VVorwort


Dieser Ratgeber gibt Ihnen einen Einblick in die Welt der Körpersprache. Denn genauso wie wir mit Worten sprechen, können wir auch mit unserem Körper kommunizieren. Forscher fanden sogar heraus, dass nur zwanzig Prozent der Informationen, die wir ständig austauschen, über die Sprache und den verbalen Inhalt erfolgen. Die übrigen achtzig Prozent tauschen wir über die Körpersprache aus. Doch dieses Wissen um Körpersprache ist in unserer Kultur weitgehend in Vergessenheit geraten.

Wenn Sie jetzt jedoch „schreckgeweitet die Augen aufreißen“, weil Ihnen gerade einfällt, was Sie Ihrem Chef gestern vielleicht unbewusst über das neue Projekt mitgeteilt haben, wissen Sie vielleicht doch noch mehr über Körpersprache, als Sie dachten. Manche von uns bleiben ja auch schon mal „starr vor Schreck“ stehen oder machen „Luftsprünge vor Freude“. Im Volksmund, in Sprichwörtern und auch in vielen Romanen ist die (Be-)Deutung unserer Körpersprache noch sehr präsent. Dieses Wissen war einmal sehr weitverbreitet und wir können immer noch gut damit umgehen. Doch wir tun es meist unbewusst.

Dieses Wissen um Körpersprache wollen wir reaktivieren. Wir werden Sie in die Lage versetzen, Mimik und Gestik Ihrer Mitmenschen aktiv zu deuten. Sie erfahren, wie Körpersprache überhaupt entsteht und was sie im Einzelnen bedeutet. Damit können Sie Ihre Menschenkenntnis perfektionieren und zudem die Gedanken Ihrer Gesprächspartner „lesen“ und verstehen. Das ist einfacher, als Sie denken.

Unser Buch bietet Ihnen zudem etwas völlig Neues: Wir verbinden erstmalig die Deutung der Körpersprache mit einer modernen Typenlehre, die aus der Gehirnforschung stammt. Viele Körpersprachebücher gehen davon aus, dass jeder Mensch in bestimmten Situationen gleich reagiert. Doch das ist nicht so: Unser spontanes Verhalten unterliegt individuellen Programmen, die sich nachhaltig auf die Körpersprache auswirken. Mehr dazu erfahren Sie in diesem Buch.

Gleichzeitig bekommen Sie ein Trainingsbuch an die Hand. Wir geben Ihnen konkrete Hinweise und Tipps. So können Sie Ihre eigene Körpersprache Schritt für Schritt verbessern und damit auch eine VIbessere Wirkung erzielen – eine wichtige Voraussetzung für beruflichen und privaten Erfolg. Hinweise zum Training finden Sie unter verschiedenen Aspekten. Wir haben eigene Übungen für Sie zusammengestellt, die in eigenen Kästen stehen. Bei den Fallbespielen sowie an anderen Stellen stellen wir zahlreiche Möglichkeiten vor, wie sie Ihr Verhalten direkt verändern oder an schwierige Situationen anpassen können. Und am Ende des Buches finden Sie ein ausführliches Trainingskapitel mit Hinweisen, wie Sie anders – besser – wirken und auftreten können.

Dieses Buch richtet sich in erster Linie an Menschen im Job. Wir schildern in unseren Beispielen Situationen, wie sie im Unternehmen und im Büro tagtäglich auftreten. Alles haben wir selbst erlebt und trainieren es seit mehr als zehn Jahren mit den Teilnehmern unserer Seminare. Es ist daher praxiserprobt und funktioniert. Natürlich können Sie diese Erkenntnisse auch auf das Privatleben übertragen. Denn wir haben nur eine Psyche und schalten zu Hause nicht mal schnell auf ein anderes Programm. Ganz im Gegenteil, wir verhalten uns privat meist genauso wie im Job.

Zuletzt noch zwei Anmerkungen: Wir wissen, dass mindestens die Hälfte unserer Leser Frauen sein werden, also Leserinnen. Doch wir wollen nicht immer Chefs und Chefinnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Kunden und Kundinnen erwähnen. Zugunsten der Lesbarkeit haben wir uns daher dazu entschlossen, nur die männliche Form zu verwenden. Da einer der Autoren eine Autorin ist, werden Sie uns, liebe Leserinnen, diesen Weg sicher gestatten.

Zweitens: Wenn wir „rechts“ und „links“ schreiben, bezieht sich das immer auf Ihre eigene Sicht, beziehungsweise auf Ihren eigenen Körper. Ihr Herz ist also links.

Ihre Caroline Krüll & Dr. Christian Schmid-Egger

Berlin, den 11. Juni 2012

IMG

Mit dem Symbol „Stift“ sind Übungen im Buch gekennzeichnet.

IZum Inhalt:

Mimik, Gestik und Körperhaltung verraten, wie wir uns fühlen und was wir wirklich denken. Der Körper lügt nicht. Wenn Sie die Körpersprache Ihres Gegenübers entschlüsseln können, sind Sie klar im Vorteil.

Wer Körpersprache wirklich lesen kann, erfasst sein Gegenüber in seiner ganzen Komplexität. Wie das geht, erfahren Sie in diesem Buch:

Die Erkenntnisse und Trainings in diesem Ratgeber basieren auf Ergebnissen der Gehirnforschung. Dieses Konzept ist einzigartig und erklärt, warum Körpersprache auch typenabhängig ist. Und nur so lassen sich Menschen wirklich verstehen.

Über die Autoren

Dr. Christian Schmid-Egger ist Kommunikations- und Managementtrainer. Schon lange interessiert er sich für Körpersprache und ist fasziniert davon, was Menschen alles mit ihrer Mimik und Gestik aussagen. Dieses Wissen vermittelt er in seinen Seminaren und Vorträgen, damit Führungskräfte oder Vertriebsmitarbeiter erfolgreicher kommunizieren können. Denn fundierte Kenntnisse der Körpersprache sind eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg im Job, egal ob im Mitarbeiter-, im Verkaufsgespräch oder in der harten Verhandlung, davon ist der ehemalige Naturwissenschaftler und Diplomjournalist überzeugt. Dr. Christian Schmid-Egger lebt in Berlin. Neben Büchern schreibt er regelmäßig Texte zu Weiterbildungsthemen in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften. Mehr unter www.schmid-egger.de.

Caroline Krüll leitete eine Werbeagentur, bevor sie ihre Karriere als Coach und Speakerin startete. Sie coacht und trainiert seit über 10 Jahren Führungskräfte und tritt vor allem als prominente Rednerin auf hochkarätigen Firmenevents auf. Sie ist unter anderem bekannt als Selbstmarketingexpertin im Fernsehen (N 24, Sat.1 Frühstücksfernsehen, RTL, Pro7, Kabel1, VOX u. a.) sowie mit zahlreichen Beiträgen in Zeitungen und anderen Medien vertreten. In ihren Vorträgen und Coachings demonstriert sie gelebte Körpersprache und zeigt ihren Kunden, wie diese optimal auftreten und dabei ihre maximale Wirkung und ihre Marke: Ich erreichen können. Denn Erfolg beginnt beim richtigen Auftritt, davon ist die Erfolgsautorin aus Berlin überzeugt. Mehr unter www.caroline-kruell.de.

