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Ansgar Hörsting, Artur Schmitt (Hrsg.) – Glaube am Montag – Den Sonntag in den Alltag bringen – Impulse für die Woche

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ISBN 978-3-417-22684-3 (E-Book)

ISBN 978-3-417-26436-4 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:

CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

© 2011 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG

Bodenborn 43 • 58452 Witten

Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: info@scm-brockhaus.de

Die zitierten Bibelverse sind folgenden Übersetzungen entnommen:

Neues Leben. Die Bibel,

© 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten. (NLB)

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift,

© 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart. (EÜ)

Hoffnung für alle® (Brunnen Verlag Basel und Gießen), Copyright © 1983, 1996, 2002 by

International Bible Society®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Verlags. (HFA)

Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung,

© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (LUT)

Das Buch. Neues Testament – übersetzt von Roland Werner.

© 2009 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten. (DBU)

Elberfelder Bibel 2006,

© 2006 by SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten. (ELB)

Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung.

Copyright © 2009 Genfer Bibelgesellschaft, CH-1204 Genf.

Wiedergegeben mit der freundlichen Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten. (NGÜ)

Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung,

© 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (GNB)

Zürcher Bibel 2007

© Genossenschaft Verlag der Zürcher Bibel beim Theologischen Verlag Zürich. (ZÜR)

Umschlaggestaltung: Guido Apel, Bamberg

Satz: Burkhard Lieverkus, Wuppertal | www.lieverkus.de

Inhalt

Vorwort von Ansgar Hörsting

Das Wort zum Sonntag

Woche 1: Landeplatz gesucht – Glauben fängt bei mir an (Christof Lenzen)

Montag: Warum Gott genau dich will

Dienstag: Christlicher Hedonismus – Die Freude ist der Maßstab

Mittwoch: Habe ich Zeit oder hat die Zeit mich (im Griff)?

Donnerstag: Bonsai-Spiritualität – Von der Entlastung der kleinen alltäglichen Schritte

Freitag: Ballast abwerfen: Was uns geistlich blockieren kann

Samstag: Fokussierung – Warum Multitasking uns zerstört

Woche 2: Im Himmel zu Hause – Den Glauben im Arbeitsalltag leben (Matthias Vering)

Montag: Beruf und Berufung – gehört das zusammen?

Dienstag: Wer Visionen hat …

Mittwoch: Vom Führen und Geführtwerden

Donnerstag: Von Geld und anderen Sorgen

Freitag: Von Moral, Ethik und anderen Schwierigkeiten

Samstag: Von Lebensphasen und ihren Herausforderungen

Woche 3: Ein neuer Look – Den Glauben in der Familie leben (Martin Gundlach)

Montag: Neue Klamotten für alle!

Dienstag: Die Grundlage: Belügt einander nicht!

Mittwoch: Die Dauerbrenner: Gebt dem Zorn keinen Raum und teilt!

Donnerstag: Die Kraft der Worte: Redet gut übereinander!

Freitag: Die Absage: Lasst euch nicht verführen!

Samstag: Die Einladung: Singt zusammen und betet!

Woche 4: Erfahrbar – Spiritualität im Alltag leben (Arne Völkel)

Montag: Die Gute Nachricht kosten

Dienstag: Das Beten erleben

Mittwoch: Der Versuchung standhalten

Donnerstag: Den Augenblick leben

Freitag: Den Dank empfinden

Samstag: Die Liebe einüben

Woche 5: Gemeinsam sind wir stark – Den Glauben in Beziehungen leben (Elena Lill)

Montag: Sich selbst lieben

Dienstag: Konflikte konstruktiv lösen

Mittwoch: Freundschaften pflegen

Donnerstag: Gemeinde leben – auch unter der Woche

Freitag: Seine Feinde lieben

Samstag: Seine Nächsten lieben

Woche 6: Am Montag ist die Welt wieder da – Den Glauben in der Gesellschaft leben (Prof. Dr. Johannes Reimer)

Montag: Wer liebt, übernimmt Verantwortung

Dienstag: Wer leuchtet, weiß, wo es dunkel ist

Mittwoch: Wer Menschen helfen will, muss bereit sein zu dienen

Donnerstag: Wer den Streit schlichten will, muss sich dem Konflikt stellen

Freitag: Wer die Welt verändern will, sollte sich um den Einzelnen kümmern

Samstag: Wer gewinnen will, wird mit Wundern rechnen müssen

Der blaue Montag (Artur Schmitt)

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Fußnoten

Vorwort von Ansgar Hörsting

… und morgen ist Montag

Bis zur Auferstehung kommt für uns noch immer das Kreuz vor der Krone, und morgen ist Montag.

C.S. Lewis

Mir fiel es vor einigen Jahren das erste Mal auf. Immer wieder hörte ich die bohrende Frage, ob Glaube denn »relevant« oder »alltagstauglich« sei. Es ging darum, ob Glaube »funktioniere«, womit gemeint war, dass er eine praktische Funktion im Leben des Glaubenden erfülle, sichtbare Auswirkungen habe. Autoren und Prediger betonten, dass Glaube in der gesamten Bibel mit dem alltäglichen Leben zu tun habe, dass er mitten in dieser Welt gelebt würde. Glaube sollte eine Bedeutung, eine Relevanz für den Alltag haben. Und sogleich standen andere auf und witterten hinter diesen Thesen eine weitere Welle aus den USA, weil von dort ja immer nur ein oberflächlicher Pragmatismus käme und weil für sie ja nur dann etwas wahr sei, »if it works«.

