couverture
Karlotta
verzettelt sich
Claire Singer
Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe
arsEdition GmbH, München 2011
©
2009 arsEdition GmbH, Friedrichstr. 9, D-80801 München
Alle Rechte vorbehalten
Text: Claire Singer
Illustration: Claire Singer
Umschlaggestaltung und Layout: Stefanie Sand
ISBN 978-3-7607-9042-8
www.arsedition.de
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa
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können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
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Inhalt
A
lle möglichen Tupfen
9
H
igh noon
17
N
o
ch eine Überraschung
25
K
atastrophe Nr. 1
31
K
atastrophe Nr. 2
39
R
osige Zeiten
45
D
as kann ja heiter werden
49
       
7
B
arbies Reich
56
K
arlottas Plan
63
N
och jemand hat einen Plan
71
W
e
nn das mal gut geht
76
N
i
cht wie gedacht
83
K
arlotta verzettelt sich
88
S
howdown
99
       
8
Tippe einfach auf das Briefchen und schon öffnet
sich die Nachricht.
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Alle möglichen
Tupfen
unter einem Baum?
as ist rosa mit gelben Tupfen und hockt
Richtig, mein Herr Papa höchstpersönlich,
in seinem Lieblingshemd. Das hat er immer
an, wenn ihm nichts einfällt, so wie heu-
te. Papa ist Maler, und manchmal hat er auch
einen Auftrag, so wie heute. Er soll den Pausenhof einer
Schule gestalten.
Jetzt kann sich jeder, der noch alle Tassen im Schrank hat,
denken, dass meinem Papa zu dem Thema nichts einfällt.
Papa war in der Schule lausig und hat daran nur düsterste
Erinnerungen, das kann auch das farbigste Hemd nicht
ändern. Heute jedenfalls. Da ist dann meine
tatkräftige Hilfe gefragt. Ich bringe
ihm Limonade mit Kullerpfirsich
und Stücke von selbst aufgetautem
Kuchen. Eigentlich zwei bomben-
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sichere Tricks, um Papas Verstandskästlein ein wenig in
Bewegung zu bringen.
Ach, Entschuldigung, ich habe mich noch gar nicht vor-
gestellt. Bei einem Großeinsatz gegen Papas Einfallslosig-
keit kann das schon mal passieren.
Ich bin deutlich über zwölf, also zwölfeinhalb, zu klein
für mein Alter, bis auf die Klappe, und lebe bei meinem
Paps, wenn ich Ferien habe.
Mein Name: Karlotta Petzmeier. Auch Leser ohne Fan-
tasie können sich vorstellen, dass der Name ein ordent-
licher Brüller bei jedem lauten Vorlesen ist. Noch dazu mit
einem Vater, den alle Welt Papa Bonbon nennt, weshalb er
ihn auch als Künstlernamen gewählt hat. Nicht nur seiner
farbenfrohen Hemden wegen, sondern vor allem wegen
des quietschbunten Häuschens, das er bewohnt
und das mit seiner Farbigkeit die Ideen einla-
den soll. Sagt Papa. Leider besitzt er nicht einen
einzigen Stuhl mit vier Beinen, um den Ideen
einen Platz anzubieten, und meistens auch nichts
rechtes im Kühlschrank, außer einem nicht enden
wollenden Vorrat an Fruchtbonbons.
Am Ende aller Schulferien habe ich das meiste
wieder in Ordnung gebracht, aber in den Zwi-
schenzeiten, wenn ich bei Mama wohne,
bekommt das Bonbonchaos wieder richtig
Oberhand.
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Mama und Papa mögen sich, nicht dass
jetzt ein falscher Eindruck entsteht, aber
eben nicht Backe an Backe. Mama ist nach ein
paar Jahren das Dreibeinsystem der Stühle und die Menge
der Bonbonpapiere auf den Magen geschlagen und mit mir
ums Eck gezogen. Es sind keine Butterdosen geflogen und
auch keine bösen Sätze gefallen. Da ich zu dem Zeitpunkt
erst vier war, habe ich mir nicht viel dabei gedacht, außer
dass Erwachsene manchmal ganz schön viel Platz brauchen,
um einander nahe zu sein.
»Ich hab's!« Papa wirft gerade seinen Strohhut in die
Johannisbeeren – was ich gar nicht gut haben kann, denn
den muss ich dann da wieder rausholen – und rast in sein
Atelier.
»Aber Papa, wir wollten doch schwimmen gehen!«
»Sicher, sicher, später, mein Lottchen!« Papas spärliche
Haare und sein buntes Hemd wehen ins Haus, nicht ohne
das Glas mit dem Kullerpfirsich umzustoßen.
Bravo, genauso hab ich mir die Ferien vorgestellt! Mama
lernt in irgendeinem westfranzösischen Sommercamp hin-
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ter irgendwelchen Wanderdünen Französisch für Fortge-
schrittene. Sämtliche Freundinnen räkeln sich mehr oder
weniger an irgendwelchen Küsten, »all inclusive« selbst-
verständlich, wie Marei Nussinger zu sagen pflegt, deren
Vater die örtliche Metzgerei betreibt und im Sommer drei
Wochen zusperrt. Kann er sich auch leisten, denn seine
Würste sind einsame Spitze, und ich hab das mit dem Vege-
tarischwerden schon viermal verschoben.
Apropos Wurst, eigentlich ist es mir wurst, wo die Mareis
hinfahren und die Sophies und die Alinas und die Olivias
meiner Klasse 7b des Hildegard-von-Bingen-Gymnasiums,
denn Lola steckt sie alle in die Tasche. Lola ist meine beste
Freundin, auch wenn sie ungefähr drei Köpfe größer ist als
ich und schon nach den Jungs guckt. Sagt die Mama. Aber
auch Lola ist in den Ferien, im Club mit Animation. Dabei
hat sie die Augen gerollt, als wäre die Animation was zu
essen oder zumindest ein endscharfes Oberteil. Darauf steht
Lola, während ich mich mit Kinder-T-Shirts durchschlage,
weil es bei mir auch nix großartig zu verhüllen gibt.
Noch nicht, sagt die Mama, und wie das Amen in der Kir-
che folgt dann: »Mein kleines Karlchen.«
Hallo! Hab ich schon erwähnt, dass ich ein Gegner sämt-
licher Verniedlichungsformen bin?
Ich lese den Kullerpfirsich und Papas Strohhut auf, räume
den Kuchen weg und werfe nur einen Blick auf mein Handy,
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und: Bingo!, Lolas erstes Lebenszeichen seit der Erfindung
der Animation.
Kann ich mir jetzt was kaufen von, wo fehl ich denn? Beim
Schnuppern oder beim Entscheiden? Ich denke kurz über
meine Entscheidungsmöglichkeiten hier nach und ent-
scheide mich zugunsten der Eisdiele und gegen den Ab-
wasch. Vor halb sieben ist mit Papas Rückkehr aus der Welt
der Farbtupfen eh nicht zu rechnen. Das Schwimmbad
schenk ich mir lieber, schon wegen noch nicht erreichter
Bikinifigur, und die Johannisbeeren sind noch nicht reif
genug – um an Sommer-Marmelade zu denken.
lola
–––
[+491714568077] – – –
eierpetz J, kann mich nicht
entscheiden zwischen
beachvolley bei chico und
schnuppertauchen bei
ricardo. du fehlst!
dein lolli.
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Vorher muss ich aber noch einmal das Wahnsinnsbrief-
chen von Manolo lesen. Mann ist der süß! Der Manolo und
der Zettel auch.
Dass der schönste Junge aller 7. Klassen so was Süßes
schreiben kann, das rührt doch, oder? Und er denkt an
mich, während er bei seinen Großeltern auf dem andalu-
sischen Weingut mit nackten Füßen die Trauben stampft!
Ich verlier mich grad ein bisschen in diesem Traum, oder
warum hab ich jetzt mit den Fingern sieben Johannisbee-
ren zerquetscht? Ach nee, und sieben Spritzer auf mein na-
gelneues weißes T-Shirt gebracht. Mir bleibt auch nichts
erspart. Na, für den Gang zur Eisdiele am Marktplatz wird
es langen, sind ja eh alle weg, die schicker aussehen als ich.
 