Die beiden Autoren haben bereits mehrere Bücher in zwei renommierten Verlagen veröffentlicht, davon einige gemeinsam. Außerdem bieten sie zusammen Vorträge, Seminare und Coachings zum Thema Körpersprache, Auftritt und Wirkung an. Im Beck-Verlag sind von ihnen bisher vier Bücher in der Beck-kompakt-Reihe erschienen: „Small Talk“, „Networking mit Xing, Facebook & Co.“, „Mitarbeitergespräche“ sowie „Körpersprache: Wahrnehmen, erkennen, deuten“.

Die aktuelle Website zum Thema Körpersprache finden Sie hier:

www.koerpersprache-aktuell.de

Fotonachweise:

Für die Fotos standen die beiden Autoren Caroline Krüll und Dr. Christian Schmid-Egger Modell. Zu besonderem Dank sind wir der Fotografin Jenny Sieboldt (www.jenny-sieboldt.de) sowie der Maskenbildnerin Monique Prägitzer, beide aus Berlin, verpflichtet.

11. Warum ist Körpersprache so wichtig?


Drei Menschen – drei Charaktere

Zu Beginn dieses Buches möchten wir Ihnen drei Menschen vorstellen: Anke Grün, Michael Rot und Carsten Blau. Diese Menschen werden wir einen ganzen Arbeitstag lang begleiten. Sie sind unsere Protagonisten, die Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, demonstrieren werden, was es mit Körpersprache auf sich hat. Alle drei Menschen arbeiten zusammen in einem ganz normalen Unternehmen, wie es in Deutschland Zehntausende gibt. Sie haben dort verschiedene Positionen und erleben all die Dinge, die auch Sie tagtäglich erleben, wenn Sie mit Menschen zusammenarbeiten. Ein Tag besteht aus Meetings, aus Kundengesprächen, aus Konflikten, aus Konfliktlösungen, aus der Mittagspause, aus Gesprächen mit den Kollegen, aus Gesprächen mit dem Chef, aus Gesprächen mit einem Mitarbeiter und aus vielen anderen Situationen.

In all diesen Situationen spielt die Körpersprache eine wesentliche Rolle. Und genau darum geht es in diesem Buch. Zusammen mit Frau Grün, Herrn Rot und Herrn Blau erleben Sie diesen Arbeitstag mit und erfahren, welche große Bedeutung die Körpersprache dabei hat. Und natürlich erfahren Sie auch, was Sie daraus für Ihr eigenes Leben mitnehmen können und wie Sie Ihre eigene Körpersprache verbessern können.

Warum stellen wir Ihnen ausgerechnet drei Menschen vor? Und warum sind sie nach Farben benannt? Das hat einen einfachen Grund. In der Verhaltenspsychologie setzt sich immer stärker die Erkenntnis durch, dass wir Menschen nicht von Grund auf gleich sind, sondern unterschiedlichen „Grundtypen“ des Verhaltens angehören. Diese grundlegenden Verhaltenstypen sind von Geburt an in uns festgelegt und ändern sich im Laufe unseres Lebens kaum noch. Jeder von uns entspricht einem solchen Grundtyp, der sich bis in die Körpersprache hinein auswirkt. In herkömmlichen Büchern und Modellen über Körpersprache spielten diese Verhaltenstypen bisher keine Rolle. Diese Information kann jedoch sehr viel dazu beitragen, die Körpersprache Ihres Gegenübers besser zu verstehen.

2Dazu noch drei Anmerkungen. Unsere Modelle stammen nicht aus der Psychologie, sondern aus der modernen Gehirnforschung: Diese hat inzwischen sehr gute Vorstellungen darüber gewonnen, wie Verhalten und Körpersprache entstehen und wie sie mit unseren Gedanken zusammenhängen. Wir beziehen uns weitgehend darauf.

Zum Zweiten ist das Erkennen solcher Typen in der Praxis nicht immer einfach. Frau Grün, Herr Rot und Herr Blau sind extreme Vertreter ihres jeweiligen Verhaltenstypus. Wenn dieser in Ihrem Kollegenkreis vorkommt, werden Sie ihn sehr schnell erkennen. Doch viele Menschen sind Mischtypen, bei denen zwei oder gar alle drei Grundtypen das Verhalten sehr stark bestimmen. Hier wird das Erkennen und Deuten der spezifischen Körpersprache schon schwieriger. Dennoch gelingt das mit etwas Übung ebenfalls.

Zum Dritten überzeichnen wir die Typen bewusst, damit Sie als Leser besser verstehen, welches die Hauptcharakterzüge dieser Personen sind.

Zuerst möchten wir Ihnen jedoch unsere Protagonisten kurz vorstellen.

Anke Grün

Anke Grün arbeitet in unserem fiktiven Unternehmen in der Personalabteilung. Sie leitet dort ein kleines Team und ist mit den verschiedenen Aufgaben betraut, die im Personalbereich anfallen. Sie ist verheiratet, hat zwei schulpflichtige ältere Kinder und wohnt in einem kleinen Reihenhäuschen in einem netten Wohngebiet in der Stadt. Anke Grün ist Anfang 40, hat ein freundliches, offenes Gesicht, schulterlange dunkle Haare und kämpft wie viele in ihrem Alter stets gegen ein paar überflüssige Pfunde an. Dennoch ist sie gut in Form und schafft immer wieder mal den Abstecher ins Fitnessstudio. Dort ist ihr neben dem Sport auch besonders wichtig, ein paar Freundinnen zu treffen und anschließend noch einen Kaffee an der Bar zu trinken. Anke Grün ist stets offen für Neues, liebt ausgefallene Ideen und fährt jedes Jahr an ein anderes Urlaubsziel, möglichst weit weg von Deutschland. Sie hat einen neueren japanischen Kleinwagen. Insgesamt macht sie sich wenig aus Autos und sieht sie eher als praktische Vehikel an.

3Michael Rot

Michael Rot ist der Chef. Er leitet das Unternehmen. Das tut er schon seit drei Jahren, auch vorher war er in einer wichtigen Führungsposition. Er ist Mitte 40, verheiratet und hat einen Sohn. Er wohnt im Westen der Stadt in einer besseren Gegend. Seinem Haus und seinem Garten, der direkt an einem kleinen See liegt, sieht man an, dass er es zu etwas gebracht hat. Aufwendige Garteninstallationen, ein pompöses schmiedeeisernes Tor, teure Sicherheitsfenster fallen sofort ins Auge. Zur Arbeit fährt er meist mit seinem Porsche-Cayenne-Geländewagen.

Michael Rot ist ein sportlicher und durchtrainierter Typ mit federndem Gang, kurz geschnittenen Haaren und kantigen Gesichtszügen. Seine Fitness pflegt er auf dem Tennisplatz und im heimischen Fitnessraum im Keller. Seine Ehefrau ist attraktiv, doch sonst eher unauffällig. Den Urlaub verbringt er entweder beim Segeln oder mit einem Freund in dessen Villa in Südspanien. Dort geht es auch immer ums Geschäft. Im Winter fährt er regelmäßig zum Skifahren in bekannte High-Society-Gebiete.