Ich war ganz verwundert über diese Diskussion. Ist nicht der Gott der Bibel, der sich in der Geschichte Israels und schließlich in Jesus Christus offenbart hat, der Gott des Universums und damit auch des ganzen Lebens? Sollte ich ihn nicht lieben mit allem, was ich bin und habe? Für mich gab und gibt es keinen Bereich des Lebens, von dem er keine Ahnung hätte. Deswegen ist er der Herr über den Sonntag, über den Montag und über jeden weiteren Tag. Glaube funktioniert auch (obwohl dieser Begriff etwas zu technisch klingt), und ich habe selbst so viel Veränderung und Prägung erlebt, dass ich das nicht als Nachteil sehen kann. Mir war der Glaube am Montag immer lieber, weil er nicht abgehoben daherschwebt, sondern mit beiden Beinen auf dem Boden steht.

Sicher, man kann es dabei wie bei allem übertreiben. Das geschieht dann, wenn es außer dem Montag, außer dieser Alltagswelt gar nichts mehr zu geben scheint. Es geschieht, wenn die Botschaft vom Tod Jesu nicht als eine »dumme Botschaft« (vgl. 1. Korinther 1,18) in Erscheinung treten darf und stattdessen durch den Nachweis der Relevanz aufgepeppt werden muss. Es geschieht, wenn Glaube zu einem anwenderorientierten System verkommt und die Bibel in der Bücherei unter der Rubrik »spiritueller Ratgeber« zu finden ist.

Die Autoren dieses Buches betreten eine Brücke, die Gott selbst gebaut hat. Sie machen sich die Mühe, in den »Niederungen des Alltags« nach Gott zu fragen. Dieses Buch, das Sie in Händen halten, lässt keine Trennung zwischen Ewigkeit und Zeit, zwischen Jenseits und Diesseits zu. Es hat beides im Blick: ewiges Heil und heilvolles Leben hier, Himmel und Erde, Sonntag und Montag. Diese beiden Bereiche müssen unterschieden, aber dürfen niemals getrennt werden. Denn schließlich war das der Sinn der Menschwerdung Jesu. In ihm ist die Trennung zwischen Gott und Mensch überbrückt. Er lehrte uns beten »Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.« Auf dieser Brücke kann man gut gehen.

Dieses Buch ist ein ernsthaftes Buch. Ernsthaft, weil das Bemühen um einen Glauben im Alltag eine ernsthafte Auseinandersetzung braucht. Und weil irgendwann der Gehorsam einsetzen muss, damit wir das tun, was wir erkannt haben.

Dieses Buch ist ein fröhliches Buch. Fröhlich, weil es Spaß macht und das Leben mit sehr viel Freude erfüllt, Glaube und damit Gott im normalen Leben zu erfahren. Es geht nicht nur um »richtig« oder »falsch«, sondern um Gottes erfüllende und ermutigende Gegenwart in unserem Leben.

Und dieses Buch ist ein nüchternes Buch. Nüchtern im Sinne von C.S. Lewis: »Bis zur Auferstehung kommt für uns noch immer das Kreuz vor der Krone, und morgen ist Montag.« Das ist entwaffnend nüchtern. Das ist befreiende Schlichtheit, weil das Leben weitergeht, und dieses Leben aus kleinen Schritten, aus Siegen und Niederlagen besteht.

Glaube am Montag. Wann sonst soll geglaubt werden wenn nicht am Montag? Was nützen mir die Highlights, wenn sie nicht Licht in den Alltag bringen? Erfolgreiche missionarische Bewegungen in der Kirchengeschichte hatten immer eins gemeinsam: dass nämlich ganz normale Christen in ihrem ganz normalen Leben ihren ganz normalen Glauben an den ganz außergewöhnlichen Jesus bezeugten. Solche Leute machen den Glauben glaub-würdig. Deswegen ist »Glaube am Montag« Lebenshilfe und ein wichtiger Schritt in Richtung missionarisches Leben und Gemeinde. Um diesen Schritt zu gehen, brauchen wir Impulse, Austausch, Ideen und ehrliche und ermutigende Beziehungen. Dieses Buch ist dazu eine Hilfe und kann in einer Sechs-Wochen-Aktion von Einzelnen, in Gruppen oder als ganze Gemeinde gelesen und diskutiert werden.

Ein großer Dank ist Artur Schmitt zu sagen. Ohne seine Vision wäre es nie zu diesem Buch gekommen. Und ein Dank ist den Autoren zu sagen, die sich der Mühe des Alltags nicht entzogen haben. Ohne ihr Engagement, neben ihrer Berufstätigkeit diese Texte zu schreiben, wäre die Vision ein Luftschloss geblieben. Und ein Dank gilt Silke Gabrisch, die das Projekt von Seiten des Verlags begleitet und beraten hat.

