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Bußgeld, Geldstrafe, Strafbefehl & Co.

Jedes Jahr werden in Deutschland mehrere Millionen Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Je nach Tatvorwurf ist die Zahl derer groß, dies sich – häufig auch zum ersten Mal – mit der unangenehmen Vorstellung vertraut machen müssen, von einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren betroffen zu sein. Dieser Ratgeber informiert schnell und kompakt über Bußgeld, Geldstrafe, Strafbefehl & Co.

Folgende Fragen werden eingehend behandelt:

Leicht verständlich: Die rechtlichen Aspekte sind einfach aufbereitet und in einer verständlichen Sprache dargestellt.

Anschaulich: Beispiele, Tipps und Übersichten machen die Ausführungen anschaulich.

Übersichtlich: Klar aufgebaut und mit einem ausführlichen Sachregister. Im Anhang sind zudem die wichtigsten Vorschriften abgedruckt.

Aktuell: Auf dem neuesten Stand von Gesetzgebung und Rechtsprechung.

 

Zur Autorin

Mandy Pallme ist Rechtsanwältin in Mügeln und Oschatz. Sie ist mit der Praxis von Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren bestens vertraut.

Inhalt

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

Weiterführende Literatur

1. Kapitel Strafbefehlsverfahren

I. Begriffsbestimmung

1. Strafbefehl

2. Geldstrafe

II. Zuständigkeit

III. Form

IV. Höhe und Berechnung der Geldstrafe

V. Verfahrensablauf/Inhalt

1. Voraussetzungen

2. Inhalt

3. Ablauf/Zustellung

VI. Einstellung des Verfahrens

1. § 153 StPO – Einstellung wegen geringer Schuld

2. § 153a StPO – Einstellung unter Auflagen/ Weisungen

3. § 153b StPO – Einstellung wegen Absehen vonStrafe

4. § 154 StPO, § 154a StPO – Einstellung einer unwesentlichen Nebenstraftat

VII. Verhängung/Verurteilung

1. Geldstrafe

2. Verwarnung mit Strafvorbehalt

3. Fahrverbot

4. Verfall, Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung

5. Belehrungspflicht

VIII. Rechtskraft

IX. Auswirkungen der Rechtskraft

X. Führungszeugnis

1. Polizeiliches Führungszeugnis

2. Führungszeugnisse für Behörden

XI. Verkehrszentralregister/Bundeszentralregister

1. Verkehrszentralregister

2. Bundeszentralregister

XII. Typische Beispiele für Strafbefehle

1. Strafbefehl wegen Diebstahl, § 242 Abs. 1 StGB

2. Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung, § 230 StGB

3. Strafbefehl wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, § 142 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 StGB

