Reinhold Ruthe

Handbuch der therapeutischen Seelsorge
Band 1

Die Seelsorge-Praxis

Handbuch für
Beratung und Therapie – Lebensstilanalyse
Gesprächsführung – Familienberatung

© 1998 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers

Satz: Satz & Medien Wieser, Stolberg

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Die Seelsorge-Praxis

Vorwort

Beraterische und therapeutische Seelsorge

1. Therapeutische Seelsorge ist wesensmäßig biblische Seelsorge.

2. Therapeutische Seelsorge strebt Heil und Heilung an.

3. Therapeutische Seelsorge ist Fachseelsorge.

4. Therapeutische Seelsorge verfolgt einen integrativen Ansatz.

5. Therapeutische Seelsorge meint den ganzen Menschen.

6. Therapeutische Seelsorge behandelt Beziehungsstörungen.

7. Therapeutische Seelsorge will die Ursachen des Krankseins angehen.

8. Therapeutische Seelsorge ist keine Psychotherapie.

9. Therapeutische Seelsorge kümmert sich um die Seele des Menschen.

10. Therapeutische Seelsorge beinhaltet, daß der Seelsorger sich selbst kennt.

11. Therapeutische Seelsorge prüft alles.

12. Therapeutische Seelsorge ist Seelsorge aus der Gemeinde für die Gemeinde.

Der Lebensstil – Schlüssel zur Persönlichkeit

Therapeutische Seelsorge - hat es mit der Einheit der Persönlichkeit zu tun.

Wie stellt sich diese Einheit dar?

Was ist der Lebensstil?

Christlicher Glaube und Lebensstil

Wie arbeitet der therapeutische Seelsorger mit dem Lebensstil?

Der Mensch und sein Lebensstil

Lebensstil-Aspekt Nr. 1: Welche Meinung hat der Mensch über sich selbst?

Lebensstil-Aspekt Nr. 2: Welche Meinung hat der Ratsuchende über andere? – Welche Meinung haben die anderen von ihm?

Lebensstil-Aspekt Nr. 3: Welche Meinung hat der Ratsuchende von der Welt, vom Leben und von Gott?

Lebensstil-Aspekt Nr. 4: Die Meinung des Ratsuchenden über seine Ziele

Lebensstil-Aspekt Nr. 5: Welche Mittel und Methoden benutzt der Ratsuchende, um seine Ziele zu erreichen?

Der therapeutische Seelsorger vergleicht alles mit allem

Der Lebensstil

Ein Beziehungsmodell

Gesprächsführung in der therapeutischen Seelsorge

Gesprächshilfen für den Seelsorger

Hinweis 1: Therapeutische Seelsorge erarbeitet die Ratschläge mit dem Ratsuchenden.

Hinweis 2: Therapeutische Seelsorger werden mit fragwürdigen Motiven konfrontiert.

Hinweis 3: Therapeutische Seelsorger erarbeiten die Beweggründe.

Hinweis 4: Therapeutische Seelsorger üben das Zuhören.

Hinweis 5: Therapeutische Seelsorger versetzen sich in den anderen hinein.

Hinweis 6: Therapeutische Seelsorger müssen ihre Grenzen erkennen.

Das Erstgespräch in der beratenden und therapeutischen Seelsorge

1. Worauf muß der Seelsorger beim Telefonanruf achten?

2. Ich sehe den Ratsuchenden in seiner Beziehung:

3. Welchen Eindruck vermittelt mir der Ratsuchende?

4. Bedingungen für das Gespräch

5. War der Ratsuchende schon bei einem anderen Berater, Arzt oder Seelsorger?

6. Die Herausarbeitung des Problems:

7. Erzählen Sie ein Beispiel

8. Abschluß des Erstgespräches:

Zwölf Schritte im Beratungsprozeß

Die Herausarbeitung des Problems: Worauf muß der Seelsorger achten?

Wie bearbeite ich ein Problem?

Wie bearbeite ich ein Problem im Gespräch?

Priorität und Lebensstil

Prioritäten sind ein wichtiges Diagnosemittel für die therapeutische Seelsorge

Die Arbeit mit Prioritäten als Diagnosemittel für die Paarbeziehung

Die Arbeit mit Prioritäten stellt die Glaubensschwierigkeiten heraus

Therapeutische Seelsorge und die Typologie

Lebensstil und Bewegungsgesetz

Vier Grundtypen in bezug auf die Gemeinschaft

Die Prioritäten-Frage im Leben eines Menschen

Die vier Prioritäten und ihre Bedeutung

Zugewandte und nichtzugewandte Menschen

Fragebogen zur Feststellung der eigenen „Priorität“

Welche Schlüsse ziehen wir aus der Prioritäten-Lehre?

Die vier Prioritäten – ihre Stärken und Schwächen

Priorität: Überlegenheit

Priorität: Kontrolle

Priorität: Gefallenwollen

Priorität: Bequemlichkeit

Die vier Prioritäten und was ihre Träger vermeiden

Die vier Prioritäten und wie ihre Träger Glaubens- und Gottesfragen leben

Die Wirkung der eigenen Priorität auf andere

Priorität: Überlegenheit

Priorität: Kontrolle

Priorität: Gefallenwollen

Priorität: Bequemlichkeit

Welchen Preis zahlen Menschen mit den verschiedenen Prioritäten?