Ich sag dann mal bis morgen, denn morgen ist Montag!

   Ihr

   Ansgar Hörsting

Das Wort zum Sonntag

von Artur Schmitt

Heute ist der erste Tag. In diesem Buch und vielleicht auch für Sie im Wochenkalender. Der Tag also, bevor es richtig beginnt. Sonntag. Zeit für den Gottesdienst.

»Lieber Herr, gib, dass wir jetzt abschalten können. Und dass wir all das, was uns noch vom Alltag her beschäftigt, vergessen können. Wir wollen dir begegnen und uns ganz auf dein Wort konzentrieren. Amen.«

Kennen Sie solch ein Eingangsgebet im Gottesdienst? Ja? Ich auch. Und ich habe es oft selbst gesprochen. Dabei ist diese Bitte verkehrt, total falsch. Natürlich soll der Gottesdienst nicht von unserem täglichen Kleinkram bestimmt sein. Aber »abschalten«, den Alltag »vor der Tür lassen«, das kann nicht der Sinn des Gottesdienstes sein. Dann wären wir gespaltene Menschen: heute Sonntags-Heilige und morgen Alltags-Normalos. Hier der fromme Glaube und dort die triste Realität.

Doch Jesus möchte nicht schizophrene Gläubige mit zwei unterschiedlichen Gesichtern. Er will Nachfolger, die ihn am Sonntag voller Freude in ihrer Mitte feiern und sich gleichzeitig erwartungsvoll für den Alltag zurüsten lassen. Weil er es doch selbst gesagt hat: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage …« (Matthäus 28,20). Alle Tage: Damit ist ausnahmslos jeder Tag gemeint. Kein Tag mit seinen Chancen und Herausforderungen ist ausgeklammert; Christus ist voll und ganz dabei. Mit ihm können wir rechnen. Heute am Sonntag, und ebenso morgen am Montag.

Mehr Montag im Sonntag

Deshalb brauchen wir Inklusiv-Gottesdienste. In sie wird der Alltag bewusst hineingenommen und bleibt nicht ausgeblendet. Ich träume davon, dass es in unseren Kirchen und Gemeinden zunehmend Gottesdienste gibt, in denen die Sprache der Leute gesprochen wird. In denen die Musik die Besucher in ihrem Inneren berührt, damit sie Gott nicht nur mit ihrem Verstand loben. In denen das gängige Denken der Menschen, ihre Gewohnheiten, die üblichen Handlungsweisen und die heutige Freizeitgestaltung vertraute Elemente sind, die auch in die Predigten mit einfließen. In denen Facebook, Mobbing und aktuelle Kinofilme keine Fremdworte mehr sind.

Sicherlich müssen wir nicht dem letzten Schrei hinterherlaufen. Aber ein regelmäßiges Update täte uns gut. Wir brauchen uns nicht abzumühen, künstlich aufgepeppte, stylische Gottesdienste zu kreieren. Die bieten zwar stets einen hohen Unterhaltungswert, aber prägen nicht unbedingt die Arbeitswelt und verändern auch nicht automatisch die Beziehungen der Christen. Nein, keiner der in einem Gottesdienst aktiv Beteiligten muss eine perfekte Darbietung geben. Doch unser Predigen, Singen, Musizieren und Beten müssen authentisch sein, echt und nicht aufgesetzt. Die Bibel sollte so ausgelegt werden, dass die Verkündigung für den Alltag relevant wird und vom eigenen Leben abgedeckt ist. Theaterszenen und Videoclips werden eingesetzt, um als moderne Gleichnisse die eigentliche Botschaft zu verdeutlichen. Persönliche Erfahrungsberichte machen das eigene Versagen wie auch die Kraft Gottes transparent. Es darf geweint und gerne auch gelacht werden. Ich träume von Gottesdiensten, in denen das Leben pulsiert: das eigene Leben, das durchdrungen ist von dem Leben aus Gott.

Und ich träume von einem Gottesdienst-Après, bei dem schon beim Kaffeetrinken im Foyer das gerade Erlebte in unseren Begegnungen und Beziehungen vorkommt: Wir geben unserer Freude über den empfangenen Trost Ausdruck. Wir tauschen uns aus über die Korrektur oder Ermutigung, die uns wichtig geworden ist. Mit offenen Augen achten wir auf Besucher, die alleine stehen, und nehmen sie in unsere Gesprächsrunde mit hinein.

»Den Sonntag in den Alltag bringen.« Das ist das Ziel dieses Buches. Doch damit das geschehen kann, muss umgekehrt auch der Alltag wieder in den Sonntag gebracht werden. Dazu gehört, dass unser Umgang mit Geld, Sex und Macht offen angesprochen wird. Andere Problemfelder kommen hinzu. Kein Bereich braucht prinzipiell ausgeklammert zu bleiben. Denn Gott tabuisiert nichts in seinem Wort. Und er möchte in allem seine Kraft entfalten …

Wir thematisieren in diesem Buch ausschließlich den Alltag (deshalb wird es auch keine erbauende Andacht für den Sonntag geben!). Aber es soll eben ein Alltag werden, der zunehmend geprägt ist von Christus als Bezugspunkt. Er selbst soll als die Quelle und unser Vorbild zur Geltung kommen. Damit entwerten wir weder den Sonntag noch die Veranstaltungen der Gemeinde. Aber wir weisen ihnen ihre angemessene Bedeutung zu. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Wie Kaninchen in ihrem Bau?