XIII. Sachverhalte für Strafbefehle

2. Kapitel Bußgeldbescheid, Ordnungswidrigkeitenverfahren

I. Begriffsbestimmung

1. Bußgeld, Geldbuße

2. Bußgeldbescheid

3. Ordnungswidrigkeit

II. Zuständigkeit

III. Form

IV. Feststellung der Ordnungswidrigkeit

V. Höhe und Berechnung des Bußgeldes

VI. Verfahrensablauf/Zustellung

VII. Einstellung des Verfahrens/Verjährung

VIII. Führungszeugnis

IX. Verkehrszentralregister, Bundeszentralregister

X. Typische Sachverhalte für Bußgeldbescheide

1. Bußgeldbescheid wegen Unfallverursachung durch Rückwärtsfahren

2. Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung

XI. Typische gesetzliche Grundlagen

3. Kapitel Rechtsbehelfsverfahren

I. Einspruch

1. Begriff

2. Anwendungsbereich

3. Verzicht/Rücknahmemöglichkeit

4. Beim Strafbefehl

5. Beim Bußgeldbescheid (Ordnungswidrigkeitenverfahren)

6. Formulierungsbeispiele

II. Zwischenverfahren/Abhilfeverfahren

1. Bedeutung

2. Form der Verwaltungsentscheidung

3. Ablauf

4. Gesetzliche Grundlagen

5. Formulierungsbeispiele

III. Gerichtsverfahren

1. Ablauf

2. Beweisangebote, Beweisführung

3. Einstellung des Verfahrens, Opportunitätsprinzip

4. Verurteilung

5. Rechtskraft und deren Wirkung

6. Führungszeugnis, Verkehrszentralregister, Bundeszentralregister

7. Gesetzliche Grundlagen

4. Kapitel Rechtsmittelverfahren

I. Rechtsmittel gegen den Strafbefehl

1. Berufung

2. Revision

II. Rechtsmittel gegen den Bußgeldbescheid, die Rechtsbeschwerde

5. Kapitel Verfahrenskosten

I. Strafbefehl

II. Bußgeldbescheid, Ordnungswidrigkeiten

III. Kostentragungspflicht

1. Verurteilung

2. Freispruch/Einstellung

6. Kapitel Umwandlung von Geldstrafe und Bußgeld

I. Begriff

II. Anwendbarkeit

III. Absender

IV. Empfänger

V. Arbeitgeber

VI. Nachweis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse

VII. Vorschlag des Betroffenen

VIII. Formulierungsbeispiele

1. Antrag

2. Einverständniserklärung des Arbeitgebers

3. Genehmigung der Staatsanwaltschaft

7. Kapitel Rechtsanwalt und Rechtsschutzversicherung

I. Rechtsanwalt

1. Anwaltszwang/Pflichtverteidiger

2. Kosten des Rechtsanwalts

3. Vollmacht

4. Akteneinsichtsrecht

5. Beratung

6. Vertretung

7. Vorschuss

8. Beratungshilfe

9. Prozesskostenhilfe

10. Vergütungsvereinbarung

II. Rechtsschutzversicherung

1. Versicherungsschutz

2. Selbstbeteiligung

3. Versicherter Personenkreis

III. Informationen über das Internet

Anhang Auszüge aus den wichtigsten gesetzlichen Regelungen

I. Strafgesetzbuch (StGB)

II. Strafprozeßordnung (StPO)

III. Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)

Sachverzeichnis

Impressum

Vorwort

Innerhalb des bestehenden Rechtssystems haben die gesonderten Verfahren um den Strafbefehl und den Bußgeldbescheid eine erhebliche Bedeutung. Zur Entlastung der Behörden und effektiven, schnellen Sachbearbeitung sind diese Verfahren möglich und werden umfangreich genutzt. Beachtlich ist die Orientierung des deutschen Rechtssystems an der Beurteilung der Tat und des Täters im Sinne des Betroffenen. Es gibt kein ausschließlich am Opfer orientiertes Recht. Das vorliegende Werk soll eine Orientierungshilfe für Betroffene darstellen. Es werden vorwiegend die in der Rechtsprechung und damit Praxis angewandten Rechtsansichten verarbeitet. Die Verfasserin verzichtet auch aus Gründen der Verständlichkeit auf die theoretische Darstellung von Einzelstreitigkeiten. Nur sofern praktisch verschiedene Auffassungen in der Rechtsprechung vertreten werden, wird auf solche eingegangen. Dies werden ausschließlich am Gesetzestext hergeleitete Auffassungen sein. Eingeflossen sind insbesondere die Erfahrungen der Verfasserin als Verteidigerin in der bestehenden Behördenpraxis, die erfreulichen Entwicklungen der Gesetzgebung und die derzeit angewandte Rechtsprechung.

Mügeln, im Juni 2011

Mandy Pallme

Abkürzungsverzeichnis

Abs.

Absatz

AG

Amtsgericht

AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen

Anh

Anhang

Anl

Anleitung

Anm.

Anmerkung

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

Az.

Aktenzeichen

BAK

Blutalkoholkonzentration

BAG

Bundesarbeitsgerichtsgesetz

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BerHG

Beratungshilfegesetz

BFH

Bundesfinanzhof

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHR

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivil­sachen/Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivil­sachen

BKat

Bußgeldkatalog

BKatV

Bußgeldkatalogverordnung

Bl.

Blatt

BMJ

Bundesministerium der Justiz

BSG

Bundessozialgericht

BT-Drs.

Bundestags-Drucksache

BtMG

Betäubungsmittelgesetz

BZR

Bundeszentralregister

DAR

Deutsches Autorecht, Zeitschrift

d. h.

das heißt

f.

folgende

ff.

fortfolgende

Fn.

