Carolin Emcke
Weil es sagbar ist
Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit.
Essays
FISCHER E-Books
Carolin Emcke, geboren 1967, studierte Philosophie in London, Frankfurt/Main und Harvard. Sie promovierte über den Begriff »kollektiver Identitäten«. Von 1998 bis 2013 bereiste Carolin Emcke weltweit Krisenregionen und berichtete darüber. 2003/2004 war sie als Visiting Lecturer für Politische Theorie an der Yale University. Sie ist freie Publizistin und engagiert sich immer wieder mit künstlerischen Projekten und Interventionen, u.a. die Thementage „Krieg erzählen“ am Haus der Kulturen der Welt. Seit über zehn Jahren organisiert und moderiert Carolin Emcke die monatliche Diskussionsreihe »Streitraum« an der Schaubühne Berlin. Für ihr Schaffen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus, dem Lessing-Preis des Freistaates Sachsen und dem Merck-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. 2016 erhält sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Bei S. Fischer erschienen ›Von den Kriegen. Briefe an Freunde‹, ›Stumme Gewalt. Nachdenken über die RAF‹, ›Wie wir begehren‹ und ›Weil es sagbar ist: Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit‹. Im Oktober 2016 erscheint ihr neues Buch ›Gegen den Hass‹.
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Erschienen bei FISCHER E-Books
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2013
Coverabbildung: Paul Klee, Angelus Novus/The Israel Museum/bridgemanart
Covergestaltung: hißmann, heilmann, hamburg
ISBN 978-3-10-402597-1
Interessanterweise taucht das knappe »dies« noch an anderer Stelle auf: in Sarah Kofmans autobiographischem Fragment »Rue Ordener, Rue Labat«, in dem sie gleich zu Beginn über die Unfähigkeit, die eigene Erfahrung in Worte zu fassen, schreibt: »Vielleicht waren meine zahlreichen Bücher Umwege, die nötig waren, um endlich ›dies‹ erzählen zu können.« Sarah Kofman, Rue Ordener, Rue Labat, Tübingen 1995, S. 9.
Mit dem wichtigen Unterschied, dass ich, anders als Achmatowa, nicht von Selbst-Erlebtem erzählen sollte, sondern die Erfahrungen anderer anvertraut bekam.
Geoffrey Hartman, »Die Wunde lesen«. Holocaust, Zeugenschaft, Kunst und Trauma, in: Gary Smith/Rüdiger Zill (Hrsg.), Zeugnis und Zeugenschaft, Potsdam 2000, S. 83–110.
So auch Dominick LaCapra: »A (…) consequence of the notion of the unrepresentable excess in traumatic limit events is that it may lead to a construction of these events in terms of an unsufficiantly differentiated, rashly generalized, hyperbolic aesthetic of the sublime or even a (positive or negative) sacralisation of the event.« In: ders., Writing History, Writing Trauma, Baltimore 2001, S. 93.
In der Tat wird dieser Essay strukturell ähnlich argumentieren, wie Didi-Hubermann in seinem grandiosen »Bilder trotz allem« es für die Frage der Bilder aus Auschwitz getan hat: auf dem schmalen Grat zwischen Skepsis gegenüber der These des »Unvorstellbaren« und Skepsis gegenüber der Vorstellung, Bilder vermittelteten die ganze Wahrheit. Georges Didi-Hubermann, Bilder trotz allem, München 2007.
Für Avishai Margalit kennt der moralische Zeuge »das Leid als Erfahrungswissen«. Wenn dieses Wissen nur als mitfühlender Zuschauer erlangt wird, dann muss der moralische Zeuge mindestens »unter persönlichem Risiko stehen«. Ob sich das Moralische der Zeugenschaft wirklich am eigenen Leid oder am Risiko festmacht und nicht vielleicht eher an dem Motiv des Zeugnisablegens, soll später noch diskutiert werden. Vgl. Avishai Margalit, Ethik der Erinnerung, Frankfurt 2000, S. 60f.
Siehe dazu: C. A. Coady, Testimony. A Philosophical Study, Oxford/New York 2002.
Vgl. Sibylle Schmidt, Wissensquelle oder ethisch-politische Figur, in: Sibylle Schmidt, Sybille Krämer, Ramon Voges (Hrsg.), Politik der Zeugenschaft. Zur Kritik einer Wissenspraxis, Bielefeld 2011, S. 47.