Die 4 Prioritäten und ihr Konfliktpotential in der Paarbeziehung

Liebesprobleme in der therapeutischen Seelsorge

Was ist Liebe?

Liebe drückt sich auch im Lebensstil aus

16 Aspekte und Ausdrucksformen der Liebe

Selbsterforschungsfragebogen „So stell’ ich mir die Liebe vor“

Fragebogen: „Welche Rolle spiele ich in der Paarbeziehung?“

Wie entsteht ein Entzweiungssyndrom?

Nähe und Distanz in Partnerschaft und Ehe

I. Welche Verhaltensmuster kann der nähebedürftige Partner praktizieren?

II. Welche Verhaltensmuster kann der distanzierte Partner praktizieren?

Einstellung zu Liebe und Partnerschaft

Meine Liebesfähigkeit – ein Selbsterforschungsfragebogen

Was für eine Partnerin hat der Mann vor der Ehe gesucht?

Was für einen Partner hat die Frau vor der Ehe gesucht?

Liebespartner mit Schwächen – ein Selbsterforschungsfragebogen

Was bedeutet Ehereife?

Profil einer glücklichen Ehe

Selbstwertstörungen in Beratung und Seelsorge

Merkmale des Minderwertigkeitsgefühls

Welche Faktoren stören mein Selbstwertgefühl?

Ein Selbsterforschungsfragebogen

Selbsterforschungsfragebogen für Eltern und Erzieher (bei Minderwertigkeitsproblemen)

Selbstachtung und Selbstwert

Der Teufelskreis des Minderwertigkeitsgefühls

Der Bekräftigungskreis des Selbstvertrauens

Sexuelle Probleme in Beratung und Seelsorge

Voreheliche Beziehungen

Biblisch-theologische und therapeutisch-seelsorgerliche Anmerkungen

Selbstbefriedigung

Biblisch-theologische und therapeutisch-seelsorgerliche Argumente

Drei Aspekte zum Verständnis:

Ist Petting eine Lösung?

8 Anmerkungen

Welche Probleme können sexuelle Schwierigkeiten in der Ehe auslösen?

Wahllose Zusammenstellung

Störungen der partnerschaftlichen Sexualität

1. Störungen des sexuellen Begehrens

2. Störungen in der Erregungsphase

3. Störungen beim Orgasmus

4. Störungen des Geschlechtsverkehrs

5. Störungen nach dem Orgasmus

6. Häufigkeit des Verkehrs

7. Organisch und seelisch bedingte Funktionsstörungen

Wie können sexuelle Probleme entstehen?

Sexuelle Störungen und die Beziehungen der Partner zueinander

Einige Fakten über sexuelle Zusammenhänge

Mythen und Irrtümer rund um die Sexualität

Welche Fragen sind für die Erfassung der sexuellen Problematik wichtig?

Welche Methoden helfen, die Probleme der Gesamtpersönlichkeit zu erfassen?

Beratung und Seelsorge mit der ganzen Familie

Wann ist Familienberatung angezeigt?

Allgemeine Hinweise für die Familienberatung und Familienseelsorge

Familienberatung

Familienbeziehungen

Welche Botschaften haben wir von unseren Eltern empfangen?

Anregungen für den Selbsterforschungsfragebogen:

Rollen, die wir in Familien spielen

Fragebogen für Kinder und Jugendliche ab 10 Jahre

Ein Blick in die Familie

Das Familienbeziehungsspiel

Die Familienbeziehungen können auch gezeichnet werden.

Vergebung in Seelsorge und Beratung

Fünf Irrtümer beim Umgang mit Verletzungen

Vergebung ist ein Prozeß

Vergebung ist ein erster Schritt

Vergebung bedeutet, die Hintergedanken und Befürchtungen aufzugeben

Vergebung bedeutet eine Lebensstil-Korrektur

Die Einstellung zur Vergebung ist eine Frage an den Seelsorger

Wenn wir nicht vergeben wollen

Liebende leben von der Vergebung

Was wollen wir mit Nicht-vergeben-Wollen bezwecken?

Die therapeutische Seelsorge vermittelt Befreiung durch Beichte

Warum Beichte?

Voraussetzungen der Beichte

Die Praxis der Beichte

Fragen zur Selbstprüfung – Beichthilfe

Acht Verwandlungen durch Vergebung

Was geschieht im Vergebenden?

Vergeltung statt Vergebung im partnerschaftlichen Umgang

Literaturhinweise

Stichwortverzeichnis

Gesprächsführung in der Seelsorge

Vorwort

Kapitel 1
Was ist Seelsorge?

Ziel der Seelsorge

Zum Verhältnis von Heil und Heilung

Beraten ‒ bezeugen ‒ befreien

Die Gesprächspsychotherapie von Carl Rogers ‒ Vorteile und Grenzen

Kapitel 2
Der Seelsorger klärt die Probleme und den Arbeitsauftrag

Was bewegt den Ratsuchenden?

Der Seelsorger fragt nach dem Problem

Der Seelsorger wiederholt das Problem

Sieben Versionen, wie der Seelsorger an ein Problem herangehen kann

Drei Formen des Problems

Der Arbeitsauftrag

Herausarbeitung des Problems ‒ Herausarbeitung des Arbeitsauftrags

Die Unterschiede zwischen Problem und Arbeitsauftrag

Richtige und falsche Arbeitsaufträge

Ein problematischer Arbeitsauftrag ‒ ein Beispiel

Der Abschluss des Gesprächs

Kapitel 3
Aktives Zuhören lernen

Welche Vorteile hat aktives Zuhören?