Fußnote

GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

GKG

Gerichtskostengesetz

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

InsO

Insolvenzordnung

i. V. m.

in Verbindung mit

i. d. R.

in der Regel

i. S. d.

im Sinne des

JGG

Jugendgerichtsgesetz

JR

Juristische Rundschau, Zeitschrift

KG

Kammergericht

KostO

Kostenordnung

LG

Landgericht

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht, Zeitschrift

NJW

Neue Juritische Zeitschrift

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungsreport, Zivilrecht

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NZV

Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

OLG

Oberlandesgericht

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

RA

Rechtsanwalt

Rn.

Randnummer

RVG

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz

S.

Satz/Seite

SGB II

Zweites Sozialgesetzbuch

sog.

sogenannt

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozeßordnung

StVG

Straßenverkehrsgesetz

StVO

Straßenverkehrsordnung

u. a.

und andere

u. ä.

und ähnliche

usw.

und so weiter

v. a.

vor allem

VersR

Versicherungsrecht, Zeitschrift

vgl.

vergleiche

Vrs

Verkehrsrechtssammlung

VV RVG

Vergütungsverzeichnis zum RVG

VwZG

Verwaltungszustellungsgesetz

VZR

Verkehrszentralregister

z. B.

zum Beispiel

ZfS

Zeitschrift für Schadensrecht

Ziff.

Ziffer

ZPO

Zivilprozessordnung

Weiterführende Literatur

Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 15. Auflage 2009, Kommentar

Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 53. Auflage 2010, Kommentar

Fischer, Strafgesetzbuch, 57. Auflage 2010, Kommentar

Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage 2010, Kommentar

Zöller, ZPO, 28. Auflage 2010, Kommentar

Jehle/Feuerhelm/Block, Gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe, 1. Auflage 1990, S. 11 ff.

Gebhardt, Das verkehrsrechtliche Mandat, Band 1: Verteidigung in Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 6. Auflage 2009

Merkblatt „Gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe“ der Staatsanwaltschaft Leipzig, abrufbar unter www.justiz.sachsen.de/stal/content/937.htm

Statistiken und Auswertung zur Gemeinnützigen Arbeit, abrufbar unter www.freiehilfe-berlin.de/files/Schwitzen_und_Sitzen 2010.pdf

1. Kapitel

Strafbefehlsverfahren

I.  Begriffsbestimmung

1.  Strafbefehl

Das Strafbefehlsverfahren ist ein formelles Verfahren. Die gesetzlichen Regelungen sind in den §§ 407 ff. StPO zu finden. Es soll die üblichen, in einem Urteil endenden Verfahren der Amtsgerichte abkürzen. Dabei werden bei standardisierten Fallgruppen, wie fahrlässigen Körperverletzungen, einfachen Diebstahlshandlungen etc., in der Regel Geldstrafen verhängt. Der Strafbefehl verkürzt die Verfahrenslänge tatsächlich erheblich, wenn der Adressat des Strafbefehls innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung nichts unternimmt. In diesem Fall ist weder eine mündliche Verhandlung, noch eine vorherige dem Angeklagten bzw. Beschuldigten zugestellte Anklageschrift, noch ein Urteil erforderlich. Lediglich der Strafbefehl selbst wird vom Amtsgericht einseitig erlassen, zugestellt und nach Ablauf der Frist ohne Einspruchseinlegung rechtskräftig. In der Regel erfolgt die Zustellung per Einschreiben als „gelber Brief“. Mit Zustellung an den Betroffenen, persönlich, an Mitglieder des Hausstandes oder durch Einwurf in den Briefkasten beginnt die Zwei-Wochen-Frist. Diese Frist ist eine sog. Notfrist. Es kann kein Antrag auf Verlängerung der Einspruchsfrist gestellt werden!

Abb. 1: Strafbefehlsverfahren

Achtung!

Möchten Sie gegen den Strafbefehl etwas unternehmen, halten Sie die Frist in jedem Fall ein!

Eine sonstige Wiederaufnahme des Verfahrens gelingt nur unter ganz besonderen Voraussetzungen.

2.  Geldstrafe

Bei der Verhängung der Geldstrafe hat der Täter an die Landesjustizkassen einen vom Gericht festgelegten Betrag zu zahlen. Wie die Freiheitsstrafe stellt sie eine Rechtsfolge der Straftat dar.