Major W. Bott karikierte einmal eine typische christliche Woche. Er verglich sie mit einem Kaninchenbau. Jeden Morgen taucht ein affektierter Christ aus seinem christlichen Heim auf wie ein Kaninchen aus seinem Bau. Er stürzt sich mutig in die gefährliche Außenwelt, um dann in einer anderen Höhle für den Rest des Tages Sicherheit zu finden. Sie wird »mein christliches Büro« genannt. Nach Beendigung der Arbeit nimmt der Christ noch einmal allen Mut zusammen, um wieder herauszukommen und in einem dritten Loch zu verschwinden, das sich »meine christliche Kleingruppe« nennt.1

Ohne Zweifel ist dieses Bild stark überzeichnet. Es macht allerdings deutlich, wie sehr manche Christen in der Gefahr stehen, sich in ihr Winkeldasein zurückzuziehen; und wie wenig sie mit ihrer Jesusbeziehung in ihrem eigenen Alltag zu Hause sind.

Tatsache ist jedoch: Nur wenn wir als lebendige Gemeinden und glaubende Christen auch am Montag vorkommen, sind wir Gesandte des Herrn (vgl. Johannes 17,18). Sonst haben wir unsere Berufung verloren (vgl. Jakobus 1,22). Gott möchte sich durch uns in dieser Welt verherrlichen, indem wir nicht nur am Sonntag von seinem Willen reden, sondern auch am Montag das Gehörte umsetzen; und indem wir dieses zeichenhafte Handeln immer mehr zu unserem Lebensstil für die ganze Woche werden lassen. Was wir reden, müssen wir sein. Was wir sind, müssen wir leben.

Dies scheint für uns unbequem und mühsam zu sein; wir scheuen von Natur aus davor zurück. Deshalb setzen wir in diesem Buch zunächst – in der ersten Woche – bei uns selbst an, bei unserem Herzen. Gott will es neu ausrichten und alltagstauglich machen.

Durch die zweite Woche leitet uns das Vaterunser. Es begleitet uns in den Arbeitsalltag, in unsere Routine und ebenso in schwierige Herausforderungen. Und es setzt dort Maßstäbe. Danach werden wir überlegen, wie wir unsere Familien in den unterschiedlichen Lebensformen zu einer neuen, hoffnungsvollen Gemeinschaft machen, indem wir Gott einbeziehen und ihn wirksam werden lassen. Die vierte Woche beschäftigt sich mit unserer geistlichen Praxis. Wie sieht Spiritualität eigentlich im ganz normalen Alltag aus? Wie können wir sie integrieren? Welche Formen gibt es? In der fünften Woche werden unsere unterschiedlichen menschlichen Beziehungsebenen angesprochen – zu uns selbst, unseren Freunden, unseren Nächsten und sogar zu unseren Feinden; der Geist Gottes will hier aufdecken, heilen, erneuern und stärken. Und die letzte Woche weitet den Blick über unseren persönlichen und gemeindlichen Tellerrand hinaus in unsere Gesellschaft. Salz der Erde und Licht der Welt – was meint Jesus damit und wie kann das konkret aussehen?

Als Leser dieses Buches werden Sie sehen, dass Ihr Alltag sehr viele verschiedene Bereiche umfasst, die Sie aktiv gestalten können. Sie werden auch merken, dass die Autoren aus unterschiedlichen Erfahrungswelten kommen und sie Ihnen gerade deshalb spezifische, vielfältige Impulse für die Praxis weitergeben können. Seien Sie also offen für Dinge, die Gott Ihnen in den nächsten sechs Wochen zeigen möchte. Und denken Sie daran: Es zählt nur, was dann auch getan wird.

Vielleicht wurden Sie heute im Gottesdienst neu dankbar für die Gnade, die Gott Ihnen schenkt, für seine Treue und Fürsorge? Dann fangen Sie an, Gott zu danken – mit »Herzen, Mund und Händen«. Das heißt, lassen Sie Ihren Dank Gestalt gewinnen und Ihre Umgebung daran Anteil nehmen. Durch ein verändertes, frohes Herz; durch einen Mund, der von Gottes Taten berichtet; und durch Hände, die dort zupacken, wo sie gebraucht werden. So wird das Lob Gottes in Ihrer Umgebung vervielfacht.

Das kann schon heute am Sonntag beginnen; und es wird morgen eine Fortsetzung finden in allen Bezügen Ihres Alltags. Gott segne Sie dabei!

Fragen

•   Angenommen, Sie gehen heute in ein Restaurant. Was ist für Sie normaler: ein stilles, aber sichtbares Tischgebet? Oder eine anerkennende Bemerkung zur Bedienung? Und was gehört nach Ihrer Meinung zum natürlichen Christsein?

