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Karin Biro, Dozentin am Institut für politische Wissenschaften, Paris, hat die erstmalige Veröffentlichung sämtlicher Gedichte Hannah Arendts in einem Band angeregt und war die Erste, die die hier veröffentlichten Texte für den Piper Verlag zusammengestellt hat. Dafür möchten wir ihr an dieser Stelle sehr danken. Ohne ihre Vorarbeit hätte dieses Buch nicht entstehen können.

Eine Studie von Karin Biro zur Dichtung Hannah Arendts ist im Herbst 2015 in Frankreich erschienen.

 

 

 

ISBN 978-3-492-97270-3

© 2015 by Hannah Arendt Bluecher Literary Trust und

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015

© des Essays »Über Hannah Arendts Gedichte«:

2015 Irmela von der Lühe

Covergestaltung: Kornelia Rumberg, www.rumbergdesign.de

Covermotiv: Kate Fuerst, Ramat Hasharon, Israel

Datenkonvertierung: Tobias Wantzen, Bremen

 

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Inhalt

 

Cover & Impressum

 

Gedichte  1923–1926

[1]  [Ohne Titel]  |  Kein Wort bricht ins Dunkel ...

[2]  Im Volksliedton  |  Sehn wir uns wieder ...

[3]  Trost  |  Es kommen die Stunden ...

[4]  Traum  |  Schwebende Füsse in pathetischem Glanze ...

[5]  Müdigkeit  |  Dämmernder Abend ...

[6]  Die Untergrundbahn  |  Aus Dunkel kommend ...

[7]  Abschied  |  Nun lasst mich, o schwebende Tage, die Hände Euch reichen ...

[8]  [Ohne Titel]  |  Geh durch Tage ohne Richt ...

[9]  An ...  |  Nimm meiner Wünsche schwere Last ...

[10]  [Ohne Titel]  |  Das ist nicht Glück ...

[11]  Dämmerung  |  Dämmerung, Sinkende ...

[12]  In sich versunken  |  Wenn ich meine Hand betrachte ...

[13]  Sommerlied  |  Durch des Sommers reife Fülle ...

[14]  [Ohne Titel]  |  Warum gibst Du mir die Hand ...

[15]  Abschied  |  Du gibst uns die Trauer, dass nichts uns verweilet ...

[16]  Spätsommer  |  Der Abend hat mich zugedeckt ...

[17]  Oktober – Vormittag  |  Dies fahle Licht des Herbstes macht mich leiden ...

[18]  Klage  |  Ach, die Tage, sie verfliegen ungenützt dahin wie Spiel ...

[19]  An die Freunde  |  Trauet nicht der leisen Klage ...

[20]  An die Nacht  |  Neig Dich, Du Tröstende, leis meinem Herzen ...

[21]  Nachtlied  |  Nur die Tage laufen weiter ...

 

Gedichte  1942–1961

[22]  W. B.  |  Einmal dämmert Abend wieder ...

[23]  [Ohne Titel]  |  Recht und Freiheit ...

[24]  [Ohne Titel]  |  Aufgestiegen aus dem stehenden Teich der Vergangenheit ...

[25]  Park am Hudson  |  Fischer fischen still an Flüssen ...

[26]  [Ohne Titel]  |  Die Traurigkeit ist wie ein Licht im Herzen angezündet ...

[27]  [Ohne Titel]  |  Ich weiss, dass die Strassen zerstört sind ...

[28]  Traum  |  Zwei Latten im Zaun ...

[29]  [Ohne Titel]  |  Fluch ...

[30]  [Ohne Titel]  |  Herr der Nächte ...

[31]  [Ohne Titel]  |  Ich bin ja nur ein kleiner Punkt ...

[32]  [Ohne Titel]  |  Dies war der Abschied ...

[33]  [Ohne Titel]  |  Nüchtern-mystisch, mystisch-nüchtern ...

[34]  [Ohne Titel]  |  Unaufhörlich führt uns der Tag hinweg von dem Einen ...

[35]  [Ohne Titel]  |  Manchmal aber kommt es hervor, das Vertrauteste, öffnet die ...

[36]  [Ohne Titel]  |  Flüsse ohne Brücke ...

[37]  [Ohne Titel]  |  Was wir sind und scheinen ...

[38]  [Ohne Titel]  |  Unermessbar, Weite, nur ...

[39]  [Ohne Titel]  |  Die Gedanken kommen zu mir ...

[40]  H. B.  |  Wie aber lebt man mit den Toten? Sag ...

[41]  [Ohne Titel]  |  Ach, wie die ...

[42]  [Ohne Titel]  |  Nur wem der Sturz im Flug sich fängt ...