Varianten des reflektierenden Zuhörens

Aktives Zuhören muss ständig neu trainiert werden

Zuhören heißt, das Wesentliche zu erfassen

Ein Beispiel erleichtert das aktive Zuhören

Kapitel 4
Der Seelsorger erarbeitet die Motive

Probleme und Motive

Die Folgen ungeistlicher Motive

Fünf Beispiele zur Motivationsklärung

Die Reaktionen des anderen verraten seine Ziele und Motive

Wozu sucht ein Ratsuchender den Seelsorger auf?

Kapitel 5
Der Seelsorger schaut sich und seine Gesprächsführung an

Der Seelsorger und die Selbsterforschung

Wie habe ich die bisherigen Gespräche erlebt? ‒ Fragen an den Ratsuchenden

Fragebogen zur Selbstprüfung für den Seelsorger

Wenn der Seelsorger Probleme mit sich hat

Der Seelsorger überprüft seine Gesprächseinstellung

Der Seelsorger bestimmt nicht das Gespräch

Der Seelsorger überprüft sein „Helfersyndrom“

Der Seelsorger und sein Umgang mit Sympathie und Antipathie

Der Seelsorger überredet nicht

Der Seelsorger bevorzugt die „offene Kommunikation“

Der Seelsorger überprüft sein einfühlendes Reflektieren

Selbsterforschungsfragebogen für den Seelsorger

Kapitel 6
Über den Umgang mit Fehlern und Fallen

Die drei Arten von Anliegen

Der Seelsorger hebt die drei Anliegen ins Licht

Über den Umgang mit Fehlern in der Gesprächsführung

Über den Umgang mit Deutungen

Stellen Sie selbst Ihre Deutungen in Frage!

Über den Umgang mit Gesprächspausen

Über den Umgang mit Ratschlägen

Über den Umgang mit Allgemeinsätzen

Über den Umgang mit eigenen Erfahrungen

Über den Umgang mit so genannten „guten Absichten“

Über den Umgang mit „Gesunden“ und „Kranken“

Über den Umgang mit Persönlichkeitsstrukturen

Über den Umgang mit Gesprächsanteilen bei zwei Ratsuchenden

Wenig hilfreiche Fragen an den Ratsuchenden

Fragen zu Gebieten, die der Ratsuchende nicht angesprochen hat

Suggestivfragen und mehrere Fragen auf einmal

Kapitel 7
Über den Umgang mit Glaubensproblemen

Beispiel: Beten

Beispiel: Besuch bei einem unheilbar Kranken

Beispiel: Ich habe schreckliche Angst!

Beispiel: Wenn das Ende kommt

Kapitel 8
Wie kommt es zur Lebensstilkorrektur?

Wann wird eine Lebensstiländerung fruchtbar?

Praxis der Gesprächsführung ‒ Vier Schritte

Es gibt Veränderungen nach einem Gespräch

Was schränkt Lebensstiländerungen ein?

Die Lebensstilkorrektur ‒ mit Gottes Hilfe

Kapitel 9
Über den Umgang mit Vergebung und Beichte

Vergebung ist ein Prozess

Vergebung ist ein erster Schritt

Wenn nach der Vergebung bittere Gefühle bleiben

Vergebung und Befreiung bei okkulten Belastungen

Beichte und Vergebung

Fragen zur Selbstprüfung

Vergebung und das konkrete Gebet

Wie konkret beten wir?

Wie lauten hilfreiche Gebete?

Vergeben und Verzeihen in Ehe und Partnerschaft

Literaturhinweise

Stichwortverzeichnis

Vorwort

Dieses Handbuch der therapeutischen Seelsorge ist in erster Linie ein Buch aus der Praxis für die Praxis. Es bietet ein fest umrissenes Konzept, das sich in erster Linie an biblischen Maßstäben orientiert, aber methodische Hilfen aus den Humanwissenschaften mit einbezieht. Das Wort Gottes ist Richtschnur, Dreh- und Angelpunkt der therapeutischen Seelsorge. Sie will keine Psychotherapeuten ausbilden, sondern Seelsorger in Kirche, Gemeinschaft und Freikirche zurüsten,

Therapeutische Seelsorge ist finalanalytisch ausgerichtet, das heißt:

Viele Methoden und therapeutische Hilfen werden in dem Buch nicht angesprochen. In Kursen und Seminaren, die das Institut in Brasilien anbietet, kann die Praxis der therapeutischen Seelsorge erarbeitet und ausgebaut werden.

„Alle eure Sorge werft auf ihn; er sorgt für euch“ (1. Petr. 5, 7), das ist die Basis aller therapeutischen Seelsorge. Wir sind seine Werkzeuge und Mitarbeiter, die als seine Beauftragten Menschen in Not beistehen.

Einige Hinweise zum Gebrauch des Buches:

Das vorgelegte Konzept der therapeutischen Seelsorge ist in erster Linie an der Bibel orientiert. Die biblischen Maßstäbe gelten uneingeschränkt. Für die praktische Arbeit sind Methoden und Erkenntnisse

Es werden jedoch für Seelsorge und Beratung nur solche Hilfen verwendet, die der biblischen Botschaft nicht widersprechen.