Carsten Blau

Carsten Blau ist Controller aus Leidenschaft. Zahlen, Daten und Fakten sind sein Leben und diese hat er stets gut im Griff. Carsten ist ein eher hagerer Typ mit asketischen Gesichtszügen und einer langen, schmalen Nase sowie einer hohen Stirn. Zusammen mit seiner Frau, einer Buchhalterin, und ihrer 16-jährigen Tochter, die leidenschaftlich Geige spielt, wohnt die Familie am Stadtrand zur Miete. Ein Auto haben sie nicht, weil Carsten im Sommer mit dem Fahrrad und im Winter mit der U-Bahn zur Arbeit fährt. Das hält ihn auch ausreichend fit und spart Geld. Im Urlaub treffen wir die Familie stets auf demselben Campingplatz an der holländischen Nordseeküste an. Dafür leihen sie sich immer das Auto von Carstens Bruder aus.

IMG

Menschen neu kennenlernen

Nehmen Sie ein Blatt Papier und schreiben Sie die wesentlichen Merkmale von fünf bis zehn Kollegen, Mitarbeitern oder Kunden auf, mit denen Sie regelmäßig zu tun haben. Dazu zählen Kleidung, Hobbys, Charaktereigenschaften und typische Verhaltensweisen. Überlegen Sie außerdem, was Ihnen an der Körpersprache 4dieser Menschen auffällt. Füllen Sie das Blatt ggf. auch ein paar Tage später aus, wenn Sie Gelegenheit hatten, diese Menschen nochmals genauer zu beobachten. Mit dieser Übung lernen Sie vor allem, Menschen genauer zu beobachten und auf Besonderheiten zu achten. Weiter unten im Buch geht es dann mit dieser Übung weiter.

Ihr Check: Wie gut können Sie Köpersprache lesen?

Mit dem folgenden Test können Sie ermitteln, wie gut Sie sich bereits mit Körpersprache auskennen. Wir haben diesen Check in Form eines Multiple-Choice-Tests dargestellt.

  1. Ihr Gesprächspartner vor Ihnen verschränkt die Arme. Was geht in ihm vor?
    1. Er lehnt Sie ab.
    2. Er schenkt Ihnen seine gesamte Aufmerksamkeit
    3. Sie können das nicht beurteilen.
  2. Ihr Gesprächspartner ist Rechtshänder. Er erzählt eine Erfolgsstory aus seinem Job und schaut dabei immer wieder in die – von Ihnen aus gesehen – rechte obere Ecke.
    1. Er ist ein toller Hecht und Sie glauben ihm alles.
    2. Er flunkert, und zwar kräftig.
    3. Sie können das nicht beurteilen.
  3. Sie beobachten einen Redner auf der Bühne. Er steht breitbeinig da und hält sich die Hände auffällig vor den Schritt, als gäbe es dort etwas zu verbergen.
    1. Super selbstsicherer Typ, der was hermacht.
    2. Ängstlicher Typ, der das aber krampfhaft zu verbergen sucht.
    3. Vielleicht ist sein Reißverschluss kaputt.
  4. Der nächste Redner ist dran, ein mittelständischer Unternehmer. Er erzählt sehr emotional davon, wie sehr ihm das Wohl seiner Mitarbeiter am Herzen liegt. Dabei ist seine linke Hand die gesamte Zeit über in seiner Hosentasche versenkt.
    1. Sie hoffen, dass er endlich das findet, was er sucht.
    2. Solche Unternehmer mit Herz brauchen wir. Ein Vorbild.
    3. Sie glauben ihm nicht.
  5. Sie sind Personaler und führen ein Bewerbungsgespräch. Auf Ihre Fragen hin erzählt Ihr Gegenüber, was ihm besonders wichtig ist. 5Dabei beobachten Sie die folgenden körpersprachlichen Gesten. Was ist dem Bewerber wirklich wichtig?
    1. Er liebt den Umgang mit anderen Menschen. Während er das sagt, geht sein Blick nach unten rechts.
    2. Er arbeitet am liebsten am Computer und wertet Tabellen aus. Dabei legt er seine Stirn in drei deutliche Falten.
    3. Er würde gerne Karriere machen und bald ein Team führen. Seine Beine drehen sich in diesem Moment leicht zur Seite, die Fußspitzen zeigen zur Tür.
  6. Sie sitzen diesem Bewerber immer noch gegenüber. Sie überlegen gerade, ob er in Ihr Vertriebsteam passt.
    1. Er passt hervorragend.
    2. Er passt nicht.
    3. Sie können es nicht beurteilen.
  7. Auf einem Empfang treffen Sie einen Typen mit langen Haaren, die er in einen modischen Pferdeschwanz zurückgebunden hat. Bekleidet ist er mit einem knallgrünen Sakko. Dazu trägt er teure italienische Designerschuhe. Er soll wichtig sein, und Sie wollen ihn ansprechen. Welche Einleitung kommt bei ihm am besten an?
    1. Hi, ich bin der Gastgeber und mir gehört der ganze Laden hier. Wollen Sie mal die oberen Räume mit den ganzen Extras sehen?
    2. Ihr Sakko finde ich ganz toll. Sicher hat es eine Weile gedauert, bis Sie genau diese Farbe gefunden haben?
    3. Ihr Sakko finde ich ganz toll. Das hat bestimmt eine Stange Geld gekostet. Oder haben Sie irgendwo ein Schnäppchen machen können?
  8. Der Empfang geht noch weiter. Jetzt treffen Sie einen dynamisch auftretenden Menschen mit einer sportlichen Kurzhaarfrisur, der Ihnen bei der Begrüßung fast die Hand zerquetscht. Er trägt ein teures Jackett. Auch hier probieren Sie wieder Ihre drei Fragen. Welche passt diesmal am besten, A, B oder C?
  9. Jetzt ist Händeschütteln mit dem Team aus der neuen Agentur dran. Zwei Handschläge sind ganz normal, doch der dritte, Herr Maier, streckt zur Begrüßung den gestreckten Arm aus und schüttelt die Hand auch so.
    1. Sie machen sich keine weiteren Gedanken dazu.
    2. Herr Maier braucht wohl noch etwas Zeit. Sie konzentrieren sich im Gespräch auf die beiden anderen.
    3. Herr Maier braucht im Gespräch besondere Aufmerksamkeit. Sie konzentrieren sich besonders auf ihn.
  10. 6Sie sitzen in einer harten Verkaufsverhandlung. Beim dritten Versuch, noch einen Kompromiss hinzubekommen, lehnt sich ihr Partner auf einmal zurück, verschränkt die Arme vor dem Oberkörper, zieht die Schulter leicht zusammen und senkt den Kopf etwas. So schaut er Sie jetzt an. Was ist passiert?
    1. Das war der Durchbruch.
    2. Auch dieser Versuch ging daneben, und zwar gründlich.
    3. Sie interessieren sich nicht dafür, was er macht, denn er wird es Ihnen schon sagen.