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Und die Tupfen auf meinem T-Shirt passen erste Sahne zu
meinen nicht zu knapp gesäten Sommersprossen. Hat nicht
jeder. Und dazu die 1 a mausgrauen Haare ohne jede Locke.
Die hält die stärkste Spange nicht, weshalb sie mir immer
ein bisschen zu flusig um das Gesicht hängen. Spatzenlook
nennt es Lola, und Manolo hatte dafür ein Kompliment, das
zwischen »verhuscht geheimnisvoll« und »Windstoßro-
mantik« lag. Meine Augen reißen es eben raus. Jungflieder-
grün, sagt Papa dazu und versucht seit zwölfeinhalb Jahren
diesen Farbton zu mischen – vergeblich. Aber als Ratgeber
in Sachen Schönheit bin ich unschlagbar, und deshalb noch
schnell eine SMS an Lola.
Karlotta
–––
[+491786465307] – – –
lolle, geh mal erst zum strand,
nach dem tauchen sind dei-
ne haare müll : ) und ricardo
beschnupperst du morgen, ich
entscheide mich für einsames
eis am rialto.
deine stracciatella
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Damit mir keine Klagen kommen, ich hätte Lola ins
Unglück gestürzt. Lola kann so leicht die Nerven verlie-
ren, wenn ich ihr nicht klare Anweisungen gebe.
Senden, Geld schürfen und ab zum Markt-
platz, wo das Rialto mit 20 Sorten Eis
aus dem vorigen Jahrhundert wartet.