fabio die Sternenmystikerin an. Offenbar sollte niemand im Saal erfahren, wie es um ihre Suche in Wahrheit bestellt war. »Das Heer vor Firenze muss den Goblins so lange die Stirn bieten, bis wir alle Waffen zusammengetragen haben«, erklärte die Hohe Sternenmystikerin. »Dies ist eure Hauptaufgabe, Schwertbrüder und Ritter, denn wir benötigen Zeit. Zeit, die ihr für uns herausschlagen müsst. Denn unser aller Schicksal wird sich von heute an erfüllen.«

»Von heute an?« Einer der Adligen blickte irritiert in die Runde.

Aureana nickte auffordernd zu einer verschwiegenen Ecke neben der großen Flügeltür. Fabio bemerkte erst jetzt, dass dort in einem silbernen Damastgewand Artemesia stand, die Hohe Wächterin der Sternenburg. Er hatte die grauhaarige Sternenmystikerin, der der Schutz der Sternenburg oblag, erst vor Kurzem als erbitterte Kämpferin erlebt. Die Zauberin näherte sich Aureana mit zügigen Schritten, kramte einen schlanken goldenen Behälter unter ihrem Gewand hervor und reichte ihn der Sternenschwester. Anschließend eilte sie zu ihrem Posten zurück, von wo aus sie nun wieder Saal und Fenster im Auge behielt. Fabio wechselte einen Seitenblick mit Raimondo, der sich ebenfalls nicht sicher zu sein schien, ob Artemesia schon bei ihrem Eintreffen dort gestanden hatte. Über Munadellas Lippen huschte ein spöttisches Lächeln, während Aureana den Verschluss des Behältnisses öffnete, ein Pergament hervorzog und dieses vor sich auf dem Tisch ausbreitete. Neugierig reckten die Versammelten ihre Hälse, doch alles, was sie erkennen konnten, waren rätselhafte Bögen, Sternensymbole, Linien und verschnörkelte astrologische Zeichen.

»Die vereinte Schwesternschaft hat in den letzten Tagen ein neues Horoskop erstellt«, erklärte die Hohe Sternenmystikerin feierlich. »Unser Ergebnis ist eindeutig. Die fünf Wandelsterne haben sich zu einer seltenen Konstellation zusammengefunden. Ihre Kräfte bündeln sich zu einem stellaren Knoten, der alle zukünftigen Geschehnisse beeinflussen wird.« Aureana sah von dem Horoskop auf und blickte die Anwesenden der Reihe nach an. »Am heutigen Tag wird etwas Bedeutendes geschehen. Etwas ist vielleicht schon geschehen. Nur wissen wir nicht was. Dies ist der Hauptgrund, warum wir heute hier sind. Ich bitte daher jeden Einzelnen in diesem Saal, in sich zu gehen und darüber nachzudenken, was mit diesem Ereignis gemeint sein könnte. Vielleicht haben die Späher etwas Ungewöhnliches gemeldet? Vielleicht hat sich im Heer etwas Außergewöhnliches zugetragen? Was auch immer es ist, diese Information ist für die Sternenburg von größter Bedeutung.«

Erregte Debatten setzten ein. Neben Fabio flüsterten Meister Arcimboldo und Munadella leise miteinander, während von der gegenüberliegenden Tischreihe aus zu hören war, dass am Morgen vergiftete Pferde aufgefunden worden waren, es in der Nacht ein kleineres Scharmützel mit Goblinspähern gegeben hatte und ein Katapult einen Abhang hinabgestürzt war. Doch nichts davon schien die vereinte Schwesternschaft zufriedenzustellen.

In diesem Augenblick klopfte es. Die Flügeltüren wurden aufgerissen und ein verschwitzter Offizier im rot-blauen Waffenrock Genovas stürmte herein. Hastig nahm er seinen Helm ab. Die Gespräche der Männer und Frauen im Saal verstummten.