Sybille Krämer spricht von Spuren eines vergangenen Geschehens, die sich im Zeugen eingeschrieben haben. Siehe: Sybille Krämer, »Vertrauen schenken. Über Ambivalenzen der Zeugenschaft«, in: Schmidt/Krämer/Voges (Hrsg.), Politik der Zeugenschaft, S. 127.
Primo Levi, Le métier des autres, Paris 1992, S. 52ff., zitiert nach: Primo Levi, Bericht über Auschwitz, Berlin 2006, S. 11.
Leonardo Debenedetti/Primo Levi, Bericht über die hygienisch-gesundheitliche Organisation des Konzentrationslagers für Juden in Monowitz (Auschwitz-Oberschlesien), in: Levi, Bericht über Auschwitz, S. 59–99.
Myriam Anissimov, Primo Levi: Die Tragödie eines Optimisten, Berlin 1999, S. 333.
»Woimmer er auch war, erzählte er seine Geschichte.« Anissimov, Levi: Die Tragödie eines Optimisten, S. 349.
Es ist eine Vielzahl von Gründen, die Reemtsma zum Schreiben motivieren: die Geschichte, die ohnehin in der Öffentlichkeit kursiert, sich selbst wieder anzueignen, anderen, die irgendwann einmal entführt werden, später, mit diesem Buch Trost und Hilfe zu bieten, und eben aus der aufgenötigten Intimität mit den Geiselnehmern auszutreten. Jan Philipp Reemtsma, Im Keller, Hamburg 1997, S. 15–17.
Vgl. Ulrich Baer, Traumadeutung, Frankfurt 2002, S. 20.
Charlotte Delbo, »Keine von uns wird zurückkehren«, in: Trilogie, Basel/Frankfurt 1990, S. 13.
Primo Levi, Ist das ein Mensch?, München 1991, S. 19.
Warlam Schalamow, Durch den Schnee. Erzählungen aus Kolyma 1, Berlin 2007, S. 141.
Delbo, »Keine von uns wird zurückkehren«, S. 24f.
Otto Dov Kulka, Landschaften der Metropole des Todes. Auschwitz und die Grenzen der Erinnerung und der Vorstellungskraft, München 2013, S. 41f.
Jean Améry, Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten, in: ders., Werke, Band 2, Stuttgart 2002, S. 36.
Vgl. auch Jürgen Habermas, »Handlungen, Sprechakte, sprachlich vermittelte Interaktionen und Lebenswelt«, in: ders., Nachmetaphysisches Denken, Frankfurt 1988, S. 88ff.
Name geändert.
In den Nachbetrachtungen der Medien, in den Analysen der Kommentatoren reduzieren sich die Beschreibungen retroaktiv auf die Opfer als Opfer – aber nicht als Individuen, die sich in dieser ungewohnten Extremsituation selber begreifen lernen mussten. Emir Suljagic, bosnischer Autor und Übersetzer, kritisiert die verkürzte Perspektive auf Opfer am Beispiel von Srebrenica: »Everything is known about that death, or at least we now pretend that we want to know everything. We violate their death in newspaper columns, never asking ourselves questions about their life. We do not know anything about all those people who were not any less or more wonderful, good or bad than anyone else.« Emir Suljagic, Postcards from the Grave, Bosnian Institute 2005, S. 12.
Reemtsma, Im Keller, S. 72
Vom »Aus der Zeit fallen« spricht der israelische Schriftsteller David Grossman in seinem jüngsten Buch, und zunächst scheint es der verstorbene Sohn zu sein, der aus der Zeit gefallen ist, doch nach und nach wird deutlich, dass es auch der Vater ist, den seine Trauer um den Sohn aus der gemeinsamen Zeit mit anderen »fallen« lässt. David Grossman, Aus der Zeit fallen, München 2013.
Herta Müller, Lebensangst und Worthunger, München 2010, S. 17.
Über die »Speisekarte« schreibt der chinesische Dissident Liao Yiwu, Für ein Lied und hundert Lieder. Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen, Frankfurt 2011, S. 126ff.
Simone Weil, Die Ilias oder das Poem der Gewalt, in: Simone Weil, Krieg und Gewalt. Essays und Aufzeichnungen, Zürich 2011, S. 161. Siehe auch: dies., Cahiers. Aufzeichnungen, Erster Band, Heft 1, 1933–1940, München o.J., S. 69.
Murat Kurnaz beschreibt in »Fünf Jahre meines Lebens. Ein Bericht aus Guantánamo«, wie General Geoffrey Miller, der Ende 2002 das Kommando in dem Gefangenenlager Guantánamo übernahm, die »Operation Sandmännchen« einführte: Alle ein bis zwei Stunden wurden die Häftlinge demnach geweckt und in eine andere Zelle verlegt: Kurnaz, Fünf Jahre meines Lebens, Berlin 2007, S. 185.