Die Geldstrafe ist das Äquivalent zur Freiheitsstrafe. Sie ist im Strafgesetzbuch in § 40 StGB (Strafgesetzbuch) verankert. Die Verbindung zur Freiheitsstrafe wird über die Ersatzfreiheitsstrafe bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe (§ 43 StGB) geschaffen. Uneinbringlich ist die Geldstrafe, wenn sie nicht von der Staatsanwaltschaft beigetrieben bzw. mit Zwangsmitteln erlangt werden kann. Die Geldstrafe wird nicht als Gesamtsumme (sog. Summenstrafe) gebildet, sondern setzt sich aus einzelnen Tagessätzen zusammen. Die Tagessätze sind in ihrer Höhe gleichmäßig und bewirken eine finanzielle Belastung des Täters. In der Anzahl der Tagessätze spiegelt sich die Tat in ihrer Bewertung wider. Aus der Summe der Tagesssätze ergibt sich die insgesamt verhängte Geldstrafe. Das Gesetz versucht damit Gerechtigkeit im Verhältnis zum Strafübel herzustellen. Leider scheitert der Ansatz z. B. dann, wenn Dritte die Geldstrafe zahlen.

II.  Zuständigkeit

Die Zuständigkeit für die Verhängung von Strafen mittels Strafbefehl liegt grundsätzlich bei den Amtsgerichten, §§ 24, 25, 28 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz).

Bei Vergehen (= Straftaten, die mit Geldstrafe oder einer Mindestfreiheitsstrafe unter einem Jahr bedroht sind) entscheidet an den Amtsgerichten entweder der Strafrichter oder das Schöffengericht gemäß § 407 Abs. 1 StPO. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich in der Regel aus dem Tatort-Prinzip, § 9 StGB, § 7 StPO. Folglich ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Tat verübt wurde, zuständig. Bei Vergehen können die Amtsgerichte neben Freiheitsstrafen auch Geldstrafen verhängen. Die Verhängung erfolgt tat- und schuldangemessen.

Praktischerweise verfasst die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörde den Strafbefehl und beantragt dann beim zuständigen Amtsgericht den Erlass dieser (vorformulierten) gerichtlichen (!) Entscheidung. Das Gericht prüft unter Vorlage der Ermittlungsergebnisse die Rechtmäßigkeit und Angemessenheit der Strafe und unterschreibt bei Einverständnis den Strafbefehl, so dass dieser anschließend zugestellt werden kann.

BEISPIELE:

III.  Form

Die Form des Strafbefehls ist an sich immer gleich strukturiert. Esspielt keine Rolle, ob der Angeklagte in persönlicher Anrede bezeichnet wird oder generell vom Angeschuldigten/Angeklagten gesprochen wird. Nach Bezeichnung des Absenders (Gericht), Bekanntgabe des Aktenzeichens, Beschuldigtenbenennung folgt der konkrete Tatvorwurf, an den sich die Benennung der erfüllten Straftatbestände mit Paragrafenbezeichnung und Aufzählung der Beweismittel anschließt. Danach folgen die Festsetzung der Rechtsfolgen und die Rechtsmittelbelehrung sowie der Hinweis zu den Verfahrenskosten. Zum Schluss erfolgt die Unterschrift mit Ort und Datum des erlassenden Richters. Dem Adressaten wird dazu noch ein Blatt mit Hinweisen zum Rechtsmittel/Rechtsbehelf und zur Pflicht der Abfassung in deutscher Sprache gereicht.

Die Verhängung der Strafe erfolgt im Strafbefehl optisch hervorgehoben (fettgedruckt).

BEISPIEL:

Gegen Sie wird eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen verhängt. Die Tagessatzhöhe wird auf € 10,00 festgesetzt. Die Geldstrafe beträgt somit € 300,00.

Sie haben die Kosten des Verfahrens und Ihre Auslagen zu tragen.

Erlassen wird grundsätzlich nur ein Strafbefehl, also die Urschrift mit Originalunterschrift des Richters. Es gibt selbstverständlich Ablichtungen für die Akten.