Um der Praxis den Vorzug zu geben, sind theoretische Abhandlungen über die konkrete Herkunft der Arbeitshilfen unterblieben, ebenso wurde auf wissenschaftliche Auseinandersetzungen und Vergleiche mit anderen Schulrichtungen und Seelsorge-Instituten verzichtet.

Für die Seelsorge-Arbeit wünschen wir allen Lesern und Benutzern des Handbuchs Gottes Segen.

Reinhold Ruthe

Beraterische und therapeutische Seelsorge

Der christliche Glaube, der in Kirchen, Freikirchen und Gemeinschaft verkündigt und praktiziert wird, kennt einen Schwerpunkt: die ganzheitliche Seelsorge am Menschen, der an Leib, Seele und Geist mit Schwierigkeiten, seelischen Nöten, Glaubens- und Lebensproblemen zu tun hat. Aufgabe, Auftrag und Ziel der therapeutischen Seelsorge sollen in einigen Punkten charakterisiert werden.

1. Therapeutische Seelsorge ist wesensmäßig biblische Seelsorge.

Im geistlichen Sinne ist der Mensch kein Selbstversorger, sondern darauf angewiesen, umsorgt zu werden. „Alle eure Sorge werft auf ihn; er sorgt für euch!“ (1. Petr. 5,7). Der eigentliche Seelsorger ist Christus, wir sind seine Helfer und Mitarbeiter. Therapeutische Seelsorge will die Begegnung mit Jesus Christus fördern, so daß der Mensch sein Leben vor ihm und mit ihm ändern, neu ordnen und gestalten kann.

2. Therapeutische Seelsorge strebt Heil und Heilung an.

Heil und Heilung, Heil und Wohl, Glaubens- und Lebensprobleme – immer beides – spielen im biblischen Denken die Hauptrolle. Die Bibel sieht den Menschen in einer anderen Sicht als die Psychologie. Sie sieht den Menschen nicht als isolierte Person, sondern als Person vor Gott, unter Gottes Anspruch und Zuspruch. Sie will dem erlösungsbedürftigen Menschen die völlige Erlösung in Jesus Christus erschließen (1. Tim. 2, 4 - 6) und ihm die Rechtfertigung des Sünders aus Gnaden (2. Kor. 5, 21) vermitteln. Therapeutische Seelsorger versuchen dem Ratsuchenden zu zeigen, welches Bild Gott von ihm hat, wie Gott ihn gemeint hat und wie er sein Leben aus Gott neu gestalten kann.

Gleichzeitig geht es der therapeutischen Seelsorge um Heilung. Heilung meint das Gesundwerden von körperlichen und seelischen Krankheiten.

Jesus hat seine Jünger in die Welt geschickt, zu verkündigen und zu heilen. Zweifellos steht das Heil im Vordergrund; die Vergebung der Schuld ist eine Heilung von der Krankheit des Todes. Die Heilung von seelischen Störungen und Krankheiten, die Heilung von Gebrechen und Schwachheiten aller Art ist ein Auftrag, der nicht unter „ferner liefen“ gesehen werden darf.

3. Therapeutische Seelsorge ist Fachseelsorge.

Methoden und wissenschaftliche Hilfen aus den Humanwissenschaften – soweit sie biblischen Aussagen und Maßstäben nicht widersprechen – werden in den Beratungs- und Seelsorgeprozeß eingebaut, um den Menschen in ihren konkreten Sorgen, Leiden, psychischen Abhängigkeiten und Krankheiten gerecht zu werden.

Bewußte Christen nehmen weltweit Ärzte für alle Krankheiten des Leibes und der Seele in Anspruch. Sie nutzen die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die mit dem biblischen Hintergrund nichts zu tun haben, für sich. Alle technischen Errungenschaften und Erfindungen des Atomzeitalters, Flugzeuge, Druckerzeugnisse, Telekommunikation usw. werden kommentarlos von Christen in ihr Leben integriert. Nur Psychologie und Psychotherapie und andere Zweige der Humanwissenschaften sollen ferngehalten werden?

Darum ist es unvorstellbar, daß nicht auch wissenschaftliche Ergebnisse aus den Fachgebieten Psychotherapie, Psychologie, Psychiatrie, Pädagogik und Medizin, wenn sie biblischen Lehrmeinungen nicht zuwiderlaufen, in der therapeutischen Seelsorge Verwendung finden. Christen, die sich als Seelsorger berufen fühlen, sollen zugerüstet werden, im Namen Jesu Menschen ganzheitlich fachlich und sachlich zu helfen.

4. Therapeutische Seelsorge verfolgt einen integrativen Ansatz.

Der integrative Ansatz beinhaltet, daß in erster Linie therapeutische Methoden aus der Individualpsychologie, der Gesprächspsychotherapie, der Logotherapie und der rational-emotiven Therapie Verwendung finden. Priorität behält eindeutig das Wort Gottes. Therapeutische Techniken und Methoden haben eine dienende Funktion und werden als Erkenntnisse in die biblische Seelsorge eingebaut. Auf keinen Fall darf die Schrift uminterpretiert werden, um sie Erkenntnissen aus den Humanwissenschaften anzupassen.