•   Wenn Jesus »alle Tage« bei Ihnen ist: An welchem Wochentag können Sie sich am wenigsten vorstellen, dass er Sie mit Zeichen seiner Gegenwart überrascht?

•   Was hindert Sie, in den nächsten sechs Wochen jeden Morgen zu beten: Herr, öffne mir bitte die Augen für die guten Werke, die du bereits vorbereitet hast, damit ich sie an diesem Tag ausführe (vgl. Epheser 2,10)?

Gebet

Jesus Christus, ich danke dir, dass ich an dich glauben darf. An die Versöhnung mit dem Vater im Himmel durch dein Kreuz. Und an die Kraft deiner Auferstehung, die mich im Leben und im Sterben durchträgt. Danke, dass ich in meiner Beziehung zu dir weiter wachsen darf. Du kennst meine Angst, dass ich mit diesem Buch nur wieder einer neuen modischen Welle erliege. Verhindere deshalb, dass ich an der Oberfläche bleibe. Ich möchte reifen in deiner Nachfolge und in der täglichen Jüngerschaft. Hilf mir dabei. Damit mein Glaube Hand und Fuß bekommt.

Amen.

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Woche 1: Landeplatz gesucht. – Glauben fängt bei mir an – von Christof Lenzen

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Christof Lenzen (43) ist mit Isa verheiratet, Vater von zwei Kindern und Pastor der FeG Eschweiler. Er genießt gern einen guten Wein und eine Havanna oder auch selbst zubereitete kulinarische Köstlichkeiten. Außerdem ist er Läufer und Buchautor (»Lass dich fallen und flieg« und »Glauben genießen«, beide bei SCM R.Brockhaus erschienen) und bloggt unter http://wegbegleiter.wordpress.com.

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Warum Gott genau dich will

Er, der Sohn Gottes, ist durch den Himmel bis zu Gottes Thron gegangen. Doch er gehört nicht zu denen, die unsere Schwächen nicht verstehen und zu keinem Mitleiden fähig sind. Jesus Christus musste mit denselben Versuchungen kämpfen wie wir, doch im Gegensatz zu uns hat er nie gesündigt. Er tritt für uns ein, daher dürfen wir mit Zuversicht und ohne Angst zu Gott kommen.

Hebräer 4,14b-16a; HFA

Ich sitze an meinem Schreibtisch in der zweiten Etage unseres Hauses und schaue nachdenklich aus dem Fenster über unseren Ort. Plötzlich nähert sich – langsam lauter werdend – aus der Ferne ein kleiner gelber Punkt. Nichts Ungewöhnliches. Doch der Punkt kommt näher und mit ohrenbetäubendem Rattern schwebt schließlich ein gelber ADAC-Hubschrauber über unserem Ortsteil und sucht nach einem Landeplatz – aber der ist nicht leicht zu finden!

Das Spiel kann ich etwa dreimal pro Jahr beobachten. Denn der eine Platz ist zu klein für die ausladenden Rotorblätter, der andere mit Autos besetzt, bei einem dritten ist der Untergrund nicht ausreichend vorbereitet und würde eine Landung gefährlich machen. Mit einigem Glück findet der Heli schließlich seinen Platz und kann ein verletztes Kind einladen und zum Klinikum nach Aachen fliegen …

Meine Gedanken kehren zurück zu diesem ersten Kapitel, doch plötzlich wird mir bewusst, wie viel dieses Ereignis mit unserem Thema zu tun hat und welches Bild Gott mir gerade geschenkt hat! Auch wenn Gott kein Hubschrauber ist, so möchte er im Leben eines jeden Menschen landen und seine rettende Aktion beginnen. Vorausgesetzt die Landeerlaubnis ist gegeben – und das nehme ich bei den Lesern dieses Buches einmal an –, gestaltet sich die Suche nach einem geeigneten Platz doch manchmal mehr als komplex und kompliziert. Nicht anders als in der Realität … Doch ich drehe noch eine kleine Schleife, um in der Fliegersprache zu bleiben …

Wenn wir von Glaube am Montag reden, dann heißt das ja nichts anderes als: der Glaube an Ihrem Montag! Es geht also um Sie, die Sie sich an einem ganz bestimmten, manchmal empfindlichen Moment befinden, nämlich dem Montag. Kann der Glaube vom Sonntag in die Woche gerettet werden? Und wenn nein, warum gelingt es nicht?

Wichtig ist: Gott ist stets der Handelnde. Davon gehe ich grundsätzlich aus, denn er geht immer in Vorleistung und ohne ihn können wir nichts tun. Aber – und hier geht es vielleicht um die erste Beseitigung eines Missverständnisses – Gott als Handelnder geht nicht über Sie hin. Er wird Ihren Willen nicht brechen, er wird nicht ohne Ihre Erlaubnis an Ihnen arbeiten und er wird auch nicht Räume betreten, die ihm verwehrt bleiben. Gott ist also erstaunlicherweise ein Handelnder, der sich in seiner Allmacht freiwillig beschränkt und sich von Ihnen ein Stück abhängig macht. Das gebietet die Liebe. Was folgt daraus für den Montag, angenommen, er würde gerade begonnen mit etwas Rest­alkohol, einer Schnittwunde vom Rasieren und vielen Sorgen im Kopf wegen eines bevorstehenden Projektes?