IV.  Höhe und Berechnung der Geldstrafe

Im Grundsatz wird die Geldstrafe am erfüllten Straftatbestand ermittelt. Er bildet den Rahmen. Vollstreckungsfähig, d. h. mit Zwangsmitteln durchsetzbar, ist nur die sich aus der Anzahl und Höhe der Tagessätze zusammensetzende Geldstrafe. Die Bemessung der Geldstrafe darf nicht als rein schematische Berechnung betrachtet werden. Sie beruht auf einer Gesamtabwägung aller Umstände. In der Einzelfallbewertung der persönlichen Verhältnisse und der finanziellen Belastbarkeit des Täters soll sich widerspiegeln, dass die Geldstrafe kein spezielles Strafübel ist (anders bei der Freiheitsstrafe). Die Wertung obliegt dem Tatrichter und ist „bis zur Grenze des Verwertbaren“ (BGHSt 27, 230; OLG Dresden, Urteil vom 3. 7. 2009, Az. 2 Ss 163/09) ausschöpfbar. Wird gegen das nach einem Einspruch gegen den Strafbefehl ergangene Urteil Berufung und/oder Revision eingelegt, wird allein vom Revisionsgericht überprüft, ob der Tatrichter die Einzelfallbewertung frei von Ermessensfehlern ausgeübt hat. Unter den Voraussetzungen der §§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 StPO hat der Betroffene aber weder bei der Berufung noch bei der Revision eine Verschlechterung seiner Bestrafung zu befürchten. Dies ist nicht gestattet.

Das System der Geldstrafenbildung vollzieht sich in drei Zumessungsschritten.

Schritt 1: Es wird unter Heranziehung aller Zumessungsgesichtpunkte (die finanzielle Leistungsfähigkeit des Täters bleibt hier außer Betracht) nach den Grundsätzen des § 46 Abs. 1 StGB die Anzahl der Tagessätze festgelegt. Gemäß § 40 Abs. 1 StGB müssen mindestens 5 und dürfen maximal 360 Tagessätze verhängt werden. Als Zumessungsgesichtspunkte werden dabei die Schuld des Täters, die Wirkung der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft, die Umstände für und gegen den Täter (z. B. Beweggründe, Gesinnung etc.) herangezogen.

Schritt 2: Im zweiten Schritt wird die Höhe der Tagessätze bestimmt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes nach § 40 Abs. 2 StGB muss jeweils € 1,00 und darf höchstens € 5.000,00 betragen. Die Geldsumme liegt somit insgesamt zwischen € 5,00 und € 1,8 Millionen. Zur Festlegung der Höhe der Tagessätze werden die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters (§ 46 Abs. 2 StGB) genau bewertet. Dabei ist in der Regel vom Nettoeinkommen auszugehen, d. h. von dem durchschnittlichen täglichen Netto-Verdienst oder Netto-Verdienstmöglichkeiten.

Schätzungen des Gerichts sind daher erlaubt, aber häufig mit einem Einspruch angreifbar. Dies gilt auch, wenn eine Gesamtstrafe (gleichzeitige Bestrafung mehrerer Straftaten) zu bilden ist.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Nettoeinkommens ist der Zeitpunkt der Verurteilung/Verhängung der Geldstrafe durch das Gericht.

Das Nettoeinkommen wird gebildet aus der Summe aller aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit erzielten Einkünfte, wobei Gewinn und Verlust zu saldieren sind. Eine steuerrechtliche Betrachtung ist ausgeschlossen. Dazu zählen insbesondere Arbeitseinkünfte, Zinsgewinne, Unterhaltsbeträge, Sachbezüge, freie Kost und Logie, Wohn- und Mietwert des selbstgenutzten Eigenheims, Arbeitslosengeld I und II, Wohngeld, Kindergeld, Taschengeld usw. Kurzum: Hierunter fällt alles, was die Leistungsfähigkeit und das Leben des Täters prägt. Auch der nichtberufstätige Ehepartner oder Partner in eingetragener Lebenspartnerschaft hat ggf. ein Nettoeinkommen, sofern er tatsächlich Naturalunterhalt inklusive Taschengeld erhält. Bei Studenten mit BAföG-Zuwendungen, die einen Teil davon als zinsloses Darlehen erhalten, besteht in der Rechtsprechung Uneinigkeit. Die herrschende Meinung geht jedoch davon aus, dass nur der Teil des BAföGs, der ein zinsloses Darlehen ist, Nettoeinkommen ist. Bei Wehrpflichtigen und Zivildienstleistenden werden der Wehrsold sowie Naturalleistungen/Sachbezüge (z. B. Verpflegung, Unterkunft, Kleidung) für die Berechnung des Nettoeinkommens herangezogen.