5. Therapeutische Seelsorge meint den ganzen Menschen.

Therapeutische Seelsorger wenden sich an Leib, Seele und Geist. Alle drei unzertrennlichen Dimensionen haben mit dem lebendigen Gott zu tun und spielen in Beratungsgesprächen eine Rolle. Die Bibel spricht körperliche, seelische und soziale Bezüge an. Denken, Fühlen, Handeln und Glauben bedingen sich gegenseitig und können nicht getrennt diagnostiziert und behandelt werden. „Gott, der uns seinen Frieden schenkt, vollende euch als sein Volk und bewahre euch unversehrt an Geist, Seele und Leib, damit ihr fehlerfrei seid an dem Tag, an dem Jesus Christus, unser Herr, kommt“ (1. Thess. 5, 23). Gott liebt in Christus den ganzen Menschen. Weil das so ist, gehören Ängste, Zwänge, Erziehungsprobleme, Partnerschaftskonflikte, sexuelle Störungen und psychosomatische Beschwerden zu den Tätigkeitsfeldern therapeutischer Seelsorge. Wer zu Christus gehört, ist nicht frei von psychischen und zwischenmenschlichen Beschwerden. Sachliche und geistliche Aspekte gehören nahtlos zusammen.

6. Therapeutische Seelsorge behandelt Beziehungsstörungen.

Seit dem Sündenfall ist eine dreifache Beziehungsstörung eingetreten. Der Mensch hat Beziehungsstörungen zum lebendigen Gott, zum Mitmenschen und zu sich selbst. Die Wiederherstellung intakter Beziehungen auf allen drei Ebenen ist das zentrale Thema der Bibel. „Alle sind schuldig geworden und haben die Herrlichkeit verscherzt, die Gott ihnen geschenkt hatte. Aber Gott hat mit ihnen Erbarmen und nimmt sie wieder an. Das ist ein reines Geschenk. Durch Jesus Christus hat er uns aus der Gewalt der Sünde befreit“ (Röm. 3, 23. 24). Diese dreifache Beziehungsstörung ist Gegenstand der therapeutischen Seelsorge.

7. Therapeutische Seelsorge will die Ursachen des Krankseins angehen.

Viele Menschen suchen die Verursacher von Krankheiten in unglücklichen Umständen, in der Vergiftung der Lebensmittel, in der Verschmutzung der Luft und des Wassers, in der Lärmbelästigung und im Streß. Krankheit ist eine existentielle Frage. Kranksein offenbart unsere ganzheitliche Heilungsbedürftigkeit. Therapeutische Seelsorge fragt nach dem verzerrten Gottes- und Glaubensbild, nach dem Mißtrauen Gott gegenüber, nach tiefsitzenden Selbstwertstörungen, nach ungeistlicher Leistungsfrömmigkeit, nach Verantwortungslosigkeit, nach der unverbindlichen Lebenshaltung. „Die eigentliche Wunde bleibt stets die gestörte oder fehlende Beziehung des Menschen zu seinem Schöpfer. Sie ist die Ursache des privaten und kollektiven Unheils in der Welt. Um diesen Zusammenhang deutlich zu machen, ist Jesus auf die Erde gekommen.“1

8. Therapeutische Seelsorge ist keine Psychotherapie.

Therapeutische Seelsorger sind keine Psychotherapeuten und wollen auch nicht mit psychotherapeutischen Techniken und Methoden allein dem Menschen helfen. Therapeutische Seelsorger sind Seelsorger und benutzen therapeutische Hilfen und Erkenntnisse, um sich in Menschen einzufühlen, um zu ermutigen, Hoffnung zu vermitteln, zu trösten, zu ermahnen, den Menschen mit Sünde zu konfrontieren und ihm im Namen Jesu Vergebung zuzusprechen. Je mehr der Mensch ein Leben aus Christus und mit Christus führt, desto leichter wird es, in der Kraft Gottes sein Fehlverhalten, seinen Ehrgeiz, seine Depressionen, seine Resignation, seine körperlichen Funktionsstörungen, seine Ehekonflikte und Erziehungsfehlformen zu erkennen, sie ins Gebet zu nehmen und an der Kurskorrektur zu arbeiten.

9. Therapeutische Seelsorge kümmert sich um die Seele des Menschen.

Seele (griech. „psyche“) meint den ganzen Menschen. Nicht der Mensch hat eine Seele, der Mensch ist Seele. Adam und Eva und alle Kinder und Kindeskinder, die nach ihnen geboren wurden, sind Seelen. Mensch sein heißt, Leib sein, Seele sein, Geist sein. In der Schöpfungsgeschichte heißt es unmißverständlich: „Und Gott, der Herr, machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Also ward der Mensch eine lebendige Seele“ (1. Mose 2, 7).

Der lebendige Odem Gottes wurde dem Menschen nicht in einen bestimmten Körperteil eingehaucht. Das neue Wesen, der Mensch, ist die lebendige Seele, und zwar vom Scheitel bis zur Sohle. Der Begriff „Seele“ (hebr. „nephesch“) bezieht sich in der Bibel stets auf den ganzen Menschen. Von daher ist es auch nicht möglich, zwischen seelischen, körperlichen und geistigen Symptomen klar zu unterscheiden. Glaubens- und Lebensprobleme gehen von daher nahtlos ineinander über. Es ist unbiblisch, wenn Menschen für geistliche Probleme den Pastor, für körperliche Probleme den Arzt und für sogenannte seelische Probleme den Psychotherapeuten aufsuchen.

