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Friedrich Thiersch

Betrachtungen über die angenommenen Unterschiede zwischen Nord- und Süddeutschland

Ein Beytrag zur Kenntniß der neusten Aeusserungen des Zeitgeistes (1810)


Στους Ευρωπαίους: Ακου πολλά, μίλα τα απαραίτητα. — Höre viel und sage nur Nötiges.


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Vorwort

Eine «Satyre», eine Spottschrift, nennt Thiersch seine Betrachtungen im Vorwort zur zweiten Auflage 1810. Genussvoll gibt er seinen Kontrahenten der Lächerlichkeit preis. Dessen vorgebliches Vergehen: die Annahme eines inneren Zusammenhangs von geistiger Produktivität und geographischer Lage, die Unterstellung eines neidvollen, hasserfüllten Blickes eines vermeintlich geistig erstarrten Nordens auf den warmen, genialisch prädestinierten Süden Deutschlands. Ein üppiges und unterhaltsames Feuerwerk phantasievoller Entgegnungen wird gezündet, woraufhin der Verspottete ob der Aussichtslosigkeit seiner Lage imaginär die Flucht ergreift, nicht ohne von Thiersch ein Name-Dropping der deutschen Geistes- und Gelehrtenwelt jener Zeit hinterhergerufen zubekommen.

Der eigentliche Konflikt war kein Gelehrtenstreit, sondern ein politischer, was die Wahl der Waffen bestimmte. Hauptsächlicher Schauplatz war München und Gegenstand war das zu reformierende königlich-bayrische Bildungswesen. Ein großer Graben tat sich auf zwischen zugewanderten, in den Staatsdienst berufenen Gelehrten neuhumanistischer Prägung, wie Friedrich Thiersch, und eingesessenen Aufklärern im Geiste Kants bzw. Napoleons, wie Johann Christoph von Aretin. Erheblich befeuert wurde die Auseinandersetzung von der Konfessionsfrage, neuhumanistischen Neigungen der Königsfamilie und der an den napoleonischen Reformen ausgerichteten Staatsräson. Der Protestant Thiersch nutzte seine Stellung am königlichen Gymnasium in München, um sein bildungspolitisches Ideal erfolgreich und gegen heftige Widerstände zu verwirklichen. Allem Anschein nach hat ihm dabei seine mitunter forsche Herangehensweise nicht geschadet.

 Eine vollständige Quellensammlung zur Auseinandersetzung sei den Historikern überlassen. In dieser Ausgabe kann auf die diversen Beilagen und Anhänge zur zweiten Auflage der Betrachtungen verzichtet werden. In vielen älteren Bibliotheken ist diese Schrift erhalten; sie lässt sich auch als Digitalisat im Internet finden.

 Georg-D. Schaaf