Der Mindesttagessatz von € 1,00 soll nur im Ausnahmefall, z. B. bei Strafgefangenen oder Asylbewerbern, angewandt werden.

Erstaunlicherweise wird Vermögen meist nicht berücksichtigt. Dies gilt nur dann nicht, wenn eine unangemessene Bevorzugung des Vermögenden im Verhältnis zu den anderen Verurteilten in gleichgearteten Fällen eintreten würde. Angelegenheiten wie Betriebsvermögen, Eigenheim, private Briefmarkensammlungen als mittleres Vermögen etc. bleiben außer Betracht.

Bei Darlehen ist zu berücksichtigen, dass Einnahmen des Darlehengebers ebenfalls zum Einkommen zählen. Zahlungen des Darlehennehmers auf das Darlehen sind somit auch Ausgaben.

Vom Einkommen können jedoch abgezogen werden:

Nicht in Abzug gebracht werden können Schuldzinsen, Abzahlungsraten, Darlehensraten, Zinsaufwendungen für das selbstgenutzte Eigenheim (dies kann sogar beim Einkommen berücksichtigt werden), Schulden aus aufwendigem Lebensstil, Steuerschulden aus vorsätzlichen Straftaten, Spekulationsschulden u.ä.

Sofern ein Unterhaltsverpflichteter tatsächlich Leistungen erbringt, sind diese angemessen vom Einkommen abzuziehen. Einen Anhaltspunkt hierfür bietet die Düsseldorfer Tabelle in der jeweils gültigen Fassung (abrufbar unter www.olg-duesseldorf.nrw.de). Alternativ ist ein von den Gerichten vorgenommener Abschlag möglich. Häufig beträgt der Abschlag 25 % für nicht berufstätige Ehepartner oder Partner in eingetragener Lebensgemeinschaft, 15 % für jedes weitere Kind, insgesamt aber keinesfalls mehr als 50 %.

Zu beachten ist, dass nur zumutbare, erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden können (wie auch im Unterhaltsrecht üblich). Dahinter steckt der Wille des Gesetzgebers, dass es dem Täter nicht gelingen soll, sich in vorwerfbarer Weise zur Herabsetzung der Tagessätze zu betätigen. Vielmehr soll der Täter angehalten werden, weiterhin einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen. Gerät das Ziel der Bestrafung in Gefahr, weil er geschickt sein Einkommen manipuliert, kann er fiktiv (mögliche) erzielbare Einkommen angerechnet bekommen. Die dafür notwendige vorwerfbare Unterlassung der Einkommenserzielung muss ohne billigenswerten Grund vom Täter verfolgt worden sein.

Das Gericht muss die Berechnungsgrundlage des Tagessatzes offenlegen und die wirtschaftliche Struktur und Lage des Arbeitsmarktes berücksichtigen.

Aufgeweicht wird die strafrechtliche Würdigung der potentiellen Einkünfte durch den Ausschluss der Anwendbarkeit der fiktiven Einkünfte, wenn nach der Rechtsprechung Motive vorliegen, die nicht von vornherein zu missbilligen sind und die individuelle Lebensentscheidungen berücksichtigen. Die Entscheidungen des Kammergerichtes Berlin und des Bundesfinanzhofes sind zur grundsätzlichen Schätzung des Einkommens interessant; BFH, Beschluss vom 28. 12. 2006, Az. VIII B 48/06.

BEISPIELE für nicht von vornherein zu missbilligende Motive:

(Folge: Herabsetzung des fiktiven Einkommens)

Besondere Ausgaben, die als außergewöhnliche Belastungen betrachtet und nachgewiesen werden können, sind vom Nettoeinkommen abziehbar. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn personenbedingte Erschwernisse wie Behinderungen und Krankheiten zu finanziellen Belastungen führen.