10. Therapeutische Seelsorge beinhaltet, daß der Seelsorger sich selbst kennt.

Der Seelsorger selbst nimmt eine Schlüsselstellung im beraterisch-seelsorgerlichen Prozeß ein. Er muß sich selbst kennen, seine Stärken und Schwächen, seine Gaben und Anfechtungen. Der Seelsorger muß daher selbst einen Seelsorger haben. Jede aktive Seelsorge beginnt mit der Seelsorge an der eigenen Seele. Christus ist der eigentliche Seelsorger. Er kümmert sich nicht nur um unsere Sünden, sondern auch um unsere Sorgen in Bezug auf die Gespräche mit Ratsuchenden. Er sorgt für uns, er ist unser Mund, unser Beistand, unser Tröster und Anwalt. In ihm können wir getrost und gelassen sein. Eine Selbstanalyse, Selbsterkenntnis und Selbstwahrnehmung sind eine notwendige Vorbedingung, andere Menschen in die Seelsorge zu nehmen. „Herr, du erforschest mich und kennst mich. Ich sitze oder stehe, du weißt es; du verstehst meine Gedanken von ferne“ (Psalm 139, 1. 2).

11. Therapeutische Seelsorge prüft alles.

Das ist ein weiser und hilfreicher Gedanke des Neuen Testamentes. Paulus formuliert ihn so: „Prüfet aber alles, und nehmt nur an, was gut ist. Von jeder Art des Bösen haltet euch fern“ (1. Thess. 5, 21. 22). Die Humanwissenschaften haben viele Forschungsergebnisse über den komplizierten Menschen zusammengetragen. Seelsorger, die diese wissenschaftlichen Ergebnisse beiseite schieben, soweit sie gesichert und überprüft sind, verhalten sich töricht und überheblich. Nicht alle Methoden und Psychotechniken werden ungeprüft übernommen. Ratsuchende dürfen nicht ungefragt mit Techniken konfrontiert werden, die ihnen suspekt und zweifelhaft erscheinen. Alle Praktiken müssen dem Ratsuchenden transparent gemacht werden.

12. Therapeutische Seelsorge ist Seelsorge aus der Gemeinde für die Gemeinde.

Für die Ausbildung und Zurüstung qualifizierter Seelsorger werden aktive Christen zugelassen, die von den Leitungsorganen der Kirche oder der Gemeinde eine schriftliche Empfehlung beibringen können. Seelsorge ist ein Charisma, das in der Gemeinde praktiziert und für Ratsuchende aus den Gemeinden angeboten wird.

Die Gemeinde Jesu braucht heute kompetente Fachseelsorger, die in der Lage sind, den Ratsuchenden bei Ängsten, Zwängen, Streßsymptomen, Ehe- und Familienkonflikten, Glaubens- und Lebensproblemen fachliche Gesprächsangebote zu machen und sie in ihrer „vertikalen Dimension“, das heißt in der Gottesbeziehung, ernst zu nehmen. Schuld und Sünde, Versöhnung und Vergebung sind der Dreh- und Angelpunkt therapeutischer Seelsorge.

Der Lebensstil – Schlüssel zur Persönlichkeit

Die Entdeckung des Lebensstils als Ausdruck der Einheit der Persönlichkeit geht auf Alfred Adler zurück. Sie ist ein unschätzbarer Kunstgriff, in wenigen Strichen die Leitmotive eines Menschen zu erfassen. Die therapeutische Seelsorge hat mit diesem Schlüssel ein hilfreiches Instrument in der Hand, Probleme, Konflikte und Symptome eines Menschen aufzuschließen.

Früher wurde der Mensch in unzählige Teile zerlegt und aufgespalten. Denken, Gefühle, Wille, Triebe, Bewußtes und Unbewußtes, Partialtriebe und Strebungen wurden im wesentlichen unkoordiniert und nebeneinander gesehen. Man untersuchte die Einzelteile und verlor die Einheit des Menschen und das Ganze aus dem Auge.

Wenn wir in der therapeutischen Seelsorge einem Menschen effektiv helfen wollen, müssen wir ihn ganzheitlich verstehen:

Je konkreter und präziser der Lebensstil in einigen Strichen formuliert werden kann, desto klarer kann die Lebensstilkorrektur, kann die Buße bzw. die Gesinnungsänderung des Ratsuchenden erfolgen.

Der Lebensstil ist also der Schlüssel, um das „Haus“ dieses unverwechselbaren Menschen aufzuschließen.

Schauen wir uns zunächst noch einmal die Einheit der Persönlichkeit an. Leib, Geist und Seele sind nichttrennbare Bereiche. Kein Mensch kann sie auseinanderdividieren.

Therapeutische Seelsorge
hat es mit der Einheit der Persönlichkeit zu tun.

Wenn wir junge und erwachsene Menschen verstehen wollen, wenn wir ihre Gesamtpersönlichkeit zu erfassen versuchen, um die Konflikte und Probleme, ihre Glaubens- und Lebensschwierigkeiten einordnen zu können, müssen wir uns dem ganzen Menschen zuwenden. Auch die Bibel spricht den Menschen ganzheitlich an: „Fürchtet euch nicht vor denen, die nur den Körper, aber nicht die Seele töten können. Fürchtet euch vor Gott, der Leib und Seele ins ewige Verderben schicken kann“ (Matth. 10, 28).