[43]  [Ohne Titel]  |  Zwei Jahre in ihren Gezeiten ...

[44]  Fahrt durch Frankreich  |  Erde dichtet Feld an Feld ...

[45]  Mit einem Ding  |  Bin nur eines ...

[46]  [Ohne Titel]  |  Den Überfluss ertragen ...

[47]  [Ohne Titel]  |  Die Neige des Tages ...

[48]  B’s Grab  |  Auf dem Hügel unter dem Baum ...

[49]  [Ohne Titel]  |  Und keine Kunde ...

[50]  Palenville  |  Spannlos winkt mir hinter gehäufeten Hügeln die Weite ...

[51]  [Ohne Titel]  |  Dicht verdichtet das Gedicht ...

[52]  Kentaur (A propos Plato’s Seelenlehre)  |  Reite über die Erde ...

[53]  [Ohne Titel]  |  Das Alte kommt und gibt Dir nochmals das Geleit ...

[54]  [Ohne Titel]  |  Ich lieb die Erde ...

[55]  [Ohne Titel]  |  Helle scheint ...

[56]  [Ohne Titel]  |  Erdennässe ...

[57]  Blumenfeld zum 70. Geburtstag  |  Alles ist schon gesagt ...

[58]  [Ohne Titel]  |  Ein Mädchen und ein Knabe ...

[59]  Goethes Farbenlehre  |  Gelb ist der Tag ...

[60]  [Ohne Titel]  |  Dies Buch grüsst aus der Ferne ...

[61]  Schwere Sanftmut  |  Sanftmut ist ...

[62]  [Ohne Titel]  |  So ist mein Herz ...

[63]  [Ohne Titel]  |  Des Glückes Wunde ...

[64]  Holland  |  Grüne, grüne, grüne Wiesen ...

[65]  [Ohne Titel]  |  Schlagend hat einst mein Herz sich den Weg geschlagen ...

[66]  [Ohne Titel]  |  Ich seh Dich nur ...

[67]  [Ohne Titel]  |  Ganz vertraut dem Unvertrauten ...

[68]  [Ohne Titel]  |  Stürzet ein ihr Horizonte ...

[69]  [Ohne Titel]  |  Der Sturz im Flug gefangen ...

[70]  Erich Neumanns Tod  |  Was von Dir blieb ...

[71]  [Ohne Titel]  |  Dann werd’ ich laufen, wie ich einstens lief ...

 

Über Hannah Arendts Gedichte

Editorische Bemerkungen

Bisherige Druckfassungen

Überlieferungs- und Druckgeschichte der einzelnen Gedichte

Gedichte  1923–1926

[1]

[Ohne Titel]

Kein Wort bricht ins Dunkel –

Kein Gott hebt die Hand –

Wohin ich auch blicke

Sich türmendes Land.

Keine Form, die sich löset,

Kein Schatten, der schwebt.

Und immer noch hör ich’s:

Zu spät, zu spät.

[2]

Im Volksliedton

Sehn wir uns wieder,

Blüht weisser Flieder,

Ich hüll Dich in Kissen,

Du sollst nichts mehr missen.

 

Wir wollen uns freun,

Dass herber Wein,

Dass duftende Linden

Uns noch beisammen finden.

 

Wenn Blätter fallen,

Dann lass uns scheiden.

Was nützt unser Wallen?

Wir müssen es leiden.

[3]

Trost

Es kommen die Stunden,

Da alte Wunden,

Die längst vergessen,

Drohn zu zerfressen.

 

Es kommen die Tage,

Da keine Waage

Des Lebens, der Leiden

Sich kann entscheiden.

 

Die Stunden verrinnen,

Die Tage vergehen.

Es bleibt ein Gewinnen:

Das blosse Bestehen.

[4]

Traum

Schwebende Füsse in pathetischem Glanze.

Ich selbst,

Auch ich tanze,

Befreit von der Schwere

Ins Dunkle, ins Leere.

Gedrängte Räume vergangener Zeiten,

Durchschrittene Weiten,

Verlorene Einsamkeiten

Beginnen zu tanzen, zu tanzen

 

Ich selbst,

Auch ich tanze.

Ironisch vermessen,

Ich hab nichts vergessen,

Ich kenne die Leere,

Ich kenne die Schwere,

Ich tanze, ich tanze

In ironischem Glanze

[5]

Müdigkeit

Dämmernder Abend –

Leise verklagend

Tönt noch der Vogel Ruf

Die ich erschuf.

 

Graue Wände

Fallen hernieder,

Meine Hände

Finden sich wieder.

 

Was ich geliebt

Kann ich nicht fassen,

Was mich umgibt

Kann ich nicht lassen.