Gott will in Ihrem Montag landen. Das steht fest. Es hängt also nicht an Ihnen, das zu bewirken! Es ist seine feste Absicht. Ein Rettungshubschrauber will seine Arbeit tun! Aber es hängt an Ihnen, ob er landen kann … Hier liegt unsere Verantwortung. Schauen wir uns an, was ihn daran hindern kann:

1. Der Landeplatz ist zu klein.

Hier stoßen wir auf ein erstaunliches Phänomen. Obwohl Christen jederzeit unterschreiben würden, dass Gott allwissend ist, also nicht nur jedes Haar auf unserem Kopf gezählt hat, sondern auch jeden Gedanken, jede verborgene Nische unseres Herzens kennt, verbergen wir häufig Teile unserer Persönlichkeit vor ihm und machen damit den Landeplatz (zu) klein. Hier sehe ich einen ganz entscheidenden Faktor für stagnierendes und unfruchtbares Christsein. Dahinter steht nicht selten ein schiefes Gottesbild und mangelndes Vertrauen. Doch nicht vergessen: Gott ist ein Rettungshubschrauber – er ist nicht im Kampfeinsatz und gegen Sie!

Was verbergen wir alles vor ihm? Zum Beispiel Sünde. Zweifel. Kämpfe. Also alles, was uns vermeintlich von ihm trennt. Wir meinen, wenn wir es nicht erwähnten, sei es nicht so schlimm. Das Problem ist aber nie die Sünde, der Zweifel, der Kampf – sondern das Verschweigen. Diese Dinge sollen ans Licht kommen, damit sie fruchtbar für uns werden, sonst werden sie schnell furchtbar! Alles kann uns zum Guten dienen, es ist das heilige Paradox des christlichen Glaubens, dass selbst der Abfall des Petrus, dass also selbst unser Zweifel und unsere schwere Schuld zu einer Stärkung des Glaubens werden können (!), wenn wir sie ans Licht bringen und radikal ehrlich werden vor Gott. Das Kreuz Christi ermöglicht diesen befreienden Weg!

Manche Menschen betrachten diese Dinge allerdings als Zeichen der Schwäche im Glauben. Aber es geht gar nicht um Stärke des Glaubens, es geht um einen kleinen Glauben an einen starken Gott. Wenn ein Senfkorn zum Versetzen eines Berges reicht, dann dürfen wir getrost das Messen unseres Glaubens aufgeben und eher über das Ziel unseres Glaubens nachdenken. Gott ist in unserer Schwäche mächtig. Hurra! Jede Sünde und jeder Zweifel sind eine echte Chance, Gottes Gnade intensiver zu erleben und an richtiger Stärke zuzunehmen. Natürlich sollen wir deswegen nicht extra sündigen, darauf weist schon Paulus hin, aber die Sünde und der Zweifel verlieren so ihre Macht und zerstörerische Wirkung. Ich würde sogar sagen, dass der Zweifel für die Reifung des Glaubens von eminenter Wichtigkeit ist. Also nur Mut. Lassen Sie Gott in diese Bereiche und vergrößern Sie den Landeplatz.

2. Es gibt Hindernisse auf dem Landeplatz.

Vielleicht stehen aber auch irgendwo Autos auf dem Landeplatz he­rum und machen den Landevorgang unmöglich? Blockaden. Zum Beispiel fremde Hubschrauber. Von Konkurrenzunternehmen. Die sich aber bei näherem Hinsehen schnell als flügellahme Attrappen herausstellen. Vielleicht blockieren Sie aber auch ganze Lebensbereiche? Geld, Sexualität, Partnerschaft, Beruf … oder: Verstand, Gefühle, Wille … So manch ein Christ sehnt sich nach dem Gefühl des Glaubens, will aber seinen Kopf nicht anstrengen. Andere verkopfen den Glauben und misstrauen den Gefühlen … Was aber, wenn Gott beides benötigt, um sein verwandelndes Werk tun zu können? Davon bin ich jedenfalls überzeugt. Beide Bereiche gehören zur Seele, beide Bereiche sind verkrümmt und beide Bereiche sollen geheiligt werden durch Gottes gnädiges Handeln.

Was äußere Lebensbereiche angeht, da müssen Sie sich selbst auf die Finger schauen oder einmal einen Freund fragen: Wie nimmst du meinen Glauben wahr? Blende ich ihn irgendwo aus? Es kann sein, dass Sie in einem Lebensbereich zuerst anderen Autoritäten Macht verleihen, bevor Sie sich an Gott wenden. In einem Bereich ist das augenfällig: Gesundheit. Der Gottesdienst des modernen Menschen, wie Manfred Lütz bissig erwähnt. Seien wir ehrlich: Wer betet denn zuerst und erwartet auf den Knien vor Gott alles von ihm, bevor er zum Arzt geht? Oder bei den Finanzen. Da ist der Finanzberater der weisere Ratgeber als Gott? Welche fremden und störenden Objekte stehen der Landung des Rettungshubschraubers bei Ihnen im Wege?