Diese Ganzheit und Einheitlichkeit des Menschen betont Ralf Luther in seinem „Neutestamentlichen Wörterbuch“ so: „Die Seele ist das im Menschen, wodurch er zu einer in sich abgeschlossenen Person wird, die denken, fühlen, wollen kann und mit allerlei Schaffenskräften begabt ist. Der Geist ist das im Menschen, wodurch er Gott benachbart ist, mit ihm, dem Schöpfer selbst, in Beziehung treten kann. Der Leib ist das im Menschen, wodurch er in Beziehung mit der Welt (Schöpfung, Mitmenschen) treten kann; das Werkzeug, mit dem er auf sie einwirkt. Der Leib ist das Organ, durch das er von seiner Umwelt Eindrücke empfängt. Zugleich ist der Leib die Behausung und Stütze für Geist und Seele. Auch ist dem Menschen vieles von den Werken des Schöpfers erst durch die Vermittlung seiner Leibesorgane zugänglich.“2

Alle Reaktionen des Menschen sind Ausdruck seiner Gesamtpersönlichkeit. Was immer wir beim Menschen sehen und beobachten, seine Haltungen, seine Vorstellungen, seine Fehler, seine Verhaltensmuster, seine Fehlreaktionen, seine Sünde, seine Zielverfehlungen, seine Glaubensvorstellungen, seine Liebesempfindungen, seine Neurosen und seine Psychosen, alle Lebensäußerungen spiegeln die eine Gesamtpersönlichkeit wider. Keine Haltung oder Eigenschaft führt ein Sonderdasein in diesem einmaligen Menschen, sondern alle Verhaltensmuster, Fehler und Sünden sind Ausdruck dieser einmaligen Persönlichkeit.

Wie stellt sich diese Einheit dar?

Die Gedanken eines Menschen, die Gefühle und das Handeln eines Menschen stimmen überein. Der Mensch handelt, wie er denkt. Seine Gefühle sind mit seinen Gedanken synchronisiert. Seine Gefühle spiegeln sein Denken wider.

Wir reagieren so, wie unsere Gedanken und Wünsche es ausdrücken. Sind wir in unseren Gedanken negativ, resigniert, hoffnungslos und verzweifelt, dann spiegeln auch unsere Gefühle Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Resignation und Depression wider. Auf allen Ebenen kommt das negative Denken zum Ausdruck:

Unser gesamtes Leben, vom Scheitel bis zur Sohle, ist dann vom negativen Denken beeinflußt und in Anspruch genommen. Und das ist nur ein Beispiel für die Verzahnung eines Problems, das sich in allen Lebensäußerungen widerspiegelt.

Was ist der Lebensstil?

Es gibt eine Reihe von Umschreibungen und Definitionen für den Schlüssel der Persönlichkeit.

Der Lebensstil umfaßt:

die Leitideen eines Menschen,

seine Lebensgrundüberzeugungen,

seinen Lebensentwurf,

sein Lebensschema, seinen Lebensplan,

sein individuelles Lebensskript,

seine private Weltanschauung,

seine private Logik, seine subjektive Art

zu denken, zu fühlen,

zu handeln,

zu leben, zu lieben,

zu kommunizieren,

zu glauben,

zu beten und

seine Lebensschablone, die er über alle Ereignisse und Begegnungen „stülpt“.

Der Lebensstil spiegelt einen bestimmten Stil wider. Kennzeichen eines Stils sind unter anderem:

Jeder Mensch demonstriert einen Stil, der seine Persönlichkeit charakterisiert. Es ist von daher nicht übertrieben, von einem Schreibstil, Sprechstil, Arbeitsstil, Briefstil, Laufstil und Glaubensstil zu sprechen. Dem therapeutischen Seelsorger ist die Aufgabe gestellt, in Beratungsgesprächen diese Einheitlichkeit des Denkens, Planens und Handelns herauszufinden und sie mit den Problemen von Ratsuchenden in Verbindung zu setzen.

Christlicher Glaube und Lebensstil

Der Lebensstil gibt jedem Menschen sein Gepräge. Die Psychologie hat herausgefunden, daß der Lebensstil sich spätestens bis zum achten Lebensjahr in wesentlichen Ausprägungen herauskristallisiert hat. Er liegt nicht unverrückbar fest, er ist veränderbar. Sein Gepräge läßt sich korrigieren.

Eine schlichte Graphik (s. S. 20) verdeutlicht, wie Lebensstil und christlicher Glaube zusammengehören. Es ist unverkennbar, daß

Der Theologe Ole Hallesby beschreibt dieses Zusammenspiel so: „Das Temperament bleibt ein Stück unserer Persönlichkeit von der Wiege bis zum Grabe. Gewiß ändert es sich mit jedem Lebensabschnitt – Kindheit, Jugend, Alter und Reife – bis zu einem gewissen Grade. Das Temperament prägt uns als Persönlichkeit und unterscheidet uns von allen anderen Menschen. Dieser individuelle Unterschied ist ein festgelegter Teil von Gottes Plan. Er macht das Leben mannigfaltig und reich in allen seinen Beziehungen – in der Ehe, im Familienleben, in Freundschaft, Gemeinschaft und im Kreis der Christen … Alles wurde zu Gottes Verherrlichung geschaffen. Auch die Temperamente. Sie sind ein Teil des reichen, farbigen Lebens, aus dem sich einst, wenn alles erfüllt ist, das Reich Gottes aufbauen wird.“3

Der kleine Mensch und später der Erwachsene geht in seiner einmaligen Art an Dinge, Menschen, Aufgaben und an den Glauben heran. Der Lebensstil ist ein Deutungsrahmen, mit dem er alle Ereignisse begreift. Sein bestimmtes Wahrnehmungsschema interpretiert die Welt im Sinne der „privaten Logik“, wie Alfred Adler den Lebensstil beschrieb.