 

Alles versinkt.

Dämmern steigt auf.

Nichts mich bezwingt –

Ist wohl des Lebens Lauf.

[6]

Die Untergrundbahn

Aus Dunkel kommend,

Ins Helle sich schlängelnd,

Schnell und vermessen,

Schmal und besessen

Von menschlichen Kräften,

Aufmerksam webend

Gezeichnete Wege,

Gleichgültig schwebend

Über dem Hasten,

Schnell schmal und besessen

Von menschlichen Kräften,

Die es nicht achtet,

Ins Dunkle fliessend

Um Oberes wissend

Fliegt es sich windend

Ein gelbes Tier.

[7]

Abschied

Nun lasst mich, o schwebende Tage, die Hände Euch reichen.

Ihr entfliehet mir nicht, es gibt kein Entweichen

Ins Leere und Zeitenlose.

 

Doch legt eines glühenden Windes fremderes Zeichen

Sein Wehen um mich; ich will nicht entweichen

In die Leere gehemmter Zeiten.

 

Ach, Ihr kanntet das Lächeln, mit dem ich mich schenkte.

Ihr wusstet, wie vieles ich schweigend verhängte,

Um auf Wiesen zu liegen, und Euch zu gehören.

 

Doch jetzt ruft das Blut, das nimmer verdrängte

Hinaus mich auf Schiffe, die niemals ich lenkte.

Der Tod ist im Leben, ich weiss, ich weiss.

 

So lasst mich, o schwebende Tage, die Hände Euch reichen.

Ihr verlieret mich nicht. Ich lass Euch zum Zeichen

Dies Blatt und die Flamme zurück.

[8]

[Ohne Titel]

Geh durch Tage ohne Richt.

Spreche Worte ohne Wicht.

Leb im Dunkeln ohne Sicht.

 

Bin im Leben ohne Steuer

 

Über mir nur ungeheuer

Wie ein grosser schwarzer neuer

Vogel: Das Gesicht der Nacht.

[9]

An ...

Nimm meiner Wünsche schwere Last.

Das Leben ist weit und ohne Hast.

Es gibt viel Länder der Welt

Und viele Nächte im Zelt.

        Wer weiss denn eine Waage

        Des Lebens der Leiden?

        Vielleicht wird in späten Tagen

        Sich dies alles scheiden.

[10]

[Ohne Titel]

Das ist nicht Glück,

Wie die es meinen,

Die betteln, weinen,

Und zu Tempeln streben

Und von dem Vorhof aus die Andacht sehen,

Und eine Weihe, die sie nicht verstehen

Mit bösem Blick sich wenden dann zurück

Und klagen über ein verlorenes Leben.

 

Was ist Glück dem,

Der mit sich selbst geeint ist,

Des Fuss nur stösst,

Wo es für ihn gemeint ist,

Für den Sich-Kennen Grenze ist und Recht,

Für den Sich-Nennen Zeichen im Geschlecht.

[11]

Dämmerung

Dämmerung, Sinkende,

Harrende, Winkende, –

 

Grau ist die Flut.

 

Dämmerung, Schweigende,

Lautlos dich Neigende,

Mahnende, Klagende,

Lautloses Sagende –

 

Grau ist die Flut.

 

Dämmerung, Tröstende,

Mildernde, Heilende,

Dunkles Weisende,

Neues Umkreisende, –

 

Grau ist die Flut.

[12]

In sich versunken

Wenn ich meine Hand betrachte

– Fremdes Ding mit mir verwandt –

Stehe ich in keinem Land,

Bin an kein Hier und Jetzt

Bin an kein Was gesetzt.

 

Dann ist mir als sollte ich die Welt verachten,

Mag doch ruhig die Zeit vergehen.

Nur sollen keine Zeichen mehr geschehen.

 

Betracht ich meine Hand,

Unheimlich nah mir verwandt.

Und doch ein ander Ding.

Ist sie mehr als ich bin

Hat sie höheren Sinn?

[13]

Sommerlied

Durch des Sommers reife Fülle

Lass ich meine Hände gleiten.

Meine Glieder schmerzhaft weiten

Zu der dunklen, schweren Erde.

 

Felder, die sich tönend neigen

Pfade, die der Wald verschüttet

Alles zwingt zum strengen Schweigen:

Dass wir lieben, wenn wir leiden,

 

Dass das Opfer, dass die Fülle

Nicht des Priesters Hand verdorre,

Dass in edler klarer Stille

Uns die F r e u d e nicht ersterbe.

 

Denn die Wasser fliessen über,

Müdigkeit will uns zerstören

Und wir lassen unser Leben

Wenn wir lieben, wenn wir leben.