Und hier ist die Auflösung. Zählen Sie Ihre richtigen Antworten jetzt zusammen.

Frage 1: C ist richtig.

Frage 2: B ist richtig.

Frage 3: B ist richtig.

Frage 4: C ist richtig.

Frage 5: B ist richtig.

Frage 6: B ist richtig.

Frage 7: B ist richtig.

Frage 8: A ist richtig.

Frage 9: B ist richtig.

Frage 10. B ist richtig.

Hand aufs Herz: Wie viele Aufgaben konnten Sie lösen? Wir ersparen Ihnen hier die Auswertung nach Punkten, denn unser Buch wollen Sie ja auf jeden Fall lesen. Dort werden wir im Einzelnen erläutern, was es mit diesen und anderen Situationen auf sich hat. Unsere Aufgaben betreffen dabei ganz normale Situationen, wie Sie sie im Businessalltag tagtäglich vorfinden. Je besser Sie dabei die Körpersprache Ihres Gegenübers deuten können, desto sicherer werden Sie in Ihren Beurteilungen und Entscheidungen.

Um Ihnen jedoch ein langes Blättern im Buch zu ersparen, werden wir hier alle Fragen kurz kommentieren. Die Hintergründe dazu finden Sie weiter unten in den entsprechenden Kapiteln.

Frage 1

Wenn jemand nur die Arme verschränkt, können Sie daraus noch gar nicht schließen. Diese Geste kann mehrere Bedeutungen haben, die Sie sich nur aus dem Zusammenhang oder aus weiteren Körperzeichen erschließen können.

7Frage 2

Die Augen verraten, wo jemand in seinen Gedanken ist. Wenn ein Rechtshänder nach oben links schaut, konstruiert er etwas. Wenn er seine tollen Geschichten selbst erlebt hat, müsste er sich jedoch daran erinnern. Beim Erinnern würde er jedoch nach oben rechts schauen.

Doch Vorsicht: bei Linkshändern sind die Richtungen oft vertauscht.

Sie müssen die Person daher erst eichen. Wie das geht, erfahren Sie weiter hinten im Buch.

Frage 3

Breitbeinig dastehen ist ein Zeichen von Dominanz. Wer dabei jedoch mit seinen Händen seine Weichteile schützt, ist unsicher und täuscht seine Dominanz nur vor. Echte Cowboys stehen anders da.

Frage 4

Wer seine linke Hand, die Gefühlshand, in der Tasche versteckt, ist in solchen Momenten auf der Gefühlsebene nicht mit seinen Gedanken verbunden. Er steht wahrscheinlich nicht hinter dem, was er sagt.

Frage 5

Die Querfalten auf der Stirn heißen auch Wichtigkeitsfalten. Wir machen Sie immer dann, wenn uns etwas wirklich am Herzen liegt. Die beiden anderen genannten Zeichen sind Unsicherheitszeichen.

Frage 6

Der Bewerber passt nicht in Ihr Vertriebsteam. Nach seiner Körpersprache zu schließen, scheut er menschliche Kontakte und ist nicht ehrgeizig. Beides sind jedoch Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tätigkeit im Vertrieb. Natürlich sollten Sie diese Diagnose noch über weitere Anzeichen absichern.

Frage 7

Menschen mit Pferdeschwanz und einem grünen Sakko sind vermutlich sehr kreativ/innovativ und benötigen viel Anerkennung. Wenn Sie eines von beiden oder beides ansprechen, haben Sie eine gute Chance, dort auch zu landen. Teure Exklusivität oder Geld interessiert meist weniger.

Frage 8

Dieser Typ ist dominant sowie an Statussymbolen interessiert. Diesen Menschen können Sie sehr wohl mit Ihren Erfolgen und Ihrem Status beeindrucken. Kann nur sein, dass er Ihnen nach der Hausbesichtigung 8unverblümt sagt „meiner ist größer“. Damit meint er natürlich sein Büro, sein Auto oder seine Jacht.

Frage 9

Menschen, die Sie mit ausgestreckter Hand begrüßen, signalisieren damit Abstand. Geben Sie Ihnen die Zeit, bis sie sich selbst ins Meeting integrieren. Alles andere würde noch mehr Abstand oder sogar Ablehnung auslösen.

Frage 10

In dieser Zeichenfolge bedeuten die verschränkten Arme nichts Gutes. Hier hat jemand auf Ablehnung geschaltet.

IMG

Abb. 1: Wer auf diese Weise steht, ist nicht dominant, sondern schützt sich unbewusst. Daher wirkt diese Haltung nicht sehr souverän.

Morgens in der Firma

IMG

Michael Rots Auftritt

Gegen Neun Uhr fährt Michael Rot mit seinem Cayenne auf seinen Parkplatz unmittelbar vor dem Firmeneingang, steigt schwungvoll aus seinem Wagen, schnappt sich seine elegante Boss-Selection-Aktentasche und geht zielstrebig und mit festen, weit ausholenden Schritten ins Gebäude. Huldvoll grüßt er im Vorbeigehen ein paar Leute mit kurzem, angedeutetem Kopfnicken.

9Seit er den neuen Unternehmensberater hat, weiß er, dass der persönliche Kontakt zu seinen Leuten wichtig ist. Daher macht er einen kurzen Schwenk zum neuen Pförtner, reicht ihm kurz die Hand und schüttelt sie einmal sehr bestimmt. Etwas merkwürdig dabei ist, dass er die Hand des Pförtners sichtbar nach unten drückt. Zudem bleibt sein Arm lang ausgestreckt.

Die zwei Herren im Anzug, die Dame im Businesskostüm sowie den neuen Lehrling im Wartebereich der Empfangshalle, der gerade eine Schautafel aufbaut, übersieht er einfach. Ja, er dreht seinen Körper sogar noch einen Tick von ihnen weg, als er an der Wartebank vorbei eilt. Dann verschwindet er im Lift und fährt nach ganz oben in sein elegantes Büro mit schickem Ausblick auf den Park.

IMG

Anke Grün kommt in die Firma

Kurz nach ihm kommt Anke Grün. Sie parkt irgendwo recht weit entfernt vom Eingang, weil sie immer noch nicht durchgesetzt hat, endlich einen eigenen Parkplatz zu bekommen. Doch letztendlich ist es ihr auch nicht wichtig. Sie betritt das Gebäude auch nicht alleine, sondern zusammen mit einem Kollegen aus dem Marketing. Beide sind in ein angeregtes Gespräch verwickelt.

Am Empfang geht Anke Grün sofort auf den Pförtner zu, schüttelt im etwa viermal die Hand, wobei sie den Arm stark anwinkelt und den Pförtner etwas zu sich heranzieht, und macht etwas Small Talk. Der Pförtner weist sie auf die Gruppe im Wartebereich hin. Dunkel dämmert ihr, dass heute ja ein wichtiger Termin mit einer Personalberatungsfirma ansteht, die eine Reorganisation der Einstellungsverfahren vornehmen soll. Das ist ihr Verantwortungsbereich.