3. Der Landeplatz ist ungeeignet.

Ich habe mich lange gefragt, ob es für Gott überhaupt ungeeignete Landeplätze in unserem Leben gibt. Denn dass sich Jesus davor scheut, irgendwo in den Dreck zu gehen, um sein heilsames Werk zu beginnen, das kann nun wahrlich nicht behauptet werden. Eine große Antwort kam mir im Gebet entgegen und ich erschrak darüber, denn ich fühlte mich getroffen: Stolz. Stolz wirkt wie Glatteis, wie eine glatte Versiegelung auf dem Herzen und verhindert echte Berührung. Dabei können hinter dem Stolz durchaus massive Wunden und Verletzungen stehen. Der Stolz aber legt Wert darauf, diese selbst zu behandeln, sich selbst vor weiteren Verletzungen zu schützen und niemanden heranzulassen außer sich selbst. So kann aus einer grausamen Verletzung der Seele etwas ganz Dunkles werden, das Gott davon abhält, uns zu berühren. Stolz kapselt die Wunde ein und gibt vor – auch wenn diese schmerzt und eitert –, niemanden nötig zu haben.

Hier hilft nur eins: ein radikaler Schritt bzw. Schnitt. Da Gott sich niemals aufdrängt und gegen die Liebe unsere Grenzen durchbricht, müssen wir ihn bewusst einladen, den Stolz zu vernichten, die alten Wunden aufzubrechen und seinen Heilungsprozess zu beginnen. Für den Stolz gibt es nur diese Einladung, echte Hingabe und die Bitte um Vergebung. Stolz – egal, aus welchen verständlichen oder unverständlichen Quellen er sich speist – ist immer die Pest für lebendigen Glauben.

Ich mache Ihnen Mut, den Montag bei sich zu beginnen. Gott will es auch. Er will Sie ganz, ohne Wenn und Aber. Er will landen – unsere Verantwortung ist es, diese Landung zu ermöglichen. Los geht’s!

Fragen

•   Kann Gott bei Ihnen landen? Wo machen Sie den Landeplatz klein?

•   Was für Blockaden könnten Gottes heilsamen Prozess behindern?

•   Gibt es Stolz in Ihrem Leben?

•   Kennen Sie die Tendenz, von sich selbst wegzuschauen, um nicht bei sich anfangen zu müssen?

Gebet

Herr, hilf mir, dass ich in meinem Herzen einen weiten Landeplatz für dich bereiten kann! Ich gebe dir die Erlaubnis, Blockaden aus dem Wege zu räumen, die weder mir noch dir helfen. Bitte schenke mir eine neue Achtsamkeit für mich selbst – damit ich ganz bei mir und ganz bei dir sein kann. Danke, Herr, dass du mich verwandelst!

Amen.

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Christlicher Hedonismus – Die Freude ist der Maßstab

Freut euch im Herrn.

Ich betone es noch einmal: Freut euch!

Philipper 4,4; NLB

Wenn man mich im Augenblick fragen würde: »Was möchtest du geistlich in deinem Leben erreichen?«, dann würde ich antworten: »Ich möchte ein weiser, reifer alter Mann werden mit einer tiefen Freude im Herzen!« Das ist ein richtig schönes Ziel und die Freude dabei ist der Indikator, ob es auf dem Weg zu diesem Ziel in die richtige Richtung geht. Auch für Sie. Wirklich? Freude? Ja, was sonst?

Wenn Jesus betont, dass seine Worte dazu führen sollen, dass die Freude in uns vollkommen sei (vgl. Johannes 15,11) – was ist genau gemeint? Zehn Prozent Freude? Gar eine frömmelnde Freudigkeit, für die man sogar ein Wort erfinden muss, um nicht Freude oder Spaß sagen zu müssen? Nein: Freude total, massiv, erfüllend, durchtragend. Darunter macht es Jesus nicht, warum nur wir …?

Paulus scheint das begriffen zu haben, denn er jubiliert aus dem Gefängnis heraus: »Freut euch!«, immer wieder: »Freut euch!« Der durchschnittliche Mensch fragt sich, welche Drogen der gute Mann genommen haben mag …. Aber er hat keine Drogen genommen, sondern kennt die frohe Botschaft. Die Frage ist nur: Warum macht sie uns so wenig froh? Schon gar nicht inmitten von widrigen Umständen?

Wenn es Ihnen so geht wie mir, haben Sie auch Sehnsucht nach dieser Freude. Ich möchte Ihnen einen Weg dahin anbieten. Dazu müssen wir uns erst einmal anschauen, was Freude nicht ist! So können wir frei werden für echte Freude, die von innen kommt, wie Albert Frey es in einem Lied formuliert hat!

Hedonistische Freude

Diese Freude hat zwei Merkmale. Das Ich steht im Mittelpunkt und benötigt äußere Auslöser für Freude, die es anregen. Hedonismus ist die Basis unserer Gesellschaft, in der wir uns im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode amüsieren. Man kann die Vergnügungen dieser Welt (Freizeit, Hobbys, Musik, Sport, schöne Produkte etc.) durchaus als Christ genießen, man muss nur durchschauen, was hinter dem Hedonismus steckt und wie man ihn umgeht, wenn man nicht in die Falle der Ich-Vergottung stapfen möchte.