Elaine Scarry, The Body in Pain, The Making and Unmaking of the World, Oxford 1985, S. 35 (dt. Der Körper im Schmerz).
Robert Antelme, Das Menschengeschlecht, Frankfurt 2001, S. 149.
Bemerkenswerte Ausnahme scheint Ruth Klüger zu sein, die zumindest über ihre Zeit in Theresienstadt auch schreibt, wie sie dort zu »einem sozialen Wesen« geworden sei. Ruth Klüger, weiter leben. Eine Jugend, Göttingen 1991, S. 102.
Hannah Arendt, Vita Activa oder Vom tätigen Leben, München 1981, S. 171–180.
Im Anschluss an Emile Durkheim, George Herbert Mead vgl. auch Jürgen Habermas, »Individuierung durch Vergesellschaftung«, in: ders., Nachmetaphysisches Denken, S. 187–242.
»My own identity crucially depends on my dialogical relations to others«, schreibt der kanadische Philosoph Charles Taylor, »Meine eigene Identität ist elementar abhängig von dialogischen Beziehungen zu anderen.« Siehe: Charles Taylor, The Ethics of Authenticity, o.O. 1991, S. 48.
Die Abhängigkeit vom anderen als Quelle von Selbsterkenntnis, aber auch Kränkung taucht in poetischer Form natürlich schon in einem der Dialoge aus Platons »Alkibiades« auf: »Sokrates: ›Du hast doch also bemerkt, dass das Antlitz dessen, der in das Auge des anderen schaut, sich in dem gegenüberstehenden Auge wie in einem Spiegel abgebildet zeigt, wie wir uns denn auch des Ausdrucks ,Pupille‘, d.i. Püppchen, bedienen.‹« Alkibiades der Erste, in: Platons Sämtliche Dialoge, übersetzt von Otto Apelt, Bd. 3, Hamburg 1998, S. 207.
Klüger, weiter leben, S. 103.
Michel Foucault, Surveiller et punir. Naissance de la prison, Paris 1975, deutsch: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt 1976. Vgl. auch: Michel Foucault, »Cours du 14 janvier 1976, in: ders., Dits et Ecrits, Bd. 3 (1976–1979), S. 175–189.
Über Foucault und seine Macht-Theorie habe ich an anderer Stelle sehr viel ausführlicher geschrieben: Vgl. Carolin Emcke, Kollektive Identitäten. Sozialphilosophische Grundlagen, Frankfurt 2000, S. 138–181.
Foucault, Überwachen und Strafen, S. 42.
Müller, Lebensangst und Worthunger, S. 16f.
Siehe auch: Paul Matussek, Die Konzentrationslagerhaft und ihre Folgen, Berlin-Heidelberg/New York 1971; A. Ornstein, »Survival and Recovery«, in: Psychoanalytical Inquiry, 1985, 5, S. 99–130, K. Jacobson, Embattled Selves, New York 1994.
Klüger, weiter leben, S. 122.
Levi, Ist das ein Mensch?, S. 110.
Roland Barthes, Tagebuch der Trauer, München 2010, S. 202.
Levi, Ist das ein Mensch?, S. 38f.
Über Haiti, insbesondere über diese würdevolle Art des Trauerns einer Dame jamens Yvonne Gelné habe ich geschrieben in: »Yvonne wartet auf ein Dach«, DIE ZEIT, 13. Januar 2011.
Müller, Lebensangst und Worthunger, S. 25.
Müller, Lebensangst und Worthunger, S. 27.
Das Beispiel findet sich in: Carolin Emcke, Von den Kriegen. Briefe an Freunde, Frankfurt 2004, S. 303–307.
Das Beispiel findet sich in: Carolin Emcke, »Der Traum von Nr. 6«, erschienen in: DIE ZEIT, 26. Juni 2008.
Vgl. Ilka Quindeau, Trauma und Geschichte. Interpretationen autobiographischer Erzählungen des Holocaust, Frankfurt 1995, S. 37.
Siehe zu den unterschiedlichen Varianten der »Coping«-Strategien von KZ-Häftlingen: Joel E. Dimsdale, »The Coping behaviour of Nazi Concentration Camp Survivors«, in: ders. (Hrsg.), Survivors, Victims and Perpetrators. Essays on the Nazi Holocaust, Washington 1980, S. 163–174.
http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/articleEGFFJ-1.58777
Améry, Jenseits von Schuld und Sühne, S. 43.