Sie geht mit einem freundlichen Lächeln und sicheren Schritten auf die drei zu, streckt den Arm aus und will sie begrüßen. Dabei beginnt sie bei der Frau, die rechts außen steht. Doch der Typ in der Mitte mit der roten Krawatte macht ihr einen Strich durch die Rechnung. Er drängt sich an seiner Kollegin vorbei, schnappt Anke Grüns Hand und drückt kräftig zu. Dabei schaut er ihr fest und bestimmt in die Augen, stellt sich ihr als Dr. Alexander Löwe vor und sagt ein paar nette Worte. Seine Handfläche hält er so, dass der Handrücken schräg nach oben zeigt und seine Hand ihre beim Schütteln nach unten drückt. Aha, denkt sich Anke Grün.

Gleich danach ist die Kollegin dran. Sie gibt die Hand eher verhalten. Sie hat ebenfalls einen forschen Händedruck, doch längst nicht so bestimmend wie ihr Vorgänger. Ihre Handfläche ist gerade ausgerichtet. Dennoch spürt Anke Grün ganz kurz, dass die Personalberaterin ihre Hand so krümmt, dass ein Hohlraum zwischen ihren beiden Handflächen bleibt. Sie sagt nur kurz „Hallo“ und schaut zudem kurz zur Seite. Dabei sind ihre Fußspitzen so merkwürdig von Herrn Löwe weggedreht und auch ihre rechte Schulter schiebt sie deutlich nach vorne, wie um sich von Herrn Löwe abzuwenden.

Der dritte im Bunde, der sich schon bei der Begrüßung der beiden anderen im Hintergrund gehalten hat, reicht Anke Grün eher widerwillig die Hand und streckt seinen Arm dabei weit aus. Das Händeschütteln verläuft sehr flüchtig und kurz. Anke Grün bittet die drei noch kurz zu warten und verspricht ihnen, dass sie gleich abgeholt und zum Konferenzraum geführt werden. Dann eilt auch sie in ihr Büro.

10Carsten Blau ist unauffällig hereingekommen

Herrn Blau haben wir heute noch nicht gesehen. Wie immer war er morgens der Erste, lief unauffällig und mit eher bedächtigen und kleinen Schritten am Pförtner vorbei, um wortlos im Lift und später in seinem praktisch eingerichteten Büro zu verschwinden.

Informationen gewinnen

„Na und?“, werden Sie fragen, solche Szenen passieren tagtäglich in jedem Unternehmen, was ist daran so besonders? Spannend wird es doch erst im Meeting, die Begrüßung vorher ist immer dasselbe Ritual und ohne Belang. Man schüttelt sich eben die Hand und begrüßt sich, das ist so, war schon immer so und wird auch immer so sein.

Weit gefehlt. Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, wird die Begrüßung fremder Menschen für Sie nie mehr so sein wie bisher. Denn wir geben Ihnen einen Schlüssel an die Hand, mit dem Sie diese Menschen auf einfache Weise verstehen können. Sie können erfahren, wie fremde Menschen ticken und wie Sie sie zu nehmen haben. Das ist ein unschätzbarer Vorteil, wenn Sie mit der Person verhandeln oder mit ihr ein schwieriges Gespräch führen müssen.

Schauen wir uns das im Detail an. Welche Informationen stecken in der Begrüßung? Beginnen wir mit Anke Grün und ihrer Wahrnehmung. Sie hat über ihre drei späteren Gesprächspartner bereits eine ganze Reihe wichtiger Informationen erhalten, die sie im kommenden Gespräch nutzen wird. Schauen wir uns ihre Gesprächspartner der Reihe nach an.

Ihr erster Kontakt mit der roten Krawatte, Dr. Alexander Löwe, hat sich in der Gruppe eindeutig als Chef geoutet. Er hat seine Kollegin brüskiert, sofort die Initiative ergriffen und den Kontakt zu Anke Grün hergestellt. Mit seinem Händedruck hat er ganz klar Führung signalisiert, aber auch seine Dominanz deutlich zur Geltung gebracht, indem er ihre Hand nach unten drückt. Sein klarer Blick signalisiert zudem, dass er ganz genau weiß, was er will. Frau Grün ist sich jetzt bewusst, dass Herr Löwe versuchen wird, das spätere Gespräch zu dominieren. Innerlich wappnet sie sich bereits und nimmt sich vor, sich von Herrn Löwe nicht überfahren zu lassen.

11Gleichzeitig weiß sie, dass ihr Chef, Michael Rot, genauso dominant ist. Das bedeutet, dass sich beide vielleicht in die Wolle kriegen könnten. Daher stellt sie sich darauf ein, im Gespräch vermitteln oder sogar deeskalieren zu müssen.

Auch die Mitarbeiterin von Herrn Löwe, nennen wir sie hier Frau Blume, ist nicht ohne. Anke Grün hat mehrere Signale erhalten: Das erste war die hohle Hand beim Händeschütteln. Frau Blume wird sich emotional nicht auf sie einlassen und sich ihr gegenüber vielleicht sogar zurückhalten. Sympathie auf den ersten Blick ist das nicht. Zudem weiß Anke Grün, dass ein latenter Konflikt zwischen Herrn Löwe und Frau Blume besteht. Das hat sie an der Art gesehen, wie sich die beiden voneinander abwandten. Gleichzeitig hat sie dem unsicheren Blick entnommen, dass sich Frau Blume nie gegen Herrn Löwe durchsetzen wird. Doch zwischen ihnen beiden, Anke Grün und Frau Blume, steht es durchaus noch unentschieden.

Vermutlich, doch das interpretiert sie jetzt, wird Frau Blume von Herrn Löwe ständig überfahren, ist es leid und kann sich nicht dagegen wehren. Ihre Antipathie hat sie dann vermutlich spontan auf Anke Grün übertragen, weil diese von ihrem Chef durchaus wohlwollend begrüßt wurde. Na toll, denkt sich Anke Grün. Zwei Konflikte sind im folgenden Gespräch schon vorprogrammiert, der zwischen den beiden Chefs sowie der zwischen Herrn Löwe und Frau Blume.

Bleibt noch der dritte im Bunde, der bisher kaum aufgefallen ist. Wir nennen ihn hier Herr Klein. Herr Klein hat ebenfalls ein paar deutliche Signale gesetzt. Sein ausgestreckter Arm signalisierte bei der Begrüßung, dass er erst einmal Abstand will und seine Rolle vor allem im Hintergrund sieht. Zu seinen beiden Kollegen steht er offensichtlich neutral. Anke Grün speichert für sich ab, dass sie ihn erst einmal nicht ins Gespräch einbeziehen wird, ihn aber im Auge behält. Vermutlich ist seine Rolle auf den Faktengeber im Hintergrund beschränkt.