»Feldherr! Hohe Schwestern!« Der Offizier verbeugte sich. »Unsere Männer haben jenseits des Flusses einen Goblin aufgespürt, der sich als Unterhändler ausgibt. Wir haben den Unhold in Gewahrsam genommen und in den Kerker am Osttor gesperrt. Er behauptet, dass er ausgeschickt wurde, um einen Paladin in unseren Reihen aufzuspüren. Fabio soll er mit Namen heißen.«

Fabio sprang auf. »Dieser Paladin, das bin ich. Was will der Goblin?«

» Nun, er sagt, du würdest es bereuen, wenn du ihn nicht anhörst. Angeblich geht es um eine entführte Sternenmystikerin.« Auch Raimondo, Meister Arcimboldo und Munadella fuhren von ihren Sitzen hoch, als der Offizier weitersprach.

»Ihr Name lautet Celeste de Vontafei!«

List und Tücke

Das Licht der Fackeln tauchte die steinernen Treppen und Gänge in einen unruhigen Flackerschein. Die Luft in den Kerkergewölben unter dem trutzigen Osttor war verbraucht und es stank nach Schimmel und Körperausscheidungen. Fabio kümmerten die unangenehmen Gerüche nicht. Er folgte aufgeregt dem Offizier, der den Versammelten die Nachricht von dem gefangenen Goblin überbracht hatte. Raimondo, Meister Arcimboldo, Munadella, Herzog da Castano und die Hohe Wächterin Artemesia, als direkte Vertreterin Aureanas, hatten sich ihm angeschlossen. In einer lang gezogenen Reihe marschierten sie hinter Fabio her und ihre Stiefelschritte hallten verzerrt von den Wänden.

Endlich erreichten sie einen Trakt mit mehreren Zellentüren und Fabio musste daran denken, dass hier auch Patrizio di Bossi, der ehemalige Oberste Ratsherr Firenzes, eingesperrt war. Herzog da Castano hatte den wankelmütigen Magistratsvorsteher Firenzes verhaften lassen, kaum dass die Sternenburg ihn über den Verrat des Mannes während des Turniers aufgeklärt hatte. Doch di Bossis Schicksal war Fabio gleichgültig. Im Moment war nur wichtig, was der elende Goblin über Celeste zu sagen hatte. Fabio dachte bereits darüber nach, was er mit dem Unhold anstellen würde, wenn ihm dieser keine Auskunft auf die drängendsten Fragen gab. »Verflucht, habt ihr für diesen Goblin das tiefste Verlies der Stadt ausgesucht?«, fragte er gereizt.

»Wir wollten kein Risiko eingehen«, antwortete der Offizier und blieb endlich vor einer der Zellentüren stehen. Umständlich schloss er den eisernen Riegel auf. »Hier ist der Gefangene.«

Fabio nahm dem Offizier die Fackel aus der Hand und stürmte an ihm vorbei in die Zelle. In der hintersten Ecke lag zusammengekrümmt auf einem Haufen alten Strohs eine Gestalt mit grauer, ledriger Haut, spitzen Fledermausohren und einem zugeschwollenen Auge. Der Leinenpanzer des Unholds war am Halsansatz blutbefleckt. Jeder konnte sehen, dass die Soldaten ihn geschlagen hatten.

Fabio packte den Goblin wütend am Haarschopf und betrachtete ihn. Diesmal schien Gruuk keinen Schamanen, sondern nur einen einfachen Krieger als Unterhändler geschickt zu haben. »Was habt ihr dreckigen Frevler mit Celeste angestellt?«

Der Goblin blinzelte. »Bist du dieser Fabio?«

»Siehst du hier im Raum einen anderen Paladin?«

»Also ja.« Der Goblin grinste und beäugte Fabios rot-weißes Ordensgewand. »In diesem Fall darf ich dich im Namen Gruuks begrüßen. Gruuk, der Unbezwingbare, Imperator der Felsenhöhlen von Zagrab, Herr der astarischen Steppen und Schutz …«