Auf die Frage, ob sie mit Auschwitz lebe, antwortet Charlotte Delbo: »No – I live beside it. Auschwitz is there, fixed and unchangeable, but wrapped in the impervious skin of memory that segregates itself from the present ›me‹. Unlike the snake’s skin, the skin of memory doesn’t renew itself.« Charlotte Delbo, La mémoire et les jours, zit. nach Lawrence Langer, Holocaust Testimonies. The ruins of memory, New Haven/London 1991, S. 3.
Liao Yiwu, Für ein Lied und hundert Lieder, S. 125.
So beispielhaft Abdulsalam Saif im Gespräch mit Roger Willemsen, »Jeder hatte mit jedem eine sehr herzliche Verbindung. Es war wie unter Brüdern, weil ja jeder unterdrückt war.« in: Roger Willemsen, Hier spricht Guantánamo. Interviews mit Ex-Häftlingen, Frankfurt 2006, S. 220f.
Kurnaz, Fünf Jahre meines Lebens, S. 113.
Kurnaz, Fünf Jahre meines Lebens, S. 192.
Von sexualisierter Gewalt und Vergewaltigung als Instrument des Krieges und Strategie der Demütigung später mehr. Hier soll es erst einmal um Sexualität und Lust gehen.
Liao Yiwu, Für ein Lied und hundert Lieder, S. 191.
Liao Yiwu, Für ein Lied und hundert Lieder, S. 231.
Gegen diesen Begriff und die These von Giorgio Agamben der Reduktion des Menschen auf das »nackte Leben« später mehr. Vgl. Giorgio Agamben, Homo Sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt 2002.
Es gibt natürlich auch noch die Beispiele von herausragendem Mut, von heldenhafter Kraft und moralischer Würde, die mehr waren als nur »Verdopplungen« oder Techniken der Abwehr. Tzvetan Todorov hat von diesen Menschen und Akten erzählt in: Facing the Extreme. Moral Life in the Concentration Camps, New York 1996.
Dori Laub, »An Event without a Witness. Truth, Testimony and Survival«, in: Shoshana Felman and Dori Laub (Hrsg.), Testimony. Crises of Witnessing in Literature, Psychoanalysis, and History, New York/London 1992, S. 75–93.
Laub, An Event without a Witness, S. 80.
Siehe dazu auch: Sibylle Schmidt, »Wissensquelle oder ethisch-politische Figur«, in Schmidt/Krämer/Voges (Hrsg.), Politik der Zeugenschaft, S. 47–67.
»Der sogenannte ›Muselmann‹, wie die Lagersprache den sich aufgebenden und von den Kameraden aufgegebenen Häftlingen nannte, hatte keinen Bewusstseinsraum mehr, in dem Gut und Böse, Edel oder Gemein, Geistig oder Ungeistig sich gegenüberstehen konnten. Er war ein wandelnder Leichnam, ein Bündel physischer Funktionen in den letzten Zuckungen.« Améry, Jenseits von Schuld und Sühne, S. 35.
Giorgio Agamben, Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge, Frankfurt 2003, S. 136.
»Zeugnis ablegen bedeutet, in der eigenen Sprache die Position desjenigen einzunehmen, der sie verloren hat.« Agamben, Was von Auschwitz bleibt, S. 141.
Agamben, Was von Auschwitz bleibt, S. 143.
Auch ignorieren diese Theorien die Macht, die sie damit der Erfahrung zuschreiben. Primo Levi spricht dagegen in einem Interview davon, dass das Schreiben ihm half, die Erfahrung zu entdämonisieren. Vgl. »Die Schmerzen der Nummer«, Radiofeature Deutschlandfunk – Jüdisches Leben heute, 30.07.1999, auf: David Dambitsch, Stimmen der Geretteten, Audio-CD, 2002.
Ich danke Andreas Huckele für lange Gespräche und E-Mails und vor allem für sein Buch: Jürgen Dehmers, Wie lange soll ich denn noch schreien? Die Odenwaldschule und der sexuelle Missbrauch, Reinbek 2011.
Vgl. auch Manfred Franks Kritik an Lyotard: »Ein ermordetes Subjekt kann nur schweigen, zynisch wird der Diskurs dessen, der im Namen der Menschenwürde für sein Existierensollen Zeugnis ablegen könnte, aber das Schweigen des Subjekts in den Rang der geltenden Norm erhebt«, in: Manfred Frank, Die Grenzen der Verständigung, Frankfurt 1988, S. 102.