Wahrscheinlich denken Sie, wir übertreiben, weil es niemals möglich ist, so viele Informationen in so kurzer Zeit zu gewinnen? Nein, wir übertreiben nicht. Es ist durchaus möglich, diese Informationen beim ersten Eindruck wahrzunehmen und sie auch für das spätere Meeting oder Gespräch zu nutzen. Sie können aus diesen Informationen zudem zahlreiche Vorteile ziehen: Im aktuellen Beispiel kann sich Anke Grün den gesamten Gesprächsverlauf vorstellen und kennt die Fallstricke, die sie erwarten. Sie wird also mit den Personen entsprechend 12umgehen und hat damit die Möglichkeit, das Gespräch zu einem guten Abschluss zu führen. Denn solche Gespräche scheitern selten am Inhalt, doch sehr oft genau an den zwischenmenschlichen Problemen, wie sie hier vielleicht auftreten können.

Ein Vertriebsmitarbeiter kann mit diesen Informationen seine Kunden sehr viel besser einschätzen. Wenn die drei hier geschilderten Gäste Kunden wären, würde er jeden der drei anders behandeln und damit wahrscheinlich einen erfolgreichen Abschluss erreichen. Wie das geht, erläutern wir später.

Warum Körpersprache verstehen?

Welchen Nutzen haben wir davon, wenn wir Körpersprache lesen können? Schauen wir uns dazu das obige Beispiel noch einmal genauer an.

IMG

Was wäre wenn… Herr Rot auf Herrn Klein träfe?

Stellen wir uns vor, dass Michael Rot alleine auf Herrn Klein träfe. Die Begrüßung fiele gleich aus und Herr Rot wollte Herrn Klein etwas verkaufen. Er würde nicht auf den Handschlag und den weit ausgestreckten Arm achten.

Michael Rot wird im Gespräch wahrscheinlich schnell die Führung übernehmen und zielstrebig auf das zentrales Thema des Gesprächs zusteuern. Weil er vielleicht glaubt, dass in den Vorgesprächen alles Wesentliche erledigt wurde und er selbst ein forscher Typ ist, drängt er Herrn Klein zum Abschluss. Ganz am Rande schaut er vielleicht noch auf die Füße seines Gegenübers und wundert sich kurz, dass diese so merkwürdig von ihm weggedreht sind und zur Tür zeigen.

Das Gespräch misslingt. Irgendwann blockiert Herr Klein den weiteren Ablauf, und Michael Rot ist gezwungen, den Termin abzubrechen und zu vertagen.

Was ist passiert? Er kann es sich nicht erklären. Doch hätte er stärker auf die Körpersprache seines Gegenübers geachtet, dann wüsste er ganz genau, was passiert ist. Denn von dort kamen deutliche Signale: Herr Klein war noch nicht warm mit ihm, er hätte mehr Zeit und Fakten gebraucht und wollte sich langsam an das Thema annähern. Doch Rot hat Klein einfach überfahren und dieser war irgendwann überfordert und hat sich zurückgezogen. Wäre es Herrn Rot gelungen, dies vorher zu erkennen, dann hätte er den Gesprächsverlauf daran anpassen und das Gespräch vermutlich zu einem erfolgreichen Abschluss führen können.

IMG

13Was wäre wenn… Herr Rot auf Herrn Löwe träfe?

Ganz anders, wenn Michael Rot als Vertriebler auf Herrn Löwe getroffen wäre. Beide sind zwar dominant, doch sie ticken ähnlich. Ihr Händedruck wäre kräftig gewesen, vielleicht hätten sie beide kurz ihre Handflächen gedreht, um auszuprobieren, wer „die Oberhand“ gewinnt, doch wahrscheinlich hätten sie es sportlich gelöst, und wären spontan und herzlich aufeinander zugegangen. Die forsche Vorgehensweise von Rot wäre hier genau das Richtige. Löwe würde sich darauf einlassen, weil er die Situation dennoch kontrolliert und Einwände gut formulieren kann. Die beiden wären vermutlich zu einem schnellen und guten Ergebnis gekommen.

Das alles lässt sich aus einem Händedruck ablesen! Natürlich ist das noch keine Gewähr dafür, dass man seine Strategie wirklich so detailliert planen kann und damit ein positives Gesprächsergebnis erzielt. Doch Sie können grobe Fehler vermeiden. Und diese Fehler passieren immer wieder und führen häufig zu persönlichen Konflikten, zu gescheiterten Verhandlungen und zu Frust auf beiden Seiten.

Das Lesen von Körpersprache ist deshalb so wichtig, weil wir daraus Informationen erhalten, die wir auf der verbalen Ebene, also durch das, was der andere in einem Gespräch sagt, nicht bekommen. Diese Informationen können von entscheidender Bedeutung für uns sein. Gerade im Business führen wir oft tagtäglich Gespräche, von denen viel abhängt. Als Führungskraft muss ich meinen Mitarbeiter verstehen und überzeugen, damit mein Team oder meine Abteilung reibungslos funktioniert. Als Vertriebsmitarbeiter muss ich Kunden überzeugen und zu einem Kauf bringen. Als Mitarbeiter und Kollege muss ich täglich mit Kollegen umgehen und für einen reibungslosen Ablauf in den täglichen Anforderungen des Jobs sorgen. Bei all diesen Situationen bin ich darauf angewiesen, so viele Informationen wie möglich über meinen Gesprächspartner zu erhalten. Denn nur, wenn ich alle relevanten Informationen nutze, werde ich auch auf Dauer erfolgreich sein. Und Körpersprache bietet uns sehr viele relevante und sehr nützliche Informationen.

Körpersprache verschafft einen direkten Zugang zu den Gefühlen eines Menschen. Sie verrät, was der andere wirklich denkt, wenn wir mit ihm reden. Oder wir erfahren, wenn der Gesprächspartner im Laufe des Gesprächs Unbehagen verspürt. Wenn dieses Unbehagen ganz unvermittelt auftritt, kann es durch eine aktuelle Wendung im Gespräch verursacht worden sein. Wenn es die ganze Zeit über vorherrscht, kann es auch andere Ursachen haben und entweder beim Gesprächspartner selbst liegen. Oder es hat mit der Situation überhaupt 14nichts zu tun, weil der Gesprächspartner ein schwerwiegendes Problem mit sich herumträgt.

IMG

Wie fühlt sich ein Händedruck an?

Achten Sie in den nächsten Tagen bewusst auf den Händedruck von Menschen, die Sie neu treffen. Was fällt Ihnen alles auf? Wie wird die Hand gehalten? Wie reagieren Sie auf die verschiedenen Menschen? Wer wirkt angenehm, wer unangenehm? Weiter hinten im Buch finden Sie dann ausführliche Erläuterungen zum Thema Handschlag.

Doch auch wenn Sie die Ursache nicht kennen, können Sie darauf reagieren. Sie können bei Störungen, die Sie an der Körpersprache erkennen, mit verschiedenen Varianten reagieren und sehen, wie der andere sich dann verhält. Zeigt seine Körpersprache weiterhin Stresssymptome, so war Ihr Versuch, das Problem zu beheben, nicht erfolgreich. Doch wenn er sich auf einmal entspannt und deutliche Zeichen von Wohlbehagen zeigt, liegen Sie richtig und können diese Gesprächsstrategie erfolgreich fortsetzen.