Der Mensch sieht, was er sehen will, er hört, was er hören will, er behält, was er behalten will. Seine eigene Lebensauffassung stellt entsprechend die Weichen.

Die Wechselwirkung von christlichem Glauben und Lebensstil:

G = Glaube → L = Lebensstil

G ← L

Der Glaube prägt den Lebensstil,

der Lebensstil beeinflußt den Glauben.

Drei Faktoren bestimmen den Lebensstil: die Vererbung, die Erziehung und die schöpferische Aktivität des Kindes. „Es ist nicht wichtig, was der Mensch mit auf die Welt bringt, sondern was er daraus macht“ (Rudolf Dreikurs).

Der Glaube gründet sich auf die Botschaft der Bibel. – Er wird ermöglicht durch den Heiligen Geist. – Der Glaube verwirklicht sich in der Kirche, in der Gemeinschaft.

Lebensstil-Korrekturen können erfolgen durch

Leider bestätigt die Erfahrung, daß Glaubensaussagen im Sinne des Lebensstils umgedeutet werden können. Biblische Wahrheiten werden mit Hilfe der „privaten Logik“ geistlich zurechtgeschnitten. Die Selbstherrlichkeit spielt uns Christen immer wieder einen Streich. Die Eigenwilligkeit des „alten Adam“, der bis zum Tode immer wieder durch alle Ritzen des wiedergeborenen Christen schimmert, versteht es meisterhaft, biblische Wahrheiten für sich auszuschlachten.

Um das an einigen Beispielen deutlich zu machen:

Der introvertierte Christ, der viel nach innen denkt, interpretiert die Heilige Schrift im Sinne seines Lebensstils, wenn er sagt: „Schon die Bibel sagt: ,Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.‘ Oder wie es im Psalm 39, 2 heißt: ,Ich will mich hüten, daß ich nicht sündige mit meiner Zunge!‘“ Dem überzeugten Kriegsdienstgegner fallen sofort entsprechende Bibelstellen ein: „Steck dein Schwert in die Scheide, denn wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen“ (Matth. 26, 52). Wer zur Direktheit neigt und rücksichtslos dem andern die Wahrheit sagt, auch wenn er damit Wunden schlägt, redet sich mit der Bibel heraus: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen“ (Matth. 5, 37).

Wie arbeitet der therapeutische Seelsorger mit dem Lebensstil?

Der Lebensstil wird mit einem Ratsuchenden erarbeitet, wenn er tiefsitzende Glaubens- und Lebensprobleme hat, schwere Verhaltensstörungen zeigt oder im zwischenmenschlichen und im beruflichen Bereich belastenden Schwierigkeiten gegenübersteht.

Die Lebensstilanalyse ist eine gründliche Untersuchung und benötigt viele Gespräche. Voraussetzung ist die Bereitschaft der Ratsuchenden, ihre Krisen mit einem vertrauten Seelsorger zu besprechen.

Nicht alle Gespräche erfordern diesen Tiefgang und eine gründliche seelorgerliche Arbeit. Sehr oft helfen uns Beispiele, Probleme und kurze Berichte von Ratsuchenden, in einigen Minuten seine Grundlebensüberzeugungen und Leitideen aus dem Gesagten herauszufiltern.

Der Mensch und sein Lebensstil

Der Seelsorger gewinnt von Mal zu Mal mehr Sicherheit, alle Aussagen mit den Leitmotiven des Lebensstils in Verbindung zu setzen. Wie geht das vor sich?

Die Einheit der Persönlichkeit, der Lebensstil, ist durch 5 Aspekte gekennzeichnet, die oben abgebildet sind. Diese Aspekte spiegeln alle Beziehungsebenen wider:

Alles, was über diesen speziellen Ratsuchenden wichtig ist zu wissen, ist in den genannten Punkten enthalten, wenn sie gründlich miteinander bearbeitet wurden.

Lebensstil-Aspekt Nr. 1:
Welche Meinung hat der Mensch über sich selbst?

Seine Selbsteinschätzung:

Die Meinung kann richtig oder falsch sein.

Es geht

Seine Selbstwertstörungen:

Seine Schlußfolgerungen:

Seine Wünsche an sich:

Welche Selbsteinschätzungen und Selbstwertstörungen fehlen?


Anmerkungen für Seelsorger

1. Der Ratsuchende kommt zu Ihnen und spricht ein Problem an.
In den Problemen kommen seine Beziehungsschwierigkeiten zur Sprache.

Wie sieht er sich selbst?

Wie sieht er die anderen?

Wie fühlt er sich in der Welt?

Wie ist seine Gottesbeziehung?

Welche Ziele verfolgt er?

2. Diese Aussagen können Sie jeweils für sich notieren.

Sie können sie in ein Schema (L1 = Wie sehe ich mich selbst? usw.) bringen.

Je besser Sie zuhören können, desto schneller haben Sie die wesentlichen Aspekte des Lebensstils erfaßt.

Was auch immer der Ratsuchende sagt, es sind Aussagen über sich selbst.

Es gibt eine subjektive Sicht

3. Sie können auch systematisch nach den 5 Aspekten fragen, wenn Sie das Problem des Ratsuchenden gehört haben.

Wie sehe ich mich selbst?

Mein Realbild

Mein Idealbild