Améry, Jenseits von Schuld und Sühne, S. 20.
Siehe dazu die Dokumentation von medica mondiale: »Damit die Welt es erfährt«. Sexualisierte Gewalt im Krieg vor Gericht. Der Foča Prozess vor dem Internationalen Kriegsverbrecher-Tribunal zum ehemaligen Jugoslawien. http://www.medicamondiale.org/fileadmin/content/07_Infothek/Gerechtigkeit/medica_mondiale_Damit_die_Welt_es_erfährt-2002.pdf
Im Folgenden wird zitiert nach: http://www.un.org/icty/indictment/english/foc-ii960626e.htm.
http://www.un.org/icty/indictment/english/foc-ii960626e.htm., Seite 1245, Zeile 14 bis Seite 1246, Zeile 1. Die Transkripte des »International Criminal Court for the Former Yugoslavia« wurden auf Englisch, Französisch, Bosnisch, Serbokroatisch, Albanisch und Mazedonisch zugänglich gemacht. Ich zitiere im Folgenden nach der offiziellen englischen Übersetzung, da ich die Aussagen der Zeuginnen (die in diesem Verfahren bosnisch sprachen) nicht durch noch eine weitere Übertragung ins Deutsche (noch dazu eine, die nur aus der Übersetzung übersetzen kann) belasten wollte.
Ebenda, Seite 1253, Zeile 12–23.
Ebenda, Seite 1245, Zeile 24 – Seite 1246, Zeile 15.
Ebenda, Seite 1292, Zeile 10 bis 24.
Es gibt natürlich auch Zeuginnen vor Gericht, vor diesem wie vor anderen, die sich in Details irren, die etwas verwechseln, Orte oder Namen, die sich nicht mehr exakt erinnern und die damit der epistemischen Frage des Wahrheitsanspruchs von Zeugenschaft Nahrung geben. Es soll hier gar nicht bestritten werden, dass es das Problem der fehlerhaften Erinnerung gibt.
Ebenda, Seite 1294, Zeile 1–7.
Améry, Jenseits von Schuld und Sühne, S. 72f.
Hervorhebung im Original, Améry, Jenseits von Schuld und Sühne, S. 65.
Améry, Jenseits von Schuld und Sühne, S. 65.
Améry, Jenseits von Schuld und Sühne. S. 66.
Vgl. C. A. J. Coady, Testimony. A Philosophical Study, Oxford/New York, 2002, S. 46, sowie zur Frage des kommunikativen Vertrauens: Martin Hartmann, Die Praxis des Vertrauens, Berlin 2011, S. 119–138.
So auch die Frage in Jan Philipp Reemtsmas monumentalem Text: Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne, Hamburg 2008.
Georges Didi-Hubermann, Bilder trotz allem, S. 254.
Aus demselben Grund scheint mir auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Gesetzgebung angebracht, nach der das Leugnen von Auschwitz unter Strafe gestellt wird. Wer behauptet, Auschwitz habe nie existiert, äußert schlicht eine historisch falsche Tatsachen-Behauptung. Ebenso wie der, der behauptet, Hitler sei nicht in Polen eingefallen. Beides falsch. Aber es lassen sich diese Behauptungen doch mit guten Gründen widerlegen. Der Rekurs auf juristische Kategorien der Strafbarkeit scheint mir eher ängstlicher Ausdruck des Misstrauens in die Kraft der öffentlichen Diskussion und eine vorschnelle Form der Tabuisierung zu sein. Die Einwände, die mir dagegen einleuchten, beziehen sich auf den Schmerz, der in denen aufgerufen wird, die als Angehörige der Opfer des Nationalsozialismus von diesem Leugnen besonders betroffen sind.
Das gilt, in abgeschwächter Form, natürlich für alle politischen Werte. Sie einfach nur zu behaupten, ohne sie zu erläutern, schwächt ihre Wirkungsmacht.
Im Rahmen der sogenannten Frankfurter Gespräche, ab Juni 2009, bei denen drei betroffene Schüler sich trafen mit der Schulleiterin, Lehrern und Daublewsky als Vertrerin des Vorstands.