Nachfolgend führen wir einige Beispiele von Situationen auf, in denen Sie mit einer profunden Kenntnis von Körpersprache sehr deutliche Vorteile erreichen können.

Das Vorstellungsgespräch

Als Mitarbeiter einer Personalabteilung oder als Führungskraft gehören Vorstellungsgespräche zu Ihren regelmäßigen Aufgaben. Das Problem dabei ist komplex. Sie treffen einen Menschen, den Sie vorher meist noch nie gesehen haben, und wissen über ihn nur, was in der Bewerbung steht oder was Sie in telefonischen Vorgesprächen erfahren haben. Sie sollen diesen Menschen jetzt innerhalb von 60 Minuten darauf hin überprüfen, ob er in Ihr Unternehmen oder in Ihr Team passt. Eine Fehleinschätzung kann folgenreich und auch teuer werden. Auf der verbalen Ebene wird sich diese Person vielleicht einigermaßen gut schlagen und Ihnen viele positive Dinge erzählen. Doch stimmt das auch alles?

Hier kommt Ihr Wissen um Körpersprache ins Spiel. Zwar können Sie nicht herausfinden, ob der andere wirklich lügt. Denn das Thema „Lüge“ ist sehr komplex. Aber Sie können herausfinden, wie sich der andere bei seinen Aussagen fühlt. Wenn Sie Ihren Probanden zum 15Beispiel fragen, wie dessen Verhältnis zu seinem letzten Arbeitgeber war, und Sie auf einmal Stresssymptome feststellen, ist allerhöchste Vorsicht angebracht. Dies gilt insbesondere dann, wenn Ihnen der Bewerber dazu schöne Geschichten von seiner letzten Arbeitsstelle erzählt, die überhaupt nicht mit den körpersprachlichen Zeichen zusammenpassen. Wenn Ihr Verdacht nun geweckt ist, können Sie durch gezieltes Nachfragen die volle Wahrheit erfahren. Doch wenn Sie die Zeichen ignorieren, fallen Sie vielleicht auf eine konstruierte Geschichte des Bewerbers herein.

Das Verkaufsgespräch

Im Verkaufsgespräch geht es darum, einen Kunden davon zu überzeugen, Produkte oder Dienstleistungen zu kaufen. Das ist eine komplexe Aufgabe, weil sich Kunden vor allem aus emotionalen Beweggründen entscheiden, auch wenn sich das Gespräch in vielen Fällen vor allem auf der Ebene der Fakten bewegt. Ein Vertriebsmitarbeiter, der die Körpersprache seines Kunden lesen kann, ist dabei deutlich im Vorteil. Denn er sieht, wie das Gespräch läuft, wie sich sein Kunde fühlt, ob es Störungen oder unausgesprochene Einwände gibt oder ob der Kunde bereit zum Abschluss und zum Kauf ist. Er kann seine Gesprächsführung daran anpassen, was ihn viel erfolgreicher machen wird als seine Kollegen, die sich nur auf das gesprochene Wort verlassen.

Das Mitarbeitergespräch

Mitarbeitergespräche sind ein regelmäßiges Ritual, von dem mitunter viel abhängt. Häufig geht es um Bewertungen von Mitarbeiterleistungen oder ein Konfliktgespräch muss geführt werden. Hier ist die Führungskraft meist in der stärkeren Position. Doch in vielen Fällen will die Führungskraft auch etwas vom Mitarbeiter – und sei es nur eine weiterhin gute Motivation im Job. In diesem Fall ist die Führungskraft auf Kooperation angewiesen, beide verhandeln meist auf Augenhöhe. Doch auch für einen Mitarbeiter kann es um viel gehen. Er will vielleicht mehr Gehalt, verbesserte Arbeitszeiten, will seinen Chef von einer guten Idee überzeugen oder hat ein anderes Anliegen. Somit sind Mitarbeitergespräche mitunter heikle und schwierige Situationen.

IMG

16Abb. 2: Die beiden Gesprächspartner sitzen entspannt und einander zugewandt. Der Partner rechts hat eine neutrale Haltung eingenommen. Die Oberschenkel und das Gesäß ruhen fest auf dem Stuhl, die Füße stehen mit den ganzen Sohlen auf dem Boden. Die Partnerin links ist leicht vorgebeugt, ihr oberes Knie zeigt auf den Gesprächspartner und nicht von ihm weg. Unbewusst sucht sie damit den Kontakt zum Gesprächspartner.

Wie kann das Wissen um Körpersprachen hier nützlich sein? Sie ahnen es wahrscheinlich bereits: Wie in den vorangegangenen Beispielen erfahren Sie auch hier eine Menge über Befindlichkeiten und die Gedanken Ihres Gesprächspartners. Daraus können Sie dann sehr nützliche Hinweise zur Steuerung des Gesprächs entnehmen. Ein kleines Beispiel:

IMG

Ein Gespräch mit dem gestressten Chef

Sie kommen zu Ihrem Chef und wollen ihn von einer Änderung im Arbeitsablauf überzeugen. Ihr Chef wirkt sehr gestresst, sitzt angespannt vorne auf seinem Stuhl, schaut ständig zur Tür und wirkt unkonzentriert. Das ist kein guter Zeitpunkt für ein solches Gespräch.

Wenn Sie das sehen, haben Sie zwei Möglichkeiten. Entweder schaffen Sie es, die Situation zu verändern und Ihren Chef sichtbar zu entspannen. Sichtbar, weil Sie diese Entspannung sehr deutlich an einer Veränderung in der Körperhaltung sehen können. Oder Sie vertagen das Gespräch unter einem Vorwand oder in dem Sie die Situation direkt ansprechen.

Die dritte Variante, das Gespräch mit Ihrem tollen Vorschlag auf Biegen und Brechen dennoch zu führen, wird ziemlich sicher danebengehen, weil Ihr Chef im Augenblick deutlich signalisiert, dass er nicht bereit und in der Lage ist, Ihnen in Ruhe zuzuhören.

Vielleicht denken Sie, dass Sie in den drei genannten Situationen sowieso merken würden, wenn etwas nicht stimmt und schon wüssten, 17wie Sie reagieren würden. Unsere Erfahrung sieht allerdings anders aus: Die meisten Menschen nehmen zwar intuitiv die körpersprachlichen Signale des Gegenübers wahr. Doch sie haben in der Regel verlernt, dieser Intuition zu vertrauen und sie zu nutzen. Häufig ist vielmehr zu beobachten, dass Menschen zwar ein leises Unbehagen verspüren, wenn etwas im Gespräch nicht stimmt, sich dann aber doch durch die Worte des Gesprächspartners überzeugen lassen – und das dann später vielleicht bereuen. Das liegt daran, dass wir seit der frühesten Jugend und auch in der Schule darauf getrimmt werden, auf sachliche Argumente und nicht auf emotionale Signale und Argumente zu vertrauen. Das ist ein Fehler.