Es stellt sich die Frage, wie das Nettoeinkommen und damit die Tagessatzhöhe ermittelt wird. Das Gericht gibt in der Regel anhand der aufgezeigten Bemessungsgrundlagen eine Schätzung ab (§ 40 Abs. 3 StGB). Das Gericht muss bei seiner Schätzung auch der Aufklärungspflicht des § 244 StPO gerecht werden. Die erfolgten Schätzungen sind vom Gericht genau darzulegen. Das betrifft sowohl die Schätzgrundlagen (z. B. ein Rundfunk- und Fernsehtechniker verdient in Sachsen ca. netto € 900,00) als auch die Begründung (z. B. statistischer Erhebungen ergaben dieses Durchschnittseinkommen). Die dazu vom Gericht angewandten Tatsachen und bearbeiteten Beweismittel müssen für Schätzgrundlagen von Bedeutung sein. Sonst sind sie unzulässig. Allerdings handelt es sich dabei um eine Kannbestimmung. D. h., liegt dem Gericht aufgrund der Untersuchungen der Ermittlungsbehörden, besonders der Polizei, das tatsächliche Nettoeinkommen vor, so hat es dies zu berücksichtigen. Liegen Angaben vor, die ohne großen Aufwand ermittelt werden können, so hat die Ermittlungsbehörde im Rahmen der Aufklärungspflicht diese Tatsachen herauszufinden. Anders liegt der Fall nur, wenn der Beschuldigte keine, unzureichende oder unzutreffende Angaben macht. Die Ermittlungsbehörden haben das Nettoeinkommen wirtschaftlich zu betrachten und können auf die steuerliche Einkommensermittlung zugreifen. Beschränkt werden die Ermittlungsbehörden auch nicht durch das Bankgeheimnis, sofern das überhaupt existiert, höchstens durch das Steuergeheimnis. Die Verletzung des Steuergeheimnisses ist unter den Voraussetzungen des § 355 StGB strafbar.

Das Gericht bewertet bei der Bestimmung der Anzahl der Tagessätze nicht, ob der Täter diese tatsächlich erbringen kann. Es bewertet lediglich die Anzahl der Tagessätze unter dem Gesichtspunkt, dass ein Tagessatz einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entspricht. Die Anzahl kann dann entsprechend nach oben oder unten korrigiert werden.

Praktischerweise haben die Staatsanwaltschaften und Gerichte Rundverfügungen der Generalstaatsanwälte bzw. Strafzumessungsempfehlungen für einzelne Fallgruppen gebildet. Diese dienen der schnellen Orientierungs- und Entscheidungshilfe und der einheitlichen Rechtsanwendung. Sie werden im Einzelfall auf ihre Angemessenheit hin überprüft, ggf. angepasst. Die Staatsanwaltschaften und Gerichte verwenden diese Rundverfügungen bzw. Strafzumessungsempfehlungen beim Vorliegen besonderer Umstände nicht vorbehaltlos.

BEISPIELE:

Schritt 3: Schritt 3 darf erst geprüft werden, wenn die Schritte 1 und 2 vollständig abgeschlossen sind. Nachdem Anzahl und Höhe der Tagessätze durch das Gericht bestimmt wurden, wird nun im letzten Schritt geprüft, inwieweit und ob überhaupt Zahlungserleichterungen in Betracht kommen. Der Ausspruch erfolgt dann in einem Urteil. Das Revisionsgericht kann Schritt 3 gesondert nachprüfen. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Zahlungserleichterungen des § 42 StGB und den Strafvollstreckungsvorschriften und -möglichkeiten der §§ 459 ff. StPO. Das Gericht prüft diesen Schritt selbstständig von Amts wegen.

Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB kommen dann in Betracht, wenn für den Täter die sofortige Zahlung der gesamten Geldstrafe unzumutbar ist. Gründe der Unzumutbarkeit sind seine persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse. Das Gericht gestattet bei Vorliegen einer der beiden Voraussetzungen, also persönlicher oder wirtschaftlicher Unzumutbarkeit, die Ableistung der Geldstrafe in Teilbeträgen. Oft knüpft das Gericht an die Teilbeträge eine Frist, bis wann die jeweiligen Teilbeträge zu erbringen sind. Wird diese nicht eingehalten, so entfällt die Ratenzahlungsabrede und die noch offene Geldstrafe ist gemäß § 459 StPO sofort vollständig zur Zahlung fällig und vollstreckbar.

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