Das zeigte sich auch in ähnlicher Weise bei den jüngsten Debatten um Sexismus. Was die #Aufschrei-Beiträge sichtbar machten, war, wie nötig es ist, Begriffe in konkrete Erfahrungen zu übersetzen, damit diejenigen, die sie nicht gemacht haben, sie nachvollziehen können. Die Kontroverse spiegelte sehr viel weniger Unterschiede in ideologischen Überzeugungen (oder Geschlechtern), sondern Unterschiede an persönlichen Erlebnissen (in bestimmten Machtverhältnissen). Siehe auch »Herausforderung Demokratie« in diesem Band.
Wilhelm Genazino, Der verlorene Schuh, in: Idyllen in Halbnatur, München 2012, S. 7.
Sarah Kofman, Rue Ordener, Rue Labat, S. 9.
Otto Dov Kulka, Landschaften der Metropole des Todes, München 2013.
Kulka, Landschaften der Metropole des Todes, S. 9.
Jean Améry, An Sebastian Hafner, Brief 318, in: ders., Werke Band 8, Stuttgart 2007, S. 585f.
Kulka, Landschaften der Metropole des Todes, S. 119.
Da ich nicht auf das original Arabisch (ich bin nicht einmal sicher, ob diese Aussagen auf Arabisch protokolliert wurden) zurückgreifen kann, beziehe ich mich hier auf die – mitunter fehlerhafte – englische Übersetzung der Aussagen der Häftlinge aus Abu Ghraib, wie sie sich finden in: »Sworn Statements by Abu Ghraib Detainees« in der Washington Post, »http://www.washingtonpost.com/wp-srv/world/iraq/abughraib/swornstatements042104.html«. Den gesamten Taguba-Bericht gibt es hier: »http://www.globalsecurity.org/intell/library/reports/2004/800-mp-bde.htm«.
»… they brought six people and they beat them up until they dropped on the floor and one of them his nose was cut and the blood was running from his nose (…) the doctor came to stitch the nose and the Graner asked the doctor to learn how to stitch and it’s true, the guard learned how to stitch. He took the string and the needle and he sat down to finish the stitching until the operation succeeded. And then the other man came to take pictures oft he injured person.« Oder: »There was a translator named Abu Adell the Egyptian. He was helping Graner and Davis and the others.« Aussage Nr. 003-04-C1D149- (letzte Ziffer unleserlich) von Shalan Said Alsharoni, Häftling Nr. 150422.
Noch mal ganz zu schweigen davon, dass es soziologisch ausgesprochen schwer ist, die Gruppe »Muslime« genau zu fassen.
Siehe auch: Mario Peucker, Islamfeindlichkeit – die empirischen Grundlagen, in dem wirklich hervorragenden, sehr umfassenden Sammelband: Thorsten Gerald Schneiders (Hrsg.), Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen, Wiesbaden 2009, S. 155.
Vgl. auch: Mark Terkissidis, Die Banalität des Rassismus. Migranten zweiter Generation entwickeln eine neue Perspektive, Bielefeld 2004.
Jean-Paul Sartre, Betrachtungen zur Judenfrage, in: ders., Drei Essays, Berlin 1986, S. 143.
Zu einer Diskussion kollektiver Identität in genetischer Perspektive: Carolin Emcke, Kollektive Identitäten. Sozialphilosophische Grundlagen, Frankfurt 2000.
Vgl auch Hilal Sezgin, Kopftuchfrauen, in: Süddeutsche Zeitung, 17. Dezember 2009.
Dazu später mehr.
Der Spiegel, 26. März 2003.
Heiner Bielefeld, Das Islambild in Deutschland, in: Thorsten Gerald Schneiders (Hrsg.), Islamfeindlichkeit, S. 175.
Navid Kermani, Wer ist wir? Deutschland und seine Muslime, München 2009, S. 17.
Siehe auch meinen Aufsatz »Liberaler Rassismus« in diesem Band.
EUMC, Muslims in the European Union. Discrimination and Islamophobia, Wien 2006.
Konsortium Bildungsberichterstattung (Hrsg.), Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration, Bielefeld 2006.
Oder andere Gläubige, andere Gruppen, die aufgrund ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer Sexualität, ihrer vermeintlichen Andersartigkeit als fremd gelten.
Siehe auch Klaus-Michael Bogdal, Europa erfindet die Zigeuner, Berlin 2011.
Siehe auch: Carolin Emcke, Wie wir begehren, Frankfurt 2013, S. 21f.
für Silvia
»Das Unsägliche geht, leise gesagt, übers Land«
Ingeborg Bachmann
»So, doch womit soll man anfangen,
mit welchen Worten?
Ganz gleich, fang mit den Worten an …«
Sascha Sokolow