Wer Körpersprache lesen kann, der kann seine Intuition in eine rationale und für das Bewusstsein verständliche Sprache übersetzen. Er kann die Zeichen, die von einem anderen Menschen ausgehen, wirklich deuten und bewusst darauf regieren. Das ist ein großer Vorteil, den die meisten Menschen nicht für sich nutzen.18

192. Wie entsteht Körpersprache?


Steinzeit im Büro

Bestimmen wir unser Verhalten wirklich selbst? Sind wir immer Herr der Lage und haben uns ständig im Griff? Seit der Philosoph René Descartes im 17. Jahrhundert die Zeit der Aufklärung begründet hat, setzte sich die Ansicht durch, dass der Mensch ein durch und durch vernunftbegabtes Wesen ist. Wir bestimmen mit unserer Ratio, die in unserer Großhirnrinde sitzt, was wir tun und sagen.

Erste Zweifel an dieser Ansicht äußerte bereits der Wiener Psychoanalytiker Sigmund Freud zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Er brachte das sogenannte „Unbewusste“ ins Spiel, ohne es allerdings noch richtig deuten zu können. Für ihn blieb es geheimnisvoll und schwer verständlich. Bis heute glauben viele Psychologen, dass das Unterbewusste höchstens eine untergeordnete Rolle bei dem spielt, was wir tun und wie wir uns verhalten.

Diese Vorstellung stellen moderne Hirnforscher gründlich infrage. Inzwischen gehen Wissenschaftler davon aus, dass das limbische System, ein Teil unseres Gehirns, der unter der Großhirnrinde verborgen und stammesgeschichtlich sehr viel älter als diese ist, zentralen Einfluss auf uns hat. Dieses „Reptiliengehirn“, wie es die Anatomen auch nennen, steuert und beeinflusst uns weit mehr, als uns das bewusst und vielen auch lieb ist. Doch wir bekommen das meist nicht mit, weil uns vieles von unserem täglichen Verhalten so normal und natürlich erscheint, dass wir einfach nicht mehr darüber nachdenken.

IMG

Das Reptiliengehirn rettet Ihr Leben

Stellen Sie sich dazu vor, dass Sie in Gedanken versunken eine Straße überqueren. Plötzlich rast ein großer, schwerer LKW auf Sie zu, den Sie einfach übersehen haben. Wenn Sie über ein normales Reaktionsvermögen verfügen, werden Sie wahrscheinlich innerhalb einer drittel bis halben Sekunde zur Seite springen und damit wahrscheinlich Ihr Leben retten. Der LKW rast an Ihnen vorbei.

Doch bis Ihr Bewusstsein diesen Vorgang registriert hat und Sie so richtig Angst bekommen, vergehen weitere drei Sekunden. Denn so lange dauert es, bis ein Außenreiz, hier der optische Eindruck des LKW, Ihre Großhirnrinde erreicht hat, 20dort einen Denk- und Analyseprozess durchläuft und sich das Großhirn zu einer Reaktion entschließt.

Wenn wir wirklich so vernunftbegabt wären, wie das Descartes postulierte, lägen Sie inzwischen unter dem LKW. Gerettet hat Sie das Reptiliengehirn. Es reagiert unmittelbar und fragt nicht lange nach Begründungen. In diesem Fall hat es das lebenserhaltende System „Flucht“ aktiviert. Nach Ihrer Rettung werden Sie jedoch kaum darüber nachdenken, sondern wie selbstverständlich davon ausgehen, dass Sie Ihr schnelles Reaktionsvermögen gerettet hat. Eine Heuschrecke ganz ohne Großhirn hätte sich jedoch genau mit demselben System im Gehirn und demselben Fluchtprogramm gerettet. In diesen Sekunden waren Sie hinsichtlich der Leistung Ihres Gehirns von der Heuschrecke nicht sehr weit entfernt.

Dazu noch ein weiteres Beispiel, das Ihnen den Einfluss Ihrer „alten“ Gehirnteile noch stärker verdeutlichen wird:

IMG

Michael Rot greift an

Stellen Sie sich vor, dass Michael Rot, die selbstbewusste Führungskraft, die wir Ihnen weiter oben bereits vorgestellt haben, morgens voller Schwung sein Büro betritt. Auf seinem Schreibtischstuhl lümmelt der neue Lehrling, der ihn so früh noch nicht erwartet hat.

Michael Rots spontane Reaktion wird vermutlich darin bestehen, dass er sich vor dem Lehrling aufbaut, die Arme in die Seiten stemmt und ihn mit lauter Stimme zurechtweist. Diese Reaktion erfolgt sehr spontan innerhalb von einer halben bis ganzen Sekunde. Das Großhirn ist dabei eindeutig nicht beteiligt. Denn die spontane Reaktion erfolgt aus dem Reptiliengehirn. Dieses reagiert mit dem Programm „Angriff“. Denn es sieht die Position von Michael Rot im Unternehmen bereits bedroht und entscheidet, den Störenfried sofort auszuschalten.

Diese Reaktion hat sich vermutlich in 100.000 Jahren Menschheitsgeschichte bewährt und bestimmt das unbewusste Denken noch immer, auch wenn sie im vorliegenden Fall sicher übertrieben ist. Hätte Michael Rot das Problem nur mit dem Großhirn analysiert, wäre die Reaktion sicher sehr viel moderater ausgefallen. Denn die Sache lohnt ja kaum den Aufwand.

Das Programm „Angriff“ ist in diesem Fall mit Aufplustern, sich größer machen – die Hände in die Hüften stemmen – und einer lauten Stimme hinterlegt. Diese körperliche Verhaltensweise kann Michael Rot sofort und wie auf Knopfdruck aktivieren, ohne dass er darüber nachdenken muss. Kommt Ihnen das bekannt vor?

21Auch beim Lehrling könnte Sie jetzt vermutlich ein interessantes Urprogramm beobachten:

IMG

Der Lehrling duckt sich weg

Wenn Michael Rot ihn anbrüllt, wird sich der Lehrling ducken und den Kopf einziehen. Das Programm dazu heißt „sich klein machen und verstecken“. Denn mit dem Chef wird er sich nicht anlegen, und der Fluchtweg ist ihm ebenfalls versperrt. Also bleibt als dritte Variante nur, sich möglichst unsichtbar zu machen.

Was bei einem aus dem Nest gefallenen Vogelküken vielleicht noch funktioniert, wenn eine Katze in der Nähe herumstreicht, ist natürlich in diesem Fall relativ wirkungslos. Dennoch erfüllt es vielleicht einen anderen Zweck, weil es auch eine Unterwerfungs- und Besänftigungsgeste darstellt und Michael Rot signalisiert, dass vom Lehrling nun wirklich keine Gefahr ausgeht. Er wird sich also wieder beruhigen und der Tag kann endlich mit den wichtigen Tätigkeiten beginnen.

Wie Sie bereits bei dieser kurzen Sequenz sehen können, läuft hier eine fein abgestimmte Reihenfolge von Verhaltensweisen, begleitet von zahlreichen komplexen körpersprachlichen Signalen ab. Hier findet bereits ein kommunikativer Prozess statt, der ausschließlich über die unbewussten Gehirnteile gesteuert ist. Das Bewusstsein ist innerhalb der ersten drei Sekunden überhaupt nicht beteiligt.