Paulus sagt, dass nichts einfach nur schlecht ist, sondern mit Danksagung empfangen werden kann (vgl. 1. Timotheus 4,4). Wir dürfen also äußere Dinge in vollen Zügen genießen, wenn wir diese Freude nicht zum Gott machen und uns selbst nicht in den Mittelpunkt stellen. Dankbarkeit ist dabei ein gutes Gegengift, denn sie macht das äußere »Ding« zu einem Geschenk Gottes (dann kann es selbst nicht zum Gott werden) und schafft in uns eine Haltung des Beschenktseins (damit sind wir selbst offensichtlich auch nicht Gott). Dankbarkeit tötet in Sekunden jede Anspruchshaltung.

Enthaltsamkeit und Rückzug aus der Welt sind dagegen oft genug ein Schuss, der nach hinten losgeht. Glaube und Genuss lassen sich sehr wohl vereinen. Man muss nicht in Grau herumlaufen und auf ein Glas feinen Wein verzichten, weil man an Jesus glaubt! Wenn man mal das Gefühl hat, eine Äußerlichkeit könnte einen doch mehr als gewünscht im Griff haben, dann lohnt ein kleines Fasten. Zwei Wochen kein Fernsehen, Internet, Schokolade wirken Wunder und entthronen falsche Freudenbringer in unserem Leben.

Kurz: Dankbarkeit tötet Hedonismus auf der einen Seite – das müssen sich Christen sagen lassen, die allzu leicht »locker« in dieser Welt leben; auf der anderen Seite: Einer verhärmten Enthaltsamkeit, die die Dinge dieser Welt ablehnt, anstatt sie dankbar und in den Zusammenhang der frohen Botschaft eingeordnet zu genießen, ist Einhalt zu gebieten. Ein so geführtes Leben ist weder Evangelium für die Menschen auf der Suche nach Gott (wer will so leben?) noch biblisch verankert bzw. mit dem jüdisch-sinnlichen Urgrund unseres Glaubens zu vereinbaren.

Gefälschter christlicher Hedonismus

Jetzt wird es gefährlich. War der klassische Hedonismus schon subtil, so ist der gefälschte christliche Hedonismus noch schwerer zu entlarven. Er beschäftigt sich nämlich mit christlich »akzeptierten« äußeren Dingen als Freudenspender. Zum Beispiel: Gemeinde. Da wird das Wachstum der Gemeinde, der »Erfolg« einer Arbeit (wie auch immer man diesen definiert) schnell zum Gott und man geht ganz fromm angestrichen den direkten Weg auf den Schlund der Hölle zu, während Jesus sein Reich an anderer Stelle baut. Nicht jedes Wachstum ist Segen Gottes – auch Krebs wächst. Gerade in christlichen und vermeintlich unverdächtigen Aktivitäten kann die Arbeit mit Gott schleichend ersetzt werden durch die Arbeit für Gott – und diese entwickelt dann ihre eigene und versklavende Dynamik. »Aber es ist doch für den Herrn!« – dieser Satz war nicht selten der Beginn einer saftigen Ehekrise. Selbst die edelsten Dinge können zum gefälschten christlichen Hedonismus mutieren – wenn sie sich verselbstständigen und nicht mehr Gott selbst im Mittelpunkt steht – nicht die Beziehung, das »Sein«, sondern das »Werk«.

Oder Karriere. Da kann man Zeugnis sein für die Menschen, kann eine Menge Geld verdienen, von dem man eine Menge abgeben kann. In so mancher Theologie wird der Erfolg im Beruf sogar zum Ausweis der Erwählung Gottes. Wenn Gott diese Weisung gibt – nur zu! Aber wenn Sie unfähig sein sollten, auch nur gedanklich Karriere zu fasten, dann hat sich die Sache verselbstständigt. Die Karriere hat Gottstatus erreicht und Sie stehen im Mittelpunkt. Das ist Götzendienst und dort ist keine wirkliche Freude zu finden. Auch in geistlichen Berufen droht dieser gefälschte Hedonismus!

Oder nehmen wir die Familie! Noch so eine fromme heilige Kuh, die geschlachtet gehört. Familie ist etwas wirklich Schönes und Bereicherndes, das sage ich als Vater und Ehemann mit voller Überzeugung. Ich will nicht darauf verzichten – aber sie kann und darf nicht zum Gott werden. Familie ist nicht der heilige Raum, der ultimative Freude vermitteln soll. An einem solch übersteigerten Ehe- und Familienbild zerbrechen Menschen unweigerlich. Oder biegen sich die Realität in Heuchelei so hin, bis es passt – zumindest bis eines Tages, für alle überraschend, eine Beziehung in ihren Trümmern steht und selbst die engsten Freunde staunen: »Das hätten wir nie gedacht!«

Um es zu betonen: Gemeinde, Karriere, Familie